Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. November 2021 geändert.
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern mit Wirkung vom 1. Januar 2022 eine Zusicherung zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die Wohnung Grpfad , B, zu erteilen. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in beiden Instanzen.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragsteller ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; soweit das Sozialgericht (SG) die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das erstinstanzliche Verfahren abgelehnt hat, ist die Beschwerde nicht begründet und war zurückzuweisen. Der Antragsgegner war in Gestalt einer gerichtlichen Regelungsanordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einstweilen zu verpflichten, den Antragstellern eine Zusicherung zu den Aufwendungen der im Tenor bezeichneten Wohnung zu erteilen (Wohnfläche 68,01 m²; Bruttokaltmiete mtl 888,89 €; Heiz- und Warmwasserkosten mtl 121,19 €).
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist zulässig. Es besteht insbesondere ein Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte einstweilige Anordnung, da ein Umzug bislang nicht erfolgt und auch noch kein Mietvertrag abgeschlossen worden ist, und zwar ungeachtet dessen, dass die erstrebte Zusicherung keine Anspruchsvoraussetzung für die Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) iSv § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) ist (vgl zu der gleichlautenden Vorgängerregelung in § 22 Abs. 2 SGB II in der bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung schon Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 10/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 2 - Rn 27). Denn der Zusicherung gemäß § 22 Abs. 4 SGB II, bei der es sich um einen Verwaltungsakt handelt (vgl BSG, Urteil vom 22. November 2011 - B 4 AS 219/10 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 57 - Rn 11 mwN), kommt die Funktion zu, vor einem Umzug zu klären, ob die höheren KdUH übernommen werden. Die Regelung dient damit ua auch dem Schutz des Hilfebedürftigen vor den weitreichenden Konsequenzen einer etwaigen „Deckelung“ nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II (vgl BSG, Urteil vom 30. August 2010 - B 4 AS 10/10 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 40 - Rn 17). Die Antragsteller beziehen sich auch auf ein konkretes Wohnungsangebot (vgl zu diesem Erfordernis etwa BSG, Urteil vom 25. April 2018 - B 14 AS 21/17 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 95 - Rn 23). Die Wohnung ist nach Auskunft der Vermieterin – Deutsche Wohnen – auch noch verfügbar.
Mit der vorläufigen Verpflichtung des Antragsgegners ist zudem keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache verbunden, da eine endgültige Klärung im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens sowohl nachträglich möglich als auch zumutbar ist. Einem Hauptsacheverfahren nach erfolgtem Umzug zur speziellen Frage, ob die beantragte Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II zu Recht oder zu Unrecht abgelehnt wurde, fehlte jedenfalls im Hinblick auf die ggf nicht vom Antragsgegner übernommenen tatsächlichen Aufwendungen für die neue Unterkunft nicht das Rechtsschutzbedürfnis (vgl BSG, Urteil vom 22. November 2011 - B 4 AS 219/10 R - Rn 12; anders möglicherweise bei bereits anhängigem sozialgerichtlichen Verfahren zur Höhe der KdUH BSG, Urteil vom 6. April 2011 - B 4 AS 5/10 R - juris - Rn 14f; vgl zum Ganzen auch Sächsisches Landessozialgericht <LSG>, Beschluss vom 15. Dezember 2020 – L 7 AS 245/20 B ER – juris). Im Ergebnis bedeutete dies, dass die Antragsteller bei einem Unterliegen in einem möglichen Hauptsacheverfahren ggf einem Kostensenkungsverfahren seitens des Antragsgegners ausgesetzt wären, sollten sich die KdUH im Hauptsacheverfahren als nicht angemessen erweisen.
