L 26 KR 225/19

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
26.
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 4 KR 195/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 26 KR 225/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Bis zur Einführung von § 137c SGB V zum 1. Januar 2000 konnten im Rahmen stationärer Behandlungen außerhalb von erlassener Erprobungsrichtlinien nur Methoden angewandt werden, die den Anforderungen des allgemeinen Qualitätsgebots genügten, soweit kein Fall von § 2 Abs. 1a SGB V vorlag. Keine Erfüllung der Anforderungen des Qualitätsgebots durch einen bioresorbierbaren Stent im Jahr 2014.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 24. Mai 2019 wird zurückgewiesen.

 

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Zusatzentgelten für die Implantation eines bioresorbierbaren medikamentenbeschichteten Stents (Bioresorbable Vascular Scaffold System – BVS – der Firma Abbot Vascular – im Folgenden: Absorb-Stent) im Rahmen einer stationären Behandlung eines Versicherten der Beklagten im Jahr 2014.

 

Die Klägerin betreibt das in den Krankenhausplan des Landes Brandenburg aufgenommene Krankenhaus  B Die Herzchirurgie war 2014 im Krankenhausplan ein besonders beplanter Fachbereich mit 129 vollstationären Betten. Die Beklagte ist eine gesetzliche Krankenkasse, bei der der Patient J M (im Folgenden: Versicherter) jedenfalls im hier relevanten Zeitraum Januar 2014 gesetzlich krankenversichert gewesen ist.

 

Zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und der Landeskrankenhausgesellschaft Brandenburg e.V. wurde ein Vertrag über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung (§ 112 Abs. 2 Nr. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – SGB V) vom 8. Oktober 1996 in der Fassung vom 22. September 1997 abgeschlossen, dessen § 18 auszugsweise wie folgt lautet:

 

(4) Die zuständige Krankenkasse bezahlt die Rechnungen innerhalb von 14 Kalendertagen nach Rechnungseingang. Als Tag der Zahlung gilt der Tag der Übergabe des Überweisungsauftrages an ein Geldinstitut oder der Übersendung von Zahlungsmitteln an das Krankenhaus. Ist der Fälligkeitstag ein Samstag, Sonntag oder gesetzlicher Feiertag, verschiebt er sich auf den nächstfolgenden Arbeitstag. Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art können auch nach Bezahlung der Rechnung geltend gemacht und die Differenzbeträge verrechnet werden.

 

Nach bereits vorangegangenen Aufenthalten erfolgte die erneute elektive Aufnahme des Versicherten am 21. Januar 2014 u.a. bei bekannter koronarer Dreigefäßerkrankung (3-KHK), Diabetes mellitus, arteriellem Hypertonus, Nikotinabusus, Hyperlipoproteinämie und Lipoprotein(a)-Erhöhung in das von der Klägerin betriebene Krankenhaus. Es sollte die Versorgung einer 70prozentigen proxymalen RIVA-Stenose erfolgen. Am 22. Januar 2014 wurde die perkutane transluminale Coronarangioplastie mit Stenteinsetzung (PCTA) durchgeführt. Dabei wurde ein Absorb-Stent verwandt, der im Gegensatz zu herkömmlichen Stents aus Metall(geflecht) aus biosresorbierbaren Material besteht, das vom Körper selbst abgebaut wird. In der schriftlichen Dokumentation über die am 21. Januar 2014 vorausgegangene Aufklärung und Einwilligung des Versicherten ist die Art des Stents nicht gesondert erwähnt und keine der möglichen Untersuchungsmethoden angekreuzt. Der Versicherte wurde am 23. Januar 2014 in die ambulante Weiterbehandlung entlassen.

 

Zunächst auf digitalem Weg am 30. Januar 2014 und sodann – nach Einleitung einer Fallprüfung durch die Beklagte – schriftlich unter dem 24. Februar 2014 stellte die Klägerin der Beklagten für die stationäre Behandlung insgesamt – nach Abzug der Zuzahlung des Versicherten in Höhe von 30,00 Euro – 4.866,95 Euro in Rechnung. Neben der – zwischen den Beteiligten nicht strittigen – Fallpauschale für die PCTA und gesetzlich vorgesehenen Zuschlägen rechnete die Klägerin folgende Zusatzentgelte (jeweils ohne Kürzung/Zuschlag) ab:

 

K13NUB19A            8-83d.0* / bioresorbierbarer Stent / Ers

            76197721                  21.01.2014    21.01.2014                                       2.500 €

 

            K14Z101.01              Medikamente-freisetzende Koronarstents

            76ZEA101                21.01.2014    21.01.2014                                       235,94 €

 

Die vollständige Rechnungssumme wurde von der Beklagten am 5. Februar 2014 bezahlt. Nach Veranlassung einer Prüfung durch die Beklagte insbesondere hinsichtlich der Zusatzentgelte zeigte der damalige Medizinische Dienst der Krankenkassen (MdK) unter dem 11. Februar 2014 der Klägerin die Prüfung an und forderte mit weiterem Schreiben vom selben Tag Behandlungsunterlagen an.

 

Nach Nichteingang der Behandlungsunterlagen nahm der MdK mit Gutachten vom 26. Mai 2014 dahingehend Stellung, dass die Zweifel der Beklagten hinsichtlich der Korrektheit der abgerechneten Zusatzentgelte nicht ausgeräumt werden könnten.

 

Nachdem die Klägerin die Behandlungsunterlagen nachgereicht hatte, erstattete der MdK ein weiteres Gutachten vom 13. November 2014. Hierin ist die Gutachterin Dipl.-Med. T zu dem Ergebnis gelangt, dass die Prozeduren 883b0b und 883d00 bei Anwendung eines medikamentenbeschichteten, bioresorbierbaren Absorb-Stents plausibel erbracht seien. Die Anwendung sei jedoch sozialmedizinisch nicht ausreichend begründet. Die Prozeduren würden daher nicht kodiert. Es handele sich bei der Anwendung des genannten Stents um ein neues Behandlungsverfahren. Bei dem Versicherten habe eine nicht akut lebensbedrohliche Erkrankung, jedoch eine Erkrankung mit hohem Risiko lebensbedrohlicher Komplikationen bestanden. Zur Behandlung der 3-KHK mit 70prozentiger proximaler RIVA-Stenose habe die Möglichkeit der Anwendung etablierter Therapieverfahren wie der Angioplastie mit nichtmedikamentenbeschichtetem Ballonkatheter, der Angioplastie mit nachfolgender Anwendung eines medikamentenbeschichteten oder nicht medikamentenbeschichteten Stents bestanden. Hinsichtlich des angewendeten Stents lägen nicht vergleichende einarmige Studien vor. Eine Überlegenheit der Einlage bioresorbierbarer, medikamentenbeschichteter Stents sei in diesen Studien nicht bewiesen werden. Ergebnisse einer Phase-III-Studie würden erst im Jahr 2016 erwartet.

