L 1 KR 336/20

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 51 KR 1628/19
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 336/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 4.710,82 € festgesetzt.

Tatbestand

 

 

Im Streit ist ein Erstattungsanspruch in Höhe von 4.710,82 €.

 

Die Beklagte behandelte in ihrem zugelassenen Krankenhaus in der Zeit vom 4. Juli 2014 bis zum 1. August 2014 die bei der Klägerin versicherte W C, vom 14. Mai 2015 bis zum 9. Juni 2015, C D und vom 1. April 2016 bis zum 19. April 2016 H F. Die Klägerin beglich hierfür im jeweils laufenden Jahr 5.844,38 € (C), 11.103,86 € (D) sowie 5.363,54 € (F).

 

Am 9. November 2018 hat die Klägerin beim Sozialgericht Speyer Klage erhoben „wegen: Erstattungsanspruch aus fehlerhafter Abrechnung stationären Aufenthaltes einer/es klägerischen Versicherten“ und schriftlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Zur Begründung hat sie vorgetragen, weil gesetzgeberische Entwürfe zum Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes derzeit eine verkürzte Verjährung von Ansprüchen und bereits vorher eine Präklusion für Klagen von Krankenkassen nach dem 9. November 2018 vorsähen, sei die Klägerin zur Einhaltung des Gebotes, Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben, zu dieser Klage veranlasst.

Mit Schriftsatz vom 5. April 2019 hat die Klägerin erklärt, die Klagesumme ändere sich auf 4.710,82 € und setze sich aus Kürzungsbeträgen von 91,11 € (Behandlungsfall C), 3.959,31 € (Behandlungsfall D) sowie 842,62 € (Behandlungsfall F) zusammen.

Die Klageschrift vom 9. November 2018 habe die Verjährung gehemmt. Die Klage entspreche den Anforderungen des § 92 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Ein bestimmter Antrag sei nach § 92 Abs. 1 S. 3 SGG lediglich als Sollvorschrift zu stellen. Die Klage müsse nach § 92 Abs. 1 S. 1 SGG nur den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand der Klage beinhalten. Der Gesetzgeber habe in einem rechtstaatlich mehr als fragwürdigen Hau-Ruck-Gesetzesverfahren die Verjährungsfrist einseitig zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verkürzt und darüber hinaus eine sehr kurze Klagefrist zum 9. November 2018 implementiert. Es sei ihr deshalb in der kurzen Zeit nur teilweise möglich gewesen, präzise Klageschriftsätze zu verfassen. Es solle ein Normenkontrollverfahren nach Art. 100 Grundgesetz (GG) in Erwägung gezogen werden.

Sie habe in der Sache jeweils einen Erstattungsanspruch, weil für die jeweils vorgenommene Kodierung des OPS 8-550.1 die von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) vorausgesetzte Mindestmerkmale nicht vorlägen (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 19. Dezember 2017 – B 1 KR 19/17 R). In den hier zu beurteilenden Fällen sei nicht dargelegt oder ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Kodierung erfüllt seien. Da es entscheidend auf die Behandlungsdokumentation der Beklagten ankomme, werde beantragt, ihr Einsicht in die vollständige Dokumentation der Beklagten zu gewähren.

 

Die Beklagte hat ausgeführt, die Klage sei bereits unzulässig. Sie entspreche nicht den Mindestanforderungen, die nach § 253 Zivilprozessordnung (ZPO) an eine Klage zu stellen seien. Die verjährungshemmende Wirkung einer Klagerhebung nach § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beziehungsweise hier die gerichtliche Geltendmachung der Forderung nach § 325 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Pflegepersonals (vom 11. Dezember 2018 BGBl I S. 2394 - PpSG) vor dem 9. November 2018 setze voraus, dass der Tatsachenvortrag jedenfalls soviel enthalte, wie dies zur Identifizierung im Sinne einer Abgrenzung des Prozessgegenstandes erforderlich sei, wobei auf den Empfängerhorizont des konkreten Beklagten abzustellen sei.

