L 28 KR 329/20 KL

Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
28.
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 KR 329/20 KL
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Zum Verhältnis eines abgeschlossenen Methodenbewertungsverfahren zum Nutzenbewertungsverfahren in Bezug auf ein im betreffenden Anwendungsgebiet neu zugelassenes Arzneimittel. 2.Das AMNOG-Verfahren ist auch für Arzneimittel anwendbar, die vom pharmazeutischen Unternehmer ausschließlich im Direktvertrieb abgegeben werden. 3. Ein Wirkstoff ist neu, solange für ihn im Sinne der sogenannten 8+2+1-Regelung Unterlagenschutz besteht. 4. Zu den Maßstäben der Bestimmung einer zVT, wenn es sich bei dem zu beurteilenden Arzneimittel um einen zulassungsrechtlichen Solisten handelt. 5. Für Arzneimittel mit zulassungsrechtlichem Solistenstatus ist im Rahmen des Nutzenbewertungsverfahrens nicht von einem normativen Zusatznutzen auszugehen. 6. Die Festsetzung weiterer Vertragsinhalte im Schiedsverfahren, die mit der Festsetzung des Erstattungsbetrages in einem funktionellen Zusammenhang stehen, ist von der Annexkompetenz der Schiedsstelle nach § 130b SGB V umfasst.

Die Klage wird abgewiesen.

 

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.

 

Die Revision wird zugelassen.

 

 

Tatbestand

 

Die Klägerin, die das Fertigarzneimittel Rapiscan® mit dem Wirkstoff Regadenoson als pharmazeutisches Unternehmen vertreibt, wendet sich gegen den Schiedsspruch der beklagten Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V vom 6. Juli 2020 auf der Grundlage des vom Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA; Beigeladener zu 2.) durchgeführten Nutzenbewertungsverfahrens.

 

Das Arzneimittel Regadenoson ist ein Diagnostikum, das als pharmakologischer Stressauslöser bei Herzuntersuchungen zur kurzzeitigen Gefäßerweiterung (Vasodilatation) mit der Folge der Erhöhung des koronaren Blutflusses (Hyperämie) eingesetzt wird. Rapiscan® wurde als 400 Mikrogramm Injektionslösung mit dem alleinigen Wirkstoff Regadenoson erstmals am 6. September 2010 zunächst für das Anwendungsgebiet Myokardperfusionsaufnahmen (MPA bzw. englisch: myocardial perfusion imaging [MPI]), einer nuklearmedizinischen Untersuchung zur Messung der Durchblutung des Herzmuskels, zugelassen (EU-Zulassung; Veröffentlichung im „union register of medicinal products for human use“ der Europäischen Kommission am 8. September 2010 unter der Registrierungsnummer EU/1/10/643/001). Die Firma R P S EU ltd. brachte das Arzneimittel in Form des verschreibungs- und apothekenpflichtigen Fertigarzneimittels unter dem Handelsnamen Rapiscan® im April 2011 in Deutschland in den Verkehr. Sie übertrug die Zulassung des Arzneimittels nach Erwerb des Unternehmens durch den auf Medizintechnik und pharmazeutische Arzneimittel spezialisierten, weltweit tätigen H-Konzern im Laufe des Jahres 2017 auf die H in Oslo. Die Klägerin ist von dieser zum exklusiven Vertrieb dieses Produkts als pharmazeutische Unternehmerin in Deutschland ermächtigt worden und eine in der Rechtsform der GmbH & Co. KG geführte deutsche Tochtergesellschaft des Konzerns.

 

Der Beigeladene zu 2. ergänzte im Jahr 2012 die Richtlinie über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie – AM-RL) um den Wirkstoff Regadenoson im für das Diagnostikum zugelassenen Anwendungsgebiet der Myokardperfusionsaufnahmen (MPI) mit Radionukliden bei erwachsenen, nicht ausreichend körperlich belastbaren Patienten. Der Zusatznutzen des Arzneimittels im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie (zVT), die mit Adenosin bestimmt worden war, galt als nicht belegt (nachfolgend: Nutzenbewertungsbeschluss vom 29. März 2012; BAnz AT 27.04.2012 B3). Die Klägerin und der Beigeladene zu 1. (Spitzenverband Bund der Krankenkassen – GKV-SpV) verständigten sich nach Abschluss dieses (ersten) Nutzenbewertungsverfahrens im selben Jahr auf einen Erstattungsbetrag in Höhe von 54 € je Anwendung.

 

Im August 2015 leitete der Beigeladene zu 2. auf Antrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) das Beratungsverfahren zur Bewertung der Messung der fraktionellen Flussreserve (FFR) bei koronarer Herzkrankheit (KHK) ein (Beschluss des Plenums des GBA vom 20. August 2015; vgl. Zusammenfassende Dokumentation, Stand: 20. Februar 2018, S. 15, 23). Die KHK ist die klinisch relevante Manifestation der Atherosklerose in den Herzkranzarterien, wobei ein Missverhältnis zwischen Sauerstoffangebot und Sauerstoffbedarf im Herzmuskel besteht. Bei der FFR-Messung handelt es sich um eine invasive diagnostische Methode, die zur Entscheidung für eine angemessene Therapie bei KHK-Patienten beitragen soll. Während einer Koronarangiographie wird ein Druckmessdraht in das betroffene Koronargefäß eingeführt. Am vorderen Ende des Drahtes befindet sich ein Drucksensor, der den Druck hinter (distal) und vor (proximal) der Engstelle messen kann. Das Verhältnis zwischen dem Druck vor und hinter einer Engstelle gibt an, in welchem Ausmaß der Blutfluss an dieser Stelle eingeschränkt ist (vgl. Zusammenfassende Dokumentation Messung der FFR bei KHK vom 20. Februar 2018 S. 15, 17).

 

Die Klägerin teilte dem Beigeladenen zu 2. im April 2017 mit, dass Regadenoson ihrer Auffassung zufolge als Teil einer Untersuchungs- und Behandlungsmethode nicht dem Verfahren des § 35a SGB V zu unterwerfen, sondern in das Verfahren der Methodenbewertung der FFR-Messung einzubeziehen sei. Es sei beabsichtigt, das Anwendungsgebiet für Rapiscan® mit einem Antrag an die Europäische Arzneimittel-Agentur (European Medicines Agency – EMA) im Juni 2017 auf die Indikation des Einsatzes bei der FFR-Messung zu erweitern. Der Beigeladene zu 2. erwiderte im Mai 2017, die Bewertung der FFR-Messung bei KHK nach § 135 Abs. 1 SGB V sei noch nicht abgeschlossen; die FFR-Messung könne noch nicht als etablierte Untersuchungsmethode angesehen werden, so dass für die Erweiterung des Anwendungsgebietes von Regadenoson auf die Indikation des Einsatzes bei der FFR aktuell keine Nutzenbewertung vorgesehen sei und somit nach dem seinerzeitigen Stand keine Dossierpflicht bestehe. Nach Abschluss des Bewertungsverfahrens für die FFR werde die Dossierpflicht von Regadenoson erneut geprüft.

 

Mit Beschluss des Beigeladenen zu 2. vom 17. November 2017, in Kraft getreten am 1. Februar 2018, wurde die FFR-Messung bei koronarer Herzkrankheit in die Anlage I „Anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden“ der Richtlinie des GBA zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung aufgenommen (MVV-RL: Messung der fraktionellen Flussreserve bei koronarer Herzkrankheit vom 17. November 2017; BAnz AT 31.01.2018 B2; nachfolgend Methodenbewertungsbeschluss). Nach § 1 des Methodenbewertungsbeschlusses kann die FFR-Messung mit oder ohne medikamentöse Vasodilatation durchgeführt werden. Ausweislich der hierzu veröffentlichten Tragenden Gründe (vom 15. August 2019 S. 3, 5) sei entsprechend dem Bewertungsverfahren davon ausgegangen worden, dass die Untersuchung unter standardisierter Vasodilatation („z.B. durch Adenosin“) durchgeführt werden sollte. Im Stellungnahmeverfahren sei nachvollziehbar geltend gemacht worden, dass die FFR-Messung auch ohne medikamentöse Vasodilatation durchgeführt werden könne.

 

Der Bewertungsausschuss nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V nahm mit Wirkung zum 1. Oktober 2018 (Beschluss vom 18. September 2018 mit amtlicher Bekanntmachung vom 19. September 2018 unter http://institut-ba.de/ba/babeschluesse/2018-09-18_ba426_9.pdf) die Gebührenordnungsposition (GOP) 34298 als Zuschlag zu der GOP 34291 (Herzkatheteruntersuchung mit Koronarangiographie) für die Messung der FFR gemäß Nr. 23 der Anlage I „Anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden“ der Richtlinie Methoden vertragsärztlicher Versorgung des GBA mit dem obligaten Leistungsinhalt der FFR und dem fakultativen Leistungsinhalt u.a. der medikamentösen Vasodilatation je Behandlungsfall in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) unter der Voraussetzung einer Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung nach der Vereinbarung zur invasiven Kardiologie gemäß § 135 Abs. 2 SGB V (vgl. hierzu die Vereinbarung zur invasiven Kardiologie vom 3. September 1999 in der mittlerweile ab dem 1. Januar 2019 geltenden Fassung abrufbar unter https://www.kbv.de/media/sp/Kardiologie.pdf) auf. Er bewertete diesen mit 980 Punkten einmal je Behandlungsfall und fügte für die Durchführung der Leistung entsprechend der GOP 34298 die Kostenpauschale 40301 in den Abschnitt 40.6 EBM in Höhe von 660 € ein. Diese enthält alle Sachmittel einschließlich der Kosten für Kontrastmittel und Sprechstundenbedarf.

 

Im Oktober 2018 teilte die Klägerin dem Beigeladenen zu 2. mit, dass die Erteilung der Zulassung für den Wirkstoff Regadenoson in der zweiten Indikation FFR seitens der EMA Ende 2018/Anfang 2019 erwartet werde, so dass die Einreichung eines Dossiers anstehen könne. Sie bat zugleich um Auskunft, ob der Beigeladene zu 2. beabsichtige, die Wirkstoffe Regadenoson und Adenosin im Falle der Erteilung der Indikation „Bestimmung der myokardialen Flussreserve“ als Teil einer Methode von der Nutzenbewertung nach § 35a SGB V auszunehmen. Als Vasodilatator für die pharmakologische Belastung habe Regadenoson weder einen diagnostischen noch einen therapeutischen Endpunkt. Der Beigeladene zu 2. forderte die Klägerin mit Schreiben vom 11. Dezember 2018 auf, im Falle einer Anwendungserweiterung auf die FFR-Messung rechtzeitig, d.h. innerhalb von vier Wochen nach der Zulassung des neuen Anwendungsgebiets für Regadenoson oder der Unterrichtung des pharmazeutischen Unternehmers über eine Genehmigung für eine Änderung des Typs 2 nach Anhang 2 Nummer 2 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 1234/2008, ein vollständiges Dossier bei ihm einzureichen. Für das Arzneimittel Rapiscan® mit dem Wirkstoff Regadenoson sei bei Erweiterung der Zulassung auf die Messung der FFR eine Nutzenbewertung vorgesehen, weil es sich um ein neues Anwendungsgebiet eines neuen Arzneimittels handle. Die Methodenbewertung sei ausschließlich für die Methode der FFR-Messung erfolgt, nicht aber für damit in Verbindung stehende Arzneimittel. Es bestehe die Möglichkeit, eine Beratung bei ihm zu beantragen.

Auf Grundlage der Positive Opinion des Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) vom 13. Dezember 2018 ließ die EMA Regadenoson am 23. Januar 2019 für das neue (zweite) Anwendungsgebiet der FFR-Messung der Stenose einer Koronararterie bei Durchführung einer invasiven Koronarangiographie zu, wenn wiederholte FFR-Messungen nicht zu erwarten sind.

 

Der Beigeladene zu 2. veröffentlichte am 3. Juni 2019 auf seiner Internetseite die von ihm erstellte Nutzenbewertung zum Wirkstoff Regadenoson im neuen Anwendungsgebiet der FFR-Messung unter Angabe „Therapie nach Maßgabe des Arztes“ (zVT) und leitete hiermit das schriftliche Stellungnahmeverfahren mit einer Abgabefrist bis zum 24. Juni 2019 ein. Nach mündlicher Anhörung der Klägerin am 9. Juli 2019 durch den Unterausschuss Arzneimittel, der eine Arbeitsgruppe gemäß § 35a SGB V beauftragt hatte, einer Beratung über die Dossierbewertung des IQWiG und Auswertung des Stellungnahmeverfahrens am 16. und 30. Juli 2019, fand am 6. August 2019 die abschließende Beratung des Unterausschusses Arzneimittel statt (zum Verfahrensablauf vgl. Zusammenfassende Dokumentation des GBA vom 15. August 2019 betreffend Regadenoson, Veröffentlichungsdatum: 2. November 2020, S. 10 f.). Mit Beschluss vom 15. August 2019 über eine Änderung der AM-RL ergänzte der Beigeladene zu 2. die Anlage XII und fügte den Angaben zur Nutzenbewertung von Regadenoson gemäß dem Nutzenbewertungsbeschluss vom 29. März 2012 nach 4. die Angabe des neuen Anwendungsgebiets laut Zulassung vom 23. Januar 2019 – die Messung der FFR der Stenose einer Koronararterie bei Durchführung einer invasiven Koronarangiographie, wenn wiederholte FFR-Messungen nicht zu erwarten sind – hinzu (nachfolgend: Nutzenbewertungsbeschluss vom 15. August 2019). Die zVT bestimmte er mit „pharmakologische Stressauslösung nach Maßgabe des Arztes“ und gab zum Ausmaß und zur Wahrscheinlichkeit des Zusatznutzens von Regadenoson gegenüber der zVT an, ein Zusatznutzen gelte als nicht belegt. Für die Behandlung kämen ca. 780.000 Patientinnen und Patienten infrage. Die Behandlung mit Rapiscan® (Wirkstoff: Regadenoson) dürfe ausschließlich in einer medizinischen Einrichtung erfolgen, in der eine Ausrüstung zur Überwachung der Herzfunktion und zur kardialen Wiederbelebung zur Verfügung stehe. Die Jahrestherapiekosten je Patient wurden für Regadenoson mit 64,26 € angegeben (nach Abzug gesetzlich vorgeschriebener Rabatte). Entsprechende Angaben zur zVT erfolgten nicht (vgl. Nutzenbewertungsbeschluss vom 15. August 2019, BAnz AT 09.09.2019 B3). Das Arzneimittel Rapiscan® (Regadenoson) wurde keiner Festbetragsgruppe zugeordnet. In den Tragenden Gründen zum Nutzenbewertungsbeschluss vom 15. August 2019 ist ausgeführt, von der Klägerin sei zum maßgeblichen Zeitpunkt innerhalb von vier Wochen nach der Zulassung des neuen Anwendungsgebiets kein vollständiges Dossier eingereicht worden. Der Einbeziehung von Regadenoson in den Geltungsbereich der Nutzenbewertung nach § 35a SGB V stehe nicht entgegen, dass Regadenoson im Rahmen der Untersuchungs- bzw. Behandlungsmethode der FFR-Messung angewendet werde. Denn nachdem der GBA diese Methode nach § 135 Abs. 1 SGB V anerkannt habe und sie als abrechenbare Leistung im EBM enthalten sei, bestehe der Methodenvorbehalt insoweit nicht mehr. Zudem sei eine Bewertung gemäß § 135 Abs. 1 SGB V gemäß 1. Kapitel § 5 VerfO ausschließlich für die Methode der FFR-Messung bei KHK erfolgt, nicht aber für das Arzneimittel Regadenoson. Schließlich sei auch nicht ersichtlich, dass der Kombination von Regadenoson und der FFR-Messung ein theoretisch-wissenschaftliches Konzept zu Grunde liege, das sich von der nach dem EBM abrechenbaren Leistung unterscheide. Insbesondere der Fachinformation lasse sich nicht entnehmen, dass die Anwendung des neuen Wirkstoffs die Vornahme von neuen Verfahrensschritten im Verlauf einer FFR-Messung bedinge, die über die anerkannte Methodik laut EBM hinausgingen und unter diesem Gesichtspunkt eine Prüfung nach § 135 Abs.1 SGB V erforderlich machen könnten. Das Arzneimittel werde im Wege einer Injektion in den Körper des Patienten injiziert. Auch wenn die für die FFR-Messung bestimmte EBM-Ziffer 34298 i.V.m. der EBM-Ziffer 40301 alle Sachkosten und somit auch den fakultativen Leistungsinhalt der medikamentösen Vasodilatation enthalte, so stehe dies einer Nutzenbewertung von Regadenoson nach § 35a SGB V nicht entgegen. Dies liege darin begründet, dass Rapiscan® als erstattungsfähiges Arzneimittel mit neuem Wirkstoff sowie vorliegend mit neuem Anwendungsgebiet dem Geltungsbereich nach § 35a SGB V i.V.m. 5. Kapitel § 1 Absatz 2 der VerfO unterliege. Ausgehend hiervon lasse eine Kostenregelung über Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen im EBM entsprechend § 87 Abs. 2 SGB V, die im Rahmen von Methoden nach § 135 Abs.1 SGB V zur Anwendung gelangten, die Regelung in § 130b Abs.1 SGB V zur Vereinbarung eines Erstattungsbetrages für nach § 35a SGB V nutzenbewertete Arzneimittel unberührt. Damit könne die Nutzenbewertung von Rapiscan® in zweckverwirklichender Weise als Grundlage für einen Erstattungsbetrag nach § 130b SGB V verwendet werden. Im Anwendungsgebiet seien außer dem zu bewertenden Arzneimittel keine weiteren Arzneimittel zugelassen. Eine nicht-medikamentöse Vergleichstherapie im Anwendungsgebiet liege nicht vor. Im Methodenbewertungsbeschluss vom 17. November 2017 (MVV-RL) und auch im IQWiG-Abschlussbericht zur FFR bei koronarer Herzkrankheit seien keine Arzneimittel zur myokardialen Stressauslösung benannt worden. In systematischen Übersichtsarbeiten und Leitlinien werde eine medikamentöse Vasodilatation zur Stressauslösung mit Adenosin oder Nitroprussid empfohlen, die im vorliegenden Anwendungsgebiet jedoch nicht zugelassen seien. Daher werde als zVT eine pharmakologische Stressauslösung nach Maßgabe des Arztes bestimmt. Die Wirkstoffe Adenosin oder Nitroprussid könnten als geeignete Komparatoren angesehen werden. Die Messung der myokardialen fraktionellen Flussreserve könne laut MVV-RL mit oder ohne medikamentöse Vasodilatation durchgeführt werden. Allerdings beziehe sich das vorliegende Anwendungsgebiet von Rapiscan® („…selektiver koronarer Vasodilatator und wird als pharmakologischer Stressauslöser bei erwachsenen Patienten angewendet für…“) ausdrücklich auf die FFR-Messung mit medikamentöser Vasodilatation, so dass nur diese Option bei der Bestimmung der zVT betrachtet worden sei. Aus der Eignung als Komparator könnten keine Schlussfolgerungen über dessen Zweckmäßigkeit in der zulassungsüberschreitenden Anwendungsform in der Regelversorgung von Versicherten in der GKV abgeleitet werden. Eine solche Bewertung bleibe der Entscheidung nach § 35c SGB V vorbehalten. Im Hinblick auf die Therapiekosten werde in der Regel von maximal einer FFR-Messung pro Jahr und einer einmaligen Gabe des zu bewertenden Arzneimittels bzw. der zVT ausgegangen. Da Regadenoson (Rapiscan®) nicht der Arzneimittelpreisverordnung unterliege, falle kein Herstellerrabatt nach § 130a SGB V an. Die Kosten von Regadenoson seien auf Basis des Herstellerabgabepreises zuzüglich der Mehrwertsteuer dargestellt worden. Für die zVT komme eine Kostendarstellung nicht in Betracht, weil im Wege des Off-Label-Use eingesetzte Arzneimittel, wie z.B. Adenosin, nicht regelhaft zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden könnten. Kosten für die Durchführung einer FFR würden sowohl auf Seiten des zu bewertenden Arzneimittels als auch auf Seiten der zVT anfallen und seien daher bei der Abbildung der Kosten nicht dargestellt worden (Tragende Gründe S. 2-9).