 

Mit Schreiben vom 26. November 2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie gemeinsam mit dem MdK zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Entgelte 76ZEA101 und 76197721 sozialmedizinisch nicht begründet gewesen seien. Auf das übermittelte MdK-Gutachten wurde verwiesen. Sie setzte eine Frist bis zum 7. Januar 2015, nach deren Ablauf die Beklagte mit dem Einverständnis mit der Korrektur ausgehe. Sie bat um Gutschrift, eine neue Rechnung und ggf. eine korrigierte Entlassungsanzeige. Andernfalls würde sie den Differenzbetrag mit anderen Rechnungen der Klägerin verrechnen oder gesondert zurückfordern. Am 23. Januar 2015 verrechnete die Beklagte den Betrag von 2.735,94 Euro mit einer weiteren unstreitigen Vergütungsforderung der Klägerin. Dabei wurden der Klägerin elektronisch für den Abzugsbetrag die Referenzdaten des Behandlungsfalles des Versicherten benannt.

 

Mit ihrer am 21. Mai 2015 zum Sozialgericht Frankfurt (Oder) erhobenen Klage hat die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des verrechneten Betrages nebst Zinsen begehrt. Sie hat auf die zwischenzeitlich abgeschlossene Budgetvereinbarung zwischen den Beteiligten für das Jahr 2014 vom 29. Dezember 2014, genehmigt durch das Ministerium für Umwelt und Gesundheit und Verbraucherschutz am 19. Januar 2015, verwiesen, in der entsprechende Zusatzentgelte für neue Behandlungsmethoden vereinbart worden seien. Der Anspruch der Klägerin ergebe sich aus dieser nach § 6 Abs. 2 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntG) geschlossenen Vereinbarung. Ein Ausschluss durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) nach § 137c SGB V liege nicht vor. Die Entgelte seien auch vereinbarungsfähig gewesen. Der Abschluss der Budgetvereinbarung begründe Vertrauensschutz, das Verhalten der Beklagten sei treuwidrig. Denn der Abschluss der Vereinbarung sei mit der jetzigen Zahlungsvereinbarung unvereinbar und stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar (Bezugnahme auf Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 15. November 2012 – Az.: IX ZR 103/11, und Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 12. November 2012 – Az.: B 3 KR 10/11).

 

Die Klägerin hat zudem im Kern die Auffassung vertreten, entgegen der Rechtsprechung des BSG sei es für einen Behandlungsanspruch des Versicherten ausreichend, dass die Behandlungsmethode das Potential für eine erforderliche Behandlungsalternative habe. Hinsichtlich der Anforderungen des BSG an die Erfüllung des Qualitätsgebots (Urteil vom 21. März 2013 – Az.: B 3 KR 2/12 R) hat die Klägerin die Position vertreten, dass zum 11. Juni 2015 eine klarstellende Änderung durch den Gesetzgeber erfolgt sei. Zu diesem Zeitpunkt ist (mit Wirkung ab dem 23. Juli 2015) § 137c Abs. 3 SGB V in das Gesetz eingefügt worden, der lautete:

 

(3) Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach Absatz 1 getroffen hat, dürfen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Absatz 1 noch nicht abgeschlossen ist.

 

Eine solche Klarstellung seines Willens sei dem Gesetzgeber auch nicht verwehrt (Bezugnahme auf LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 15. Januar 2002 – Az.: LVG 3/01). Bei dem Versicherten hätte der bioresorbierbare Stent Vorteile geboten, weil bei Patienten, die zu Stenosen neigen, bei Folgeeingriffen sich kein störendes Metall in den Gefäßen befinde. Auch die Kurzstreckigkeit der Stenose habe für die Verwendung des bioresorbierbaren Stents gesprochen. Die Behandlungsmethode habe unter Zugrundelegung der Anforderungen von § 14 Abs. 3 der Verfahrensordnung des GBA das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative.  Sie hat zum Beleg hierfür Kopien bzw. Ausdrucke von Studien bzw. Fachartikeln aus den Jahren ab 2011 vorgelegt.

 

Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf die Feststellungen des MdK an der Auffassung festgehalten, dass die Behandlungsweise nicht erforderlich und deshalb unwirtschaftlich gewesen sei. Sie entspreche nicht dem Qualitätsgebot. Die Neuregelung in § 137c Abs. 3 SGB V sei zum Zeitpunkt der Behandlung noch nicht in Kraft gewesen. Sie hat dem Sozialgericht eine weitere gutachterliche Stellungnahme des MdK vom 30. November 2015 vorgelegt, in der dieser an seiner Auffassung festgehalten hat.      

 

Die Beklagte hat dem Sozialgericht ferner eine Auswertung der Studienlage des MdK Bayern (Privatdozent Dr. med. habil. D) zu bioresorbierbaren Koronarstents vom 17. März 2014 vorgelegt.

 

Nach vorangegangener Äußerung beider Beteiligter zur Notwendigkeit, zu dem Maßstab und den Anforderungen an Beweisfragen hat das Sozialgericht mit Beweisanordnung vom 14. Mai 2018 Univ.-Prof. Dr. M, Direktor der Klinik für Herzchirurgie des Herzzentrums der Universitätsklinik D, zum Sachverständigen ernannt und ihn mit der Erstattung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. In seinem Gutachten vom 16. Juli 2018 hat der Sachverständige unter anderem ausgeführt, dass die bei dem Versicherten durchgeführte Koronarangiografie mit anschließender PCTA des RIVA offensichtlich geplant gewesen sei und einen üblichen Eingriff darstelle. Es habe sich nicht um eine Notfalloperation gehandelt. Auf die Beweisfrage, ob die bestehende hochmaligne Stenose ausschließlich durch die Anwendung eines medikamentenbeschichteten bioresorbierbaren Stents zu behandeln gewesen sei und welche Behandlungsalternativen bestanden hätten, hat der Sachverständige dargelegt, dass die Behandlung der RIVA-Stenose mittels eines solchen Stents im Jahr 2014 eher ungewöhnlich gewesen sei. Zum damaligen Zeitpunkt habe es keine klinischen Daten gegeben, die einen Vorteil dieser Behandlungsmethode nachgewiesen hätten. Die Datenlage im Jahr 2014 sei eher so gewesen, dass in den Studien habe nachgewiesen werden sollen, ob die Verwendung des bioresorbierbaren Stents gleichwertig mit der Standardbehandlung sei. Die Standardbehandlung im Jahr 2014 wäre sicher die Verwendung eines medikamentenbeschichteten Stents gewesen. Auf die entsprechende Beweisfrage hat sich der Sachverständige der Einschätzung des MdK im Gutachten vom 13. November 2014 angeschlossen und auf drei von ihm dem Sozialgericht auszugsweise vorgelegte Literaturstellen verwiesen. In allen drei Studien sei es um den Nachweis einer Nichtunterlegenheit des bioresorbierbaren Stents gegangen. Dieser Nachweis sei gelungen, es habe sich jedoch kein Vorteil der neuen Therapieform nachweisen lassen. Insofern sei dem MDK zuzustimmen, dass es durchaus Behandlungsalternativen zu dem verwendeten bioresorbierbaren Stent gegeben habe. Aufgrund neuer Studien gebe es keine große Mehrheit, die die Behandlungsmethode befürworte. Fokussiert werde, dass in manchen Fällen die Behandlung mit einem bioresorbierbaren Stent nicht schlechter sei als eine konventionelle Behandlung. Bis heute gebe es keine eindeutigen Daten, die einen Vorteil der Behandlungsform nachwiesen. Bezüglich des Absorb-Stents hat der Sachverständige angemerkt, dass dieser bereits vom Markt genommen sei. Wegen des weiteren Inhalts wird auf das schriftliche Gutachten Bezug genommen.