 

Mit Beschluss vom 15 Juli 2019 hat das Sozialgericht Speyer den Rechtsstreit an das Sozialgericht Berlin (SG) verwiesen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 30. Juli 2020 abgewiesen: Die Klage sei als Leistungsklage gem. § 54 Abs. 1 SGG zulässig, aber unbegründet. Die zugrundeliegenden Ansprüche seien verjährt. Nach § 325 SGB V in der seit 1. Januar 2019 geltenden Fassung seien Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen ausgeschlossen, soweit diese vor dem 1. Januar 2017 bereits entstanden und nicht bis zum 9. November 2018 gerichtlich geltend gemacht worden seien. Die Klägerin mache Anspruch auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen geltend, die vor dem 1. Januar 2017 bereits existiert hätten. Die Erstattungsansprüche seien jeweils in dem Zeitpunkt entstanden, in denen die nach Auffassung der Klägerin rechtsgrundlosen Vergütungen geleistet worden seien, dies sei hier am 8. September 2014, dem 10. Juli 2015 und dem 13. Mai 2016 der Fall gewesen. Die Erstattungsansprüche seien auch nicht bis zum 9. November 2018 gerichtlich geltend gemacht worden. Die Klägerin habe erst mit Schriftsatz vom 5. April 2019 mitgeteilt, welche Ansprüche sie mit der Klage tatsächlich durchsetzen wolle. Bis dahin sei nur erkennbar gewesen, dass es um einen Erstattungsanspruch aus fehlerhafter Abrechnung stationären Aufenthaltes eine/einer klägerischen Versicherten in Höhe von 6.000,00 € gehen solle. Auch bei großzügiger Auslegung dieser Angaben sei für niemanden erkennbar, dass es sich dabei um die mittlerweile spezifizierten drei Erstattungsansprüche habe handeln sollen. Weder sei ein Behandlungszeitraum angegeben worden oder sonstige Anhaltspunkte hinsichtlich der Versicherten, noch habe die Klagesumme etwaige Rückschlüsse ermöglicht. § 325 SGB V sei nicht verfassungswidrig. Die gesetzlichen Krankenkassen seien keine Grundrechtsträger und könnten sich deshalb nicht auf das alleine aus den Grundrechten herzuleitende verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot berufen. Es gäbe kein aus dem Rechtstaatsprinzip folgendes, von Grundrechtsträgerschaft unabhängiges objektivrechtliches Prinzip der Rechtssicherheit oder Rechtskontinuität. Allenfalls denkbar sei eine Verletzung des aus dem Rechtstaatsprinzip herzuleitenden allgemeinen verfassungsrechtliche Willkürverbots, welche hier aber nicht vorliege. Die Regelungen des PpSG enthielten deshalb ausschließlich begünstigende Rückwirkungen.

 

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin vom 14. August 2020: Das PpSG benachteilige einseitig die gesetzlichen Krankenkassen und verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Alleiniger Sinn des neu eingeführten § 325 SGB V sei es gewesen, den Krankenkassen den Rechtsweg abzuschneiden. Dies sei ein eklatanter Verstoß gegen das Rechtstaatsprinzip des Art. 20 Grundgesetz (GG), zumal die Regelungen rückwirkend eingeführt worden seien. Aus Sicht der gesetzlichen Krankenkassen seien die Regelungen des PpSG einseitig negativ.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. August 2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4710,82 € zu zahlen.

 

 

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie führt aus, das SG habe die Klage zu Recht abgewiesen. Es sei ihr nach Klageeingang nicht zuzumuten gewesen, ihr gesamtes Krankenhausinformationssystem nach etwaigen bei der Klägerin versicherten Patienten zu durchsuchen und mit dem begehrten Klagebetrag abzugleichen, um auf diese Weise festzustellen, um welche Behandlungsverhältnis es sich hier habe handeln können, zumal dies anhand des Klagebetrages von 6.000,00 € überhaupt nicht möglich gewesen wäre. Bei einer objektiven Klagehäufung gem. § 260 ZPO wie hier müsse erkennbar sein, aus welchen Einzelforderungen sich die Gesamtklage zusammensetzen. Genüge eine Klage diesen Anforderungen nicht, sei sie unzulässig. Im Übrigen habe die Klägerin selbst nicht dargelegt, weshalb sie keine Zeit gehabt habe, einen detaillierten Klageantrag zu formulieren.

 

Entscheidungsgründe

 

Es konnte im schriftlichen Verfahren entschieden werden. Beide Beteiligten haben mit einer solchen Vorgehensweise einverstanden erklärt.

 

Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.

Die Klage ist zwar zulässig. Mit Eingang des klägerischen Schriftsatzes am 8. April 2019 hat die Klägerin den Gegenstand des Klagebegehrens im Sinne des § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG bezeichnet. Die Sachurteilsvoraussetzungen (Prozessvoraussetzungen) müssen (erst) im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt SGG 13. Auflage 2020 Vor § 51 Rdnr. 20).

