Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 29. Juni 2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg) der Klägerin in der Zeit vom 13. Juni 2019 bis 31. Oktober 2019.
Die 1961 geborene Klägerin war vom 1. März 2016 bis 31. Januar 2018 und vom 1. Februar 2018 bis 31. Januar 2019 bei einem Arbeitgeber in der Schweiz als Pflegeassistentin beschäftigt; hinsichtlich der erzielten Entgelte wird auf die Arbeitgeberbescheinigungen – International vom 14. und 16. August 2019 Bezug genommen. Während dieser Zeit begründete die Klägerin ihren Wohnsitz in der Schweiz und lebte dort mit Kindern und Enkelkindern, behielt und nutzte aber weiterhin Haus und Grundstück in Deutschland. Die Beendigung der Beschäftigung in der Schweiz erfolgte, weil die Klägerin aufgrund der Erkrankung des Ehemanns nach Deutschland zurückkehrte. In der Zeit vom 1. April 2019 bis zu ihrer Kündigung zum 12. Juni 2019 arbeitete die Klägerin in Deutschland als Pflegehilfskraft.
Die Beklagte bewilligte, nachdem sich die Klägerin mWv 13. Juni 2019 arbeitslos gemeldet hatte, ab 13. Juni 2019 Alg iHv tgl 22,43 € nach einem Bemessungsentgelt iHv tgl 49,61 (Bescheid vom 30. August 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2019). Maßgebend für die Bemessung des Alg sei gemäß Art. 62 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO <EG> 883/2004) iVm Art. 62 Abs. 2 VO (EG) 883/2004 allein das in der letzten Beschäftigung in Deutschland erzielte Entgelt, nicht jedoch dasjenige der Tätigkeit in der Schweiz. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2019 hatte die Beklagte die Alg-Bewilligung zwischenzeitlich wegen einer Beschäftigungsaufnahme der Klägerin mWv 1. November 2019 aufgehoben.
Das Sozialgericht (SG) Potsdam hat die auf höheres Alg unter Berücksichtigung der in der Schweiz erzielten Arbeitsentgelte gerichtete Klage unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid und die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts <BSG> abgewiesen (Urteil vom 29. Juni 2021).
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie rügt eine Verletzung des Gleichheitssatzes in Art. 3 Grundgesetz (GG). Sie beantragt nach ihrem Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 29. Juni 2021 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 30. August 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2019 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 13. Juni 2019 bis 31. Oktober 2019 höheres Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung des in der Schweiz erzielten Arbeitsentgelts zu gewähren.
Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nicht zur Sache geäußert.
II.
Der Senat hat gemäß § 153 Absatz 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die zulässige Berufung der Klägerin durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden (vgl. § 153 Absatz 4 Satz 2 SGG). Der erforderliche Beschwerdewert (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr 1 SGG) wird ausgehend von dem in der Schweiz deutlich höheren Arbeitsentgelt im Streitzeitraum erreicht.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höheres Alg in der Zeit vom 13. Juni 2019 bis 31. Oktober 2019. Die Bemessung des Alg richtet sich (nur) nach dem Arbeitsentgelt, das sie in der Zeit vom 1. April 2019 bis 12. Juni 2019 während ihrer Beschäftigung in Deutschland iSv Art 62 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 erhalten hat. Das sich hieraus ergebende Bemessungsentgelt beläuft sich im streitgegenständlichen Zeitraum – wie von der Beklagten errechnet – auf tgl 49,61 € und der Alg-Anspruch auf tgl 22,43 €.
Die Anspruchsvoraussetzungen für Alg, ohne deren Vorliegen auch eine Klage auf höhere Leistungen keinen Erfolg haben kann (stRspr; vgl nur BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004 - B 7 AL 24/04 R = SozR 4-4220 § 3 Nr 1 – Rn 12), liegen nach den Feststellungen des Senats vor. Die Klägerin hatte sich mWv 13. Juni 2019 persönlich arbeitslos gemeldet (§ 137 Abs. 1 Nr 2 SGB III iVm § 141 SGB III) und war auch arbeitslos (§ 137 Abs. 1 Nr 1 SGB III, § 138 Abs. 1 SGB III). Unter Berücksichtigung der nach schweizerischen Rechtsvorschriften vom 1. März 2016 bis 31. Januar 2019 zurückgelegten Beitragszeiten hatte sie auch die Anwartschaftszeit erfüllt, weil sie innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren beginnend mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg, dh im Zeitraum vom 13. Juni 2017 bis 12. Juni 2019, mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (vgl § 142 Abs. 1 SGB III, § 143 Abs. 1 SGB III).