 

Die Klägerin hat zu dem Gutachten maßgeblich dahingehend Stellung genommen, dass der Einschätzung des Sachverständigen entgegen ihrer Rechtsauffassung die Rechtsprechung des 1. Senats des BSG zu Grunde liege. Zudem komme es für die von ihr aufgeworfene Fragestellung eines Potentials einer erforderlichen Behandlungsmethode auf die Studienlage im Januar 2014 an. 

 

Nach entsprechenden Einverständniserklärungen beider Beteiligter hat das Sozialgericht durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 24. Mai 2019 die Klage abgewiesen und die „Gerichtskosten“ der Klägerin auferlegt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass nach der Überzeugung der Kammer im Ergebnis der gerichtlichen Beweisaufnahme die streitige Behandlungsmaßnahme 2014 nicht das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative gehabt habe und die Klägerin deshalb nicht berechtigt gewesen sei, die Behandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen. Nach dem schlüssigen Gutachten des Sachverständigen sei die Behandlung der RIVA-Stenose mittels medikamentenbeschichteten bioresorbierbaren Stents im Jahr 2014 eher ungewöhnlich gewesen. Zum damaligen – für die Entscheidung maßgeblichen – Zeitpunkt habe es keine klinischen Daten gegeben, die einen Vorteil dieser Methode nachgewiesen hätten.

 

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigen am 7. Juni 2019 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 19. Juni 2019 bei dem Landessozialgericht eingegangenen Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie vertritt nunmehr die Auffassung, dass Rechtsgrundlage die Budgetvereinbarung zwischen den Beteiligten für das Jahr 2013 – genehmigt mit Bescheid vom 19. September 2013 – sei, da die Budgetvereinbarung für 2014 erst nach Erteilung der Genehmigung zum 1. Februar 2015 in Kraft getreten sei. Auf diese Vereinbarung (für 2013) habe die Klägerin bei der Abrechnung auch zurückgegriffen. Die Ausgangsinstanz habe übersehen, dass auch für Fallgestaltungen aus 2014 auf die Klarstellung des Gesetzgebers mit dem Versorgungsstärkungsgesetz zurückzugreifen sei, der dem § 137c SGB V einen Absatz 3 angefügt hat. Sie verweist auf das Urteil des 11. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. Dezember 2018 (Az.: L 11 KR 206/18), der der Auffassung des BSG (Bezugnahme auf Urteil vom 19. Dezember 2017 – Az.: B 1 KR 17/17 R) nicht gefolgt sei, § 137c SGB V schaffe nur Raum für den GBA, Richtlinien zur Erprobung nach § 137e SGB V zu beschließen, wenn die Nutzenüberprüfung im Rahmen des § 137c SGB V ergeben habe, dass der Nutzen der Methode noch nicht hinreichend belegt sei, sie aber das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative biete. Sie greift das im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte Gutachten unter dem Gesichtspunkt an, dass die gestellten Fragen auf der von ihr nicht geteilten Auffassung des 1. Senats des BSG beruhen würden. Sie verweist auf die auch in der Begründung des Entwurfs des Versorgungsstärkungsgesetzes gefundene Auffassung der Geltung des Prinzips der Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt in der Krankenhausversorgung (Bezugnahme auf BT-Drs. 18/4095 Seite 122). Für die Erfüllung der Anforderungen einer Behandlung mit entsprechendem Potential verweist die Klägerin auf Ausführungen der Schiedsstelle Brandenburg vom 14. Dezember 2015 (Az.: 03/2015) sowie näher bezeichnete und (erstinstanzlich und erneut auf Bitte des Senats im Berufungsverfahren) in Kopie eingereichte Fachpublikationen, die im Januar 2014 vorgelegen hätten. Sie behauptet zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, dass es sich bei dem eingesetzten Absorb-Stent im Januar 2014 um eine Methode mit Behandlungspotenzial gehandelt habe, nicht, dass es sich zu diesem Zeitpunkt um eine allgemein anerkannte Standardmethode gehandelt habe.

 

Die Klägerin beantragt,

 

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 24. Mai 2019 zu verurteilen, an sie 2.735,94 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten seit dem 23. Januar 2015 über dem Basiszinssatz zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts, die sie vollumfänglich für zutreffend hält. Sie hält die Behandlung mit einem bioresorbierbaren Stent unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG weiterhin weder für medizinisch indiziert noch für wirtschaftlich im Sinne des § 39 Abs. 1 SGB V. Budgetvereinbarungen berechtigten nicht zur Abrechnung entgegen einschlägiger Qualitätsbestimmungen (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 21. April 2015 – Az.: B 1 KR 9/15 R – Rn. 33). Die Beklagte wirft ferner die Frage einer hinreichenden Aufklärung des Versicherten über die neuartige Behandlungsweise auf. Ärzte müssten bei neuen, noch nicht allgemein eingeführten Verfahren explizit darauf hinweisen, dass etwaige Risiken nicht einschätzbar seien und u.a. unbekannte Komplikationen auftreten könnten (Bezugnahme auf OLG Hamm, Urteil vom 26. Januar 2018 – Az.: 26 U 76/17).

 

Mit Schreiben des Berichterstatters vom 11. Juni 2020 hat der Senat vorsorglich darauf hingewiesen, dass der in der Patientendokumentation vorhandene Aufklärungsbogen kein Kreuz bei den vorgesehenen Untersuchungen enthalte, der Anamnesebogen bis auf den Datenaufkleber des Versicherten in keinem Punkt ausgefüllt gewesen sei und die handschriftlich notierten Stichpunkte zum Inhalt des Aufklärungsgesprächs nur teilweise zu lesen seien. Zudem stimmte der Namen einer von der Klägerin benannten Zeugin nicht mit der ärztlichen Unterschrift auf dem Aufklärungsbogen überein.

 

Mit Schriftsatz vom 19. August 2020 hat die Klägerin Name und Anschrift der das Gespräch führenden Ärztin mitgeteilt, die jedoch nicht mehr bei der Klägerin tätig sei. Die Beteiligten haben in der Folge weiter streitig zu den Anforderungen an die Aufklärung vorgetragen.