 

Nachfolgend verhandelten die Klägerin und der Beigeladene zu 1. über eine neue Vereinbarung nach § 130b SGB V zur Ablösung derjenigen aus dem Jahr 2012. Nachdem  sich die Beteiligten, abgesehen von konsentierten Vertragsinhalten, weder auf einen neuen Erstattungsbetrag noch auf den Inhalt der weiteren Vertragsinhalte verständigen konnten, fasste die Beklagte nach ihrem Anrufen durch den Beigeladenen zu 1. mit Schriftsatz vom 18. Februar 2020 aufgrund der mündlichen Schiedsverhandlung vom 1. Juli 2020 den gegenständlichen Schiedsspruch Regadenoson (Rapiscan®) 3 P 4-20. Hiermit setzte sie die zwischen den Beteiligten konsentierten Vertragsinhalte und sodann den Erstattungsbetrag nach § 130b Abs. 1 SGB V pro Bezugsgröße von 400 Mikrogramm Regadenoson (5 ml Injektionslösung; Anzahl Bezugsgrößen: 1; ohne Umsatzsteuer) ab 23. Januar 2020 auf 33,36 € (333,60 € für 10 Bezugsgrößen) für alle von dieser Vereinbarung umfassten Fertigarzneimittel fest. Zugleich regelte sie, dass die Klägerin die für die Abrechnung nach § 300 SGB V erforderlichen Preis- und Produktangaben einschließlich der vereinbarten Ablösung der Abschläge nach § 130a Abs. 1 und 1a SGB V zur Erfüllung ihrer Pflichten aus § 131 Abs. 4 SGB V an die IFA GmbH (Informationsstelle für Arzneispezialitäten) zu melden habe, und zwar den Erstattungsbetrag oder einen darunter liegenden Betrag als einheitlichen Abgabepreis, indes keinesfalls einen oberhalb des Erstattungsbetrages liegenden Betrag. Sofern die umfassten Arzneimittel zu Lasten der Krankenkassen ab dem 23. Januar 2020 oder im Fall einer Neueinführung ab deren erstmaligem Inverkehrbringen zu einem höheren Betrag als dem festgesetzten Erstattungsbetrag abgegeben würden, habe die Klägerin die Preisdifferenz auszugleichen. Hinsichtlich der den Schiedsspruch tragenden Erwägungen ist ausgeführt, sie, die Beklagte, habe sich nicht mit der Frage, ob das AMNOG-Verfahren hier einschlägig sei, auseinandersetzen dürfen, weil insoweit der Beigeladene zu 2. zur Entscheidung aufgerufen und sie selbst hieran gebunden sei, zumal sich der Beigeladene zu 2. ausdrücklich mit den Einwänden der Klägerin auseinandergesetzt habe. Es sei davon auszugehen gewesen, dass ein Zusatznutzen von Regadenoson (Rapiscan®) nicht belegt war, so dass sie sich an den Jahrestherapiekosten der zVT habe orientieren müssen. Auch zur Frage, ob die Beratung durch den Beigeladenen zu 2. und die Aufforderung zur Dossiereinreichung allen gesetzlichen und rechtsstaatlichen Vorgaben genügt habe, sei sie nicht entscheidungsbefugt. Daraus, dass nach dem sie bindenden Beschluss des Beigeladenen zu 2. kein Zusatznutzen belegt gewesen sei, habe sie die Folgerung ziehen müssen, dass ein Abschlag von den Jahrestherapiekosten der zVT vorzunehmen sei. Angesichts der zumindest unglücklichen Kommunikation mit dem Beigeladenen zu 2. vor der Aufforderung zur Dossiereinreichung sei sie der Ansicht gewesen, dass dieser Abschlag nicht von substantiellem Gewicht habe sein sollen. Im Anwendungsfeld der im Nutzenbewertungsbeschluss als zVT benannten „pharmakologischen Stressauslösung nach Maßgabe des Arztes“ seien keine Arzneimittel zugelassen gewesen, so dass der Beigeladene zu 2. die Wirkstoffe Adenosin und Nitroprussid als „geeignete Komparatoren“ eingeordnet habe. In dieser Situation sei nach Auffassung des Beigeladenen zu 1. auf die Jahrestherapiekosten des preisgünstigsten Komparators, des Wirkstoffs Adenosin, abzustellen gewesen. Sie, die Beklagte, sei stattdessen von den Kosten für beide vom Nutzenbewertungsbeschluss genannten „Komparatoren“ ausgegangen, die sie, mangels Informationen über die Häufigkeit ihrer Verwendung in der Versorgungsrealität gleichgewichtet habe. Sie habe daher das arithmetische Mittel der Preise von Adenosin (21,57 €) und Nitroprussid (37,55 €) gebildet und von dem sich daraus ergebenden Betrag von 29,56 € den nach § 130b Abs. 3 Satz 5 SGB V vorgesehenen Abschlag in Höhe von 0,56 € vorgenommen. Der sich daraus ergebende Betrag von 29 € sei in dem von den Parteien konsentierten Verhältnis von 80 zu 20 zu dem anderen Anwendungsgebiet des Arzneimittels mit dem dort gültigen Preis von 50,82 € ins Verhältnis gesetzt worden, so dass sich ein Erstattungsbetrag von 33,36 € errechnet habe. In Bezug auf die kontrovers diskutierte Frage der Gültigkeit nur für den Apothekenvertrieb oder für alle Vertriebswege – insbesondere auch den Direktvertrieb – habe sie sich der Rechtsansicht des Beigeladenen zu 1. angeschlossen, wonach der Erstattungsbetrag nach dem Willen des Gesetzgebers den maximalen Abgabepreis bilde, zumal sie, die Beklagte, eine Verantwortung für die Funktionsfähigkeit des gesamten Preisregulierungssystems trage, das gefährdet sei, wenn der vereinbarte oder festgesetzte Erstattungsbetrag in derartigen Konstellationen praktisch bedeutungslos bliebe. Dementsprechend seien auch die Bestimmungen zur Meldung und zur Nacherstattung festzusetzen gewesen. 

 

Am 6. August 2020 hat die Klägerin vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Klage erhoben. Sie macht geltend, der Schiedsspruch vom 6. Juli 2020 (3 P 4-20) sei rechtswidrig und aufzuheben. Ihre in dem Termin der mündlichen Schiedsstellenverhandlung vom 1. Juli 2020 gestellten Anträge auf Festsetzung des Vertragsinhalts nach § 130b SGB V seien von der Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Es sei festzustellen, dass der Nutzenbewertungsbeschluss des Beigeladenen zu 2. vom 15. August 2019 rechtswidrig und nichtig sei. Die vollständigen Akten der Beklagten und der Beigeladenen zu 1. und 2. seien zur Gewährung von Akteneinsicht beizuziehen. Den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 19. August 2020 – L 28 KR 342/20 KL ER – hat die Klägerin im Erörterungstermin vor der Berichterstatterin am 14. Dezember 2020 zurückgenommen.

 

Zur Begründung ihrer Klage macht die Klägerin geltend, die vom Beigeladenen zu 2. mit der Aufforderung vom 11. Dezember 2018 zur Einreichung eines Dossiers eingeleitete Nutzenbewertung sei unzulässig, da bereits der Anwendungsbereich des Nutzenbewertungsverfahrens nach § 35a SGB V nicht eröffnet gewesen sei. Es habe sich bei Regadenoson im Dezember 2018 nicht mehr um ein „Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff“ gehandelt, nachdem der achtjährige Unterlagenschutz im September 2018 abgelaufen sei. Von dem gegenüber einem Generikum bestehenden achtjährigen Unterlagenschutz („Datenexklusivität“ oder „data exklusivity“) nach § 24b Abs. 1 Satz 1 AMG bzw. Art. 14 Abs. 11 der VO (EG) Nr. 726/2994 zu unterscheiden sei der Vermarktungsschutz („market protection“). Dies folge aus dem Wortlaut der maßgeblichen Normen, der Systematik und der Historie der europäischen und deutschen Regelungen. Entsprechende Unterscheidungen würden in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Arzneimittelzulassungsrecht und der Literatur vorgenommen.

Das Arzneimittel sei ferner untrennbarer Bestandteil der mit Beschluss des Beigeladenen zu 2. vom 17. November 2017 bewerteten Methode der FFR-Messung, innerhalb derer der Wirkstoff das alleinige Ziel habe, eine maximale Durchblutung der Herzkranzgefäße herbeizuführen. Der Anwendungsbereich des Nutzenbewertungsverfahrens beschränke sich auf die Zusatznutzenbewertung von Arzneimitteln mit eigenständiger therapeutischer oder diagnostischer Funktion. Regadenoson sei dagegen zwingend mit einem diagnostischen Verfahren verbunden und isoliert betrachtet weder zur Behandlung noch zur Erkennung einer Erkrankung geeignet. Es sei grundsätzlich ausgeschlossen, für einen pharmakologischen Stressauslöser einen Zusatznutzen durch Anwendung eines patientenbezogenen Endpunkts im Sinne der evidenzbasierten Medizin zu erheben. Die Zusatznutzenbewertung sei daher dem Methodenbewertungsverfahren vorbehalten. Der Beigeladene zu 2. gehe auch regelmäßig bei Wirkstoffen, die integraler Bestandteil einer Untersuchungs- oder Behandlungsmethode im Sinne von § 135 Abs. 1 SGB V sind, von einem Vorrang des Methodenbewertungsverfahrens aus, so dass dieser ihr gegenüber den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt habe. Ferner habe der Bewertungsausschuss im Anschluss an den Methodenbewertungsbeschluss vom 17. November 2017 gemäß § 87 Abs. 5b SGB V entsprechende Vergütungspositionen geschaffen. Die Kostenpauschale 40301 im EBM sei hinsichtlich der zur Ermöglichung der FFR-Messung eingesetzten Sachmittel einschließlich derjenigen einer medikamentösen Vasodilatation abschließend, so dass es keiner Preisfestsetzung im AMNOG-Verfahren bedürfe.

Der Nutzenbewertungsbeschluss sei darüber hinaus wegen Verletzung des Gebots eines fairen Verfahrens formell rechtswidrig. Der Beigeladene zu 2. habe ihr, der Klägerin, keine realistische Chance gegeben, ein vollständiges Dossier einzureichen, obgleich sie sich frühzeitig veranlasst gesehen habe, mit diesem eine Klärung darüber herbeizuführen, ob eine gesonderte Nutzenbewertung von Regadenoson neben der Durchführung des Methodenbewertungsverfahrens für die FFR-Messung in Betracht komme. Der Beigeladene zu 2. sei trotz entsprechender Ankündigung weder nach Abschluss der positiven Methodenbewertung im November 2017 noch nach Inkrafttreten des entsprechenden Beschlusses Anfang 2018 auf die Frage der Dossierpflicht zurückgekommen. Er habe bei ihr den Eindruck erweckt, sie nicht zur Einreichung eines Dossiers aufzufordern. Ihr Vertrauen darauf, dass keine Nutzenbewertung mehr stattfinden werde, sei durch die Aufnahme der FFR-Messung in den EBM-Katalog mit Wirkung zum 1. Oktober 2018 unter Regelung einer gesonderten Sachkostenpauschale (EBM-Ziffer 40301) verstärkt worden. Denn Regadenoson werde nicht über Apotheken, sondern ausschließlich im Direktvertrieb an Ärzte und Krankenhäuser abgegeben, weshalb es nicht der Arzneimittelpreisverordnung und der Bindung an einen einheitlichen Abgabepreis unterliege. Das Arzneimittel werde im niedergelassenen Bereich über den Sprechstundenbedarf regional nach den jeweiligen Sprechstundenbedarfsvereinbarungen oder gemäß der EBM-Pauschale zur FFR-Messung zu unterschiedlichen Preisen abgegeben. Trotz des mit Schreiben vom 25. Oktober 2018 im Hinblick auf die zu erwartende Zulassung von Regadenoson für die Indikation der FFR-Messung ersichtlichen Zeitdrucks habe der Beigeladene zu 2. erst mit Schreiben vom 11. Dezember 2018 und für sie völlig überraschend sowie zeitgleich mit der positiven Empfehlung des CHMP mitgeteilt, dass eine Dossierpflicht für die Indikation der FFR-Messung bestehe. Ihre Bitte um Fristverlängerung vom 10. Januar 2019 sei vom Beigeladenen zu 2. am 19. Januar 2019 abgelehnt worden. Innerhalb der nach Zulassung vom 23. Januar 2019 laufenden Frist bis 20. Februar 2019 sei es ihr nur möglich gewesen, ein unvollständiges Dossier einzureichen.

Der Nutzenbewertungsbeschluss sei schließlich auch materiell rechtswidrig wegen der Berücksichtigung von im Anwendungsgebiet nicht zugelassenen Arzneimitteln als zVT. Die Benennung von Adenosin und Nitroprussid in den Tragenden Gründen als geeignete „Komparatoren“ und damit faktisch als zVT sei rechtswidrig. Im Anwendungsgebiet nicht zugelassene und damit nicht zulasten der GKV verordnungsfähige Arzneimittel kämen als zVT nicht in Betracht.

Der Schiedsspruch vom 6. Juli 2020 sei, abgesehen davon, dass er bereits auf einem rechtswidrigen Nutzenbewertungsbeschluss beruhe, rechtswidrig, weil die Beklagte bei der Festsetzung des Vertragsinhalts in den Ziffern 4 bis 8 gegen zwingendes Gesetzesrecht und anerkannte Bewertungsmaßstäbe verstoßen habe. Der festgesetzte Erstattungsbetrag sei fehlerhaft ermittelt worden. Die Beklagte habe zu Unrecht den Preisbestandteil von Regadenoson für die Indikation der FFR-Messung (29 €) aus dem arithmetischen Mittel von Preisen für die im Anwendungsgebiet nicht zugelassenen Arzneimittel Adenosin und Nitroprussid gebildet und hiervon einen Abschlag auf Grund eines nicht belegt geltenden Zusatznutzens von 0,56 € abgezogen. Insofern sei der Nutzenbewertungsbeschluss vom 15. August 2019 fehlerhaft umgesetzt worden, weil hiermit Arzneimittel als zVT weder genannt seien noch die als Komparatoren zur Bestimmung der zVT genannten Arzneimittel auch für die damit verbundenen Kosten herangezogen worden seien. Auch die von der Beklagten gewählte Berechnungsmethode finde weder im Gesetz noch im Nutzenbewertungsbeschluss eine Stütze. Sie habe fehlerhafte Abgabepreise unter Abzug des Herstellerrabatts zugrunde gelegt, weil sie verkannt habe, dass diagnostische Arzneimittel wie Regadenoson, aber auch Adenosin und Nitroprussid, von Ärzten und Krankenhäusern unter Auslassung der Apotheken vom Hersteller direkt bezogen würden. Der Herstellerrabatt gelte daher nicht. Mit weiteren Festsetzungen, mit denen Vorgaben zur Geltung des Erstattungsbetrags auch im Direktvertrieb und zur entsprechenden Meldung zur Lauer-Taxe sowie zur Erstattung von Differenzbeträgen gemacht wurden, seien ebenfalls rechtswidrig. Bei dem Direktvertrieb von Arzneimitteln an Ärzte und Krankenhäuser entfalle auch die Verpflichtung des pharmazeutischen Unternehmers, einen einheitlichen Herstellerabgabepreis sicherzustellen. Da der Erstattungsbetrag im Bereich des Direktvertriebs an Ärzte, welches bei Regadenoson der Regelfall sei, nicht gelte, könne die Klägerin diesen nicht als einzigen Abgabepreis melden. Dann dürfe sie auch keine Rückzahlungsverpflichtung treffen.

 

Die Klägerin beantragt,

 

den Schiedsspruch der Beklagten zur Festsetzung des Vertragsinhalts für das Arzneimittel Regadenoson (Rapiscan®) vom 6. Juli 2020 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über ihren Schiedsantrag vom 1. Juli 2020 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden,

sowie

festzustellen, dass der Beschluss des Beigeladenen zu 2. über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL): Anlage XII – Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a SGB V zu Regadenoson (neues Anwendungsgebiet: Messung der fraktionellen Flussreserve) vom 15. August 2019 rechtswidrig und nichtig ist.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Sie macht geltend, sie habe dem Nutzenbewertungsbeschluss des Beigeladenen zu 2. folgend auf die pharmakologische Stressauslösung nach Maßgabe des Arztes abgestellt und die Preise der beiden Arzneimittel Adenosin und Nitroprussid lediglich zur Bestimmung der Kosten der so bestimmten zVT herangezogen, wie sich schon daraus ergebe, dass sie ansonsten nur auf das kostengünstigere Adenosin hätte abstellen dürfen. Die Kriterien für die Preisfindung bei Arzneimitteln mit Zusatznutzen könnten nicht auf die Konstellation eines Arzneimittels ohne belegten Zusatznutzen übertragen werden. Der Erstattungsbetrag bilde auch dann den Höchstpreis, wenn für den jeweiligen Abgabevorgang die Arzneimittelpreisverordnung nicht gelte; lediglich von der Verpflichtung zur Sicherstellung eines einheitlichen Abgabepreises sei der pharmazeutische Unternehmer insoweit entbunden. Dies habe zur Folge, dass der festzusetzende Erstattungsbetrag auch im Rahmen eines Direktvertriebs von Bedeutung sei. Um den gesetzlichen Vorgaben für den Erstattungsbetrag eines Arzneimittels ohne Zusatznutzen zu genügen, bleibe ihr nichts anderes übrig, als typisierend auf den „Normalfall“ des Vertriebs über die Apotheke mit den einschlägigen preisrechtlichen Konsequenzen abzustellen, welches ihrer ständigen Entscheidungspraxis entspreche. Dies sei auch von der Klägerin während des gesamten Schiedsverfahrens nicht beanstandet worden.

 

Der Beigeladene zu 1. beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Er macht geltend, er sei wie die Klägerin Beteiligter des Schiedsverfahrens gewesen und verfüge daher nicht über Akten oder sonstige Verwaltungsvorgänge, die vorgelegt werden könnten. Der Beigeladene zu 2. sei verpflichtet gewesen, eine Nutzenbewertung für Regadenoson im neuen Anwendungsgebiet der FFR-Messung durchzuführen. Die erstmals im Klageverfahren dargestellte Rechtsauffassung der Klägerin zu einem nur achtjährigen Unterlagenschutz treffe nicht zu. Eine Unterlagenschutzfrist von mindestens zehn Jahren entspreche der Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), wie mit einem zu den Akten gereichten Schreiben vom 27. Juli 2020 bestätigt werde. Ein Methodenvorbehalt in Bezug auf Regadenoson bestehe schon deshalb nicht, weil die Methode bereits nach § 135 Abs. 1 SGB V vor Zulassung des Arzneimittels im neuen Anwendungsgebiet anerkannt worden sei. Mit dem Methodenbewertungsbeschluss vom 17. November 2017 sei nur über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der FFR-Messung, nicht aber über den (Zusatz-)Nutzen einer fakultativen („mit oder ohne medikamentöse“) Vasodilatation, insbesondere nicht unter Anwendung von Regadenoson, befunden worden. Die im September 2018 für die FFR-Messung festgelegte EBM-Leistungsziffer bilde ein „aliud“ zum Erstattungsbetrag auf der Grundlage des Nutzenbewertungsbeschlusses vom 15. August 2019 nebst der flankierenden Regelungen der Vereinbarung nach § 130b SGB V. Der Erstattungsbetrag gelte als maximaler Abgabepreis umfassend und unabhängig davon, an wen die Klägerin das Fertigarzneimittel Rapiscan® abgebe. In die EBM-Kostenpauschale habe ein Wert für Rapiscan® nicht einfließen können, da das Arzneimittel zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bewertungsausschusses am 18. September 2018 noch nicht zugelassen gewesen sei. Aufgrund der Bindungswirkung des Nutzenbewertungsbeschlusses und nachdem eine Zuordnung zu einer Festbetragsgruppe nicht erfolgt sei, habe sich für die Klägerin und ihn die Verpflichtung zur Vereinbarung eines Erstattungsbetrages für Rapiscan® (Regadenoson) ergeben.

Der nach Scheitern der Vereinbarung ergangene und von der Klägerin angefochtene Schiedsspruch sei rechtmäßig. Da der Beigeladene zu 2. im Nutzenbewertungsbeschluss vom 15. August 2019 keine Jahrestherapiekosten der zVT bestimmt habe, sei eine direkte Anwendung des § 130b Abs. 3 Satz 5 SGB V nicht möglich gewesen. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift sei aber angesichts des vergleichbaren Interesses an einer angemessenen Preisfindung unter Berücksichtigung der Grundsätze des AMNOG-Verfahrens möglich; andernfalls hätte die Regelungslücke nicht gefüllt werden können. Bei entsprechender Anwendung hätten daher die beiden Wirkstoffe Adenosin und Nitroprussid als Kostenangemessenheitsindikator berücksichtigt werden müssen. Für den vorliegenden Sachverhalt sei unerheblich, dass vergleichbare Arzneimittel im Sinne von § 6 Abs. 4 RahmenV nur „zugelassene Arzneimittel“ sein könnten, weil für Regadenoson ein Zusatznutzen als nicht belegt gelte. Die ergänzend im Verfahren überreichte Darstellung mit näheren Angaben zu der Abrechnung von Nitroprussid habe sich insofern günstig für die Klägerin ausgewirkt, als die Beklagte auch diese Kosten für den Erstattungsbetrag berücksichtigt habe. Die Pflicht der Klägerin zur Beachtung des Erstattungsbetrages als vertriebsunabhängige Preisobergrenze folge aus § 78 Abs. 3a Satz 1 und 2 SGB V. Dies habe der Gesetzgeber spätestens mit der durch das GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) vom 4. Mai 2017 eingeführten Regelung des § 78 Abs. 3 Satz 3 AMG vorgegeben. Im Übrigen werde Rapiscan® als apothekenpflichtiges Arzneimittel vom Anwendungsbereich der AMPreisV erfasst. Allein der konkrete Abgabevorgang der einzelnen Packung Rapiscan® durch den pharmazeutischen Unternehmer an den Arzt bzw. das Krankenhaus sei vom Anwendungsbereich der AMPreisV ausgenommen mit der Folge, dass diese keine Preise und Preisspannen der Apotheke festsetze. Insofern sei auch der Beschluss des Beigeladenen zu 2. nicht präzise, wenn er konstatiere, dass das Arzneimittel nicht der AMPreisV unterliege.

Die Klägerin könne mit den erstmals im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erhobenen Einwänden gegen die Berücksichtigung der für die Festsetzung des neuen Erstattungsbetrages berücksichtigten Preise von Adenosin und Nitroprussid und den bisherigen Erstattungsbetrag von Regadenoson bereits deshalb nicht durchdringen, weil sie diese im Schiedsverfahren nicht spätestens vor der abschließenden Beratung geäußert habe. Jedenfalls verstoße die von der Beklagten herangezogene Preisebene „Jahrestherapiekosten auf der Ebene Abgabepreis abzüglich (Netto-)Herstellerabschläge“ nicht gegen zwingende rechtliche Vorgaben. Die Orientierung der Beklagten an dem gesetzlichen Regelfall der Herstellerabschlagspflicht sei unter Berücksichtigung des eingeräumten Beurteilungsspielraums schon deshalb nicht zu beanstanden, weil anderenfalls die Jahrestherapiekosten und der Erstattungsbetrag regelmäßig neu nach Maßgabe des Vertriebswegs zu berechnen wären.

