Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt gesichtsfeminisierende Eingriffe durch Haartransplantationen sowie eine beidseitige Augenbrauenanhebung.
Sie ist 1965 geboren und bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Bei ihr besteht die Diagnose einer gesicherten Transsexualität von Mann zu Frau. Sie beantragte am 6. Juni 2016 unter Einreichung eines ärztlichen Attestes des Facharztes für Plastische und Ästhetische Chirurgie Dr. Sch vom 4. Dezember 2015 Eigenhaartransplantationen der Stirn und der Geheimratsecken sowie eine Augenbrauen-Anhebung. Die Kosten für die beantragte ambulante Haartransplantation betragen ausweislich eines Kostenvoranschlages vom 5. September 2017 7.021,00 €.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 13. Juni 2016 ab, da Haartransplantationen und Augenbrauenlifting keine Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung seien.
Die Klägerin erhob Widerspruch: Bei Transsexualität bestehe ein Anspruch auf Leistungen zur Angleichung an das typische weibliche Erscheinungsbild. Bei dem bei ihr vorliegenden Transsexualismus bestimme sich das erforderliche Maß der Behandlungen zur Veränderung des Erscheinungsbildes danach, dass ein Zustand erreicht werde, der aus Sicht eines verständigen Betrachters dem Erscheinungsbild des empfundenen Geschlechts deutlich angenähert sei.
Sie habe ausgeprägt männliche Gesichtszüge.
Die Beklagte veranlasste die Einholung eines sozialmedizinischen Gutachtens durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg (MDK) vom 15. September 2016 und wies anschließend den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2016 zurück: Aus sozialmedizinischer Sicht bestehe keine Leistungspflicht der Krankenkasse für die begehrten Leistungen.
Die Klägerin hat hiergegen am 3. November 2016 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben. Zur Begründung führt sie aus, die Beklagte habe nicht vollumfänglich geprüft, dass die beantragten Eingriffe für eine Annäherung an das typische weibliche Erscheinungsbild notwendig seien. Perücken könne sie nur im Winter tragen, da es im Sommer zu Hautjucken und Hautirritationen komme. Sie befinde sich seit 2009 durchgehend in Behandlung aufgrund leichter Depressionen. Diese führe sie vor allem darauf zurück, nicht mit den Anfeindungen anderer Menschen umgehen zu können, welche sie vor allem auf ihr männliches Aussehen zurückführe.
Das SG hat Befundberichte eingeholt und die Beiziehung der dem MDK-Gutachten zu Grunde liegenden ärztlichen Stellungnahme veranlasst.
Es hat die Klage mit Urteil vom 9. Oktober 2018 abgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, es seien keine Eigenhaartransplantationen an Stirn und Geheimratsecken und keine Augenbrauenanhebung notwendig, um eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des weiblichen Geschlechts im Gesicht zu erreichen. Nach dem persönlichen Eindruck von der im Termin erschienenen Klägerin, den die Richterinnen der Kammer in der mündlichen Verhandlung gewonnenen hätten, liege bereits jetzt aus der Sicht eines verständigen Betrachters bei der Klägerin eine Annäherung an das Erscheinungsbild des weiblichen Geschlechts vor, auch in Bezug auf Gesicht und Kopfhaare, konkret an das Erscheinungsbild einer 52-jährigen Frau.
Gegen diese am 1. November 2018 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin vom 21. November 2018. Zu deren Begründung hat die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Sie klage auch heute über noch andauernde zwischenmenschliche und soziale Probleme, die von ihren ausgeprägt männlichen Gesichtszügen herrührten und aus ihrer Sicht nicht zum restlichen weiblichen Erscheinungsbild passten. Das SG habe nicht den Blickwinkel eines verständigen Betrachters eingenommen, sondern sich vom persönlichen Eindruck der Kammer leiten lassen ohne die gegenteiligen ärztlichen und psychologischen Darlegungen zu berücksichtigen. Auch die vorgelegte Fotodokumentation und das subjektive Empfinden der Klägerin sei außer Acht gelassen worden. Unberücksichtigt sei auch geblieben, dass die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung extra mit einem passenden Damenhut erschienen sei, mit dem die Geheimratsecken bedeckt bzw. kaschiert werden sollte. Im Urteil werde auch nicht darauf eingegangen, dass die Klägerin die von der Beklagten erhaltene Perücke nur im Winter habe tragen können. Diese passe jetzt auch nicht mehr farblich zu den vorhandenen natürlichen Haaren. Eine Perücke sei nur bei kurzen natürlichen Haaren möglich. Ihre sie behandelnde Psychotherapeutin habe bereits im Attest vom 3. Januar 2019 dringend die Kostenübernahme empfohlen, „zur Stimmigkeit“ und zur Besserung ihrer depressiven Entwicklung.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. Oktober 2018 und den Bescheid vom 13. Juni 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für feminisierende Eingriffe in Form einer Eigenhaartransplantation an Stirn und Geheimratsecken und in Form eines beidseitigen Augenbrauenliftings bei Transsexualität von Mann zu Frau zu übernehmen
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt aus, ein Haarersatz komme bei Transsexualität in Betracht, wenn aufgrund des ursprünglich männlichen Haarwuchses kein ausreichend weibliches Erscheinungsbild erzielt werde und dies zu einer entstellenden Wirkung führe. Eine solche liege hier nicht vor, zumal zum Ersatz des Kopfhaares/Haupthaares Vollperücken und Teilbereichsperücken zur Verfügung stünden. Es sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin nachweislich an allergischen Reaktionen der Kopfhaut oder anderen nachgewiesenen krankheitsbedingten Unverträglichkeiten leide. Zudem seien Haartransplantationen keine Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (Bezugnahme u. a. auf Urteil des Senats vom 12. Mai 2006 – L 1 KR 1109/05).