Der Erteilung der begehrten Zusicherung im Wege einer einstweiligen Anordnung steht auch nicht entgegen, dass im einstweiligen Rechtsschutzverfahren der SGB II-Leistungsträger zur Erteilung einer (endgültigen) Zusicherung iSv § 22 Abs. 4 SGB II in aller Regel nicht verpflichtet werden kann, sondern allenfalls zur vorläufigen Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft. Die hier begehrte (grundsätzlich) "vorläufige Zusicherung" ist für einen Leistungsberechtigten letztlich zwar nur dann von Nutzen, wenn sie auf Dauer Bindungswirkung entfaltet (vgl hierzu etwa mit Hinweisen auf die Rspr weiterer Landessozialgerichte Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 11. November 2020 – L 6 AS 153/20 B ER - juris - Rn 5). Ist aber eine Anmietung der in konkret in Aussicht genommenen Wohnung – ie hier auch die Vermieterin klargestellt hat – nur mit einer Zusicherung zu den Gesamtkosten der Unterkunft überhaupt möglich, gebietet es die Rechtsschutzgarantie in Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz, dass in zwingenden Fällen auch im Eilverfahren insoweit eine Vorwegnahme der Hauptsache erfolgt. Ansonsten wäre dem Leistungsberechtigten ein – erforderlicher – Wohnungswechsel in diesen Fällen faktisch verwehrt, weil eine Anmietung ohne Zusicherung von vornherein ausscheidet.
Vorliegend war die begehrte Regelung anzuordnen. Die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen nach dem SGB II liegen vor.
Im Übrigen gilt Folgendes: Gemäß § 22 Abs. 4 SGB II soll die leistungsberechtigte Person vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. Dafür ist im ersten von zwei größeren Schritten zunächst die abstrakte Angemessenheit und dann in einem zweiten Schritt die konkrete Angemessenheit der Aufwendungen zu prüfen (stRspr des BSG, vgl zuletzt Urteil vom 21. Juli 2021 – B 14 AS 31/20 R – Rn 27 mwN). Die Ermittlung der abstrakt angemessenen Aufwendungen hat unter Anwendung der Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu erfolgen: Bestimmung der (abstrakt) angemessenen Wohnungsgröße für die leistungsberechtigte(n) Person(en), Bestimmung des angemessenen Wohnungsstandards, Ermittlung der aufzuwendenden Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept, Einbeziehung der angemessenen kalten Betriebskosten (vgl zur Produkttheorie grundlegend BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 3 - Rn 20; BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 - B 14 AS 24/18 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 101 – Rn 20).
Nach diesen Grundsätzen ist die Größe der in Aussicht genommenen Wohnung (68,01 m²) für vier Personen jedenfalls angemessen, ohne dass es insoweit weiterer Ausführungen bedarf (vgl zur Angemessenheit einer 80 m²-Wohnung schon für einen Drei-Personen-Haushalt in Berlin BSG, Urteil vom 3. September 2020 – B 14 AS 37/19 R – juris – Rn 19). Der Umzug aus der 2-Zimmer-Wohnung (40 m²) ist für die Antragsteller wegen beengter Platzverhältnisse für vier Personen auch erforderlich und wird vom Antragsgegner auch nicht in Abrede gestellt. Abschließende Feststellungen zur Angemessenheit der Bruttokaltmiete der in Aussicht genommenen Wohnung vermag der Senat indes nicht treffen, weil es hierzu mangels eines schlüssigen Konzepts des Antragsgegners weitergehender, im gerichtlichen Eilverfahren untunlicher Sachermittlungen insbesondere (auch) zur tatsächlichen Verfügbarkeit angemessenen Wohnraums bzw nach den Angemessenheitswerten des Antragsgegners verfügbaren Wohnraums für die Antragsteller bedarf (vgl BSG aaO Rn 27,29). Dabei obliegt es grundsätzlich nicht erst den Leistungsberechtigten, zur generellen Anmietbarkeit von Wohnraum im örtlichen Vergleichsraum vorzutragen (vgl BSG aaO Rn 29). Auch der Antragsgegner hat tatsächlich konkret verfügbare andere Wohnungen mit angemessener Wohnfläche nicht bezeichnet; ein allgemeiner Verweis auf möglicherweise anmietbare Wohnungen, ggf auch mit Wohnberechtigungsschein, im örtlichen Vergleichsraum reicht hierfür nicht aus (vgl insoweit die pauschalen Hinweise des Antragsgegners im Schriftsatz vom 8. November 2021).