 

Der Beigeladene zu 2. beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Er trägt vor, neben der Übersendung der Zusammenfassenden Dokumentation könnten weitere Unterlagen weder vorgelegt noch übersandt werden. Der Nutzenbewertungsbeschluss vom 15. August 2019 zum Wirkstoff Regadenoson im neuen Anwendungsgebiet FFR-Messung sei in formeller und materiell-rechtlicher Hinsicht rechtmäßig. Verfahrensrechtliche Anforderungen seien nicht verletzt worden. Mit dem Abschluss des Methodenbewertungsverfahrens durch Beschluss vom 17. November 2017, der am 1. Februar 2018 in Kraft getreten sei, sei für neu zugelassene, erstattungsfähige Arzneimittel, die im Rahmen dieser Methode angewendet würden, die Nutzenbewertung durchzuführen. Die Klägerin selbst sei von einer grundsätzlich gegebenen Dossierpflicht ausgegangen, habe allein eine abweichende Rechtsauffassung vertreten. Er nehme die positive opinion regelmäßig sowohl im Falle des erstmaligen Inverkehrbringens von Arzneimitteln als auch aus Anlass entsprechender Zulassungserweiterungen für dossierpflichtige Arzneimittel zum Anlass, den pharmazeutischen Unternehmer zur Vorlage der Nachweise nach § 35a Abs. 1 Satz 3 SGB V aufzufordern, und zwar auch dann, wenn es, wie hier, einer solchen Aufforderung nicht bedurft habe, und eine Beratung zur Dossiervorlage anzubieten. Dies sei mit Schreiben vom 11. Dezember 2018 geschehen. Die Klägerin habe von der ihr angebotenen Beratung innerhalb der verbleibenden drei Monate bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Dossiervorlage aber keinen Gebrauch gemacht. Eine Ausnahme von der Dossierpflicht könne nicht damit erwirkt werden, dass die EBM Kostenpauschale 40301 i.V.m. 34298 alle Sachkosten und damit auch den fakultativen Leistungsinhalt der medikamentösen Vasodilatation zur FFR-Messung enthalte. Die Nutzenbewertung sei auch nicht angesichts der durchgeführten Methodenbewertung unstatthaft, da hier nur die Methode der FFR-Messung bei koronarer Herzkrankheit bewertet worden sei und nicht damit in Verbindung stehende Arzneimittel. Im Rahmen der Nutzenbewertung würden die verwendeten Arzneimittel dagegen miteinander verglichen, um Schlussfolgerungen in Bezug auf deren Zusatznutzen, insbesondere auf patientenrelevante Endpunkte in der Kategorie Mortalität, Morbidität, Lebensqualität und Nebenwirkungen zu ziehen. Unter der Voraussetzung, dass die Methode der FFR-Messung einen Nutzen habe, könne der Zusatznutzen der in diesem Rahmen zur Vasodilatation eingesetzten Arzneimittel separat bewertet werden. Der Gleichheitsgrundsatz sei nicht verletzt. Im Übrigen habe er den Vorrang des Methodenbewertungsverfahrens bis zu seinem positiven Abschluss statuiert. Die zeitliche Dauer des Unterlagenschutzes bemesse sich auf mindestens zehn Jahre, der unter den gegebenen Voraussetzungen auf maximal elf Jahre verlängert werden könne. § 24b AMG fasse die gemeinschaftsrechtlichen Begriffe der „data exclusivity“ und der „market protection“ unter dem Oberbegriff des Unterlagenschutzes zusammen und verweise – wie die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen – darauf, dass ein Inverkehrbringen eines Generikums frühestens nach Ablauf von zehn Jahren nach Erteilung der ersten Genehmigung für das Referenzarzneimittel erfolgen dürfe. Zwar dürfte nach Ablauf der achtjährigen Schutzfrist der Zulassungsantrag für ein Generikum gestellt werden; von der Zulassung dürfe aber erst zehn Jahre nach der Referenzzulassung Gebrauch gemacht werden. In letzterem Sinne habe der Verordnungsgeber den Unterlagenschutz definiert. Hinsichtlich der zVT habe er, der Beigeladene zu 2., kein Arzneimittel mit einer der Zulassung von Regadenoson bei der FFR-Messung entsprechenden Zulassung identifizieren können und daher auch kein Arzneimittel als zVT benannt. Dies entbinde ihn jedoch nicht von der Verpflichtung, ausgehend von dem zugelassenen Anwendungsgebiet des zu bewertenden Arzneimittels eine vergleichende Bewertung im Vergleich zu Standardverfahren durchzuführen und insoweit die für die methodische Beurteilung erforderliche Eignung von möglichen Vergleichsarzneimitteln (Komparator bzw. Vergleichsintervention) losgelöst von der Beurteilung der Zweckmäßigkeit im krankenversicherungsrechtlichen Sinn zu bewerten. Als „Goldstandard“ für die Erhöhung des Koronarflusses bei der Prüfung der FFR bei intermediären Koronarstenosen werde Adenosin angesehen. Als Alternativen hierzu seien Nitroprussidnatrium oder neu Regadenoson verfügbar. Auch in solchen Konstellationen habe er eine zVT zu bestimmen und behelfe sich u.a. des Instruments der Bestimmung einer zVT in Form einer „Therapie nach Maßgabe des Arztes“, die unter Berücksichtigung des Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse auf die Versorgungspraxis abhebe und dem grundlegenden Anspruch einer Nutzenbewertung gerecht werde. Die Methodenbewertung sei hinsichtlich der Vasodilatation ebenfalls unter die Prämisse gestellt worden, dass die Untersuchung unter standardisierter Vasodilatation (z.B. Adenosin) durchgeführt werden sollte, wobei die Methode mit einem vergleichbaren Nutzen auch ohne medikamentöse Vasodilatation durchgeführt werden könne. Insofern komme Regadenoson kein Solistenstatus in der Weise zu, als es erstmalig als Arzneimittel im Anwendungsgebiet der FFR-Messung zum Einsatz käme. Die Klägerin habe die erforderlichen Nachweise für die Nutzenbewertung sodann trotz Aufforderung zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht vorgelegt, so dass kraft Gesetzes ein Zusatznutzen als nicht belegt gelte.

 

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Gerichtsakten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren L 28 KR 342/20 KL ER nebst Beiakten, dem von der Beklagten vorgelegten Vorgang 3 P 4-20 sowie der vom Beigeladenen zu 2. vorgelegten Normsetzungsdokumentation Bezug genommen, der insgesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen ist.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Klage hat keinen Erfolg.

 

A. Die Klage ist zulässig.

 

Die Klägerin wendet sich zum einen gegen den Schiedsspruch der Beklagten nach § 130b Abs. 4 SGB V vom 6. Juli 2020 mit der fristgemäß innerhalb eines Monats (vgl. § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG) erhobenen, statthaften kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in Form der Bescheidungsklage (vgl. §§ 54 Abs. 1 Satz 1, 131 Abs. 3 SGG), gerichtet auf eine Neubescheidung ihrer Schiedsanträge durch die Beklagte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Der angefochtene Schiedsspruch hat die Qualität eines Verwaltungsakts im Sinne von § 31 Abs. 1 SGB X (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 – B 3 KR 20/17 R – juris Rn. 17 [Albiglutid]). Eines Vorverfahrens bedurfte es nicht (vgl. § 130b Abs. 4 Satz 6 SGB V). Das LSG Berlin-Brandenburg (vgl. § 29 Abs. 4 Nr. 3 SGG) ist im ersten Rechtszug sachlich zuständig. Die Klägerin ist als pharmazeutische Unternehmerin und damit als Beteiligte der Erstattungsbetragsvereinbarung nach § 130b Abs. 1 SGB V klagebefugt (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG).

 

Zum anderen wendet sich die Klägerin gegen den dem Schiedsspruch der Beklagten zugrunde liegenden Nutzenbewertungsbeschluss vom 15. August 2019 des Beigeladenen zu 2. Die hiermit erhobene inzidente Feststellungsklage, gerichtet auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, für die ein Vorverfahren ebenso wenig stattfindet, ist ebenfalls statthaft (vgl. BSG, Urteile vom 10. September 2020 – B 3 KR 11/19 R – juris Rn. 15 ff., 41 [Soolantra®], vom 4. Juli 2018 – B 3 KR 20/17 R – juris Rn. 17 [Albiglutid] und vom 28. März 2019 – B 3 KR 2/18 R – juris Rn. 34 ff. [Constella®]). Im grundsätzlich einstufig angelegten Rechtsschutzkonzept für das zweistufige Preisregulierungsverfahren nach §§ 35a, 130b SGB V (vgl. BSG, Urteil vom 12. August 2021 – B 3 KR 3/20 R – zitiert nach dem Terminbericht 31/21 S. 3) können Einwendungen gegen einen Nutzenbewertungsbeschluss erst dann gerichtlich geltend gemacht werden, wenn sich die Beteiligten im Verfahren nach § 130b SGB V nicht über den Erstattungsbetrag verständigen konnten und dieser nach Festsetzung durch die Schiedsstelle zur gerichtlichen Überprüfung gestellt wird (vgl. im Übrigen § 35a Abs. 8 SGB V; BSG, Urteile vom 10. September 2020 – B 3 KR 11/19 R – juris Rn. 15 ff., 41 [Soolantra®] und vom 13. August 2021 – B 3 KR 3/20 R – zitiert nach dem Terminbericht 31/21 S. 3). Zur Vermeidung von Rechtsschutzlücken sind Feststellungsklagen gegen untergesetzliche Rechtsnormen wie Normsetzungsakte des GBA auch in der vorliegenden  Konstellation statthaft (vgl. BSG, Urteile vom 10. September 2020 – B 3 KR 11/19 R – juris Rn. 16 ff. [Soolantra®] und vom 28. März 2019 – B 3 KR 2/18 R – juris Rn. 39 f. [Constella®]). Das Feststellungsinteresse der Klägerin folgt zumindest aus der Vorgreiflichkeit für die Entscheidung über den Schiedsspruch (vgl. § 256 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO] i.V.m. § 202 Satz 1 SGG sowie BSG, Urteil vom 7. Dezember 2006 – B 3 KR 5/06 R – juris Rn. 18 [Pflegedienstleitung]).

 

Dahinstehen kann, ob Rechtsschutz gegen den Beschluss zur Nutzenbewertung in dieser Form auch dann zu gewähren ist, wenn ein Zusatznutzen eines Fertigarzneimittels als nicht belegt gilt, weil der pharmazeutische Unternehmer schon kein Dossier beigebracht hat (ebenfalls offen gelassen von BSG, Urteil vom 10. September 2020 – B 3 KR 11/19 R – juris Rn. 51 [Soolantra®]). Denn die – für die begehrte gerichtliche Feststellung entsprechend § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG klagebefugte – Klägerin stellt bereits in Abrede, dass Regadenoson überhaupt in das Nutzenbewertungsverfahren hätte einbezogen werden dürfen. Daher besteht vorliegend keine vorrangig wahrzunehmende Rechtsschutzmöglichkeit, so dass im Hinblick auf das der Klägerin auch als juristischer Person des Privatrechts zustehende Verfahrensgrundrecht der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 GG die Feststellungsklage statthaft ist (vgl. auch BSG, Urteil vom 10. September 2020 – B 3 KR 11/19 R – juris Rn. 21 ff., 42 ff., 51).

 

B. Die Klage ist jedoch unbegründet.

 

Das mit dem am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz – AMNOG – vom 22. Dezember 2010 [BGBl. I S. 2262]) eingeführte und zweistufig angelegte Verfahren der Preisregulierung für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen – auf der ersten Stufe die Nutzenbewertung nach § 35a SGB V und auf der zweiten die Vereinbarung bzw. Festsetzung eines Erstattungsbetrages nebst hiermit im Zusammenhang stehender Vertragsinhalte nach § 130b SGB V – wurde der Klägerin gegenüber rechtmäßig durchgeführt. Der Beschluss des Beigeladenen zu 2. nach § 35a Abs. 3 SGB V vom 15. August 2019 zum Wirkstoff Regadenoson über die Nutzenbewertung des Arzneimittels im neuen Anwendungsgebiet der Messung der FFR, der als Teil der Arzneimittel-Richtlinie nach § 35a Abs. 3 Satz 6 Halbsatz 2 i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V (AM-RL) die Rechtsqualität einer untergesetzlichen Norm hat (vgl. BSG, Urteil vom 10. September 2020 – B 3 KR 11/19 R – juris Rn. 15 ff. [Soolantra®]), ist ebenso rechtmäßig (nachfolgend I.) wie der im Anschluss hieran ergangene Schiedsspruch der Beklagten vom 6. Juli 2020 (nachfolgend II.). Die Klägerin hat infolgedessen keinen Anspruch auf Neubescheidung ihrer Schiedsanträge (nachfolgend III.).

 

I. Der Nutzenbewertungsbeschluss vom 15. August 2019 ist rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die Durchführung eines Nutzenbewertungsverfahren lagen vor (nachfolgend 1.). Der Nutzenbewertungsbeschluss ist auch in formeller und materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (nachfolgend 2).

 

1. Gemäß § 35a Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V (in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV [GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz – AMVSG] vom 4. Mai 2017, BGBl. I S. 1050) bewertet der GBA den Nutzen von erstattungsfähigen Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen. Hierzu gehört insbesondere die Bewertung des Zusatznutzens gegenüber der zVT, des Ausmaßes des Zusatznutzens und seiner therapeutischen Bedeutung. Die Nutzenbewertung erfolgt auf Grund von Nachweisen des pharmazeutischen Unternehmers, die er einschließlich aller von ihm durchgeführten oder in Auftrag gegebenen klinischen Prüfungen spätestens zum Zeitpunkt des erstmaligen Inverkehrbringens sowie vier Wochen nach Zulassung eines neuen Anwendungsgebiets des Arzneimittels an den GBA elektronisch zu übermitteln hat, und die die in der Vorschrift im Einzelnen genannten Angaben enthalten müssen (Satz 3). Das Nähere zur Nutzenbewertung von erstattungsfähigen Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen regelt die auf Grund des § 35a Abs. 1 Satz 6 und 7 SGB V ergangene AM-NutzenV (in der Fassung vom 9. August 2019, BGBl. I S. 1202). Diese konkretisiert zugleich den Anwendungsbereich der Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 1 SGB V neben demjenigen für bereits zugelassene und im Verkehr befindliche Arzneimittel nach § 35a Abs. 6 SGB V in § 3 Abs. 1 Nr. 2 AM-NutzenV u.a. dahingehend, dass die Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 1 SGB V für erstattungsfähige Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen und neuen Wirkstoffkombinationen durchgeführt wird, die ab dem 1. Januar 2011 erstmals in den Verkehr gebracht worden sind und die nach dem 1. Januar 2011 ein neues Anwendungsgebiet nach § 2 Absatz 2 AM-NutzenV erhalten. Danach ist ein neues Anwendungsgebiet ein Anwendungsgebiet, für das nach § 29 Absatz 3 Nummer 3 AMG eine neue Zulassung erteilt wird oder das als größere Änderung des Typs 2 nach Anhang 2 Nummer 2 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 1234/2008 der Kommission vom 24. November 2008 über die Prüfung von Änderungen der Zulassungen von Human- und Tierarzneimitteln (ABl. L 334 vom 12.12.2008, S. 7) eingestuft wird.

 

Danach lagen die Voraussetzungen für die Durchführung des Nutzenbewertungsverfahrens durch den Beigeladenen zu 2. vor. Bei Regadenoson handelte es sich im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB V um ein erstattungsfähiges Arzneimittel (dazu a) mit neuem Wirkstoff (dazu b), das nach dem 1. Januar 2011 ein neues Anwendungsgebiet nach § 2 Abs. 2 AM-NutzenV erhalten hat. Das mit Beschluss des Beigeladenen zu 2. vom 17. November 2017 abgeschlossene Methodenbewertungsverfahren (dazu c) stand der Durchführung des Nutzenbewertungsverfahrens nicht entgegen.

 

a) Bei Regadenoson handelt es sich um ein Arzneimittel. Hierzu zählen u.a. Stoffe, die im oder am menschlichen Körper angewendet können, um die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2a AMG i.d.F. der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 [BGBl. I S. 2294]).

 

Erstattungsfähig sind Arzneimittel grundsätzlich unter den Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. § 31 SGB V, wonach zur Krankenbehandlung, auf die Versicherte einen Anspruch haben, u.a. die Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln gehört, soweit diese nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind. Entscheidend für die Erstattungsfähigkeit ist jedenfalls die arzneimittelrechtliche Zulassung und die Apothekenpflichtigkeit. Beides ist in Bezug auf Regadenoson, das unter dem Handelsnamen Rapiscan® abgegeben wird, der Fall. Auf den von der Klägerin gewählten Vertriebsweg kommt es dagegen für den Begriff der Erstattungsfähigkeit ebenso wenig an wie darauf, dass für die Methode der FFR-Messung eine zusätzliche GOP im EBM geschaffen wurde und die zugleich eingefügte Kostenpauschale sämtliche Sachmittel umfasst.

 

Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG dürfen Fertigarzneimittel, die Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 AMG sind, im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder wenn für sie die Europäische Gemeinschaft oder die Europäische Union eine Genehmigung für das Inverkehrbringen insbesondere gemäß Artikel 3 Abs. 1 oder 2 der VO (EG) Nr. 726/2004 erteilt hat. Bei Rapiscan® (Regadenoson) handelt sich gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AMG um ein Fertigarzneimittel im vorstehenden Sinn (vgl. auch § 1 Abs. 1 der auf Grund des § 78 AMG ergangenen AMPreisV, hier i.d.F. des Gesetzes vom 6. Mai 2019, BGBl. I S. 646), weil es in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung (in Form einer 400 Mikrogramm Injektionslösung) in den Verkehr gebracht wird. Dies wird auch von den Beteiligten nicht in Abrede gestellt.

 

Das Arzneimittel Rapiscan® (Regadenoson) wurde schließlich als selektiver koronarer Vasodilatator im (ersten) Anwendungsgebiet der Durchführung von Myokardperfusionsaufnahmen bei erwachsenen, nicht ausreichend körperlich belastbaren Patienten mit Gültigkeit in der EU am 6. September 2010 zugelassen (Zulassungsnummer EU/1/10/643/001; vormals DIMDI AMIS-AM seit dem 31. August 2020 Arzneimittel-Informationssystem beim BfArM AMIce-ÖFF; dort mit Wirksamkeitsdatum 9. September 2010 als zugelassen registriert). Erstmalig in den Verkehr gebracht wurde es in Deutschland am 15. April 2011. Die Zulassung im (zweiten) Anwendungsgebiet der FFR-Messung erfolgte durch die EMA am 23. Januar 2019.

 

Das Arzneimittel unterfällt der Apothekenpflicht nach § 43 AMG. Nach dessen Absatz 1 Satz 1 und 2 dürfen Arzneimittel u.a. im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG, die, wie Rapiscan®, nicht für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind, außer in den Fällen des § 47 AMG berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und ohne behördliche Erlaubnis nicht im Wege des Versands in den Verkehr gebracht und es darf hiermit außer nach den in den weiteren Bestimmungen genannten Fällen kein Handel getrieben werden. Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2d AMG dürfen pharmazeutische Unternehmer und Großhändler Diagnostika, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist, außer an Apotheken nur an Krankenhäuser und Ärzte abgeben (sog. Direktvertrieb). Dies bewirkt, wie sich schon aus dem Wortlaut des § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2d AMG – „außer an Apotheken“ – ergibt, keine Ausnahme von der Apothekenpflichtigkeit. Damit unterfällt Rapiscan® auch grundsätzlich der AMPreisV. Für die von deren Anwendungsbereich erfassten Fertigarzneimittel werden durch die AMPreisV Preisspannen und Preise für besondere Leistungen der Apotheken festgelegt (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AMPreisV). Ausgenommen sind die Preisspannen und Preise der Apotheken, wenn es sich u.a. um eine Abgabe unter den in der Vorschrift aufgezählten Voraussetzungen handelt, insbesondere hier relevant bei einer Abgabe an die in § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG genannten Personen (z.B. Ärzte) und Einrichtungen (z.B. Krankenhäuser). Jedoch ist allein der einzelne Abgabevorgang, anders als die Klägerin meint, bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen vom Anwendungsbereich der AMPreisV ausgenommen, ohne dass dies grundsätzlichen Einfluss auf die Apothekenpflichtigkeit hätte. Denn § 47 AMG sieht keine Ausnahme von § 43 AMG vor, sondern zählt diejenigen Fälle auf, in denen der pharmazeutische Unternehmer apothekenpflichtige Arzneimittel dennoch außerhalb des Apothekenbereichs abzugeben berechtigt ist. Für § 1 Abs. 3 Nr. 3 AMPreisV kommt es auf die „tatsächlich“ erfolgte Abgabe des Fertigarzneimittels an und nicht darauf, dass Arzneimittel vom Hersteller an Krankenhäuser und Ärzte abgegeben werden dürfen (vgl. BSG, Urteil vom 27. Oktober 2009 – B 1 KR 7/09 R – juris Rn. 17 ff., 21 [Berinert P]).

 

Dass es in der Fußnote 1 zum Nutzenbewertungsbeschluss vom 15. August 2019 und in den Tragenden Gründen hierzu heißt, das Arzneimittel unterliege nicht der AMPreisV, kann dahinstehen. Das Gericht wird hierdurch nicht gebunden. Die den Beschluss begründenden Ausführungen, die vom Beigeladenen zu 2. ebenfalls zu veröffentlichen sind (vgl. § 94 Abs. 2 SGB V, § 17 GO Kapitel 1 § 7 Abs. 2 VerfO), nehmen an der normativen Wirkung des Beschlusstenors, der allein nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V Teil der Arzneimittelrichtlinie wird, ebenso wenig teil, wie erläuternde Inhalte in einer Fußnote (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. April 2021 – L 14 KR 218/18 KL – juris Rn. 72 [Revision anhängig zu B 3 KR 6/21 R; Teriflunomid]).

 

Der hiernach gegebenen grundsätzlichen Erstattungsfähigkeit des Arzneimittels steht nicht entgegen, dass nach § 87 SGB V durch Beschluss des Bewertungsausschusses vom 18. September 2018 (mit amtlicher Bekanntmachung vom 19. September 2018 unter http://institut-ba.de/ba/babeschluesse/2018-09-18_ba426_9.pdf) in den EBM die GOP 34298 als Zuschlag zur GOP 34291 (Herzkatheteruntersuchung mit Koronarangiographie) für die Messung der FFR gemäß Nr. 23 der Anlage I „Anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden“ der Richtlinie Methoden vertragsärztlicher Versorgung des GBA mit dem obligaten Leistungsinhalt der FFR und dem fakultativen Leistungsinhalt u.a. der medikamentösen Vasodilatation je Behandlungsfall in den EBM unter der Voraussetzung einer Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung nach der Vereinbarung zur invasiven Kardiologie gemäß § 135 Abs. 2 SGB V (vgl. hierzu die Vereinbarung zur invasiven Kardiologie vom 3. September 1999 in der mittlerweile ab dem 1. Januar 2019 geltenden Fassung abrufbar unter https://www.kbv.de/media/sp/Kardiologie.pdf) aufgenommen und mit 980 Punkten einmal im Behandlungsfall bewertet wurde. Entsprechend dieser GOP wurde zugleich die Kostenpauschale 40301 in den Abschnitt 40.6 EBM in Höhe von 660 € eingefügt, die alle Sachmittel einschließlich der Kosten für Kontrastmittel und Sprechstundenbedarf enthielt. Die Beschlüsse des Bewertungsausschusses, bei denen es sich ebenfalls um untergesetzliche Normen handelt, bilden den verbindlichen Leistungskatalog für Versicherte und Vertragsärzte ab, die in der vertragsärztlichen Versorgung als ärztliche Sach- und Dienstleistungen geschuldet sind und die die Bewertungsmaßstäbe als Grundlage für den ärztlichen Vergütungsanspruch enthalten (stRspr. des BSG, vgl. Urteile vom 12. Dezember 2012 – B 6 KA 3/12 R – juris Rn. 26 m.w.N. und vom 11. September 2002 – B 6 KA 34/01 R – juris Rn. 19 zu Entscheidungen des erweiterten Bewertungsausschusses [bariumhaltige Kontrastmittel]; Freudenberg in jurisPK § 87 SGB V Rn. 46 ff., 92 ff. jeweils m.w.N.).

 

Es bestehen bereits keine Anhaltspunkte dafür, dass bei der Festsetzung der Kostenpauschale ein bestimmter Abgabepreis für Regadenoson berücksichtigt wurde, nachdem dieses Arzneimittel im neuen Anwendungsgebiet der FFR-Messung erst im Januar 2019 zugelassen wurde. Dementsprechend hatte die Klägern mit ihrem vor Durchführung des Nutzenbewertungsverfahrens dem Beigeladenen zu 2. übersandten Schreiben vom 25. Oktober 2018 mitgeteilt, die Zusammensetzung der Kostenpauschale 40301 sei ihr nicht bekannt.