Die Berücksichtigung der Regelungen der VO (EG) 883/2004 und damit auch derjenigen des Art. 61 Abs 1 VO (EG) 883/2004 zur Zusammenrechnung von Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und Zeiten einer selbständigen Erwerbstätigkeit bei Sachverhalten in mehreren Mitgliedstaaten durch den zuständigen Wohnsitzmitgliedstaat, also Deutschland, folgt aus dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (ABl 2002, L 114 S 6; im Folgenden: FZA), das am 21. Juni 1999 in Luxemburg unterzeichnet und durch Gesetz vom 2. September 2001 (BGBl II 2001, 810) ratifiziert wurde. Es ist insoweit am 1. Juni 2002 in Kraft getreten (BGBl II 2002, 1692). Zur Koordinierung der Systeme der Sozialen Sicherheit, insbesondere zur Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften und zur Zahlung der Leistungen an Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten haben, verweist Art. 8 FZA auf den Anhang II dieses Abkommens in der Fassung durch den Beschluss Nr 1/2012 des im Rahmen des FZA eingesetzten Gemischten Ausschusses vom 31. März 2012 (ABl 2012, L 103 S 51) und damit die Anwendbarkeit der VO (EG) 883/2004 (vgl Europäischer Gerichtshof <EuGH>, Urteil vom 21. März 2018 - C-551/16 <Klein-Schiphorst> - juris - Rn 28; EuGH, Urteil vom 23. Januar 2020 - C-29/19 - juris – Rn 23; vgl zum Ganzen auch BSG, Urteil vom 17. September 2020 – B 11 AL 1/20 R = SozR 4-6065 Art 62 Nr 2 – Rn 15).
Zur Höhe des Alg der Klägerin, bei der keine Kinder zu berücksichtigen sind, bestimmt § 149 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, dass das Alg 60 Prozent des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt) beträgt, das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Gemäß § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB III umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Nach Maßgabe von § 150 Abs. 2 Halbs 2 SGB III bleiben bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums bestimmte Zeiten außer Betracht. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (§ 150 Abs. 1 Satz 2 Halbs 2 SGB III). Der Bemessungsrahmen wird auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält (§ 150 Abs. 3 Satz 1 Nr 1 SGB III) oder wenn es mit Rücksicht auf das Bemessungsentgelt im erweiterten Bemessungsrahmen unbillig hart wäre, von dem Bemessungsentgelt im Bemessungszeitraum auszugehen, wenn die oder der Arbeitslose dies verlangt und die zur Bemessung erforderlichen Unterlagen vorlegt (§ 150 Abs. 3 Satz 1 Nr 3, Satz 2 SGB III). Kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden, ist als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB III).
Dem nach diesen innerstaatlichen Vorschriften zu bildenden fiktiven Bemessungsentgelt steht indes Art. 62 VO (EG) 884/2004 entgegen. Nach Art. 62 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 berücksichtigt der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften bei der Berechnung der Leistungen die Höhe des früheren Entgelts oder Erwerbseinkommens zugrunde zu legen ist, hier also die Beklagte, ausschließlich das Entgelt oder Erwerbseinkommen, das die betreffende Person während ihrer letzten Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit nach diesen Rechtsvorschriften erhalten hat. Nach Art. 62 Abs. 2 VO (EG) 883/2004 findet Art. 62 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 auch Anwendung, wenn nach den für den zuständigen Träger geltenden Rechtsvorschriften ein bestimmter Bezugszeitraum für die Ermittlung des als Berechnungsgrundlage für die Leistungen heranzuziehenden Entgelts vorgesehen ist und die betreffende Person während dieses Zeitraums oder eines Teils davon den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats unterlag. Dies folgt aus dem Urteil des EuGH vom 21. Januar 2020 (C-29/19 – juris) in dem vom BSG angestrengten Vorlageverfahren (Beschluss vom 23. Oktober 2018 – B 11 AL 9/17 R – juris). Der EuGH hat klargestellt, dass ungeachtet eines Bemessungszeitraums von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt im nationalen Recht, der hier nicht erreicht wird, eine fiktive Bemessung nicht möglich sei (vgl hierzu BSG, Urteil vom 17. September 2020 – B 11 AL 1/20 R – aaO – Rn 20; vgl zum Rückgriff auf das Entgelt der letzten Beschäftigung bei einem Bemessungszeitraum von weniger als 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt auch schon BSG, Urteil vom 17. März 2015 – B 11 AL 12/14 R = SozR 4-4300 § 131 Nr 6). Die Anknüpfung ausschließlich an das letzte Entgelt im Wohnsitzmitgliedstaat ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar (vgl BSG aaO Rn 24 ff; BSG, Urteil vom 17. September 2020 – B 11 AL 1/20 R – aaO – Rn 23 ff mwN). Im Hinblick auf die zutreffenden Ausführungen des BSG in den zitierten Urteilen sieht der Senat insoweit von einer Begründung ab.
Die Klägerin hat auch unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten keinen Anspruch auf höheres Alg. Sie war keine Grenzgängerin, da Wohnsitzmitgliedstaat und Beschäftigungsstaat zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitslosigkeit nicht mehr auseinanderfielen. Art. 62 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 ist daher nicht anwendbar.
Ausgehend von den dargelegten Rechtsgrundsätzen hat die Beklagte das der Klägerin für die Zeit vom 13. Juni 2019 bis 31. Oktober 2019 zustehende Alg zutreffend berechnet. Auf die ausführliche Darlegung in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.