 

Die Klage ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das SG entschieden, das die Rückzahlungsansprüche nicht rechtzeitig nach § 325 SGB V (in der bis 19. Oktober 2020 geltenden Fassung, nachfolgend „SGB V a. F.“) bzw. seither § 412 SGB V aufgrund Art. 1 Nr. 36 des Gesetzes zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur (Patientendaten-Schutz-Gesetz – PDSG vom 14. Oktober 2020, BGBl. I S. 2115) bis zum 9. November 2018 geltend gemacht worden sind.

Dies hätte nämlich vorausgesetzt, dass bereits mit dem ursprünglichen Klageschriftsatz die Anforderungen des § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG erfüllt hätten sein müssen. Dies ist nicht der Fall.

Soweit sich die Klägerin auf § 92 Abs. 1 S. 3 und 4 SGG beruft, wonach die Klage (nur) einen bestimmten Antrag enthalten „soll“ und auch die zur Begründung Tatsachen und Beweismittel (nur) angegeben werden „sollen“ und damit eine nachträgliche Bestimmung des Klagegenstandes als ausreichend erachten will, geht dies fehl. Jedenfalls § 325 SGB V a. F/ § 412 SGB V verlangt nicht nur allgemein eine rechtzeitige Klageerhebung, sondern die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche als solche (vgl. Bockholdt in Hauck/Noftz, SGG, 04/19, § 325 SGB V Rdnr. 13). Bei allgemeinen Leistungsklagen – wie hier – bei denen sich der Streitgegenstand nicht bereits aus dem angegriffenen Verwaltungsakt ergibt, setzt die Mitteilung des Gegenstandes des Klagebegehrens nach § 92 Abs. 1 S. 1 SGG voraus, dass der Streitgegenstand abgegrenzt und die Grundlage für eine später etwa erforderliche Zwangsvollstreckung geschaffen wird. Ein Klageantrag ist nur dann hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erlassen lässt (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Beispiel Urt. v. 21. März 2018 – VIII ZR 68/17 – Rdnr. 15 mit weiteren Nachweisen).

Soweit das BSG im Urteil vom 28. September 2006 (B 3 KR 20/05 R) ausgeführt hat, es sei zur Unterbrechung der Verjährung einer Forderung durch Klageerhebung beim Sozialgericht nicht erforderlich, den Klageanspruch bereits zu diesem Zeitpunkt zu spezifizieren oder zu individualisieren, hat sich dies ausdrücklich auf § 92 S. 1 SGG in der Fassung vom 23. September 1975 bezogen, welche bis zum 31. März 2008 gegolten hat (=SGG a. F.). Nach § 92 S. 1 SGG a. F. sollte die Klage die Beteiligten und den Streitgegenstand bezeichnen und einen bestimmten Antrag enthalten. Im Gegensatz zu § 253 Abs. 2 ZPO, der für eine Klageschrift fordert, dass diese eine bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruches enthält, war nach § 92 SGG a. F. aufgrund der Verwendung der Formulierung „soll“ ein bestimmter Inhalt der Klage nicht vorgesehen (BSG, Urteil vom 28. September 2006 – B 3 KR 20/05 R – juris- Rdnr. 14 f). Seit dem 1. April 2008 sind die Mindestanforderungen an eine Klage nach § 92 Abs. 1 S. 1 SGG nunmehr wie nach § 253 Abs. 2 ZPO zwingend.

 

Hier hat das SG bereits zutreffend ausgeführt, dass die Angabe in der Klageschrift vom 8. November 2018 „Erstattungsanspruch aus fehlerhafter Abrechnung stationären Aufenthaltes einer/eines klägerischen Versicherten“ in Höhe von 6.000,00 € zu unkonkret ist. Wie die Klägerin erst im April 2019 klargestellt hat, begehrt sie nicht einen Rückerstattungsanspruch aus der stationären Behandlung eines/einer bei ihr Versicherten, sondern im Wege einer Klagehäufung aus drei Behandlungsfällen, welche in der Summe auch nicht die ursprünglich begehrten 6000,00 € ergeben.

 

Der Senat teilt auch die Auffassung des SG, dass die Klägerin nicht mit Erfolg eine Verfassungswidrigkeit des § 325 SGB V a. F./§ 412 SGB V rügen kann, weil das Rückwirkungsverbot verletzt sei.