 

Auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten, die Patientenakte der Klägerin über die Behandlung des Versicherten und die Gerichtsakte, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, wird ergänzend Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Sie ist ebenso wie die mit ihr weiterverfolgte Klage unbegründet, wie das Sozialgericht im Ergebnis zutreffend entschieden hat.

 

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung aus dem geltend gemachten unstreitigen Vergütungsanspruch, gegen den die Beklagte in Höhe der streitigen Zusatzentgelte aufgerechnet hat.

 

Die Klägerin verfolgt ihren Zahlungsanspruch zulässigerweise im Wege einer allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG), weil die Beteiligten bei Ansprüchen über die Vergütung stationärer Leistungen zueinander im Gleichordnungsverhältnis stehen. Der geltend gemachte Anspruch beruht auf einer anderweitigen, unstreitig bestehenden Vergütungsforderung der Klägerin gegen die Beklagte. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass die eingeklagte Forderung selbst nicht näher bezeichnet ist. Der Senat ist auf Basis des Vortrags der Beteiligten überzeugt, dass eine solche Forderung besteht. Insbesondere bei Beteiligten mit besonderer professioneller Kompetenz – wie vorliegend – sieht der Senat im Rahmen des ihm eröffneten pflichtgemäßen Ermessens (§ 103 SGG) keinen Grund zur Ermittlung von Einzelheiten von Amts wegen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 26. Mai 2020 – Az.: B 1 KR 26/18 R – Rn. 11 bei Juris).

 

Mit der Rückforderung aus der streitigen Abrechnung hat die Beklagte jedoch wirksam gegen die eingeklagte Forderung aufgerechnet.

 

Die Bestimmungen über die Aufrechnung in §§ 387ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) finden vorliegend über die ausdrückliche Verweisung in § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V entsprechende Anwendung. Eine wirksame Aufrechnung erfordert eine hinreichend bestimmte Aufrechnungserklärung (§ 388 BGB, sogleich 1.) sowie das Bestehen gleichartiger fälliger Forderungen, hier mithin also eines durchsetzbaren Rückforderungsanspruchs der Beklagten (sogleich 2.). Beide Voraussetzungen liegen zur Überzeugung des Senats vor.

 

1.        

 

Die Beklagte hat die Aufrechnung mit der Gegenforderung aufgrund der zu Unrecht abgerechneten Zusatzentgelte für den streitigen Einsatz eines bioresorbierbaren Stents bei dem Versicherten während des stationären Aufenthalts im Januar 2014 hinreichend bestimmt erklärt. Eine solche Aufrechnungserklärung lag noch nicht im Schreiben vom 26. November 2014, weil die Beklagte hierin mehrere Möglichkeiten zur Rückabwicklung der Mehrforderung genannt hat. Sie hat sich daher in diesem Schreiben eine künftige Aufrechnung nur vorbehalten und keine unbedingte (vgl. zur Unwirksamkeit bedingter Aufrechnungserklärungen § 388 BGB) Aufrechnung erklärt. Die Einbehaltung der streitigen Forderung unter gleichzeitiger Übermittlung der Falldaten der beanstandeten Behandlung des Versicherten Mvom 21. bis 23. Januar 2015 ist indes als Aufrechnungserklärung auszulegen. Auf die Frage, ob die vertragliche Verrechnungsabrede in § 18 Abs. 4 Satz 4 des Brandenburger Vertrages über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung (§ 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V) vom 8. Oktober 1996 in der Fassung vom 22. September 1997 weiter reicht, kommt es daher vorliegend nicht an.

 

2.

 

Der Beklagten stand am 23. Januar 2015 eine Rückforderung in Höhe der für die stationäre Behandlung vom 21. bis 23. Januar 2014 ursprünglich in Rechnung gestellten Zusatzentgelte zu, weil die Klägerin insoweit mangels entsprechenden Leistungsanspruchs des Versicherten keinen Vergütungsanspruch hat.

 

Rechtsgrundlage für die Vergütung der Behandlung des Versicherten der Beklagten im genannten Zeitraum sind § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V, § 17 b Abs. 1 Satz 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), § 6 Abs. 2, § 7 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und der Brandenburger Vertrag über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung (§ 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V) vom 8. Oktober 1996 in der Fassung vom 22. September 1997. Das Gesetz regelt zwar einen Zahlungsanspruch nicht ausdrücklich, setzt ihn aber in den Bestimmungen über die Höhe des Entgelts als bestehend voraus (BSG, Urteil vom 26. Mai 2020 – Az.: B 1 KR 26/18 R – Rn. 11 bei Juris). Nach ständiger Rechtsprechung entsteht die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V objektiv erforderlich gewesen ist.

 

Als in den Landeskrankenhausplan aufgenommen ist das von der Klägerin betriebene Krankenhaus zugelassen, ohne dass es eines Versorgungsvertrages bedarf (sog. Plankrankenhaus, vgl. § 108 Nr. 2 SGB V).

 

Die Erforderlichkeit der stationären Behandlung in Form einer Angioplastie und Stenteinsetzung steht als solche zwischen den Beteiligten außer Streit und war auch zur Überzeugung des Senats gegeben. Hingegen war die Behandlung mit dem eingesetzten Absorb-Stent nicht erforderlich.

 

Zum Zeitpunkt der Behandlung musste die stationäre Behandlung die allgemeinen Anforderungen an die Erforderlichkeit i.S.d. § 39 SGB V einschließlich des Qualitätsgebots erfüllen (sogleich a). Diese Anforderungen wurde durch die Regelung des § 137c Abs. 3 SGB V für den Zeitraum vor seinem Inkrafttreten nicht modifiziert (sogleich b). Zur Überzeugung des Senats erfüllte die Behandlungsmethode mit dem eingesetzten Absorb-Stent diese Anforderungen nicht (sogleich c). Schließlich bestand auch kein Leistungsanspruch des Versicherten nach § 2 Abs. 1a SGB V (sogleich d). Auch aus der Budgetvereinbarung nach § 6 Abs. 2 KHEntG ergab sich kein Anspruch der Klägerin (sogleich e).

 

a)

 

Die Erforderlichkeit einer stationären Behandlung setzt die Erfüllung des Qualitätsgebots des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V voraus. Die Erfüllung dieser Anforderungen ist – im hier streitigen Behandlungszeitraum – nach der ständigen Rechtsprechung des BSG Voraussetzung für einen Vergütungsanspruch des Krankenhauses. Das Qualitätsgebot (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) gilt nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes für alle Leistungsbereiche des SGB V und wird in § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB V auch als „allgemeiner Grundsatz“ des Leistungserbringungsrechts im Ersten Abschnitt des Vierten Kapitels des SGB V ausdrücklich hervorgehoben. Danach haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Das Qualitätsgebot gilt nach dieser Gesetzeskonzeption uneingeschränkt auch im Leistungserbringungsrecht (insgesamt so ausdrücklich BSG, Urteil vom 19. Dezember 2017 – Az.: B 1 KR 17/17 R mit umfassenden weiteren Nachweisen). Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung dieser Auffassung an.