 

Dass die auch Sachmittel umfassende Kostenpauschale der Durchführung eines Nutzenbewertungsverfahren nicht entgegensteht, folgt jedenfalls aus § 87 Abs. 5b Satz 5 bis 7 SGB V. Danach ist vom Bewertungsausschuss zeitgleich mit dem Beschluss des GBA nach § 35a Abs. 3 Satz 1 SGB V über die Nutzenbewertung eines Arzneimittels zu prüfen, ob der EBM für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) anzupassen ist. Zur Begründung hat der Gesetzgeber hierzu ausgeführt, eine zeitgleiche Anpassung des EBM sei auch sachgerecht, da bereits im Rahmen der Beschlüsse über die Nutzenbewertung eine Bestimmung der Kosten der Leistungen durch die Träger des Bewertungsausschusses im Hinblick auf die Jahrestherapiekosten erfolge. Der Bewertungsausschuss habe bei der Anpassung des EBM die Anforderungen des GBA an eine qualitätsgesicherte Anwendung zu berücksichtigen (vgl. BT-Drs. 18/10208 S. 29; Freudenberg in jurisPK § 87 Rn. 345 f. sowie § 15 Abs. 1 5. Kapitel VerfO mit Beschluss vom 16. März 2018 BAnz AT 04.07.2018 B1, wonach Arzneimittel, die nach Zulassung über den Direktvertrieb in die Versorgung gelangen, nicht allein deswegen von der Nutzenbewertung freizustellen sind).

 

Dahinstehen kann, ob Arzneimittel, die aufgrund der Zulassung ausschließlich stationär eingesetzt werden dürfen, von der Nutzenbewertung mangels Erstattungsfähigkeit ausgenommen sind (vgl. hierzu von Dewitz in BeckOK Sozialrecht, Stand 1. Juni 2021, § 35a Rn. 71 m.w.N., a.A. Luthe in Hauck/Noftz SGB V, Werksstand 01/21, § 35a SGB V Rn. 51). Denn dies ist in Bezug auf Regadenoson nicht der Fall. Nach dem Nutzenbewertungsbeschluss vom 15. August 2019 ist die Anwendung von Rapiscan® (Regadenoson) nicht auf stationäre Einrichtungen beschränkt. Diese setzt ausschließlich voraus, dass sie in einer medizinischen Einrichtung erfolgt, in der eine Ausrüstung zur Überwachung der Herzfunktion und zur kardialen Wiederbelebung zur Verfügung steht, welches auch bei niedergelassenen Ärzten der Fall sein kann. Gegenteiliges wird auch von der Klägerin nicht geltend gemacht.

 

b) Bei dem Arzneimittel Regadenoson handelt es sich zugleich um einen neuen Wirkstoff i.S.v. § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB V, weil im (maßgeblichen) Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Nutzenbewertung von Regadenoson im neuen Anwendungsgebiet der FFR-Messung vom 15. August 2019 der mit der Erstzulassung des Arzneimittels am 6. September 2010 ausgelöste Unterlagenschutz noch nicht abgelaufen.

 

aa) Der Gesetzgeber hat dem GBA mit § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB V generell die Pflicht auferlegt, eine Nutzenbewertung für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen durchzuführen, und zwar unbeschadet des Umstandes, dass für die Bewertung des „Zusatznutzens“ die nach dem Gesetz dafür heranzuziehenden Kriterien über die isolierte Betrachtung des Wirkstoffs (u.a. zugelassene Anwendungsgebiete, medizinischer Nutzen, Anzahl der Patienten usw., vgl. § 35a Abs. 1 Satz 2 und 3 Nr. 1 bis 6 SGB V) hinausgehen (vgl. BSG, Urteile vom 10. September 2020 – B 3 KR 11/19 R – juris Rn. 26 [Soolantra®] und vom 12. August 2021 – B 3 KR 3/20 R – Terminbericht 31/21 S. 4; Pitz in jurisPK-SGB V Rn. 18). Bei Regadenoson handelt es sich um ein Arzneimittel mit einem neuen (zugleich einzigen) Wirkstoff in vorstehendem Sinn.

 

§ 2 Abs. 1 AM-NutzenV (i.d.F. vom 28. Dezember 2010 [BGBl. I 2010 S. 2324]) definiert Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen als Arzneimittel, die Wirkstoffe enthalten, deren Wirkungen bei der erstmaligen Zulassung in der medizinischen Wissenschaft nicht allgemein bekannt sind (Satz 1). Ein Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff im Sinne der AM-NutzenV gilt solange als ein Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff, wie für das erstmalig zugelassene Arzneimittel mit dem Wirkstoff Unterlagenschutz besteht (§ 2 Abs. 1 Satz 2 AM-NutzenV). Diese Regelung entspricht § 2 Abs. 1 des 5. Kapitels der Verfahrensordnung des Beigeladenen zu 2. (VerfO). Neben dem untergesetzlichen Regelwerk der AM-NutzenV findet sich im SGB V keine Definition dessen, was unter neuen Wirkstoffen zu verstehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 10. September 2020 – B 3 KR 11/19 R – juris Rn. 26 [Soolantra®]; Penner, SGb 2021, 508 ff., 519, der in seiner Anmerkung zu vorstehendem Urteil ausführt, in Bezug auf die Frage, wie der Begriff eines neuen Wirkstoffs auszulegen sei, habe das BSG einen „Cliffhanger“ vorgesehen; es habe die eigentliche Kernfrage, was „neu“ im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB V ist, offen gelassen). Der Begriff des Unterlagenschutzes wird zwar in der amtlichen Überschrift des § 24b AMG „Zulassung eines Generikums, Unterlagenschutz“ genannt, nachfolgend jedoch weder in dieser Norm noch an anderer Stelle legaldefiniert oder auch nur begrifflich aufgegriffen.

 

Nach Auffassung des Senats folgt jedenfalls aus der Entstehungsgeschichte sowie aus dem Sinn und Zweck der maßgeblichen Normen, dass Wirkstoffe erst nach Ablauf einer mindestens zehnjährigen Unterlagenschutzfrist keine „neuen Wirkstoffe“ i.S.v. § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2 AM-NutzenV mehr sind.

 

Wie bereits ausgeführt, wurde Rapiscan® im September 2010 von der EMA zentral zugelassen. Anders als von der Klägerin geltend gemacht, kommt es für den hier gemeinten Begriff des Unterlagenschutzes nicht entscheidend auf die Datenexklusivität von acht Jahren („Unterlagenschutz im engeren Sinne“), sondern auf die Unterlagenschutzfrist bis zum Ablauf des Vermarktungsschutzes an, die in der Regel einen Zeitraum von zehn Jahren ab Zulassung beträgt und ausnahmsweise auf elf Jahre verlängert werden kann. Die 10jährige Frist, die mit der Erstzulassung des Arzneimittels am 6. September 2010 ausgelöst worden war und mit der Beschlussfassung über die Nutzenbewertung am 15. August 2019 endete, war für Regadenoson im hier maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht abgelaufen.

 

Offenbleiben kann, ob hierauf bereits die amtliche Überschrift des § 24b AMG hindeutet sowie die systematische Erwägung, dass § 2 Abs. 1 Satz 2 AM-NutzenV pauschal zur Definition der Begrifflichkeit „Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff“ darauf verweist, dass für das erstmalig zugelassene Arzneimittel mit dem Wirkstoff „Unterlagenschutz“ besteht. Erst mit der Zweitzulassung eines Generikums, also frühestens nach zehn Jahren, liegt dieser Umstand – erstmalig zugelassenes Arzneimittel mit dem Wirkstoff – nicht mehr vor (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Februar 2021  – L 4 KR 200/21 ER-B – juris Rn. 92 [Röntgenkontrastmittel], wonach das Preisregulierungssystem in erster Linie die Zeit vor Entstehung eines generischen Wettbewerbs im Blick habe, solange sich nur ein Arzneimittel eines Wirkstoffs [„Solist“] auf dem Markt befinde). Zwar greift allein § 24b Abs. 1 Satz 1 AMG das Wort „Unterlagen“  auf, wohingegen Absatz 2 dieses nicht nennt, sondern regelt, dass das Generikum frühestens nach Ablauf von zehn Jahren nach Erteilung der ersten Genehmigung für das Referenzarzneimittel in den „Verkehr gebracht“ werden darf.

 

Jedenfalls eine historische Auslegung sowie eine solche nach Sinn und Zweck des § 35a Abs. 1 SGB V i.V.m. § 2 Abs. 1 AM-NutzenV bestätigen nach Auffassung des Senats, dass der Gesetzgeber insgesamt die den „Unterlagenschutzes im allgemeinen Sinn“ und nicht einen „Unterlagenschutz im engeren Sinn“ regeln wollte und daher mit § 2 Abs. 1 Satz 2 AM-NutzenV die grundsätzlich zehnjährige Schutzfrist bezeichnet worden ist.

 

Das zentrale Zulassungsverfahren, wie für Regadenoson durchgeführt, wurde mit der VO (EG) 2309/93 vom 22. Juli 1993 (ABl. L 214 S. 1) für die Zeit ab 1. Januar 1995 eingeführt. Zeitgleich wurde die Schaffung der EMA beschlossen. Die vorstehende VO (EG) 2309/93 ist durch die VO (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur – VO (EG) Nr. 726/2004 (ABl. L 136 S. 1) – mit Wirkung vom 20. Mai 2004 ersetzt worden, die die Zulassung von Arzneimitteln durch die Kommission der EU im Gemeinschaftsverfahren und die Überwachung der von der Gemeinschaft zugelassenen Arzneimittel überwacht. Nach deren Art. 14 Abs. 11 unterliegen Humanarzneimittel, die gemäß den Bestimmungen dieser Verordnung genehmigt worden sind, unbeschadet des Rechts über den Schutz gewerblichen und kommerziellen Eigentums einem Datenschutz von acht Jahren und einem Vermarktungsschutz von zehn Jahren. Die zehnjährige Frist wird auf höchstens elf Jahre verlängert, wenn der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen innerhalb der ersten acht dieser insgesamt zehn Jahre die Genehmigung eines oder mehrerer neuer Anwendungsgebiete erwirkt, die bei der wissenschaftlichen Bewertung vor ihrer Genehmigung als von bedeutendem klinischen Nutzen im Vergleich zu den bestehenden Therapien betrachtet werden. Hierdurch wurde die vormalige Rechtsgrundlage für den Unterlagenschutz in Art. 13 Abs. 4 der VO (EG) Nr. 2309/93 durch die sogenannte 8+2+1-Regelung ersetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 – 3 C 18.14 – juris Rn. 21 [Clopidogrel-Hydrogensulfat]). Diese wurde mit § 24b Abs. 1 AMG auch innerstaatlich normiert und allgemein mit „Zulassung eines Generikums, Unterlagenschutz“ überschrieben.

 

Die frühere Richtlinie 65/65/EWG in der Fassung der Richtlinie 87/21/EWG vom 22. Dezember 1986 sah in Art. 4 Abs. 2 Nr. 8 vor, dass ein Zulassungsantragsteller für technologische hochwertige Arzneimittel (Teile A und B des Anhangs der Richtlinie 87/22/EWG) nicht verpflichtet war, die Ergebnisse von näher genannten Versuchen vorzulegen, wenn er nachweisen konnte, dass die Arzneispezialität im Wesentlichen einem Erzeugnis gleicht, das seit mindestens zehn Jahren in der Gemeinschaft zugelassen und in einem Mitgliedstaat in Verkehr gebracht worden ist. Ein Mitgliedstaat konnte diese Frist durch eine einheitliche, alle in seinem Gebiet auf dem Markt befindlichen Erzeugnisse auf zehn Jahre verlängern, wenn dies seiner Ansicht nach im Interesse der öffentlichen Gesundheit erforderlich war. Nach Art. 10 der Richtlinie 2011/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel, mit dem die bisherigen in diesem Zusammenhang ergangenen Richtlinien kodifiziert und in einem Text zusammengefasst wurden, verblieb es bei dieser Regelung. Bereits hieraus wird in historischer Hinsicht der Fokus auf das Inverkehrbringen des Arzneimittels deutlich.

 

Hiermit korrespondierend normierte der nationale Gesetzgeber in § 24a Abs. 1 AMG i.d.F. des Gesetzes vom 16. August 1986 (a.F.; BGBl. I S. 1296), dass der Antragsteller bei einem verschreibungspflichtigen Arzneimittel auf Unterlagen einschließlich der Sachverständigengutachten eines früheren Antragstellers (Vorantragsteller) Bezug nehmen konnte, wenn die erstmalige Zulassung des Arzneimittels des Vorantragstellers länger als zehn Jahre zurücklag. Gemäß § 24a AMG in der ab dem 23. Juli 2009 geltenden Fassung (BGBl. I S. 1990) kann der arzneimittelrechtliche Antragsteller auf Unterlagen eines Vorantragstellers nach § 22 Abs. 2, 3 und 3c AMG (z.B. Ergebnisse der klinischen Prüfung, anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial und Bewertung möglicher Umweltrisiken) einschließlich der Sachverständigengutachten nach § 24 Abs. 1 Satz 2 AMG hinsichtlich eines schon zugelassen Arzneimittels ebenfalls Bezug nehmen. Dies ist in diesem Rahmen aber nur mit Zustimmung des Vorantragstellers möglich. Ohne die Zustimmung des Vorantragstellers kann bei einem Arzneimittel, das die gleiche Zusammensetzung der Wirkstoffe nach Art und Menge und die gleiche Darreichungsform wie ein schon zugelassenes Arzneimittel hat (sog. Generikum, vgl. § 24b Abs. 2 AMG), die Bezugnahme auf Unterlagen auf Grundlage von § 24b Abs. 1 Satz 1 AMG frühestens nach acht Jahren seit der Zulassung des Referenzarzneimittels erfolgen. Mit der zuletzt zitierten Vorschrift wird nach Auffassung des Senats ein „Unterlagenschutz im engeren Sinne“ normiert. Ein Generikum, das gemäß dieser Bestimmung zugelassen wurde, darf sodann frühestens nach Ablauf von zehn Jahren nach Erteilung der ersten Genehmigung für das Referenzarzneimittel in den Verkehr gebracht werden (§ 24b Abs. 1 Satz 2 AMG). Dieser Zeitraum wird auf höchstens elf Jahre verlängert, wenn der Inhaber der Zulassung innerhalb von acht Jahren seit der Zulassung die Erweiterung der Zulassung um eines oder mehrere neue Anwendungsgebiete erwirkt, die bei der wissenschaftlichen Bewertung vor ihrer Zulassung durch die zuständige Bundesoberbehörde als von bedeutendem klinischem Nutzen im Vergleich zu bestehenden Therapien beurteilt werden (§ 24b Abs. 1 Satz 3 AMG). § 24b Abs. 1 AMG umschreibt mit dieser 8+2+1-Regelung die maßgeblichen Schutzfristen  des Unterlagenschutzes im Allgemeinen. Das hiermit geschaffene exklusive Verwertungsrecht soll forschende Arzneimittelhersteller für mindestens zehn Jahre vor einer wirtschaftlich beeinträchtigenden Nutzung ihrer für die Zulassung des Referenzarzneimittels bedeutsamen Versuchsergebnisse durch Konkurrenten schützen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 – 3 C 18.14 – Rn. 32  [Clopidogrel-Hydrogensulfat]). Dementsprechend wird die Unterlagenschutzfrist nach § 24b Satz 1 und 2 AMG überwiegend mit einem Zeitraum von insgesamt zehn Jahren definiert (vgl. VG Köln, Beschluss vom 25. Januar 2018 – 7 L 4867/17 – juris Rn. 33; Wagner in Krauskopf, SGB V, Werkstand Mai 2021, § 35a Rn. 7; Fiekas, Die Bedeutung des Unterlagenschutzes für die Nutzenbewertung durch den GBA, PharmR 2019, 145 ff., 147 f., 150 unter Darstellung der Auffassungen in der Literatur zur Dauer des Unterlagenschutzes).

 

Der AMNOG-Gesetzgeber hat die Nutzenbewertung dementsprechend zur Vorbereitung der Erstattungsbetragsvereinbarung für „jedes erstattungsfähige Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen, das ab Inkrafttreten dieses Gesetzes in Verkehr gebracht wird“ u.a. im Hinblick darauf eingeführt, dass diese „noch nicht dem Preiswettbewerb im generikafähigen Markt unterlägen“ (vgl. BT-Drs. 17/2413 S. 19 ff., 20, 27; Stadelhoff in Berchthold/Huster/Rehborn, Gesundheitsrecht, 2. Auflage 2018, § 35a Rn. 9). Auch  hiernach kommt es wesentlich auf das „Inverkehrbringen“, mithin die zehnjährige Schutzfrist an.

 

Nichts Abweichendes folgt aus der Begründung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) zum Verordnungsentwurf über die Nutzenbewertung von Arzneimitteln nach § 35a Abs. 1 SGB V für Erstattungsvereinbarungen nach § 130b SGB V (AM-NutzenV) vom 6. Dezember 2010 (S. 12 zu § 2; Anlage GKV SV 1 GA Bl. 491). Danach sei ein Wirkstoff allgemein bekannt, mithin nicht mehr neu, wenn er seit mindestens zehn Jahren in der EU allgemein medizinisch verwendet werde. Damit verknüpft sei der Unterlagenschutz nach § 24b AMG, wonach ein Generikum erstmals nach Ablauf von zehn Jahren nach der Zulassung des Referenzarzneimittels in den Verkehr gebracht werden dürfe. Auf diese Frist werde zur Gewährleistung von Rechtssicherheit abgestellt. Auch das BMG ging mithin im Rahmen des Entwurfs der AM-NutzenV davon aus, dass mit „Unterlagenschutz“ der regelmäßige Schutzzeitraum zugunsten des Erstantragstellers von zehn Jahren bezeichnet ist (vgl. auch Fieskas, a.a.O.). Hieran hält das BMG ausweislich seines vom Bevollmächtigten der Klägerin überreichten Schreibens vom 27. Juli 2020 zur Auslegung der Begriffe „Unterlagenschutz“ und „Patentschutz“ offensichtlich fest, wonach der Begriff „Unterlagenschutz“ nach § 130b Abs. 7 Satz 4 f. SGB V in der – hier nicht maßgeblichen – Fassung des Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetzes vom 22. März 2020 (GKV-FKG, BGBl. I S. 604) sowohl die Ausschlussfrist für eine zustimmungsfreie Bezugnahme auf die Zulassungsunterlagen des Erstantragstellers von acht Jahren nach § 24b Abs. 1 Satz 1 AMG als auch den Vermarktungsschutz von zwei weiteren Jahren vor Inverkehrbringen eines Generikums nach § 24b Abs. 1 Satz 2 AMG mit der Möglichkeit einer einmaligen Verlängerung der Frist auf höchstens elf Jahre nach § 24b Abs. 1 Satz 3 AMG (sog. „8+2+1-Formel“) erfasse.

 

Das vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin zitierte Urteil des Verwaltungsgerichts Köln (vom 6. Oktober 2020 – 7 K 2284/18 –) rechtfertigt keine andere Beurteilung. Vielmehr kommt es auch danach arzneimittelzulassungsrechtlich hinsichtlich des „durch mehrere Fristen schematisierten Unterlagenschutzes“ auf den Ablauf der zehnjährigen Schutzfrist an. Zweck der Regelungen über den Unterlagenschutz sei es, dem innovativen Erstanbieter eines Arzneimittels mit einem Datenschutz von acht Jahren und einem Vermarktungsschutz von insgesamt zehn Jahren, in besonderen Fällen von elf Jahren, die Möglichkeit zu eröffnen, entstandene Aufwendungen zur Entwicklung des neuen Präparats zu refinanzieren. Durch die Anordnung starrer Fristen – und nicht einer einzigen achtjährigen Frist – sei der Unterlagenschutz schematisiert. Eine unter Verletzung des Unterlagenschutzes erteilte Zulassung sei rechtswidrig. Dies gelte auch dann, wenn die Zweitzulassung nach Ablauf der achtjährigen, aber vor Ablauf der zehnjährigen Schutzfrist erteilt worden sei (VG Köln, Urteil vom 6. Oktober 2020 – 7 K 2284/18 – juris Rn. 41-44).

 

Das Fortbestehen des Unterlagenschutzes stellt für die vorliegend festzustellende Rechtmäßigkeit des Nutzenbewertungsbeschlusses keine (Dauer-)Voraussetzung dar. Denn maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob ein Wirkstoff „neu“ i.S.v. § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB V ist, ist der Erlass des Nutzenbewertungsbeschlusses nach Absatz 3 dieser Vorschrift. Zwar können mit Ablauf des Unterlagenschutzes grundsätzlich Generika gemäß § 24b Abs. 1 Satz 2 AMG mit der Folge in den Verkehr gebracht werden, dass das Instrument der Preisregulierung nach §§ 35a SGB V, 130b Abs. 1 SGB V im Hinblick auf das aus § 12 Abs. 1 SGB V folgende Zweckmäßigkeits- und Wirtschaftlichkeitsgebot sowie die Finanzierbarkeit der Arzneimittelversorgung innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. BT-Drs. 17/2413 S. 20) entbehrlich ist, weil sich die Preisfindung sodann über den Wettbewerb reguliert (vgl. Fiekas a.a.O. S. 148). Grundsätzlich trifft einen Normsetzungsgeber wie den GBA auch nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Beobachtungspflicht (vgl. BVerfG, Urteile vom 19. Juni 2009 – 1 BvR 706/08 u.a. – juris Rn. 241; vom 16. März 2004 – 1 BvR 1778/01 – juris Rn. 67; BSG, Urteil vom 27. August 2019 – B 1 KR 37/18 R – juris Rn. 27; BVerwG, Urteil vom – 7 CN 1/14 – juris Rn. 20). Zum einen kann aber der pharmazeutische Unternehmer nach § 35a Abs. 5 Satz 1 SGB V (i.d.F. des AMVSG vom 4. Mai 2017, BGBl. I S. 1050), eine erneute Nutzenbewertung beantragen, wenn er die Erforderlichkeit wegen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse nachweist. Zum anderen ist mit der („klarstellenden“ Regelung [vgl. BT-Drs. 19/17155 S. 140]) in § 130b Abs. 7 Satz 4 SGB V in der Fassung des GKV-FKG vom 22. März 2020 (BGBl. I S. 604) bzw. § 130b Abs. 8a SGB V in der ab dem 20. Juli 2021 geltenden Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG; BGBl. I S. 2754), wonach der nach § 130b Abs. 1 SGB V vereinbarte oder nach Absatz 4 festgesetzte Erstattungsbetrag ungeachtet des Wegfalls des Unterlagenschutzes des erstmalig zugelassenen Arzneimittels für alle Arzneimittel mit dem gleichen Wirkstoff fort gilt, zugleich klargestellt, dass das Vorliegen von Unterlagenschutz keine Dauervoraussetzung für die Rechtmäßigkeit eines Nutzenbewertungsbeschlusses ist. 