Belastende Gesetze, die in schon abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreifen und dadurch echte Rückwirkung entfalten, sind wegen Verstoßes gegen das im Rechtsstaatsprinzip enthaltene Gebot der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes regelmäßig verfassungswidrig (Bundesverfassungsgericht -BVerfG, B. vom 23. März 1971 – 2 BvL 17/69 –, BVerfGE 30, 392-406, juris-Rdnr. 29 mit weiteren Nachweisen).

Zwar handelt es sich bei dem durch das PpSG vom 11. Dezember 2018 eingeführten § 325 SGB V a. F./§ 412 SGB V um eine rückwirkende Regelung, da sie zum Inkrafttreten am 1. Januar 2019 auf das bereits abgelaufene Datum des 9. November 2018 abstellt.

Hier hat die Klägerin allerdings rechtzeitig am 9. November 2018 Klage erhoben.

Sie hat bis heute nicht erläutert, weshalb sie nicht bereits mit der Klageschrift oder wenigstens bis Jahresende den Klagegenstand im Sinne des § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG bestimmt hat, sondern erst im April 2019 die erforderlichen Informationen übermittelt hat.

 

Selbst wenn § 325 SGB V a. F./§ 412 SGB V unwirksam wäre, wären überdies die geltend gemachten Ansprüche nach der durch das PpSG vom 11. Dezember 2018 zum 1. Januar 2019 in Kraft getretene zweijährige Verjährungsfrist nach § 109 Abs. 5 S. 2 SGB V verjährt, da eine gerichtliche Geltendmachung zur Verjährungshemmung bis zum Jahresende 2018 unterblieben ist.

Die Einführung des § 109 Abs. 5 SGB V stellt sich (allenfalls) als unechte Rückwirkung dar, indem sie auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt.

Eine Norm entfaltet unechte Rückwirkung, wenn sie zwar nicht auf vergangene, aber auch nicht nur auf zukünftige, sondern auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich im Ganzen entwertet. Derartige Gesetze sind grundsätzlich zulässig (BVerfG, a. a. O. juris-Rdnr. 32). Anderes gilt nur, wenn der Gesetzgeber selbst eine besondere Vertrauensgrundlage geschaffen hatte (BVerfG, Nichtannahme-B. vom 12. Februar 2019 – 1 BvR 2914/17 –, Rdnr. 15).

Hierfür ist hier nichts ersichtlich:

Nach dem geltenden Gesetzesrecht galten und gelten über § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V an sich schon immer die BGB-Verjährungsvorschriften entsprechend. Dass dem § 45 Sozialgesetzbuch Erstes Buch („Ansprüche auf Sozialleistungen verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind.“) ein allgemeiner Rechtsgedanke auch für Nicht-Sozialleistungsverhältnisse entnommen werden kann, wie dies das BSG in ständiger Rechtsprechung annimmt (vgl. die Nachweise bei Bockholdt, a. a. O. § 109 SGB V Rdnr. 212 auch zu den Gegenauffassungen), beruht nicht auf dem Willen des Gesetzgebers, vielmehr auf einer gerichtlichen Rechtsfortbildung.

 

Im Übrigen kann sich die Klägerin als gesetzliche Krankenkasse nicht auf eine Verletzung des Rückwirkungsverbots als von der Verfassung geschütztes Recht berufen:

Sie ist eine öffentlich-rechtliche Körperschaft und deshalb nicht grundrechtsfähig (Bundesverfassungsgericht -BVerfG, B. v.9. Juni 2006 – 2 BvR 1248/03 – juris-Rdnr. 25 ff; BSG‚ Urt. v. 22. Oktober 2014 – B 6 KA 3/14 R - Rdnr. 28).

Die Verfassungsmäßigkeit eines rückwirkenden Gesetzes ist nur dann fraglich, wenn es sich um ein den Bürger belastendes Gesetz handelt. Das grundsätzliche Verbot rückwirkender belastender Gesetze beruht auf den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Es schützt das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechte (BVerfG, B. v. 17. Dezember 2013 – 1 BvL 5/08 – Rdnr. 63).

Soweit vertreten wird, dass dieses verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot nicht nur aus den Grundrechten abzuleiten sei, sondern auch aus den im Rechtstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes beruhe und deshalb die gesetzlichen Krankenkassen unabhängig von einer individuellen Grundrechtsberechtigung schütze (vgl. SG München, Beschluss vom 25. Juni 2020 – S 12 KR 1865/18; Kingreen, SGb 2019, 449; offengelassen von BSG, 1. Senat, Urteil vom 30. Juli 2019 – B 1 A 2/18 R – Rdnr. 16) folgt dem der Senat nicht.