 

Der Klägerin ist zuzugeben, dass die sozialgerichtliche Rechtsprechung nach Einführung von § 137c SGB V zum 1. Januar 2000 zunächst davon ausgegangen ist, dass neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Rahmen stationärer Aufenthalte angewandt werden konnten, solange keine gegenteilige Entscheidung des früheren Ausschusses Krankenhaus bzw. nunmehr des GBA vorlag. Vielmehr ging das BSG ausdrücklich davon aus, dass die Prüfung der Einhaltung des Qualitätsgebots von neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nicht den Krankenkassen und Gerichten obliegt (BSG, Urteil vom 19. Februar 2003 – Az.: B 1 KR 1/02 R). § 137c Abs. 1 SGB V ist dabei als umfassende Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt verstanden worden (statt vieler Bockholdt in Hauck/Noftz, SGB V, K § 109 Rn. 172). Tragend war aber insoweit bereits in dieser ursprünglichen Entscheidung die prozedurale Wirkung der Regelung, d.h. die Frage, wem die Prüfung der Einhaltung des Qualitätsgebots oblag, nicht hingegen der materielle Prüfungsmaßstab. An der Geltung des Qualitätsgebots hat auch die ursprüngliche Rechtsprechung des BSG keine Zweifel gelassen.

 

Diese zunächst vertretene Auffassung unter Geltung des § 137c SGB V hat das BSG indes ausdrücklich wieder aufgegeben und betont, dass auch im stationären Bereich das allgemeine Qualitätsgebot aus § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V zu beachten sei, was auch die Einheit der Rechtsordnung gebiete (grundlegend BSG, Urteil vom 28. Juli 2008 – Az.: B 1 KR 5/08 R – Rn. 51, 52 bei Juris). Eine Krankenhausbehandlung, die nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolge und deshalb für den Patienten Schadensersatzansprüche sowie für den Krankenhausarzt strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehe, müsse nicht von den Krankenkassen bezahlt werden. Die Wirkung von § 137c SGB V beschränke sich darauf, dass anders als im ambulanten Bereich (vgl. § 135 SGB V) eine präventive Kontrolle in einem förmlichen Verfahren nicht stattfinde, sondern allein im Einzelfall nach entsprechenden Beanstandungen. Die Kompetenz (vgl. zur Trennung der Frage des Prüfungsmaßstabs und der Kompetenzfrage: Stallberg, NZS 2017, 332ff., 334) zur Prüfung der Einhaltung des Qualitätsgebots lag nach dieser Entscheidung zunächst bei den Krankenhäusern selbst und bei Beanstandung bei den Krankenkassen und den Gerichten (so später ausdrücklich BSG, Urteil vom 19. Dezember 2017 – Az: B 1 KR 17/17 R).

 

An dieser Rechtsprechung hat das BSG auch nach der Ergänzung des § 137c Abs. 1 SGB V zum 1. Januar 2012 um die Handlungsmöglichkeit einer Richtlinie zur Erprobung für den Fall, dass der Nutzen der Behandlungsmethode noch nicht hinreichend belegt ist, aber die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative biete, und Einführung der entsprechenden Regelung in § 137e SGB V festgehalten (BSG, Urteil vom 21. März 2013 – Az.: B 3 KR 2/12 R ; Urteil vom 17. Dezember 2013 – Az.: B 1 KR 70/12 R; Urteil vom 19. Dezember 2017 – Az: B 1 KR 17/17 R). Nach dieser Rechtsprechung des BSG ist die Regelung des § 137c Abs. 1 SGB V als Verbotsvorbehalt ohne damit verbundene grundsätzliche Erlaubnis einzuordnen (BSG in der letztgenannten Entscheidung Rn. 21 bei Juris). 

 

Bereits seit der Abkehr von der ursprünglichen Auffassung zur Einordnung von § 137c SGB V als Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt ist die Rechtsprechung des BSG Gegenstand erheblicher Kritik im Schrifttum gewesen. Sie wurde u.a. als Negierung der Konzeption des § 137c SGB V und Beeinträchtigung der Befugnisse des GBA charakterisiert (etwa Felix SGb 2009, 360ff., 369; Bender, NZS 2012, 761ff., 766f.). Die Neufassung des § 137c Abs. 1 SGB V zum 1. Januar 2012 wurde – auch unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien – als Grund für eine Abkehr von der vorherigen Rechtsprechung des BSG angesehen, diese ignoriere den Wortlaut des § 137c SGB V schlicht (Felix/Deister NZS, 2013, 81ff., 87; vgl. insgesamt zur Entwicklung bis zum Inkrafttreten von § 137c Abs. 3 SGB V Stallberg, NZS 2017, 332ff.).

 

Auch in Kenntnis dieser Kritik folgt der Senat der Rechtsprechung des BSG für den Zeitraum bis zum Inkrafttreten des § 137c Abs. 3 SGB V am 23. Juli 2015. Für die maßgebliche Frage, wem die Kontrolle der Einhaltung des materiell-rechtlich geltenden Qualitätsgebots obliegt, ist davon auszugehen, dass nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes die vollständige gerichtliche Überprüfbarkeit der Rechtslage der Normal- und nicht der Ausnahmefall ist. Denn nach der Rechtsprechung des BVerfG ist im gewaltenteilenden Staat grundgesetzlicher Prägung die letztverbindliche Normauslegung und auch die Kontrolle der Rechtsanwendung im Einzelfall grundsätzlich den Gerichten vorbehalten (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 – Az.: 1 BvR 857/07 – Rn. 75 bei Juris). Die Verlagerung der Befugnis zum Treffen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Entscheidungen zunächst von den Krankenkassen und in der Folge von den Gerichten auf Gremien wie den GBA bedarf verfassungssystematisch betrachtet der Rechtfertigung und nicht der Normallfall der eigenen vollen Kontrolle durch die Gerichte. Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) für den vergleichbaren Fall eines gerichtlich nur begrenzten Beurteilungsspielraums gefordert, dass sich ein solcher (grundsätzlich) ausdrücklich aus dem Gesetz oder durch Auslegung hinreichend deutlich ermitteln lässt (BVerfG aaO. Rn. 74). Erforderlich wäre hier eine eindeutige Bestimmung, dass die Entscheidung (über die Nichterbringbarkeit) auch außerhalb von Erprobungsrichtlinien abschließend der Richtliniensetzungsbefugnis des GBA zugewiesen wird. Eine hinreichende Regelung in diesem Sinne lag zur Überzeugung des Senats mit § 137c SGB V weder in der Fassung ab dem 1. Januar 2000 noch in der Fassung ab dem 1. Januar 2012 vor. Dass die Entscheidungsbefugnis des GBA seit 2012 über die Ermöglichung der nicht voll dem Qualitätsgebot genügenden Leistungserbringung im Rahmen von Erprobungsrichtlinien hinausgehen sollte, ist dem Gesetz nicht in der grundgesetzlich gebotenen hinreichenden Klarheit zu entnehmen. Damit sieht der Senat im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG durch die Rechtsänderung zum 1. Januar 2012 auch keine Änderung der materiellen Qualitätsanforderungen an Krankenhausleistungen außerhalb erlassener Erprobungsrichtlinien.