 

c) Die Durchführung des Nutzenbewertungsverfahrens nach § 35a SGB V war nicht im Hinblick auf das abgeschlossene Methodenbewertungsverfahren nach § 135 SGB V betreffend die FFR-Messung (Beschluss des GBA vom 17. November 2017) ausgeschlossen. Im Zeitpunkt der Zulassung von Regadenoson im neuen Anwendungsgebiet der FFR-Messung handelte es sich bei dieser Untersuchungsmethode nicht mehr um eine „neue“, so dass seitens des GBA nicht die Einzelfallentscheidung zu treffen war, ob die Anwendung von Regadenoson als Bestandteil einer neuen Untersuchungsmethode im Sinne des § 135 Abs. 1 SGB V jenem Geltungsbereich und nicht demjenigen der Nutzenbewertung nach § 35a SGB V unterliege.

 

Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht streitig, dass die FFR-Messung eine Untersuchungsmethode i.S.d. § 135 Abs. 1 SGB V ist. Eine solche ist dadurch gekennzeichnet, dass es sich um eine medizinische Vorgehensweise handelt, der ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Diagnoseverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Untersuchung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (stRspr. des BSG, vgl. das Urteil vom 18. Dezember 2018 – B 1 KR 11/18 R – juris Rn. 26 m.w.N. [Erprobungspotential]). Dass dies der Fall ist, ergibt sich auch aus dem Methodenbewertungsbeschluss vom 17. November 2017 und der hierzu veröffentlichten Zusammenfassenden Dokumentation des Beigeladenen zu 2.

 

Gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden u.a. in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der GBA auf Antrag der in der Vorschrift näher bezeichneten Antragsberechtigten Empfehlungen u.a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit – auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden – nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung abgegeben hat. Gemäß Satz 2 dieser Vorschrift überprüft der GBA die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten u.a. vertragsärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 der Vorschrift entsprechen. Als „neu“ gilt eine Untersuchungs- (und Behandlungs-)Methode solange, bis sie  als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im EBM für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist (stRspr. des BSG, vgl. Urteile vom 18. Dezember 2018 – B 1 KR 11/18 R – juris Rn. 27 m.w.N. [Erprobungspotential] und vom 27. September 2005 – B 1 KR 28/03 R – juris Rn. 17 [extrakorporale Stoßwellentherapie]). Nachdem der Methodenbewertungsbeschluss vom 17. November 2017 am 1. Februar 2018 in Kraft getreten und im EBM die GOP 34298 nebst Kostenpauschale 40301 im Abschnitt 40.6 EBM, die alle Sachmittel einschließlich Kosten für Kontrastmittel und Sprechstundenbedarf inkludiert, für die FFR-Messung mit Beschluss des Bewertungsausschusses vom 18. September 2018 (amtliche Bekanntmachung vom 19. September 2018) eingeführt worden war, handelte es sich bei der FFR-Messung vor der Zulassung von Regadenoson in diesem Anwendungsgebiet am 23. Januar 2019 nicht mehr um eine neue Untersuchungsmethode.

 

Anhaltspunkte dafür, dass die Anwendung von Regadenoson im neuen Anwendungsgebiet der FFR-Messung zu einer wesentlichen Änderung oder Erweiterung der bereits bewerteten Untersuchungsmethode geführt hätte, bestehen nicht und werden auch von der Klägerin nicht behauptet. Vielmehr macht diese geltend, die Anwendung von Regadenoson sei untrennbar mit der – schon bewerteten – Methode der FFR-Messung verknüpft. Eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren bereits im EBM-Ä enthaltene ärztliche Leistungen oder zu Lasten der GKV abrechnungsfähige Methoden erst dann, wenn ein nach Maßgabe des Schutzzwecks des § 135 Abs. 1 SGB V wesentlicher Umstand in Bezug auf eine bisher nicht erprobte, neue Wirkungsweise der Methode, welches sich auch aus der Komplexität der Methode oder ihrem technischen Ablauf ergeben kann, neu hinzu getreten sein könnte (vgl. BSG, Urteil vom 8. Juli 2015 – B 3 KR 6/14 R – juris Rn. 20-22 [Kniebewegungsschiene]). Dies ist hier im Hinblick auf die Anwendung von Regadenoson, insbesondere die Applikation und Wirkungsweise, im Rahmen der FFR-Messung auch nach dem Vortrag der Klägerin selbst nicht der Fall und auch aus den vorliegenden Akten nicht erkennbar. Darauf, dass es sich, wie zwischen den Beteiligten ebenso wenig streitig ist, bei dem Arzneimittel Regadenoson um ein Diagnostikum handelt, dessen Wirkung sich in der medikamentösen koronaren Stressauslösung, d.h. einer maximalen Durchblutung (Vasodilatation) der Herzkranzgefäße erschöpft und dass es mit dem Ziel der Auslösung dieser Wirkung im Rahmen der diagnostischen Methode der FFR-Messung (neben der Anwendung im ersten Anwendungsgebiet, der MPI) eingesetzt wird, kommt es danach ebenso wenig an wie darauf, dass die eigentliche Diagnose durch die FFR-Messung gestellt wird.

 

Bei dieser Sachlage war dem Beigeladene zu 2. auch nicht die Möglichkeit eröffnet, im Wege der Einzelfallentscheidung das (erst) im Januar 2019 im neuen Anwendungsgebiet zugelassene Arzneimittel Regadenoson als Diagnostikum zum Bestandteil einer neuen Untersuchungsmethode i.S.d. § 135 Abs. 1 SGB V zu erklären und zu beschließen, dass der Wirkstoff nicht dem Geltungsbereich der Nutzenbewertung nach § 35a SGB V unterliege. Da keine Erstzulassung von Regadenoson im Rahmen einer frühen Nutzenbewertung gegenständlich war, die bereits im Jahr 2012 bezüglich des ersten Anwendungsgebiets erfolgt war, kam eine entsprechende Beschlussfassung in einem bereits eröffneten frühen Nutzenbewertungsverfahren nicht in Betracht (vgl. im Übrigen auch GKV-FKG vom 22. März 2020, mit dem in § 35a Abs. 1b SGB V geregelt worden ist, dass – zugelassene – Arzneimittel für neuartige Therapien i.S.v. Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 1394/2007 nur noch der Nutzenbewertung und nicht mehr der Methodenbewertung unterworfen sind, so dass diese Entscheidung nicht mehr vom GBA zu treffen ist [BT-Drs. 19/17155, S. 126 mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 – B 1 KR 27/02 R –]). Vergleichbare Sachverhaltskonstellationen, in denen für ein nach Abschluss eines Methodenbewertungsverfahrens in diesem Anwendungsgebiet nachträglich zugelassenes Arzneimittel ein Methodenvorbehalt in Bezug auf die bereits bewertete Methode seitens des Beigeladenen zu 2. festgestellt worden wäre, hat keiner der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat benennen können. Die von der Klägerin unter Bezugnahme auf Beschlüsse des Beigeladenen zu 2. bezeichneten Sachverhalte sind mit dem vorliegenden dagegen nicht vergleichbar. Diese betrafen sämtlich Diagnostika für die Anwendung im Rahmen von im Zeitpunkt der jeweils getroffenen Entscheidung des Beigeladenen zu 2. noch nicht nach § 135 SGB V bewerteten Untersuchungsmethoden (insbes. Positronen-Emissions-Tomographie bzw. vaskuläre photodynamische Therapie). Eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG kommt bei dieser Sachlage von vornherein nicht in Betracht. Im Übrigen bestand für den Beigeladenen zu 2. auch kein Grund für eine Entscheidung über den Vorrang des Methodenbewertungsverfahrens hinsichtlich der Anwendung von Regadenoson im Rahmen der FFR. Denn das Verfahren der Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 1 SGB V war für das bereits in den Verkehr gebrachte Arzneimittel erst wieder mit der Zulassung für das neue Anwendungsgebiet eröffnet (vgl. § 35a Abs. 1 Satz 3 SGB V). Schließlich hatte der Beigeladene zu 2., wie er zu Recht ausgeführt hat, faktisch auch in Bezug auf Regadenoson den von der Klägerin reklamierten Vorrang des Methodenbewertungsverfahrens insofern und im Einklang mit § 35a Abs. 1 SGB V berücksichtigt, als er die Klägerin erst mit der bevorstehenden Zulassung zur Dossiervorlage aufgefordert hatte. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch, wie ausgeführt, das Methodenbewertungsverfahren mit Beschluss vom 17. November 2017 abgeschlossen, ohne dass das Arzneimittel Regadenoson dort Gegenstand gewesen wäre. Dass sich die Klägerin, wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt hat, in die Methodenbewertung eingebracht habe und erst im Stellungnahmeverfahren die Methode ohne pharmakologische Vasodilatation erwogen worden sei, nachdem zuvor immer die Anwendung von entsprechenden Arzneimitteln im Rahmen der  FFR-Messung gegenständlich gewesen sei, da diese Methode untrennbar mit einer pharmakologischen Belastung verbunden sei, kann nach Abschluss des Verfahrens dahinstehen. Dementsprechend wurde jedenfalls im Rahmen des gegenständlichen Nutzenbewertungsverfahrens – in Ermangelung einer nicht-medikamentösen Vergleichstherapie im Anwendungsgebiet – allein auf eine pharmakologische Stressauslösung abgestellt.

 

Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen in diesem Zusammenhang nicht. Das Bundessozialgericht hat im Rahmen der Festbetragsgruppenbildung nach § 35 Abs. 1 SGB V (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2004 – B 3 KR 10/04 R – juris Rn. 18 ff. [Festbetragsfestsetzung]) sowie für das Nutzenbewertungsverfahren gemäß § 35a SGB V (vgl. BSG, Urteil vom 10. September 2020 – B 3 KR 11/19 R – juris Rn. 29 ff., 32 f. [Soolantra®]) ausgeführt, der pharmazeutische Unternehmer habe als juristische Person und insofern Grundrechtsträger (vgl. Art. 19 Abs. 3 GG) auch aus dem grundrechtlichen Recht auf Schutz der unternehmerischen Berufsfreiheit (vgl. Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. GG) ein Recht auf willkürfreie Einordnung bzw. Nutzenbewertung des Arzneimittels. Ein Beschluss des Beigeladenen zu 2. enthalte eine Aussage über die Zweckmäßigkeit des Arzneimittels i.S.d. § 12 Abs. 1 SGB V und entfalte Wirkung für den Vertragsarzt bei der Verordnung (vgl. §§ 91 Abs. 6, 92 Abs. 2 SGB V; BT-Drs. 17/2413 S. 20 f.). Dass die im Nutzenbewertungsbeschluss veröffentlichten Informationen ein erheblich marktsteuerndes Verhalten insbesondere für Vertragsärzte nach sich zögen, liege auf der Hand (vgl. BSG, Urteil vom 10. September 2020 – B 3 KR 11/19 R – juris Rn. 33 [Soolantra®]). § 35a SGB V korreliert aber als erste Stufe des „AMNOG-Verfahrens“ mit der aus § 12 Abs. 1 SGB V folgenden Verpflichtung des Gesetzgebers zur Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen sowie in der Qualität gesicherten Versorgung (vgl. schon BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2002 – 1 BvL 28/95 u.a. – juris Rn. 113 [Festbetragsfestsetzung]). Sie ist durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt. Ziel des AMNOG-Gesetzgebers war eine Begrenzung der Kosten zu Lasten der GKV durch eine wirksame, wirtschaftliche und kosteneffiziente Versorgung mit Arzneimitteln (vgl. BT-Drs. 17/2413 S. 1). Die Sicherung der finanziellen Stabilität der GKV ist eine legitime Gemeinwohlaufgabe, die dem Gesetzgeber obliegt und der die Kostendämpfung im Gesundheitswesen dient (vgl. BVerfG Beschluss vom 31. Oktober 1984 – 1 BvR 35/82 u.a. – juris Rn. 66 f. [Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz]; BSG, Urteil vom 28. März 2019 – B 3 KR 2/18 R – juris Rn. 62 [Constella®]; Urteil vom 4. Juli 2018 – B 3 KR 20/17 R – juris Rn. 37 [Albiglutid]). Die Preisregulierung auf der Grundlage einer am Nutzen bzw. Zusatznutzen von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen orientierte, generelle Nutzenbewertung festzumachen, ist effektiv und nicht unangemessen. Die Notwendigkeit, die Finanzierbarkeit der Arzneimittelversorgung in der GKV sicherzustellen, hat im Rahmen des gesetzgeberischen Spielraums ein erhebliches Gewicht. Die einer solchen gegenüberstehenden, insbesondere umsatzorientierten Interessen der Klägerin werden schon aufgrund des austarierten Verhandlungssystems (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 – B 3 KR 20/17 R – juris Rn. 42 [Albiglutid]) im Rahmen der zweiten Stufe des AMNOG-Verfahrens gemäß § 130b SGB V vorliegend durch die Einbeziehung von Regadenoson ins Nutzenbewertungsverfahren nicht unangemessen beeinträchtigt.

 

2. Das mit dem gegenständlichen Beschluss abgeschlossene Nutzenbewertungsverfahren ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.

 

Die Nutzenbewertung, wozu insbesondere die Bewertung des Zusatznutzens gegenüber der zVT sowie des Ausmaßes des Zusatznutzens und seiner therapeutischen Bedeutung gehört (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 2019 – B 3 KR 2/18 R – juris Rn. 47 bis 49 [Linaclotid®]), erfolgt auf Grund von Nachweisen des pharmazeutischen Unternehmers, die dieser einschließlich aller von ihm durchgeführten oder in Auftrag gegebenen klinischen Prüfungen spätestens zum Zeitpunkt des erstmaligen Inverkehrbringens sowie vier Wochen nach Zulassung neuer Anwendungsgebiete des Arzneimittels an den GBA elektronisch zu übermitteln hat und in denen die zugelassenen Anwendungsgebiete, der medizinische Nutzen, der medizinische Zusatznutzen im Verhältnis zur zVT, die Anzahl der Patienten und Patientengruppen, für die ein therapeutisch bedeutsamer Zusatznutzen besteht, die Kosten der Therapie für die gesetzliche Krankenversicherung und die Anforderung an eine qualitätsgesicherte Anwendung anzugeben sind (§ 35a Abs. 1 Satz 3 SGB V). Legt der pharmazeutische Unternehmer die erforderlichen Nachweise trotz Aufforderung durch den GBA nicht rechtzeitig oder nicht vollständig vor, gilt ein Zusatznutzen als nicht belegt (Satz 5). Dieser bestimmt in seiner Verfahrensordnung, wann die Voraussetzungen nach Satz 5 vorliegen. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AM-NutzenV (vgl. auch § 5 Abs. 1 VerfO) ist der Zusatznutzen vom pharmazeutischen Unternehmer in einem näher in § 4 AM-NutzenV geregelten Dossier nachzuweisen. Das Dossier muss die in § 4 Abs. 1 AM-NutzenV aufgezählten Angaben enthalten. Es ist nach § 4 Abs. 3 Nr. 3 AM-NutzenV für Arzneimittel, die ein neues Anwendungsgebiet nach § 2 Absatz 2 AM-NutzenV erhalten, wenn für das Arzneimittel eine Nutzenbewertung nach dieser Verordnung veranlasst wurde, innerhalb von vier Wochen nach Zulassung des neuen Anwendungsgebiets oder der Unterrichtung des pharmazeutischen Unternehmers über eine Genehmigung für eine Änderung des Typs 2 nach Anhang 2 Nummer 2 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 1234/2008 zu übermitteln (vgl. auch §§ 8 Abs. 1 Nr. 2, 11 Abs. 1 VerfO). Gemäß § 35a Abs. 7 SGB V (vgl. § 7 VerfO) berät der GBA den pharmazeutischen Unternehmer insbesondere zu vorzulegenden Unterlagen und Studien sowie zur Vergleichstherapie.

Die sozialgerichtliche Kontrolle der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Nutzenbewertungsbeschlusses hat sich darauf zu beschränken, ob die vorstehend im wesentlichen wiedergegebenen Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen eingehalten und die  die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei im Rahmen der Ausfüllung des normgeberischen Gestaltungsspielraums Beachtung gefunden haben (vgl. BSG, Urteile vom 6. März 2012 – B 1 KR 24/10 R – juris Rn. 25 [Linola u.a.] und vom 1. März 2011 – B 1 KR 10/10 R – juris Rn. 38 [Atorvastatin]). Dies ist hier der Fall.

 

Der Beigeladene zu 2. hat das Nutzenbewertungsverfahren in formeller Hinsicht rechtmäßig durchgeführt (nachfolgend a). Der Nutzenbewertungsbeschluss ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden (nachfolgend b).

 

a) Der Beigeladene zu 2. hat die in formeller Hinsicht zwingend vorgesehenen Verfahrensschritte durchgeführt. Dahinstehen kann, ob ausweislich der im vorliegenden Verfahren beschriebenen Verwaltungspraxis des Beigeladenen zu 2. eine Selbstbindung dahingehend besteht, dass dieser regelmäßig anlässlich der positive opinion des CHMP für die Zulassungserweiterung den pharmazeutischen Unternehmer eines dossierpflichtigen Arzneimittels zur Vorlage der Nachweise nach § 35a Abs. 1 Satz 1 Satz 3 SGB V auffordert und, soweit nicht schon auf Initiative des pharmazeutischen Unternehmers selbst geschehen, eine Beratung zur Dossiervorlage anbietet (vgl. auch § 11 Abs. 3 und § 7 VerfO). Denn beides ist hier mit Schreiben des Beigeladenen zu 2. vom 11. Dezember 2018 der Klägerin erfolgt. Dies wird von ihr nicht bestritten.

 

Der Beigeladene zu 2. hat sodann innerhalb von drei Monaten nach (hier: innerhalb der Frist nicht vollständiger) Vorlage des Dossiers die Nutzenbewertung im Internet veröffentlicht (Beschluss vom 3. Juni 2019; vgl. § 35a Abs. 2 Satz 3 SGB V), innerhalb von drei Monaten nach der Veröffentlichung der Nutzenbewertung sowohl ein schriftliches als auch mündliches Stellungnahmeverfahren durchgeführt und die Stellungnahmen durch Auswertung in seine Entscheidung über die Nutzenbewertung einbezogen (vgl. Zusammenfassende Dokumentation vom 15. August 2019, S. 21-107; § 35a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 92 Abs. 3a SGB V). Schließlich hat er fristgerecht am 15. August 2019 den Beschluss über die Nutzenbewertung von Regadenoson im neuen Anwendungsgebiet der Messung der FFR gefasst und diesen sowie die Tragenden Gründe im Internet veröffentlicht (vgl. § 35a Abs. 3 Satz 5 und 7 SGB V).

Die Verpflichtung der Klägerin zur Vorlage der Nachweise nach § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB V war nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen. Regadenoson zählt nicht zu den in § 35a Abs. 1b Satz 3 SGB V genannten Arzneimitteln. Die Klägerin war auch nicht von der Verpflichtung zur Dossiervorlage gemäß § 35a Abs. 1a oder Abs. 1c SGB V freigestellt, weil sie schon keinen entsprechenden Antrag gestellt hatte. Der Beigeladene zu 2. hatte keine Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 6 SGB V veranlasst. Denn es handelte sich bei Regadenoson nicht um ein Arzneimittel mit einem Wirkstoff, der kein neuer Wirkstoff im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 ist und für das eine neue Zulassung mit neuem Unterlagenschutz erteilt wird.

 

Die Einhaltung der vorgenannten Verfahrensschritte wird auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt. Ihr Einwand, der Beigeladene zu 2. habe das Gebot des fairen Verfahrens verletzt, trifft nicht zu. Anders als sie geltend macht, folgt aus dem Schreiben des Beigeladenen zu 2. vom 23. Mai 2017 keine grundsätzliche Freistellung des Arzneimittels von der Nutzenbewertung und damit kein Dispens von der Dossierpflicht. Vielmehr hatte der Beigeladene zu 2. hiermit darauf hingewiesen, dass nach Abschluss des Bewertungsverfahrens für die Untersuchungsmethode der FFR-Messung die Dossierpflicht von Regadenoson erneut geprüft werde. Dementsprechend hatte sich die Klägerin mit ihrem weiteren Schreiben vom 25. Oktober 2018 erneut an den Beigeladenen zu 2. gewandt, die zu erwartende Zulassung des Wirkstoffs hinsichtlich der zweiten Indikation der FFR-Messung ankündigt und selbst erwogen, dass nun die Einreichung eines Dossiers anstehen könnte. Unter Auseinandersetzung mit der abweichenden Rechtsauffassung der Klägerin, wonach Regadenoson in die Methodenwertung nach § 135 SGB V durch Beschluss einzubeziehen sei, erfolgte die Reaktion des Beigeladenen zu 2. mit seinem etwa sieben Wochen später und noch vor Zulassung von Regadenoson im neuen Anwendungsgebiet der FFR-Messung übersandten Schreiben vom 11. Dezember 2018. Dieses war hinsichtlich der Dossierpflicht weder uneindeutig noch zeitlich in einer die Fairness des Verfahrens tangierenden Weise verzögert der Klägerin am selben Tag per Boten zugestellt worden. Einen hiermit zugleich angebotenen Beratungsanspruch hat die Klägerin nicht wahrgenommen (anders etwa im Fall von BSG, Urteil vom 28. März 2019 – B 3 KR 2/18 R – juris Rn. 63 [Constella®]).

 

Aufgrund der Zulassungserweiterung für Regadenoson, einem, wie ausgeführt, zu Lasten der GKV grundsätzlich erstattungsfähigen Arzneimittel (§ 4 Abs. 3 Nr. 2 AM-NutzenV) im neuen Anwendungsgebiet der FFR-Messung, am 23. Januar 2019 begann die zwingende vierwöchige Frist zur Vorlage eines Dossiers. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 AM-NutzenV gilt für Arzneimittel, die nach dem 1. Januar 2011 erstmalig in den Verkehr gebracht wurden, welches bei Regadenoson, das in Form des Fertigarzneimittes Rapiscan® erstmals am 15. April 2011 in Deutschland in den Verkehr gebracht worden war, der Fall ist (vgl. zum Begriff „Inverkehrbringen“: § 4 Abs. 17 AMG sowie Kapitel 5 § 8 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 bis 4 VerfO). Soweit die Klägerin rügt, der Beigeladene zu 2. habe ihr auf den auch angesichts der bevorstehenden Weihnachtsfeiertage gestellten Antrag auf Fristverlängerung eine solche zur späteren Vorlage der Nachweise nicht gewährt, so dass sie nur ein unvollständiges Dossier habe einreichen können, kann dies bereits deshalb dahinstehen, als dem Beigeladenen zu 2. hinsichtlich des Vorlagezeitraums nach den entsprechenden Vorschriften, insbesondere in der Verfahrensordnung, keine Dispositionsmöglichkeit zusteht. Im Übrigen hat die Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung trotz Nachfrage nicht konkret dargetan, welche Nachweise sie gegebenenfalls noch vorgelegt hätte.