Ein allgemeines Rückwirkungsverbot lässt sich aus Art. 20 Abs. 3 GG nicht ableiten. Nur für den Bürger bzw. sonstige Grundrechtsträger, wie die ausdrücklich in Art. 28 GG geschützten Kommunen, belastende rückwirkende Gesetze bedürfen verfassungsrechtlich einer besonderen Rechtfertigung (Bockholdt, a. a. O., § 109 SGB V Rdnr. 212c mit Nachweisen der Verfassungsrechtsprechung und zur Gegenauffassung).

Das BVerfG hat die Grundsätze zum Rückwirkungsverbot nicht alleine aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip, sondern aus den Grundrechten "im Zusammenwirken" mit dem Rechtsstaatsprinzips abgeleitet. Daraus folgt, dass die dazu vom BVerfG entwickelten Maßstäbe nur für Grundrechtsträger gelten können (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2019 – B 6 KA 9/18 R –, BSGE 129, 220-232, Rdnr. 23). Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG sind die Grundrechte ihrem Wesen nach auf juristische Personen des öffentlichen Rechts in ihrer Eigenschaft als Träger öffentlicher Aufgaben und somit als Teil der Staatsverwaltung nicht anwendbar.

Soweit dies für juristische Personen des Privatrechts, die sich im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, speziell für das Abgabenrecht (Bundesverwaltungsgericht, Urt. vom 23. Januar 2019 -9 C 2.18 -) oder für Privatgesellschaften im Besitz eines ausländischen Staates (BVerfG Urt. v. 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 - BVerfGE 143, 246, Rdnr 191 ff) anders gesehen wird, betrifft dies andere Fallgestaltungen, bei denen ein Wettbewerbsverhältnis zu sonstigen privaten Marktteilnehmern besteht. Im Unterschied dazu handelt es sich bei den Krankenkassen um Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (§ 4 Abs 1 SGB V), deren Aufgabe bei der Gewährung von Leistungen an Versicherte in erster Linie in dem Vollzug einer detaillierten Sozialgesetzgebung, gleichsam nach Art einer übertragenen Staatsaufgabe, besteht (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2019, a. a. O. Rdnr. 24 mit umfangreichen Nachweisen.)

 

Auch der Gesetzgeber ging bei der Schaffung des PpSG davon aus, dass die Krankenkassen als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht grundrechtsfähig seien und deshalb keine unzulässige Rückwirkung vorliegen könne (vgl. BT-Drucksache 19/5593 S.116).

 

Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine Ungleichbehandlung gegenüber den Krankenhäusern im Sinne des Art. 3 I GG berufen, für die nach § 109 Abs. 5 S. 3 SGB V die kürzere Verjährungsfrist erst für ab dem 1. Januar 2019 entstandenen Forderungen gilt. Der Gesetzgeber bezweckte damit eine schnellere Herstellung des Rechtsfriedens. Es sollte insbesondere vermieden werden, dass die Krankenkassen auf der Grundlage der zwischenzeitlichen Rechtsprechung des BSG bereits abgeschlossene Abrechnungsfälle wieder aufgreifen und unter Umständen erhebliche Rückerstattungsansprüche geltend machten (BT-Drucksache 19/5593 S. 115). Die Differenzierung erfolgte demnach aus sachlichen Gründen.

Die zusätzliche einseitige Übergangsvorschrift des § 325 SGB V a. F./ § 412 SGB V sollte einer Entlastung der Sozialgerichte dienen und den Rechtsfrieden (rasch) durchsetzen helfen, indem eine Klagewelle bis zum Inkrafttreten des PpSG vermieden werden sollte (BT-Drucksache 19/5593 S. 124). Auch wenn dieser Gesetzeszweck verfehlt wurde -der hiesige Rechtsstreit ist Teil einer Klageflut (vgl. dazu z. B. die Pressemitteilung des hiesigen Landessozialgerichts vom 10. Dezember 2018 - http://www.lsg.berlin.brandenburg.de/media_fast/4417/pressemitteilung20181210Klagewelle.pdf)- ist der Beweggrund nicht willkürlich.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor. Dem Rechtsstreit kommt insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 325 SGB V a. F./§ 412 SGB V stellt sich –wie ausgeführt- im konkreten Fall nicht. Sie betrifft zudem auslaufendes Recht.

 

Der Beschluss zur Festsetzung des Streitwerts, der nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden kann, (§ 177 SGG), beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 63, 52 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 Gerichtskostengesetz.

Rechtskraft
Aus
Saved