 

b)

 

Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt für den Zeitraum vor dem 23. Juli 2015 der Regelung in § 137c Abs. 3 SGB V keine Bedeutung zu. Dabei geht der Senat entgegen der früheren Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 24. April 2018 – B 1 KR 13/16 R; Urteil vom 8. Oktober 2019 – Az.: B 1 KR 3/19 R) davon aus, dass § 137c Abs. 3 SGB V mit Wirkung ab seinem Inkrafttreten grundsätzlich auch zu einem Leistungsanspruch des Versicherten bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen (insbesondere Behandlungspotential) führt (siehe nunmehr BSG, Urteil vom 25. März 2021 – Az.: B 1 KR 25/20 R – zitiert nach Terminbericht; vgl. zur Kritik an der Rechtsprechung des BSG Anmerkung zu B 1 KR 3/19 R von Schifferdecker NZS 2018, 694ff.). Ausgehend von der verfassungsrechtlich begründeten Auffassung des Senats kommt zunächst eine rückwirkende Einschränkung der eigenen gerichtlichen Prüfung der Einhaltung des Qualitätsgebots nur durch eine Regelung mit entsprechendem temporalem Charakter in Betracht. Eine solche liegt nicht vor. Ebenso wenig sind die Anforderungen des Qualitätsgebots rückwirkend geändert worden. Dem Gesetzgeber hätte die Möglichkeit einer rückwirkenden Neuregelung – im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen – offen gestanden. Er hat eine solche Regelung mit Wirkung für die Vergangenheit im Rahmen der Inkrafttretensvorschriften nicht getroffen. Die Bezeichnung – nicht allein, aber auch – als Klarstellung in den Gesetzesmaterialien (wörtlich in der Begründung des Entwurfs des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes BT-Drs. 18/4095 Seite 121: „gesetzliche Konkretisierung und Klarstellung“) vermag daran nichts zu ändern. Im System der grundgesetzlichen Gewaltenteilung steht dem Gesetzgeber die Setzung des geschriebenen Rechts zu. Das Recht zur – hier rückwirkenden – Vorgabe einer verbindlichen Auslegung außerhalb des Gesetzestextes steht im gewaltenteilenden Staat nicht der Legislative zu. Der Senat sieht sich insoweit im Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG, das zur Frage einer authentischen Interpretation zur rückwirkenden „Klarstellung“ in § 22b des Fremdrentengesetzes ausgeführt hat (Beschluss vom 21. Juli 2010 – Az.: 1 BvL 11/06 u.a. – Rn. 73 bei Juris):

 

Die in der Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG n.F.

in Anspruch genommene Befugnis des Gesetzgebers zur authentischen Interpretation ist für die rechtsprechende Gewalt nicht verbindlich. Sie schränkt weder die Kontrollrechte und -pflichten der Fachgerichte und des Bundesverfassungsgerichtes ein noch relativiert sie die verfassungsrechtlichen Maßstäbe. Zur verbindlichen Auslegung einer Norm ist letztlich allein die rechtsprechende Gewalt berufen, die gemäß Art. 92 GG den Richtern anvertraut ist (vgl. BVerfGE 65, 196 <215>; 111, 54 <107>). Dies gilt auch für die Frage, ob eine Norm konstitutiven oder deklaratorischen Charakter hat. Der Gesetzgeber ist zwar befugt, im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung zu handeln, zu der auch die aus den Grundrechten und dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Grenzen für rückwirkende Rechtsetzung gehören, und dabei gegebenenfalls eine Rechtsprechung zu korrigieren, mit der er nicht einverstanden ist. Er kann diese Ausgangslage und die Prüfungskompetenz der Gerichte aber nicht durch die Behauptung unterlaufen, seine Norm habe klarstellenden Charakter. Eine durch einen Interpretationskonflikt zwischen Gesetzgeber und Rechtsprechung ausgelöste Normsetzung ist nicht anders zu beurteilen als eine durch sonstige Gründe veranlasste rückwirkende Gesetzesänderung (vgl. LVerfG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 15. Januar 2002 - LVG 3/01, LVG 5/01 -, juris, Rn. 60).

 

Allein den Gesetzesmaterialien kommt insoweit auch keine ausschlaggebende Bedeutung zu (BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2004 – Az.: 2 BvR 383/03 – Rn. 190 bei Juris m.w.N.). Eine Korrektur von von ihm für unzutreffend gehaltener Rechtsprechung hat der Gesetzgeber im Wege der ausdrücklichen (rückwirkenden) Regelung vorzunehmen, wobei er deren verfassungsrechtlichen Grenzen zu prüfen hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. März 1965 – Az.: 2 BvL 17/63 zu einer vermeintlichen Beseitigung einer Rechtsunsicherheit durch eine rückwirkende Regelung im Versorgungsrecht). Soweit die Klägerin auf die vom sächsisch-anhaltinischen Landesverfassungsgerichtshof für möglich erachtete „authentische Interpretation“ durch den Gesetzgeber verweist (Urteil vom 15. Januar 2002 – Az.: LVG 5/01), handelte es sich um eine ausdrückliche Regelung im Gesetzestext selbst, nicht um bloße Ausführungen in der Begründung späterer Rechtsänderungen mit Wirkungen für die Zukunft. Im Übrigen ist auch in dieser Entscheidung davon ausgegangen worden, dass eine Äußerung außerhalb des Gesetzestextes (durch bloßen Parlamentsbeschluss) nur für die zukünftige Auslegung Bedeutung hätte (aaO. Rn. 27 bei Juris).

 

Aus denselben Gründen ist die auch in früheren Gesetzesbegründungen (Gesetzesmaterialien zum GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003 (BT-Drucks 15/1525 Seite 126) und zum GKV-Versorgungsstrukturgesetz vom 22. Dezember 2011 (BT-Drucks 17/6906 Seite 86 zu Nr. 54 und Seite 88) zu Grunde gelegte Charakterisierung der Regelung des § 137c SGB V in der Fassung bis zum 22. Juli 2015 – entgegen der Rechtsprechung des BSG – als Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt nicht entscheidend, wie das BSG bereits entschieden hat (Urteil vom 21. März 2013 – Az.: B 3 KR 2/12 R – Rn. 22 bei Juris). Selbst soweit man davon ausginge, dass diese Ausführungen als Wille des Gesetzgebers im Sinne der Methodenlehre zu Grunde zu legen sind, fehlt es auch insoweit an dem erforderlichen hinreichenden Niederschlag im Gesetzestext (vgl. BSG, Urteil vom 8. Oktober 2019 – Az.: B 1 KR 2/19 R – Rn. 23 bei Juris) vor dem 23. Juli 2015.