In Ausfluss der in diesen Fällen verfassungsrechtlich gebotenen Folgenabwägung (vgl Bundesverfassungsgericht <BVerfG>, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – juris) gilt, dass ein möglicherweise bestehender Anordnungsanspruch im Bereich existenzsichernder Leistungen regelmäßig vorläufig zu befriedigen ist, wenn sich die Sach- und Rechtslage nicht vollständig und abschließend klären lässt; dabei gehören zur Deckung des physischen Existenzminimums auch die KdUH-Bedarfe (vgl BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10. Oktober 2017 – 1 BvR 617/14 – juris – Rn 14). Hierbei kann auch nicht eingewandt werden, die Antragsteller lebten bereits geraume Zeit in einer zu kleinen Wohnung. Denn damit würden ihre beengten Wohnverhältnisse und die Unterdeckung des Unterkunftsbedarfs faktisch perpetuiert. Die Unangemessenheit der KdUH der im Rubrum bezeichneten Wohnung folgt auch nicht daraus, dass der Bruttokaltmietzins (die anfallenden Abschläge für Heizung und Warmwasser hat der Antragsgegner bereits selbst als angemessen angesehen, vgl dessen Berechnung in der Anlage zum Bescheid vom 14. Oktober 2021) auch bei Berücksichtigung eines Vier-Personen-Haushalts sogar noch oberhalb des Angemessenheitswerts nach § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zzgl eines Sicherheitszuschlags von 10 % liegen würde (vgl zum möglichen Rückgriff auf § 12 WoGG, wenn das Gericht keine Möglichkeit sieht, abstrakte Angemessenheitswerte selbst festzulegen, BSG aaO Rn 24). Es trifft zwar zu, dass die Bruttokaltmiete der Wohnung iHv 888,89 € mtl den sich nach den genannten Maßgaben ergebenden Wert von 883,80 € geringfügig überschreitet (vgl die insoweit zutreffende Berechnung des SG auf S 6 der angefochtenen Entscheidung). Zu beachten ist aber, dass mWv 1. Januar 2022 die einschlägigen Werte des WoGG erhöht werden und der Bruttokaltmietzins ab diesem Zeitpunkt die Obergrenze nicht mehr übersteigt (vgl Art 1 Nr 2 der Verordnung zur Fortschreibung des Wohngeldes nach § 43 WoGG vom 3. Juni 2021 – BGBl I 1369 -, wonach die monatlichen Höchstbeträge nach Anlage 1 zu § 12 WoGG zum 1. Januar 2022 um 2,788 % erhöht werden); dieser Höchstwert beläuft sich dann hier auf 825,- € (vgl Anlage 1 zu § 12 Abs. 1 WoGG in der ab 1. Januar 2022 geltenden Fassung), zzgl 10 % auf 907,50 €. Entsprechend war die begehrte Regelungsanordnung (erst) ab diesem Zeitpunkt zu erlassen.
Der Anordnungsgrund folgt ohne Weiteres aus dem existenzsichernden Charakter der begehrten Zusicherung.
PKH war den Antragstellern im Hinblick auf die getroffene Kostengrundentscheidung für das erstinstanzliche Verfahren nicht zu bewilligen und die Beschwerde insoweit zurückzuweisen, weil sie durch die Kostentragungspflicht des Antragsgegners insoweit nicht als bedürftig iSv § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) anzusehen sind; Gleiches gilt für das Beschwerdeverfahren.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Für das PKH-Beschwerdeverfahren sind Kosten kraft Gesetzes nicht zu erstatten (vgl § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (§ 177 SGG).