 

b) Der Beigeladene zu 2. hat mit dem Nutzenbewertungsbeschluss vom 15. August 2019 das Recht auch in materieller Hinsicht zutreffend angewandt und seinen normgeberischen Gestaltungsspielraum rechtmäßig ausgefüllt. Er hat als Bezugsgröße für die Beurteilung des Zusatznutzens des den Gegenstand des Nutzenbewertungsverfahrens bildenden Arzneimittels Regadenoson eine nicht zu beanstandende zVT bestimmt (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB V; dazu aa). Er hat sodann zu Recht festgestellt, dass ein Zusatznutzen im Verhältnis zur zVT als nicht belegt gilt (dazu bb). Schließlich folgt eine Rechtswidrigkeit auch nicht daraus, dass im Nutzenbewertungsbeschluss vom 15. August 2019 Jahrestherapiekosten in Bezug auf die zVT nicht angegeben worden sind (dazu cc).

 

aa) Als maßgebliche Bezugsgröße für die Beurteilung des Zusatznutzens des den Gegenstand des Nutzenbewertungsverfahrens bildenden Arzneimittels (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB V) bestimmt der GBA die zVT. Zwar gilt ein Zusatznutzen des Arzneimittels Regadenoson hier bereits deshalb als nicht belegt, weil die Klägerin die erforderlichen Nachweise nach § 35a Abs. 1 Satz 3 SGB V, insbesondere diejenigen nach den Nummern 3., 4. und 5. der Vorschrift, nicht vollständig innerhalb der Frist vorgelegt hat,  worüber im Übrigen auch zwischen den Beteiligten Einigkeit besteht. Dies entbindet den Beigeladenen zu 2. jedoch schon deshalb nicht von der Bestimmung einer zVT, weil der Nutzenbewertungsbeschluss insofern maßgeblich die Grundlage für die Erstattungsbetragsvereinbarung bzw. -festsetzung nach § 130b Abs. 1 bzw. 4 SGB V bildet.

 

Die Grundsätze für die Bestimmung der zVT und des Zusatznutzens regelt nach § 35a Abs. 1 Satz 7 und 8 Nr. 2 SGB V die vom BMG erlassene AM-NutzenV (vgl. §§ 5 und 6). Weitere Einzelheiten folgen aus der Verfahrensordnung des GBA (§ 35a Abs. 1 Satz 9 SGB V; vgl. 5. Kapitel § 6 VerfO).

 

Die zVT ist nach § 2 Abs. 5 AM-NutzenV diejenige Therapie, deren Nutzen mit dem Nutzen eines Arzneimittels mit neuen Wirkstoffen für die Nutzenbewertung nach § 35a SGB V verglichen wird. Sie ist nach § 6 Abs. 1, 2 und 2a AM-NutzenV vom GBA regelhaft nach Maßstäben zu bestimmen, die sich aus den internationalen Standards der evidenzbasierten Medizin ergeben; sie muss eine nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zweckmäßige Therapie im Anwendungsgebiet sein (§ 12 SGB V), vorzugsweise eine Therapie, für die Endpunktstudien vorliegen und die sich in der praktischen Anwendung bewährt hat, soweit nicht Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V oder das Wirtschaftlichkeitsgebot dagegen sprechen. Dementsprechend ist gemäß 5. Kapitel § 6 VerfO bei der Bestimmung der zVT zu berücksichtigen, dass dann, wenn als Vergleichstherapie eine Arzneimittelanwendung in Betracht kommt, das Arzneimittel grundsätzlich eine Zulassung für das Anwendungsgebiet haben muss (Nr. 1). Die Vergleichstherapie soll nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zur zweckmäßigen Therapie im Anwendungsgebiet gehören (Nr. 4). Sind mehrere Alternativen für die Vergleichstherapie gleichermaßen zweckmäßig, kann der Zusatznutzen gegenüber jeder dieser Therapien nachgewiesen werden. Die mit dem Nutzenbewertungsbeschluss vom 15. August 2019 bestimmte zVT – „pharmakologische Stressauslösung nach Maßgabe des Arztes“ – steht hiermit in Einklang.

 

Für die Bestimmung der zVT übermittelt regelmäßig der pharmazeutische Unternehmer mit dem Dossier alle verfügbaren Ergebnisse von klinischen Studien einschließlich von Studienprotokollen, die geeignet sind, Feststellungen über den Zusatznutzen des zu bewertenden Arzneimittels zu treffen. Liegen keine klinischen Studien zum direkten Vergleich mit dem zu bewertenden Arzneimittel vor oder lassen diese keine ausreichenden Aussagen über einen Zusatznutzen zu, können im Dossier indirekte Vergleiche vorgelegt werden (§ 4 Abs. 7 AM-NutzenV; §§ 5 und 9 VerfO).

 

Ausweislich der Zusammenfassenden Dokumentation zur gegenständlichen Nutzenbewertung und den darin wiedergegebenen Stellungnahmen der am Nutzenbewertungsverfahren Beteiligten konnten weder die Klägerin mit ihrem Dossier noch nachfolgend die am Stellungnahmeverfahren Beteiligten entweder eine nicht-medikamentöse Behandlung oder eine im Anwendungsgebiet zugelassene medikamentöse Therapie identifizieren, die vorliegend als Vergleichstherapie in Frage gekommen wäre. Im Zeitpunkt der Entscheidung des Beigeladenen zu 2. über die Nutzenbewertung waren (bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat) für das Anwendungsgebiet der FFR-Messung keine (neben Regadenoson) weiteren pharmakologischen Wirkstoffe der Vasodilatation zur Stressauslösung zugelassen. Aus den Tragenden Gründen zum Nutzenbewertungsbeschluss (S. 5) ergibt sich damit übereinstimmend, dass im Anwendungsgebiet außer dem zu bewertenden Arzneimittel keine weiteren Arzneimittel zugelassen gewesen seien. Soweit darüber hinaus ausgeführt wird, in systematischen Übersichtsarbeiten und Leitlinien werde eine medikamentöse Vasodilatation zur Stressauslösung mit Adenosin und Nitroprussid empfohlen, Wirkstoffe, die im vorliegenden Anwendungsgebiet jedoch nicht zugelassen, aber als geeignete Komparatoren anzusehen seien, wohingegen als zVT eine pharmakologische Stressauslösung nach Maßgabe des Arztes bestimmt worden sei, ist dies auch unter Berücksichtigung der im maßgeblichen Zeitpunkt gegebenen zulassungsrechtlichen Solistenstellung von Regadenoson im Anwendungsgebiet der FFR-Messung nicht zu beanstanden.

 

Gegen die in mit „pharmakologische Stressauslösung nach Maßgabe des Arztes“ abstrakt bestimmte zVT spricht nicht bereits, dass im Rahmen des zweistufigen Verfahrens zur Vereinbarung eines Erstattungsbetrags § 130b Abs. 1 Satz 1 SGB V eine Bindung an den Beschluss nach § 35a Abs. 3 SGB V („auf Grundlage“) vorschreibt und § 130b Abs. 3 Satz 1, 2, 5 und 6 SGB V im Hinblick auf die zu erwarteten Jahrestherapiekosten auf die nach § 35a Abs. 1 Satz 7 SGB V i.V.m. der AV-NutzenV bestimmte zVT nach den Kriterien des 5. Kapitels § 6 Abs. 3 VerfO Bezug nimmt. Die Nichtbenennung einer „insbesondere“ (vgl. 5. Kapitel § 6 Abs. 3 Satz 2 VerfO) diesen Kriterien entsprechenden und insofern den Anforderungen der krankenversicherungsrechtlichen Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit i.S.v. §§ 2 Abs. 1 Satz 3, 12 SGB V, § 6 Abs. 2 Halbsatz 1 AM-NutzenV, und zwar maßgeblich der Verordnungsfähigkeit, genügenden zVT, führt nicht zur Rechtswidrigkeit des vorliegenden Nutzenbewertungsbeschlusses. Vielmehr ist der Umstand, dass sich der Beigeladene zu 2. seinen Ausführungen zufolge in Konstellationen, in denen kein Arzneimittel im Anwendungsgebiet zugelassen sei, in der medizinischen Versorgung aber andere Arzneimittel eingesetzt würden, mit einem in dieser Form allgemein bezeichneten Versorgungsstandard im Sinne einer Therapie nach Maßgabe des Arztes behelfe, im Regelungsbereich des § 35a SGB V i.V.m. den untergesetzlichen Normen der AM-NutzenV und der VerfO hinzunehmen. Denn die Tatsache des Alleinstellungsmerkmals der arzneimittelrechtlichen Zulassung führt für sich genommen bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 35a Abs. 1 SGB V nicht dazu, dass die Nutzenbewertung nicht durchzuführen wäre. Das Gesetz ist keiner entsprechenden teleologischen Auslegung in Bezug auf die fehlende Statthaftigkeit der Nutzenbewertung im Falle medizinischer/technischer bzw. zulassungsrechtlicher Solisten zugänglich, weil der AMNOG-Gesetzgeber die Nutzenbewertung ausdrücklich auch für den Fall wollte, dass ein Arzneimittel keine therapeutischen Alternativen im Anwendungsgebiet für zu bestimmende Patientengruppen hat („Solist“, vgl. BT-Drs. 17/2413 S. 22; vgl. im Übrigen zum therapeutischen Solisten auch BT-Drs. 19/21826 S. 6 wegen der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zur „Versorgung und Preisgestaltung bei Remdesivir“ sowie BT-Drs. 17/11080 S. 8 wegen der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zur „Beeinträchtigung der Arzneimitteltherapie durch wirtschaftliche Interessen der Pharmaindustrie“). Danach sollten auch Arzneimittel mit therapeutischem (und damit auch zulassungsrechtlichem) Alleinstellungsmerkmal der Nutzenbewertung grundsätzlich unterfallen.

 

Dahinstehen kann im Rahmen des vorliegenden Verfahrens, wie im Falle von „technischen Solisten“, d.h. Arzneimitteln, für die in medizinischer Hinsicht faktisch keine vergleichbare Versorgung bekannt ist, hinsichtlich der Bestimmung einer zVT zu verfahren wäre (vgl. hierzu Stallberg, Solisten als Gegenstand der frühen Nutzenbewertung für Arzneimittel, PharmR 2016, 109 ff.; Flint in Hauck/Noftz, § 35a Rn. 63; von Dewitz, BeckOK Sozialrecht, Stand: 1. Juni 2021, § 35a SGB V Rn. 11). Denn um einen solchen medizinischen (technischen) Solisten handelte es sich bei Regadenoson (im Zeitpunkt der Nutzenbewertung und bis heute) nicht. In der Zusammenfassenden Dokumentation vom 20. Februar 2018 zum Methodenbewertungsbeschluss vom 17. November 2017 wird für die Vasodilatation durch Arzneimittel „z.B. Adenosin“ genannt. Ausweislich der Tragenden Gründe der Nutzenbewertung vom 15. August 2019 werde in systematischen Übersichtsarbeiten und Leitlinien eine medikamentöse Vasodilatation zur Stressauslösung mit Adenosin oder Nitroprussid empfohlen. Diesen Umstand hat die Klägerin im Nutzenbewertungsverfahren selbst eingeräumt, indem sie erklärt hat, Regadenoson sei zur pharmakologischen Stressauslösung kein „technischer Solist“ im Hinblick auf „andere genutzte Verfahren“ (vgl. Zusammenfassende Dokumentation S. 111). Dementsprechend hat sie auch im Nutzenbewertungsverfahren im Zuge der Anhörung vom 9. Juli 2019 (vgl. Zusammenfassende Dokumentation S. 113) geäußert, dass die vom Beigeladenen zu 2. in der dem Beschluss zugrundeliegenden Nutzenbewertung (Veröffentlichung am 3. Juni 2019) zu diesem Zeitpunkt gewählte Formulierung „Therapie nach Maßgabe des Arztes“ als zVT es „sehr gut treffe“.

 

Konkrete Maßstäbe dafür, wie der GBA die zVT zu bestimmen hat, geben weder § 35a SGB V noch die untergesetzlichen Regelungen vor. § 6 Abs. 1 Satz 1 AM-NutzenV verweist für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen, wenn kein Festbetragsarzneimittel als Vergleichstherapie in Betracht kommt, auf die „internationalen Standards der evidenzbasierten Medizin“, nach denen die zVT regelhaft zu bestimmen ist; diese muss eine nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zweckmäßige Therapie im Anwendungsgebiet sein (§ 12 SGB V), vorzugsweise eine solche, für die Endpunktstudien vorliegen und die sich in der praktischen Anwendung bewährt hat, soweit nicht Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V oder das Wirtschaftlichkeitsgebot dagegen sprechen (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 2019 – B 3 KR 2/18 R – juris Rn. 49 [Constella®]). Nach der Begründung des Gesetzgebers zum Entwurf des AMNOG (BT-Drs. 17/2413 S. 21 f.) sollte Vergleichstherapie diejenige Behandlung sein, die nach dem anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis in einer Indikation zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Im Falle von Solisten sollten therapeutische Alternativen mit vergleichbarem Zusatznutzen in der Schnellbewertung nachrichtlich benannt werden können, sofern entsprechende evidenzbasierte Angaben aus allgemein zugänglichen Informationen ohne erheblichen zusätzlichen Rechercheaufwand verfügbar sind. Hiernach hat der Beigeladene zu 2. als im Regelungsbereich besonders sachkundige Institution mit der Bezeichnung „pharmakologische Stressauslösung nach Maßgabe des Arztes“ eine rechtmäßige zVT im Anwendungsgebiet bestimmt.

 

Die vom Beigeladenen zu 2. auf der Grundlage der erfolgten wissenschaftliche Auswertung getroffene Feststellung, dass die Wirkstoffe Adenosin oder Nitroprussid als geeignete Komparatoren im Sinne eines vergleichbaren Versorgungsstandards für eine evidenzbasierte Bewertung des therapeutischen Nutzens und Zusatznutzens in Betracht kämen, ist nicht zu beanstandenden. Hierdurch wird, anders als die Klägerin geltend macht, die zVT nicht durch im Anwendungsgebiet nicht zugelassene Arzneimittel bestimmt. Dieses Vorgehen steht im Einklang damit, dass die fehlende Verkehrsfähigkeit i.S.v. § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG eines Arzneimittels mangels Zulassung im betreffenden Anwendungsgebiet kein Anwendungsverbot gegenüber dem Arzt begründet (vgl. BSG, Urteil vom 19. März 2002 – B 1 KR 37/00 R – juris Rn. 18 [Immunoglobine]). Dass nach Zulassung von Regadenoson im neuen Anwendungsgebiet nach den Grundsätzen des Off-label-Use (vgl. hierzu etwa BSG, Urteil vom 11. September 2018 – B 1 KR 36/17 R – juris Rn. 14 m.w.N. [Avastin zur Behandlung von Glioblastomrezidivs]) eine zulassungsüberschreitende Verordnung von Adenosin und Nitroprussid zu Lasten der GKV – anders als ggf. im Rahmen von Sprechstundenbedarfsvereinbarungen – grundsätzlich nicht mehr in Betracht kommen dürfte, kann für die vom Beigeladenen zu 2. gewählte Begrifflichkeit als „Komparator“ dahinstehen. Hieraus wird vielmehr ersichtlich, dass insofern den vorhandenen medizinischen („Gold-“) Standards für die Bewertung der Zweckmäßigkeit Rechnung getragen werden sollte. Dementsprechend war auch zuvor im Rahmen des Methodenbewertungsverfahrens die medikamentöse Vasodilatation unter die Prämisse eines standardisierten Verfahrens (z.B. Adenosin) gestellt worden (Tragende Gründe zum Beschluss vom 17. November 2017). Nach der Stellungnahme des Beigeladenen zu 2. in der mündlichen Verhandlung erfolge bei bisher nicht zugelassenen Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen regelmäßig eine Dossierberatung (auch) zwecks Nutzenbewertung zu Off-Label-Use-Komparatoren. Diese seien von der Evidenzrecherche ebenfalls umfasst. Die Klägerin selbst hat im Nutzenbewertungsverfahren, wie sie in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, die Bestimmung der zVT nicht mit einem Dossier, insbesondere mit durchgeführten Studien bedient, sondern selbst auf den bis dato verwendeten medizinischen Standard abgehoben. Mit ihrer Stellungnahme hat sie zugleich eingeräumt, dass in der klinischen Studie 060912001 mit Regadenoson im Vergleich zu Adenosin praktisch identische FFR-Ergebnisse erzielt worden seien. In dieser Studie waren die hyperämischen Effekte von Regadenoson versus Adenosin als pharmakologischer Stressauslöser bei erwachsenen Patienten für die FFR untersucht worden (Zusammenfassende Dokumentation S. 84).

 

bb) Die mit dem gegenständlichen Nutzenbewertungsbeschluss vom 15. August 2019 festgestellte Rechtsfolge, dass ein Zusatznutzen von Regadenoson gegenüber der zVT als nicht belegt gelte, folgt unmittelbar aus dem Gesetz.

 

Gemäß § 35a Abs. 1 Satz 5 SGB V gilt ein Zusatznutzen als nicht belegt, wenn der pharmazeutische Unternehmer die erforderlichen Nachweise trotz – hier mit Schreiben vom 11. Dezember 2018 erfolgter – Aufforderung nicht rechtzeitig oder nicht vollständig vorliegt. Diese Feststellung ist auch nicht im Hinblick auf die „zulassungsrechtliche Solistenstellung“ von Regadenoson rechtswidrig. Dies war hier der Fall.

 

Zusatznutzen ist nach § 2 Abs. 4 AM-NutzenV ein Nutzen, der quantitativ oder qualitativ höher ist als derjenige, den die zVT aufweist. Der Zusatznutzen wird für Arzneimittel nach § 5 Abs. 3 AM-NutzenV gegenüber der zVT festgestellt als Verbesserung der Beeinflussung patientenrelevanter Endpunkte zum Nutzen gemäß § 2 Abs. 3 AM-NutzenV (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 2019 – B 3 KR 2/18 R – juris Rn. 61, wonach keine Anhaltspunkte für einen Verstoß der AM-NutzenV gegen höherrangiges Recht beständen).

 

Dass mit den die Nutzenbewertung regelnden Rechtsgrundlagen für Fälle einer zulassungsrechtlichen Solistenstellung ein „normativer Zusatznutzen“ anzuerkennen wäre, mit der Folge einer gegebenenfalls eingeschränkten, auf die Angabe der zugelassenen Anwendungsgebiete i.S.v. 5. Kapitel § 9 VerfO beschränkten Dossierpflicht, ist weder dem Gesetz in § 35a SGB V noch den untergesetzlichen Normen zu entnehmen. Gegen eine entsprechende einschränkende Auslegung des § 35a Abs. 1 SGB V spricht, dass mit § 35 Abs. 1 Satz 11 SGB V in der im Zeitpunkt der vorliegenden Nutzenbewertung geltenden Fassung der medizinische Nutzen für Arzneimittel, die zur Behandlung eines seltenen Leidens nach der VO (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden zugelassen sind, als belegt gilt und Nachweise insofern nicht vorgelegt werden müssen. Für weitere, in Absatz 1b genannte Arzneimittel hat das Gesetz den pharmazeutischen Unternehmer von der Verpflichtung zur Vorlage von Nachweisen dispensiert. Ein darüber hinaus gehender Zusatznutzen aufgrund der Stellung als alleiniger Zulassungsinhaber hat dagegen – trotz der Erwägung des AMNOG-Gesetzgebers über das Vorhandensein möglicher Solisten (s.o.), keinen Eingang in das Gesetz gefunden. Auch die AM-NutzenV bezieht sich auf einen tatsächlichen medizinischen Zusatznutzen, wenn sie als Grundlage der Ermittlung des Zusatznutzens die Unterlagen über den Nutzen in den zugelassenen Anwendungsgebieten bezeichnet (§ 5 Abs. 3 Satz 1 AM-NutzenV). Die bindenden Stufen des Zusatznutzens nach § 5 Abs. 7 AM-NutzenV stellen zudem auf einen therapeutischen Vergleich ab.

 

Dahinstehen kann, dass es nach dem Vortrag der Klägerin für das Diagnostikum Regadenoson von vornherein ausgeschlossen sei, einen Zusatznutzen durch Anwendung eines patientenbezogenen Endpunktes im Sinne der evidenzbasierten Medizin zu erheben (vgl. zu patientenrelevanten Endpunkten, insbesondere Mortalität, Morbidität und Lebensqualität: BSG, Urteil vom 1. März 2011 – B 1 KR 10/10 R – juris Rn. 44 sowie § 5 Abs. 5 AM-NutzenV). Ebenfalls dahinstehen kann, dass die Klägerin selbst ausweislich des Protokolls über die mündliche Anhörung vom 9. Juli 2019 im Nutzenbewertungsverfahren aus einer gegen Adenosin durchgeführten Studie, auch betreffend den Applikationsweg, keinen Benefit zugunsten von Regadenoson abgeleitet habe. Für eine objektive Unmöglichkeit bestehen etwa im Hinblick auf mögliche Nebenwirkungen der Arzneimittelanwendung keine Anhaltspunkte. Jedenfalls hat die   Klägerin zum maßgeblichen Zeitraum innerhalb von vier Wochen nach der Zulassung von Regadenoson im neuen Anwendungsgebiet, wie sie selbst wiederholt eingeräumt hat, zumindest kein vollständiges Dossier eingereicht, so dass ein Zusatznutzen, ohne dass den GBA eine weitergehende Amtsermittlungspflicht getroffen hätte, gemäß § 35a Abs. 1 Satz 5 SGB V, wie vom Beigeladenen zu 2. beschlossen (vgl. § 20 Abs. 5 VerfO), als nicht belegt gilt.