 

c)

 

Das vom Senat demnach umfassend zu prüfende Qualitätsgebot erfordert nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, dass die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dieses setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode – die in ihrer Gesamtheit und nicht nur in Bezug auf Teilaspekte zu würdigen ist – zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein. Diese Anforderung darf aber nicht als starrer Rahmen missverstanden werden, der unabhängig von den praktischen Möglichkeiten tatsächlich erzielbarer Evidenz gilt (insgesamt hierzu BSG, Urteil vom 19. Dezember 2017 – Az: B 1 KR 17/17 R m.w.N.).

 

Unter Berücksichtigung der Gesamtheit der vorliegenden Unterlagen, des beidseitigen Vortrags und insbesondere des Gutachtens des Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. M

gelangt der Senat zu der Überzeugung, dass die genannten Anforderungen im Januar 2014 nicht vorgelegen haben. Insbesondere fehlte es an der Befürwortung der Behandlungsmethode durch eine große Mehrheit der einschlägigen Fachleute. Vielmehr handelte es sich um eine neue Behandlungsmethode, deren wissenschaftliche Bewertung noch nicht abgeschlossen gewesen ist.

 

So führt der Sachverständige Univ.-Prof. Dr. M, an dessen besonderer Sachkunde aufgrund seiner Stellung als Direktor einer universitären Herzklinik der Senat keine Zweifel hat, aus, dass die Methode im Januar 2014 ungewöhnlich gewesen sei. Aus der auf einer Analyse der Studienlage beruhenden Stellungnahme von PD Dr. Dr. D für den MdK Bayern vom 17. März 2014 (und daher in zeitlicher Nähe zur hier streitigen Behandlung) ergibt sich, dass für den eingesetzten Stent zwei Studien zu Nutzen und Schaden gefunden werden konnten (ABSORB A und ABSORB B), bei denen es sich um Fallserien, d.h. nicht vergleichende einarmige Studien gehandelt habe. Da eine Kontrollgruppe jeweils gefehlt habe, könne nicht ausgeschlossen werden, dass beobachtete Effekte nicht allein auf der Implantation des Stents, sondern z.B. auf Veränderungen im Krankheitsstatus oder andere Gründe der ausgewählten Patienten zurückzuführen seien. Die Ergebnisse beider Studien hätten nur deskriptiven Wert, da Fallserien aufgrund der fehlenden Kontrollgruppe keine belastbare Nutzen-/Schadenbewertung zuließen. Damit ist weder von hinreichenden wissenschaftlichen Studien und erst recht nicht vom evidenzbasierten Konsens über die Zweckmäßigkeit auszugehen. Diese Studienauswertung ermöglicht dem Senat auch die erforderliche Feststellung auf breiter Grundlage (vgl. zu den Anforderungen etwa BSG, Urteil vom 19. März 2020 – Az.: B 1 KR 20/19 R Rn. 16 bei Juris).

 

Letztlich ist zwischen den Beteiligten nach der ausdrücklichen Tatsachenbehauptung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auch unstreitig, dass die Verwendung des Absorb-Stents im Januar 2014 keine allgemein anerkannte Standardmethode gewesen ist. Die Klägerin behauptet nur, dass die Methode über das entsprechende Behandlungspotential verfügte, was indes ausgehend von der Rechtsauffassung des BSG und des Senats nicht für die Annahme eines Leistungsanspruchs ausreicht.

 

Nur ergänzend weist der Senat daher darauf hin, dass sich auch aus den von der Klägerin vorgelegten medizinischen Fachaufsätzen keine Indizien für eine Unrichtigkeit der dargestellten tatsächlichen Überzeugung ergeben.

 

Die Klägerin selbst weist zutreffend darauf hin, dass es auf die Erkenntnislage im Januar 2014 ankommt. Soweit sie auf später veröffentlichte, auch randomisierte Studien und Übersichtsarbeiten aus den Jahren 2015 und später hinweist (Anlagen K24 bis K30), sind diese für die streitige Behandlung ohne Bedeutung. Dass diese Studien durchgeführt worden sind, ist vielmehr allenfalls als bestätigendes Indiz dafür zu werten, dass im Januar 2014 eben noch keine hinreichenden wissenschaftliche Erkenntnisse vorgelegen haben. Dies bestätigen auch auszugsweise die von der Klägerin vorgelegten, aus dem Zeitraum von vor Januar 2014 stammenden Fachpublikationen. So wird im Aufsatz von Capodanno et al. (Anlage K2, beruhend auf einer Registerauswertung) ausgeführt, dass Langzeitdaten erst noch erwartet werden (dort Seite 9). In dem als Anlage K3 vorgelegten Aufsatz von Latib et al. wird auf Seite 257 ausgeführt: „However, the experience in a true all-comer population has been limited“. In den Schlussfolgerungen des Aufsatzes wird darauf hingewiesen, dass es keine veröffentlichten Daten zu den klinischen Ergebnissen bei Patienten mit komplexeren Läsionen gebe (Seite 261).  Der als Anlage K5 vorgelegte Bericht aus dem Jahr 2013 – wie andere der vorgelegten Aufsätze (etwa Anlage K 14, Einzelfallbericht Anlage K15) auch – betrifft die erste von PD Dr. Dr. D ausgewertete Studie (ABSORB A) und bestätigt, dass es sich um eine einarmige Studie handelte. Der am 12. Januar 2014 erschienene Bericht „Bioresorbable vascular scaffold in acute ST-segment elevation mycardial infarction: a prospective multicentre study ‚Prague 19‘“ (vorgelegt als Anlage K6) betrifft Myokardinfarktpatienten und geht im Übrigen selbst davon aus, dass wegen der geringen Anzahl von Patienten keine definitiven Schlussfolgerungen gezogen werden könnten (dort Seite 7). Dasselbe gilt für die Berichte ähnlicher klinischen Testungen, die in den als Anlagen K7 und K9 vorgelegten Berichten dargestellt sind. In der Gesamtschau der vorgelegten Unterlagen ergibt sich für den Senat kein Anhaltspunkt, dass sich für den Behandlungszeitraum der evidenzbasierte Konsens über die Zweckmäßigkeit feststellen ließe. Exemplarisch belegt dies der Aufsatz von Iqbal et al., „Bioresorbable scaffolds: rationale, current status, challenges, and future“, European Heart Journal, 2014, 765ff., (vorgelegt als Anlage K 23), der bei Erstveröffentlichung am 23. Dezember 2013 die geplanten weiteren Studien graphisch darstellt (dort Seite 776), die die Autoren auch für notwendig erachtet haben, wenn sie in ihrer Schlussfolgerung ausführen:

 

„Undoubtedly, further technological refinements to overcome current challenges and long-term safety and efficacy data from adequately powered clinical trials are required.“ (Unzweifelhaft sind weitere technische Verfeinerungen zur Überwindung gegenwärtiger Herausforderungen und Langzeitdaten zu Sicherheit und Wirksamkeit aus angemessen ausgestatteten klinischen Studien erforderlich.)