Eine höhere Platzierung der Augenbrauen könne über kosmetische Mittel erreicht werden.
Der Senat hat im Internet veröffentlichte Bilder der Klägerin in das Verfahren eingeführt. Der Verwaltungsvorgang der Beklagten lag zur mündlichen Verhandlung vor und war Gegenstand der Erörterungen.
Entscheidungsgründe
Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Ablehnungsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Klägerin hat als gesetzlich Krankenversicherte nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
Bei der Klägerin besteht Transsexualismus in Gestalt einer psychischen Krankheit, deren Behandlung notwendig ist. Dies steht für die Beteiligten außer Streit und ergibt sich aus den eingereichten ärztlichen Attesten. Sie hat damit Ansprüche auf geschlechtsangleichende Operationen, beschränkt auf einen Zustand, bei dem aus der Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eintritt (vgl. BSG, Urteil vom 11. September 2012 – B 1 KR 3/12 R – juris-Rdnr. 18 und 23).
Bei Anwendung des Maßstabes eines verständigen Betrachters kann das subjektive Empfinden der Klägerin allenfalls mitberücksichtigt werden. Relevant ist nicht, ob aus Sicht dieses Betrachters die Klägerin ein weibliches Erscheinungsbild hat. Der Zustand muss dem gewollten Geschlecht lediglich deutlich angenähert sein (BSG a. a. O.). Das äußere Erscheinungsbild ist dabei auch nicht auf eine isolierte Betrachtung einzelner Körperregionen beschränkt. Maßgeblich ist vielmehr der Gesamteindruck. Die dem MDK-Gutachten zugrundeliegende Fotodokumentation zeigt von der Klägerin ausschließlich Teile des Kopfes. Dass sich bei einer Betrachtung isoliert der Stirn, der Haare sowie des Kopfprofils nur bis zur Unterlippe ein typisch männliches Erscheinungsbild zeigt, kann deshalb nur ein Aspekt der Gesamtbetrachtung sein.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung einen eigenen Eindruck vom Erscheinungsbild der Klägerin gewinnen können und stimmt dem Urteil des SG zu, dass die Klägerin bereits jetzt auch ohne die begehrten Eigenhaartransplantationen und ohne Augenbrauenlifting ein annähernd weibliches, ihrem Alter entsprechendes, Erscheinungsbild hat.
Die Berufung scheitert aber zusätzlich auch daran, dass es sich bei den primär begehrten Haartransplantationen um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB) handelt, für welche der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) noch keine positive Empfehlung abgegeben hat.
Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, gegebenfalls modifiziert durch die Grundsätze grundrechtsorientierter Auslegung (vgl. § 2 Abs 1a SGB V). Diese allgemeinen Vorgaben werden für den ambulanten Bereich durch § 135 SGB V konkretisiert. NUB in der vertragsärztlichen Versorgung sind gemäß § 135 Abs 1 S. 1 SGB V grundsätzlich nur dann von der Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung umfasst, wenn zunächst der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs 1 S. 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat und der Bewertungsausschuss sie zudem zum Gegenstand des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) gemacht hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 S. 2 Nr. 5 i. V. m. § 135 Abs. 1 SGB V wird nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt, § 91 Abs. 6 SGB V (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. zuletzt Urteil v. 26. Mai 2020 – B 1 KR 21/19 R –Rdnr. 13).
"Neu" ist eine Behandlungsmethode, wenn sie (bisher) nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im EBM-Ä enthalten ist. Dies ist bei schönheitschirurgischen Eingriffen regelmäßig der Fall.
Dieses Kriterium ist auch bei der Eigenhaartransplantation erfüllt (so bereits Urt. des Senats vom 12. Mai 2006 –L 1 KR 1109/05–, juris-Rdnr. 15, juris). Als chirurgische Leistung wird die Hauttransplantation bei behaarter Kopfhaut im EBM nach wie vor lediglich im Zusammenhang mit Eingriffen bei Verbrennungen und Verätzungen genannt (Arztgruppen EBM Chirurgie, Stand 1. Quartal 2021, Anhang 2: Zuordnung zu operativen Prozeduren zum Kapitel 31 2.24 Operationen an Haut und Unterhaut, z. B. OPS 2021 5-927.2h), die Eigenhaartransplantation als solche ist an keiner Stelle aufgeführt. Der GBA hat sich mit ihr nicht befasst.
Ein Sachleistungsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 1a SGB V, der unter anderem voraussetzt, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung oder wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliegt. Daran fehlt es hier.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.