 

cc) Die Nichtangabe von Jahrestherapiekosten in Bezug auf die „pharmakologische Stressauslösung nach Maßgabe des Arztes“ führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Nutzenbewertungsbeschlusses. Zwar trifft der GBA nach § 20 Abs. 3 VerfO auf der Grundlage der Nutzenbewertung mit dem Beschluss nach § 35a Abs. 3 SGB V grundsätzlich u.a. Feststellungen zu den Therapiekosten auch im Vergleich zur zVT. Indes obliegt dem GBA auch in Bezug auf die Jahrestherapiekosten keine Amtsermittlungspflicht. Denn nach dem Normkonzept ist Ausgangspunkt der Zusatznutzenprüfung des GBA allein das Dossier des pharmazeutischen Unternehmers nach § 4 AM-NutzenV. Die alleinige Darlegungsobliegenheit des pharmazeutischen Unternehmers in Bezug auf die Jahrestherapiekosten ergibt sich auch insofern bereits aus den Gesetzesmaterialien zu § 35a SGB V, wonach Nachweise neben den im Einzelnen aufgeführten Angaben auch zu den Jahrestherapiekosten für die GKV zu erbringen sind (BT-Drs. 17/2413 S. 20; vgl. auch BSG, Urteil vom 28. März 2019 – B 3 KR 2/18 R – juris Rn. 51 [Constella]: unter Hinweis darauf, dass die frühe Bewertung des Zusatznutzens nach § 35a SGB V i.V.m. § 4 Abs. 8 Satz 3 AM-NutzenV, der bezüglich der jeweiligen Behandlung nur auf die ‚direkten Kosten für die GKV über einen bestimmten Zeitraum‘ abstelle, nur eine vergleichende Kostenbewertung im engeren Sinne sei; für eine Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln stehe das gesonderte Instrumentarium des § 35b SGB V zur Verfügung; nachdem eine solche vorliegend weder durchgeführt noch beantragt worden ist, kann dahinstehen, nach welchen Maßstäben sie sich in Bezug auf Arzneimittel, die im Anwendungsgebiet ausschließlich zugelassen sind, vollziehen könnte [vgl. Huster, KrV 2013, 1 ff. zu den Rechtsfragen der Rahmenpreisvereinbarung nach § 130b SGB V unter Hinweis darauf, dass die Festsetzung eines Höchstbetrags nach §§ 35b, 31 Abs. 2a SGB V a.F. im Rahmen des Kosten-Nutzenbewertungsverfahrens von vornherein ausgeschlossen gewesen sei, wenn es sich bei einem Arzneimittel um einen sogenannten Solisten handelte, für den keine Therapiealternative bestand]); nach der Gesetzesbegründung [BT-Drs. 17/2413 S. 25] sollte die Anwendung von zugelassenen Arzneimitteln für Indikationen und Indikationsbereiche, für die sie nach dem AMG nicht zugelassen sind – wie etwa Adenosin – nicht Teil der Kosten-Nutzen-Bewertung sein, sondern dem Regelungsbereich von § 35c SGB V unterfallen). Das Nutzenbewertungsverfahren nach § 35a SGB V ist hiernach insgesamt nicht als Amtsermittlungsverfahren ausgestaltet, sondern wird im Wesentlichen durch die vom pharmazeutischen Unternehmer beigebrachten Inhalte und Anträge gesteuert (vgl. BSG, Urteil vom 12. August 2021 – B 3 KR 3/20 R – zitiert nach dem Terminbericht Nr. 31/21 Nr. 3). Wurden bereits keine Nachweise in Bezug auf eine zVT selbst, mithin auch keine auf etwaige Jahrestherapiekosten, wie vorliegend von der Klägerin, beigebracht, ist die Nichtfeststellung von Jahrestherapiekosten im Nutzenbewertungsbeschluss im Ergebnis nicht zu beanstanden. Eine weitergehende Verpflichtung zur Amtsermittlung trifft das Gericht nach § 103 SGG ebenso wenig (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 2019 – B 3 KR 2/18 R – juris Rn. 53 [Constella]).

 

II. Der auf der Grundlage des Nutzenbewertungsbeschlusses vom 15. August 2019 ergangene Schiedsspruch der Beklagten vom 6. Juli 2020 nach § 130b SGB V (in der seit dem 23. Mai 2020 geltenden Fassung des Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19. Mai 2020, BGBl. I S. 1018) ist ebenfalls rechtmäßig.

 

Gemäß § 130b Abs. 1 Satz 1 SGB V vereinbart der GKV-SpV mit pharmazeutischen Unternehmern im Benehmen mit dem Verband der privaten Krankenversicherung auf Grundlage des Beschlusses des GBA über die Nutzenbewertung nach § 35a Abs. 3 SGB V mit Wirkung für alle Krankenkassen Erstattungsbeträge für Arzneimittel, die mit diesem Beschluss keiner Festbetragsgruppe zugeordnet wurden. Die Vereinbarung soll auch Anforderungen an die Zweckmäßigkeit, Qualität und Wirtschaftlichkeit einer Verordnung beinhalten (§ 130b Abs. 1 Satz 5 SGB V). Gemäß § 130b Abs. 3 Satz 1 SGB V soll für ein Arzneimittel, das nach dem Beschluss des GBA nach § 35a Abs. 3 SGB V keinen Zusatznutzen hat und keiner Festbetragsgruppe zugeordnet werden kann, ein Erstattungsbetrag nach Abs. 1 vereinbart werden, der nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führt als die nach § 35a Absatz 1 Satz 7 SGB V bestimmte zVT. Für ein Arzneimittel, für das ein Zusatznutzen nach § 35a Abs. 1 Satz 5 SGB V als nicht belegt gilt, ist ein Erstattungsbetrag zu vereinbaren, der zu in angemessenem Umfang geringeren Jahrestherapiekosten führt als die nach § 35a Abs. 1 Satz 7 SGB V bestimmte zVT (§ 130b Abs. 3 Satz 5 SGB V). Die gemeinsam vom GKV-SpV und den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer auf Bundesebene gebildete Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 Satz 1 SGB V setzt dann, wenn eine Vereinbarung nach Abs. 1 oder 3 der Regelung nicht innerhalb von sechs Monaten nach Veröffentlichung des Beschlusses des GBA nach § 35a Abs. 3 oder nach § 35b Abs. 3 SGB V zustande kommt, gemäß § 130b Abs. 4 Satz 1 SGB V den Vertragsinhalt innerhalb von drei Monaten fest. Die Schiedsstelle entscheidet dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und berücksichtigt die Besonderheiten des jeweiligen Therapiegebietes (§ 130b Abs. 4 Satz 2 SGB V).

 

Die Festsetzung der streitig gebliebenen Teile einer Erstattungsbetragsvereinbarung sind von der Beklagten hiernach zu Recht durch vertragsgestaltenden Verwaltungsakt (vgl. BSG, Urteil vom 12. August 2021 – B 3 KR 3/20 R – zitiert nach dem Terminbericht 31/21 Nr. 3) erfolgt. Mit dem Nutzenbewertungsbeschluss vom 15. August 2017 ist Regadenoson keiner Festbetragsgruppe zugeordnet worden. Die Beklagte hat nach Scheitern einer Vereinbarung gemäß § 130b Abs. 1 SGB V den Erstattungsbetrag je Bezugsgröße für alle Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff Regadenoson, die die Klägerin in Deutschland vor der Vereinbarung in Verkehr gebracht hat und in Verkehr bringen („Neueinführungen“) wird, sowie die weiteren Vertragsinhalte rechtmäßig festgesetzt.

 

§ 130b SGB V eröffnet der Schiedsstelle einen weiten Entscheidungsspielraum, der mit einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle darauf korrespondiert, ob sie zwingendes Gesetzesrecht beachtet, den bestehenden Entscheidungsspielraum eingehalten, den zugrunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung rechtlichen Gehörs hinreichend ermittelt hat und ob der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lässt (BSG, Urteile vom 4. Juli 2018 – B 3 KR 20/17 R – juris Rn. 22 [Albiglutid] und vom selben Tag – B 3 KR 21/17 R – juris Rn. 32 [Idelalisib]). Dies ist hier der Fall. Der Gesetzgeber misst der Struktur des Einigungs- und Aushandlungsprozesses besondere Bedeutung bei. Vorrangiges Ziel ist eine Einigung zwischen den Beteiligten. Erst dann, wenn innerhalb der geregelten Fristen eine Einigung nicht möglich ist, führt die paritätisch und sachkundig besetzte Schiedsstelle den Verhandlungsprozess zunächst als Vermittlerin fort. Wenn auch auf diesem Weg keine einvernehmliche Lösung zustande kommt, ersetzt die Schiedsstelle durch eine Mehrheitsentscheidung der Mitglieder die offen gebliebenen Regelungen. Dieses Verhandlungssystem bietet vor allem durch seine an vertraglichen Vereinbarungen orientierten strukturellen Vorgaben sowie die sachkundig und teils paritätisch, teils unparteiisch besetzte Schiedsstelle – deren Mitglieder hier neben dem Vorsitzenden und zwei unparteiischen Mitgliedern auch als weitere Mitglieder je zwei Vertreter der Klägerin und des Beigeladenen zu 1. waren – eine hinreichende Gewähr dafür, zu akzeptablen Inhalten der Schiedssprüche zu gelangen. Unter Berücksichtigung der materiell-rechtlichen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorgaben bildet diese Verfahrensweise ein gegen willkürliche Entscheidungen der Schiedsstelle hinreichend abgesichertes Gesamtsystem; gewisse Unwägbarkeiten bei der Festsetzung des Erstattungsbetrages sind in dem vorgegebenen und überschaubaren zeitlichen Rahmen hinzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 – B 3 KR 20/17 R [Albiglutid] – juris Rn. 42 m.w.N.).

 

Der Schiedsspruch vom 6. Juli 2019 ist weder in verfahrensrechtlicher (dazu 1.) noch in materiell-rechtlicher Hinsicht (dazu 2.) zu beanstanden.

 

1. Die – ordnungsgemäß besetzte – beklagte Schiedsstelle hat die aus § 130b Abs. 4, 5 und 6 SGB V folgenden formellen Anforderungen an die Durchführung des Schiedsverfahrens beachtet. Die Beteiligten hatten ausreichend Gelegenheit, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen vor Ergehen des Schiedsspruchs zu äußern (vgl. § 24 Abs. 1 SGB V, Art. 103 Abs. 1 GG; BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 – B 3 KR 21/17 R – juris Rn. 46 [Idelalisib]). Anders als von der Klägerin geltend gemacht, hat die Beklagte nicht „überraschend“ erst am Ende der mündlichen Schiedsverhandlung vom 1. Juli 2020 und kurz vor der Abstimmung der Schiedsstelle hinsichtlich der Preisbestimmung auf „zu niedrige Preise“ für Adenosin und sodann auf das arithmetische Mittel der Preise von Adenosin und Nitroprussid abgestellt. Die hierauf gerichtete Rüge der Klägerin ist verspätet. Sie ist auch in der Sache nicht berechtigt. Ein Begründungsdefizit liegt nicht vor.

 

Die in Bezug auf die Preisermittlung erhobene Rüge der Klägerin, die sie erstmals im vor dem Senat geführten einstweiligen Rechtsschutzverfahren – L 28 KR 342/20 KL ER – erhoben und im vorliegenden Klageverfahren wiederholt hat, ist verspätet.

 

Für Schiedsverfahren gilt § 295 Abs. 1 ZPO gemäß § 202 Satz 1 SGG entsprechend (BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 – B 3 KR 21/17 R – juris Rn. 46 [Idelalisib] m.w.N.). Danach kann die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozesshandlung betreffenden Vorschrift nicht mehr gerügt werden, wenn ein Beteiligter auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet, oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die aufgrund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat oder in der darauf Bezug genommen wird, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste. Dies gilt nur dann nicht, wenn auf die verletzte Vorschrift nicht wirksam verzichtet werden kann (§ 295 Abs. 2 ZPO). Dieser Rechtsgedanke ist in Bezug auf Schiedsverfahren entsprechend zu übertragen, mit der Folge, dass eine entsprechende Rüge spätestens vor der abschließenden Beratung der Schiedsstelle vorgebracht werden muss, da Schiedsverfahren regelmäßig – so auch hier – nur eine mündliche Verhandlung haben. Über die Erhebung etwaiger Verfahrensrügen oder den Verzicht hierauf muss die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Auskunft geben (BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 – B 3 KR 21/17 R – juris Rn. 46 m.w.N. [Idelalisib]).

 

Eine Verfahrensrüge hat die Klägerin ausweislich des Protokolls über die Schiedsverhandlung vom 1. Juli 2020 nicht erhoben, ausweislich dessen das Sach- und Streitverhältnis in der Schiedsverhandlung intensiv mündlich erörtert worden war.

 

Der Anknüpfungspunkt für die Preisermittlung war auch bereits ausführlich Gegenstand zuvor ausgetauschter Schriftsätze zwischen den Beteiligten. Die Klägerin hatte im Schiedsverfahren mehrfach Gelegenheit, ihre eigene Rechtsposition hierzu darzustellen. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Schiedsstelle den Tatsachenvortrag der Klägerin bzw. ihre rechtlichen Ausführungen zum Direktvertrieb des Fertigarzneimittels Rapiscan® an Krankenhäuser und Ärzte nicht in ihre Erwägungen einbezogen hätte (vgl. zu dieser Ausprägung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf Entscheidungsgremien BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 – B 3 KR 21/17 R – juris Rn. 48 m.w.N.). Dass der Klägerin, bevor der Vorsitzende der Schiedsstelle die Entscheidungsreife festgestellt hatte, nicht in ausreichender Form rechtliches Gehör gewährt worden wäre, ist danach weder ersichtlich noch von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung substantiiert vorgetragen worden (vgl. auch die Gründe des Schiedsspruchs vom 1. Juli 2020, wonach sich der Vorsitzende der Schiedsstelle mehrfach vergewissert hatte, dass sowohl die Klägerin als auch der Beigeladene zu 1. alle aus ihrer jeweiligen Sicht relevanten Argumente einbringen konnten). Letztlich hat die Klägerin bereits im zuvor geführten Eilverfahren mit ihrem Schriftsatz vom 19. August 2020 eingeräumt, der Beigeladene zu 1. habe in der mündlichen Verhandlung am 1. Juli 2020 seine Vorstellungen zur Bildung des Erstattungsbetrags vorgetragen, welches die Beklagte vermeintlich unkritisch, damit aber auch für die Klägern bekannt, übernommen habe.

 

Die Rüge einer hinsichtlich der erfolgten Preisbestimmung überraschenden Entscheidung entspricht jedenfalls nicht dem für das Gericht erkennbaren tatsächlichen Geschehensablauf.

 

Wie sich aus der dem Protokoll über die Schiedsverhandlung vom 1. Juli 2020 beigefügten Anlage 1 (vgl. die PowerPoint-Präsentation zur Darstellung der Position des Beigeladenen zu 1.) ergibt, hatte der Beigeladene zu 1. die von ihm befürwortete Ermittlung des Erstattungsbetrags für Regadenoson zur Bestimmung der Kostenangemessenheit im neuen Anwendungsgebiet der FFR-Messung detailliert mündlich nach vorheriger schriftlicher Ankündigung dargestellt (vgl. insofern den konkretisierenden Antrag des Beigeladenen zu 1. vom 25. März 2020, S. 9 ff.). Hierbei hat er die Kosten der aus seiner Sicht zu berücksichtigenden Komparatoren Adenosin und Nitroprussid unter Angabe eines „ApU minus HstA netto“ mit 21,57 € (Adenosin 1x75 mg) bzw. mit 37,55 € (Nitropussid 5x60 mg) angegeben, ferner dargestellt, dass der Preisabschlag nach § 130b Abs. 3 Satz 5 und 6 SGB V seiner Auffassung zufolge entsprechend anwendbar sei und sodann als Preisobergrenze, weil Adenosin wirtschaftlicher sei als Nitroprussid, 21 € für angemessen gehalten. Sodann hat er unter Zusammenfassung der Teilerstattungsbeträge für beide Anwendungsgebiete und einer – von den Beteiligten bereits konsentierten – Gewichtung von 20 % im ersten Anwendungsgebiet (MPI) und 80 % im neuen Anwendungsgebiet (FFR-Messung) dargestellt, dass der einheitliche Erstattungsbetrag für Regadenoson 26,96 € (bei 19 % USt.) zu betragen habe. Die Klägerin selbst hatte im Schiedsverfahren, zuletzt in der mündlichen Schiedsverhandlung vom 1. Juli 2020 (vgl. Anlage 2: PowerPoint-Präsentation zur Darstellung der Position der Klägerin), ihrerseits Gelegenheit, ihre Rechtsauffassung zur Festsetzung des Erstattungsbetrags ausführlich darzustellen, wonach dieser im hier maßgeblichen Direktvertrieb bereits keine Geltung beanspruchen könne. Sie hat weiter ihren eigenen Vorschlag zur Ermittlung eines Preiskomparators erläutert, wonach die einheitliche Kostenpauschale im EBM 40301 von 660 € als Bezugsrahmen für die Festlegung eines einheitlichen Erstattungsbetrags für Rapiscan® in Betracht komme und beantragt, einen einheitlichen Erstattungsbetrag je Bezugsgröße in Höhe von 76,19 netto (ApU je Bezugsgröße 400 Mikrogramm 5 ml Injektionslösung) festzulegen. Hierbei sollte der in Höhe von 54 € vereinbarte Erstattungsbetrags für das Anwendungsgebiet „MPS“ (MPI), von 83,18 € für das Anwendungsgebiet „FFR“ (ApU außerhalb der AMPreisV) und die konsentierte Gewichtung für die Anwendungsgebiete „MPS“ (MPI) und „FFR“ berücksichtigt werden.

 

Ein von der Klägerin geltend gemachtes Begründungsdefizit des Schiedsspruchs ist nicht gegeben. Der Schiedsspruch erfüllt die Vorgaben aus § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X, wonach in der Begründung eines Verwaltungsakts die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben, ohne dass an die Begründung des Schiedsspruchs hohe Anforderungen zu stellen wären. Angesichts des Kompromisscharakters der zu treffenden Entscheidung und des weiten Gestaltungsspielraums der Schiedsstelle ist diesem Erfordernis Genüge getan, wenn die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend, im Sinne von „wenigstens andeutungsweise“, erkennbar sind (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 – B 3 KR 21/17 R – juris Rn. 41 ff. m.W.n. [Idelalisib]). Der Schiedsspruch wird dieser Anforderung gerecht. Er enthält den maßgeblichen Sachverhalt und den wesentlichen Ablauf des Verfahrens, die Erwägungen der Schiedsstelle unter Bezugnahme insbesondere auf die jeweiligen Argumente der Beteiligten und den zu Grunde liegenden Nutzenbewertungsbeschluss. Die Begründung lässt ausreichend erkennen, wie die Schiedsstelle den Erstattungsbetrag hinsichtlich der Anknüpfungspunkte sowie rechnerisch ermittelt und welche Tatsachen und Umstände sie zu dessen Festsetzung sowie zur Festsetzung der weiteren Vertragsinhalte veranlasst haben.

 

2. Der Schiedsspruch ist, sofern die Festsetzungen von der Klägerin angefochten werden (Ziffern 4 bis 8 des Schiedsspruchs [entspricht §§ 2 bis 5 der Vereinbarung]), auch in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtmäßig.

 

Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage eines Schiedsspruchs ist der Tag seines Erlasses, hier mithin der 6. Juli 2020 (vgl. BSG, Urteil vom 12. August 2021 – B 3 KR 3/20 R – zitiert nach dem Terminbericht Nr. 31/21 Nr. 3). Hierauf bezogen hat die Beklagte den angefochtenen Schiedsspruch in nicht zu beanstandender Weise rechtmäßig auf der Grundlage der hierfür geltenden gesetzlichen und untergesetzlichen Normen (vgl. § 130b Abs. 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 3 SGB V und der Rahmenvereinbarung über die Maßstäbe für solche Vereinbarungen in der zuletzt mit Schiedsspruch vom 30. Juni 2016 festgesetzten Fassung [RahmenV abrufbar über die Homepage des GKV-SpV] einschließlich des – rechtmäßigen – Nutzenbewertungsbeschlusses vom 15. August 2019) gefällt (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 – Urteil B 3 KR 21/17 R – juris Rn. 35 ff. [Albiglutid]). Entsprechend dem eingangs dargestellten Prüfungsmaßstab hat sie ihren Gestaltungsspielraum beanstandungsfrei ausgefüllt und ihre Entscheidung entsprechend § 130b Abs. 4 Satz 2 SGB V „unter freier Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Therapiegebietes“ getroffen. Insofern war vom Gericht zu berücksichtigen, dass es der Beklagten nach Sinn und Zweck ihrer Funktion und des Wesens der Schiedsstelle nach § 130b SGB V weder möglich noch auferlegt ist, einen vermeintlich allein „zutreffenden“ Erstattungsbetrag nach § 130b Abs. 1 und 3 SGB V zu ermitteln. Ihr oblag es unter Zugrundelegung der vorhandenen gesundheitsökonomischen Fachkompetenz ihrer Mitglieder (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 – B 3 KR 21/17 R – juris Rn. 39 [Albiglutid]) und Beachtung und Abwägung der vorliegenden Besonderheiten einen Erstattungsbetrag sowie die weiteren, zwischen den Beteiligten dissenten Vertragsinhalte in der Form festzusetzen, dass sie im Einklang mit den zwingenden gesetzlichen Vorgaben stehen. Dieser Regelungsverpflichtung ist die Beklagte gerecht geworden. Der Schiedsspruch unterliegt weder in Bezug auf die Festsetzung des Erstattungsbetrages (dazu a) noch in Bezug auf die Festsetzung der weiteren Vertragsinhalte (dazu b) der Aufhebung.

 

a) Die Festsetzungen in den Ziffern 4, 5 und 6 des Schiedsspruchs (§ 2 der Vereinbarung), mit denen die Beklagte den Erstattungsbetrag für die von der Vereinbarung umfassten Fertigarzneimittel je 400 Mikrogramm Regadenoson (vgl. § 1 der Vereinbarung) ab dem 23. Januar 2020 auf 33,36 € netto (ohne Umsatzsteuer) unabhängig vom Vertriebsweg festgesetzt hat, sind rechtmäßig.

 

Der festgesetzte Erstattungsbetrag nach § 130b Abs. 1 SGB V durch die Schiedsstelle mit den Ziffern 5 und 6 des Schiedsspruchs (§ 2 Abs. 3 bis 6 der Vereinbarung) bewegt sich hinsichtlich seiner Höhe innerhalb des von den Beteiligten mit ihren Anträgen gesteckten Rahmens (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 – B 3 KR 20/17 R – juris Rn. 46 [Albiglutid]). Eine solche Festsetzung war, nachdem die Beteiligten keine entsprechende Einigung erzielt haben, nicht im Hinblick darauf entbehrlich, dass Rapiscan® (Regadenoson) vorrangig oder ausschließlich im Direktvertrieb von der Klägerin abgegeben werde. Unabhängig von dem von der Klägerin für das apothekenpflichtige Fertigarzneimittel Rapiscan® (mit dem Wirkstoff Regadenoson) i.S.v. § 1 AMPreisV – im Zeitpunkt der Schiedsstellenentscheidung und gegenwärtig – gewählten Vertriebsweg bildet der gemäß § 130b Abs. 1 SGB V festzusetzende Erstattungsbetrag die Preisobergrenze für einen Abgabepreis nach § 78 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 3a Satz 2 AMG auf dem deutschen Arzneimittelmarkt.