 

Nur hilfsweise stellt der Senat in diesem Zusammenhang fest, dass ein Anspruch sich auch dann nicht ergeben würde, wenn man die neueste Rechtsprechung des BSG zu einem Leistungsanspruch für den Zeitraum nach Inkrafttreten von § 137c Abs. 3 SGB V bereits für den hiesigen Behandlungszeitraum anwenden wollte. Denn nach dieser Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 25. März 2021 – Az: B 1 KR 25/20 R – zitiert nach Terminbericht) haben Versicherte vor Erlass einer Erprobungsrichtlinie Anspruch auf die Versorgung mit Potentialleistungen nur im Rahmen eines individuellen Heilversuchs, wenn es

 

  1. um eine schwerwiegende, die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung geht, wenn
  2. keine andere Standardbehandlung verfügbar ist und wenn
  3. die einschlägigen Regelungen der Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Annahme des Potentials einer erforderlichen Behandlungsalternative erfüllt sind.

 

Unabhängig von der Einordnung der Erkrankung des Versicherten scheitert ein solcher Anspruch vorliegend daran, dass zur Behandlung der bestehenden Stenose zur Überzeugung des Senats eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung zur Verfügung stand. Es wäre hier die Einsetzung eines Stents aus Metall möglich gewesen. Insoweit stützt der Senat seine Überzeugungsbildung maßgeblich auf das Gutachten des Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. M.

 

 

d)

 

Ein Anspruch des Versicherten auf Versorgung mit dem eingesetzten Absorb-Stent ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 1a SGB V. In Konkretisierung des grundrechtlichen Schutzes des Lebens (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 – Az.: 1 BvR 347/98) können hiernach Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Auch einem solchen Leistungsanspruch steht jedenfalls die Verfügbarkeit einer allgemein anerkannten, dem medizinischen Standard entsprechenden Behandlungsmethode entgegen (Verwendung eines Stents aus Metallgeflecht, siehe oben).

 

e)

 

Auch die zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Budgetvereinbarungen (NUB-Vereinbarungen) nach § 6 Abs. 2 KHEntG (in der bis zum 6. Dezember 2015 geltenden Fassung) führen nicht zu einem Vergütungsanspruch für die streitigen Zusatzentgelte der Klägerin. Danach sollen die Vertragsparteien die Vergütung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die mit den Fallpauschalen und Zusatzentgelten nach § 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 KHEntG noch nicht sachgerecht vergütet werden können und die nicht gemäß § 137c SGB V von der Finanzierung ausgeschlossen worden sind, zeitlich befristete, fallbezogene Entgelte oder Zusatzentgelte vereinbaren. Durch diese Preisbildungsvereinbarungen wird jedoch die Frage, ob die Behandlungsmethode zu Lasten der GKV erbracht werden darf, nicht präjudiziert. Weder begründen diese Vereinbarungen selbst einen unbedingten Zahlungsanspruch dem Grunde nach noch schließen sie die Anwendung des Qualitätsgebots aus (vgl. BSG, Urteil vom 21. März 2013 – Az.: B 3 KR 2/12 R – Rn. 23 bei Juris; Urteil vom 8. Oktober 2019 – Az.: B 1 KR 2/19 R – Rn. 28ff. bei Juris zu einer im Einzelfall bestehenden NUB-Vereinbarung; a.A. etwa Bender, NZS 2012, 761ff., 764). Auch insoweit legt der Senat die Rechtsprechung des BSG zu Grunde. Aufgrund des Charakters als Preisbildungsvereinbarungen hat die Budgetvereinbarung auch keinen Einfluss auf einen Vergütungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des treuwidrigen Verhaltens der Beklagten.  Für eine solche Erwägung bleibt bereits deshalb kein Raum, weil auch bei Nichterfüllung der Anforderungen des Qualitätsgebots ein Anspruch des Versicherten nach § 2 Abs. 1a SGB V im Einzelfall bestehen kann, für den die Vereinbarung nach § 6 Abs. 2 KHEntG die Vergütung regelt. Soweit die Klägerin jedenfalls ursprünglich Vertrauensschutz unter dem Gesichtspunkt des Abschlusses der Budgetvereinbarung am 29. Dezember 2014 für das Jahr 2014 vor der durchgeführten Aufrechnung geltend gemacht hat, steht dem bereits in tatsächlicher Hinsicht entgegen, dass die Beklagte bereits mit Schreiben vom 26. November 2014 die Rechnung beanstandet hatte.

 

Mangels Nichtbeachtung des Qualitätsgebots bei der Versorgung des Versicherten mit einem Absorb-Stent bestand kein Anspruch auf die beiden für die einheitliche Leistung geltend gemachten Zusatzentgelte. Auch unter dem Gesichtspunkt eines fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens ergibt sich kein Anspruch auf das Zusatzentgelt nur für den Einsatz eines medikamentenbeschichteten Stents. Vielmehr hat die Klägerin keinen Anspruch über die unstreitig gebliebene Fallpauschale hinaus. Anders als grundsätzlich bei unwirtschaftlichen Leistungsgegenständen ist es nach der Rechtsprechung des BSG bei unwirtschaftlicher Gestaltung erforderlicher Krankenhausbehandlung nicht stets geboten, zu einem völligen Vergütungsausschluss zu gelangen. Das BSG hat eine Vergütung in der Höhe, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten anfiele, für den Fall überlanger Behandlungsdauer und bei unwirtschaftlichem Fallsplitting bejaht. Gleiches gilt nach der Rechtsprechung des BSG, wenn das Krankenhaus eine geeignete und ausreichende, aber nicht erforderliche erlösrelevante Variante der Behandlung wählt (insgesamt hierzu BSG, Urteil vom 10. März 2015 – Az.: B 1 KR 2/15 R – Rn. 19 m.w.N.). Die Verwendung eines medikamentenbeschichteten Stents aus Metallgeflecht kann in Anwendung dieser Grundsätze, denen der Senat folgt, nicht als fiktives Alternativverhalten zu Grunde gelegt werden. Denn die tatsächlich erfolgte Implantation eines bioresorbierbaren Stents war nicht eine unwirtschaftlichere, gleich geeignete und ausreichende Behandlung, sondern mangels Erfüllung des auch dem Schutz der Versicherten dienenden Qualitätsgebots aus dem Leistungsanspruch ausgeschlossene Methode. Diese Konstellation ist mit der Wahl einer anderen, gleich geeigneten und ausreichenden Methode mit höheren Kosten nicht vergleichbar. 

 

Der eingeklagte Zahlungsanspruch ist daher in Höhe der erklärten Aufrechnung erloschen.

 

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). In Hinblick auf den auf die Gerichtskosten beschränkten Kostenausspruch des Sozialgerichts war auszusprechen, dass die Klägerin insgesamt die Kosten des Verfahrens (vgl. § 154 Abs. 1 VwGO) für beide Instanzen zu tragen hat.

 

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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