 

Das deutsche Arzneimittelpreisrecht sieht für apothekenpflichtige und zulasten der GKV abgabefähige Arzneimittel – wie Rapiscan® (Regadenoson) – mit dem Preisbestimmungssystem in § 78 AMG (seit der Neufassung vom 12. Dezember 2005, BGBl. I S. 3394) nach dessen Absatz 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 AMG einheitliche Abgabepreise vor. Rapiscan® (Regadenoson) wurde im Zeitpunkt des Schiedsspruchs und wird vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes grundsätzlich erfasst. Wie ausgeführt,  handelt sich um ein apothekenpflichtiges Fertigarzneimittel (vgl. oben sowie §§ 43, 78 Abs. 2 Satz 2 AMG). Aus der klarstellenden Vorschrift des § 78 Abs. 3a Satz 1 SGB V (i.d.F. des Gesetzes vom 27. März 2014, BGBl. I S. 261) folgt, dass für grundsätzlich apothekenpflichtige und zulasten der GKV abgabefähige Arzneimittel die Festsetzung eines Erstattungsbetrags nach § 130b Abs. 4 SGB V trotz regelmäßiger Abrechnung als Sprechstundenbedarf zu vereinbaren ist (vgl. BT-Drs. 18/606 S. 14f. sowie die korrespondierenden Regelungen in § 2 Abs. 1 und 3 Abs. 2 Nr. 2 AMPreisV; Hofmann in Kügel/Müller/Hofmann, AMG, 2. Auflage 2016, § 78 Rn. 54, 63 f.; Rebmann, AMG, 5. Auflage 2020, § 78 Rn. 2a; Huster/Gaßner/Grotjahn/Nitz: Preisbildungsfreiheit und „Teil-Opt-out, PharmR 2017, 273 ff., 276). Danach umfasst die Pflicht zur Sicherstellung eines einheitlichen Abgabepreises auch Arzneimittel, für die ein Erstattungsbetrag nach § 130b SGB V vereinbart oder festgesetzt wurde. Dementsprechend gilt für ein Arzneimittel grundsätzlich ein Preis (vgl. BSG, Urteile vom 4. Juli 2018 – B 3 KR 21/17 R – juris Rn. 19 (Idelalisib] und vom 10. September 2020 – B 3 KR 11/19 – juris Rn. 23 [Soolantra®]). Nach § 78 Abs. 3a Satz 2 AMG kann der pharmazeutische Unternehmer abweichend von Satz 1 das Arzneimittel allein zu einem Betrag unterhalb des Erstattungsbetrages abgeben; die Verpflichtung in Absatz 3 Satz 1 erster Halbsatz bleibt insofern unberührt.

 

Aus der den Krankenkassen oder ihren Verbänden nach § 130c Abs. 1 Satz 1 SGB V eröffneten Möglichkeit, mit pharmazeutischen Unternehmern Vereinbarungen über die Erstattung von Arzneimitteln sowie zur Versorgung ihrer Versicherten mit Arzneimitteln zu treffen, folgt nichts Abweichendes. Denn soweit eine solche Vereinbarung eine bestehende Vereinbarung oder einen Schiedsspruch nach § 130b SGB V ergänzt oder ablöst, bleibt § 78 Abs. 3a AMG unberührt (§ 130c Abs. 1 Satz 3 und 4 SGB V in der Fassung des AMVSG vom 4. Mai 2017, BGBl. I, S. 1050).

 

Gemäß § 130b Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB V hat sich die Schiedsstelle für die Bemessung des Erstattungsbetrages grundsätzlich an den Jahrestherapiekosten der zVT zu orientieren, und zwar nach Maßgabe von § 130b Abs. 3 Satz 5 SGB V derart, dass der Erstattungsbetrag zu in angemessenem Umfang geringeren Jahrestherapiekosten führt als die nach § 35a Abs. 1 Satz 7 SGB V bestimmte zVT. Diese gesetzlichen Vorgaben hat die Beklagte beachtet, ohne dass sie ihren originären Gestaltungsspielraum auf der Basis der sich aus dem Nutzenbewertungsbeschluss vom 15. August 2019 sie bindend ergebenden Daten in sachwidriger Art und Weise überschritten hätte. Vom Senat ist weder zu beanstanden, dass sie bei der Bestimmung der Preisobergrenze die in Ermangelung einer konkret bestimmten zVT und insofern angegebener Jahrestherapiekosten in den Tragenden Gründen zum Nutzenbewertungsbeschluss vom 15. August 2019 genannten Komparatoren in die Preisermittlung einbezogen hat (dazu aa). Noch ist zu beanstanden, dass sie entsprechend dem Antrag des Beigeladenen zu 1. im Schiedsverfahren (vgl. den konkretisierenden Antrag vom 25. März 2020 sowie die Antragsschrift vom 27. April 2020) als einheitliche Preisebene zur Ermittlung der Jahrestherapiekosten der zVT auf einen Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) abzüglich der (Netto-)Herstellerabschläge abgestellt (dazu bb) oder dass sie den bisherigen Erstattungsbetrag für Regadenoson als ApU abzüglich des (Netto-)Herstellerabschlags berücksichtigt hat (dazu cc). Die Beklagte hat vielmehr zu Recht einen vertriebswegunabhängigen Erstattungsbetrag festgesetzt, der die gesetzlichen Vorgaben des § 130b Abs. 3 SGB V erfüllt, indem dieser – da für den Wirkstoff Regadenoson kein Zusatznutzen bestätigt ist – zu in angemessenem Umfang geringeren Jahrestherapiekosten führt als die im Nutzenbewertungsbeschluss bestimmte zVT (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 2019 – B 3 KR 2/18 R – juris Rn. 58 [Constella®]).

 

aa) Die Berücksichtigung der im Anwendungsgebiet der FFR-Messung nicht zugelassenen und nicht als zVT bestimmten Arzneimittel Adenosin und Nitroprussid durch die beklagte Schiedsstelle ist nicht zu beanstanden. Zwar enthält der die Beklagte bindende Nutzenbewertungsbeschluss vom 15. August 2019 keine Angaben zu den Jahrestherapiekosten pro Patient in Bezug auf die mit „pharmakologische Stressauslösung nach Maßgabe des Arztes“ bestimmte zVT. Die Arzneimittel Adenosin und Nitroprussid werden vielmehr als „Komparatoren“ in den Tragenden Gründen bezeichnet, welches, wie ausgeführt, nicht die Rechtswidrigkeit des Nutzenbewertungsbeschlusses zur Folge hat.

 

Dem Nutzenbewertungsbeschluss zur zVT folgend hat die Beklagte, anders als vom Beigeladenen zu 1. im Schiedsverfahren beantragt, nicht allein auf das kostengünstigere dieser Arzneimittel (Adenosin) abgestellt, sondern im Rahmen ihres Entscheidungsspielraums auf die Kosten für beide in den Tragenden Gründen benannten Komparatoren (Adenosin und Nitroprussid), und diese – mangels Anhaltspunkten über die Häufigkeit ihrer Verwendung in der Versorgungsrealität – gleich gewichtet. § 130b Abs. 3 Satz 5 SGB V gibt zur Preisbildung allein vor, dass der Erstattungsbetrag zu in angemessenen Umfang geringeren Jahrestherapiekosten zu führen hat als die zVT. Wie die Kalkulation konkret vorzunehmen ist, wird nicht vorgegeben (vgl. zum Gestaltungsspielraum hinsichtlich der monetären Kalkulation des Zusatznutzens BSG, Urteil vom 4. Juli 2015 – B 3 KR 21/17 R – juris Rn. 37 [Idelaisib]). Dass zu den Jahrestherapiekosten der zVT, die nach § 130b Abs. 3 Satz 1 SGB V bei der Festsetzung des Erstattungsbetrags für ein Arzneimittel, das keinen belegten Zusatznutzen hat, nicht überschritten werden dürfen, nur die von den Krankenkassen für die zVT aufzubringenden Kosten gehören (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 2019 – B 3 KR 2/18 R – juris Rn. 60 [Constella®]), kann vorliegend dahinstehen, weil hier mit dem Nutzenbewertungsbeschluss vom 15. August 2019 Jahrestherapiekosten der zVT, wie ausgeführt, nicht angegeben worden sind. Die Berücksichtigung der Arzneimittel ist insbesondere in Ermangelung anderweitiger Beträge und Berechnungskriterien sachlich vom Entscheidungsspielraum der Beklagten gedeckt. Ein abweichender Umstand, der zwingend hätte Berücksichtigung finden müssen, war auch nicht die im EBM eingefügte Kostenpauschale, deren Zusammensetzung den Beteiligten bereits nicht bekannt war und die, wie ausgeführt und auch in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde, einen abweichenden Regelungsbereich betrifft.

Die Berücksichtigung der Arzneimittel Adenosin und Nitroprussid beruht auch nicht deshalb auf sachwidrigen Erwägungen, weil sie von der Schiedsstelle gemäß § 6 RahmenV zu berücksichtigenden Kriterien widerspräche. Hiernach sind – neben den in den Absätzen 1 bis 3 genannten – maßgebliche Kriterien die Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel (§ 6 Abs. 4 RahmenV). Diese bestimmen sich entsprechend § 4 Abs. 8 Satz 3 und 4 der AM-NutzenV. Als vergleichbare Arzneimittel definiert § 6 Abs. 4 RahmenV sodann für das Anwendungsgebiet zugelassene Arzneimittel, deren Zweckmäßigkeit sich aus den internationalen Standards der evidenzbasierten Medizin ergibt. Grundlage dieser untergesetzlichen Vorschrift ist § 130b Abs. 9 Satz 3 SGB V, wonach für Arzneimittel, für die der GBA nach § 35a Abs. 3 SGB V einen Zusatznutzen festgestellt hat, die Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel sowie die tatsächlichen Abgabepreise in anderen europäischen Ländern gewichtet nach den jeweiligen Umsätzen und Kaufkraftparitäten berücksichtigt werden sollen. Die hiermit bezeichneten Kriterien zur Bestimmung des Erstattungsbetrags sind folglich allein für den Fall der Vereinbarung resp. Festsetzung eines Erstattungsbetrages für Arzneimittel mit im Nutzenbewertungsbeschluss bestätigtem Zusatznutzen zu berücksichtigen, wie innerhalb der RahmenV systematisch auch aus § 5 Abs. 2 folgt. Für Arzneimittel dagegen, für die, wie hier, ein Zusatznutzen nicht bestätigt ist, ist dagegen ein Erstattungsbetrag zu vereinbaren, der – bereits – zu geringeren Kosten als die Jahrestherapiekosten der zVT führt. Auf sonstige und ggf. vergleichbare Arzneimittel kommt es in diesem Fall, anders als bei Arzneimitteln mit festgestelltem Zusatznutzen, nicht an. Diese Vorgehensweise entspricht im Übrigen nach den Ausführungen der Beklagten ihrer ständigen Praxis.

 

bb) Mangels valider  Datengrundlage (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juli 2015 – B 3 KR 21/17 R – juris Rn. 39) war auch in Bezug auf die Preise für Adenosin und Nitroprussid das Abstellen auf einen Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) abzüglich der um die Umsatzsteuer (im Jahr 2020: 16 %) bereinigten Herstellerabschläge nach § 130a Abs. 1 und 1a SGB V nicht sachwidrig, und zwar unabhängig von einer insofern im Schiedsverfahren nicht erhobenen Rüge der Klägerin (s.o.). Die Beklagte hat vielmehr nach ihrer nicht als sachwidrig zu beanstandenden – und nicht durch einen konkreten „Entscheidungsalgorithmus“ vorgegebenen (vgl. BT-Drs. 17/13370 S. 24; BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 – B 3 KR 20/17 R – juris Rn. 17 [Albiglutid]) – Einschätzung zugrunde gelegt, dass der Vertrieb über die Apotheke nebst der sodann geltenden Herstellerabschlagspflicht gemäß § 130a Abs. 1 Satz 6 SGB V den gesetzlichen Regelfall bilde und es sich bei dem geltenden (einheitlichen) ApU nach § 78 AMG um einen Nettobetrag handele. Im Übrigen wird die Klägerin nicht dadurch beschwert, dass von diesem Nettobetrag auch der Netto-Herstellerabschlag (gerundet 5,88 %) abgezogen wurde und kein – stattdessen höherer – Brutto-Herstellerabschlag (7 %). Dieser Berechnungsmodalität entsprechen die in die Festsetzung eingestellten Kosten für Adenosin in Höhe von 21,57 € und Nitroprussid in Höhe von 37,55 € (ergänzend wird insofern auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen [Konkretisierende Anträge des Beigeladenen zu 1. vom 25. März 2020 S. 10]).

 

Das weitere Vorgehen der Beklagten, (zugunsten der Klägerin) das arithmetische Mittel aus den vorstehenden Beträgen zu errechnen (ergibt 29,56 €) und einen Abschlag nach § 130b Abs. 3 Satz 3 SGB V mit (lediglich) 0,56 € zu beziffern, um der gesetzlichen Vorgabe gerecht zu werden (vgl. § 130b Abs. 3 Satz 1 SGB V; BSG, Urteil vom  4. Juli 2018 – B 3 KR 20/17 R – juris Rn. 17 [Albiglutid]), ist ebenso wenig zu beanstanden. Es beruht in Ermangelung von Hinweisen für den Einsatz dieser pharmakologischen Vasodilatatoren in der medizinischen Versorgung auf ihrer sachgerechten Wertung und ist – zumal die Klägerin durch die Berücksichtigung des nach der vorhandenen Erkenntnislage kostenintensiveren Arzneimittels Nitroprussid ebenso wenig belastet wird wie durch den als verhältnismäßig zu erachtenden Abschlag von 0,56 € –, nicht als sachwidrig oder willkürlich zu beurteilen.

 

cc) Die Beklagte hat schließlich im Rahmen der Preiskalkulation keinen zu geringen (Teil-)Erstattungsbetrag für das (erste) Anwendungsgebiet MPI berücksichtigt. Vielmehr hat sie hierfür konsistent als ApU den im Jahr 2012 vereinbarten Erstattungsbetrag von 54 € abzüglich des im Zeitpunkt des Schiedsspruchs maßgeblichen Netto-Herstellerabschlags (5,88 %, s.o.), mithin 50,82 € eingestellt und die Beträge in dem konsentierten Verhältnis von 20 % (MPI) zu  80 % (FFR-Messung) zutreffend berücksichtigt.

 

b) Die Festsetzungen in den Ziffern 3, 7 und 8 des Schiedsspruchs (§§ 1, 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 der Vereinbarung) sind von § 130b Abs. 4 SGB V im Sinne einer der Beklagten zustehenden Annexkompetenz umfasst (vgl. zur sog. Annexkompetenz oder Randzuständigkeit BSG, Urteil vom 13. Mai 2020 – B 6 KA 25/19 R – juris Rn. 59 m.w.N. [Wirtschaftlichkeitsprüfungen durch den Beschwerdeausschuss]). Auch im Übrigen bewegen sich diese Festsetzungen innerhalb dessen, was der weite Gestaltungsspielraum der Schiedsstelle nach § 130b SGB V umfasst.

 

Die weiteren festgesetzten Vertragsinhalte, über die zwischen den Beteiligten im Rahmen der Schiedsverhandlungen ebenfalls keine Einigung erzielt werden konnte, stehen mit der Festsetzung des Erstattungsbetrags in einem engen funktionalen Zusammenhang. Der nach Art. 20 Abs. 3 GG zu beachtende Vorbehalt des Gesetzes wird hierdurch nicht verletzt. § 130b Abs. 1 Satz 1 SGB V benennt als zu vereinbarenden Gegenstand (bzw. der Festsetzung nach § 130b Abs. 4 Satz 1 SGB V) im Sinne der sogenannten Wesentlichkeitstheorie den Erstattungsbetrag und regelt in Satz 5 die vorliegend nicht relevante weitere Sollvorgabe, dass auch Anforderungen an die Zweckmäßigkeit, Qualität und Wirtschaftlichkeit einer Verordnungen zu vereinbaren sind. Mit dieser Befugnis sowohl der an der Vereinbarung Beteiligten als auch im Falle des Scheiterns einer solchen nachfolgend der Schiedsstelle geht nach Auffassung des Senats die entsprechende Gestaltungsbefugnis hinsichtlich der mit der Erstattungsvereinbarung in unmittelbaren Zusammenhang stehenden, nicht konsentierten Vertragsbestandteile einher (vgl. BSG, Urteil vom 27. Oktober 2009 – B 1 KR 4/09 R – juris Rn. 15 zur Annexkompetenz in Bezug auf die Gestaltungsbefugnis der Verbände der Heilmittelerbringer nach § 135 Abs. 2 SGB V darauf, zu verhindern, dass der wesentliche Vertragsinhalt durch ein Verhalten des Vertragspartners „umgestaltet“ wird; BSG, Urteil vom 29. November 2006 – B 6 KA 7/06 R – juris Rn. 10 ff. zu Umfang der Vertragsgestaltungskompetenz des GBA aus § 125 Abs. 1 SGB V durch den Erlass von Heilmittelrichtlichtlinien <Heilmittel-RL> wegen des nach der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks. 13/7264, S. 68 „engen sachlichen Zusammenhangs zwischen den Rahmenempfehlungen nach dieser Vorschrift und den Heilmittel-RL des Bundesausschusses“ m.w.N.). Die Festsetzung dieser weiteren Vertragsinhalte verhelfen der Erstattungsbetragsfestsetzung im Hinblick darauf zur umfassenden Wirksamkeit, dass gerade der Geltungsbereich des Erstattungsbetrags zwischen den Beteiligten umstritten war und dies auch nach dem Ergebnis der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung weiterhin ist. Sie überschreiten von vornherein nicht die Regelungsbefugnisse der Beteiligten selbst. Die Vertragsgestaltungsfreiheit der Schiedsstelle ist indes nicht geringer als diejenige der Vertragspartner einer im Wege freier Verhandlung erzielten Vereinbarung (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juli 2018 – B 3 KR 21/17 R – juris Rn. 31 [Idelalisib]).

 

Ein etwaiger Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz ist hiermit nicht ersichtlich. Dass die Beklagte entgegen Art. 3 Abs. 1 GG gleichgelagerte Sachverhalte ohne hinreichenden Grund unterschiedlich behandeln würde ist – abgesehen davon dass es sich hier um einen auf Antrag der an der Vereinbarung Beteiligten gefassten Schiedsspruch handelt – nicht ersichtlich.

 

Der Inhalt der weiteren Regelungen steht auch mit dem Gesetz in Einklang.

 

In Bezug auf die Festsetzung von § 1 der Vereinbarung (Ziffer 3 des Schiedsspruchs) bezüglich des Geltungsbereichs der Vereinbarung hat die Klägerin mit der vorliegenden Klage keine Einwendungen erhoben. Bereits mit der Begründung ihrer konkretisierenden Anträge (Verwaltungsvorgang der Beklagten, S. 50 des Schriftsatzes der Klägerin vom 23. März 2020) hat sie vielmehr ausgeführt, grundsätzlich den der späteren Festsetzung entsprechenden Vorschlag des Beigeladenen zu 1. zu akzeptieren.

 

Der Schiedsspruch zu Ziffer 7 (§ 4 Abs. 1 der Vereinbarung), wonach die Klägerin für die von dieser Vereinbarung umfassten Fertigarzneimittel die für die Abrechnung nach § 300 SGB V erforderlichen Preis- und Produktangaben einschließlich der vereinbarten Ablösung der Abschläge nach § 130a Abs. 1 und 1a SGB V zur Erfüllung ihrer Pflichten aus § 131 Abs. 4 SGB V an die IFA GmbH zu melden habe, und zwar den Erstattungsbetrag oder einen darunter liegenden Abgabepreis zu den im Weiteren angegebenen Zeitpunkten, ist, ebenso wenig wie die dies begründende Erwägung der Schiedsstelle, eine Verantwortung für die Funktionsfähigkeit des gesamten Preisregulierungssystems zu tragen, zu beanstanden. Nachdem die Beteiligten, wie ausgeführt, bereits im Schiedsverfahren kontroverse Ansichten in Bezug auf den Geltungsbereich des Erstattungsbetrags nach Maßgabe des von der Klägerin auch in der mündlichen Schiedsverhandlung dargestellten Vertriebswegs von Rapiscan® vertreten hatten, haben vielmehr beide Beteiligten eine Vertragsfestsetzung insoweit beantragt.

Die Beklagte war aus Rechtsgründen nicht verpflichtet, der Rechtsauffassung der Klägerin mit ihren konkretisierenden Anträgen zu folgen, wonach die Klägerin berechtigt sei, neben dem Erstattungsbetrag, der im Bereich des Direktvertriebs keine Geltung beanspruchen könne, einen von ihr bestimmten Abgabepreis zur „Lauertaxe“ (jetzt IFA GmbH) zu melden.

 

Gemäß § 131 Abs. 4 Satz 2 SGB V ist der pharmazeutische Unternehmer u.a. zur Meldung der für die Abrechnung nach § 300 SGB V erforderlichen Preis- und Produktangaben (Nr. 1) und der nach § 130b vereinbarten Erstattungsbeträge (Nr. 2) jeweils einschließlich der Rabatte nach § 130a verpflichtet. Die Verpflichtung zur Übermittlung vollständiger und richtiger Daten dient in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise der wirtschaftlichen und zweckmäßigen Versorgung mit Arzneimitteln (vgl. § 12 SGB V). Wie ausgeführt, ist die Klägerin gemäß § 78 Abs. 3 und 3a AMG kraft Gesetzes verpflichtet, für das apothekenpflichtige Arzneimittel Rapiscan® bzw. Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff Regadenoson einen einheitlichen Abgabepreis sicherzustellen, und zwar in Höhe des Erstattungsbetrages oder darunter, der entsprechend zu melden ist. Dementsprechend ist auch in den Richtlinien der Informationsstelle für Arzneispezialitäten (IFA-GmbH, hier: Stand 31. August 2021 auf der Seite www.ifaffm.de S. 14) mitgeteilt, dass hinsichtlich des ApU gemäß § 78 Abs. 3a Satz 1 AMG bei Arzneimitteln, für die ein Erstattungsbetrag nach § 130b SGB V gilt, dieser anzugeben ist. Ist bei einem verschreibungspflichtigen Arzneimittel ein Erstattungsbetrag nach § 130b SGB V vereinbart / zugewiesen, so ist dieser, wie es weiter heißt, in den Datenfeldern APU und APU § 78 Abs. 3a Satz 1 AMG anzugeben. Wird ein KHAEP (Krankenhausapothekeneinkaufspreis des pharmazeutischen Unternehmers [ohne MwSt.]) aufgeführt, so muss dieser ebenfalls dem Erstattungsbetrag entsprechen. Der Anbieter kann in diesem Fall aber zusätzlich einen selbst gewählten (höheren) Krankenhausapothekeneinkaufspreis des pharmazeutischen Unternehmers (KHAEP PPU) festlegen. Auch hiermit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Pflicht zur Sicherstellung des einheitlichen Abgabepreises im Direktvertrieb allein für die jeweiligen Abgabevorgänge von Rapiscan® entfällt, auf die sich die Meldepflicht nicht erstreckt. Von der grundsätzlichen Meldeverpflichtung in Bezug auf den Erstattungsbetrag nach § 130b SGB V wird der pharmazeutische Unternehmer dagegen im Einklang mit § 131 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SGB V nicht freigestellt. Gemäß § 131 Abs. 4 Satz 6 SGB V sind die nach Satz 2 übermittelten Angaben, die nach Satz 5 von den näher bezeichneten Stellen korrigiert werden können, verbindlich. Diese Stellen können vom pharmazeutischen Unternehmer Ersatz der ihnen durch eine erforderliche Fehlerkorrektur entstandenen Aufwendungen verlangen (§ 131 Abs. 4 Satz 9 SGB V). Mit dieser Regelung, so die Gesetzesbegründung, soll „Transparenz und Rechtsklarheit für die verordnenden Vertragsärztinnen und -ärzte geschaffen werden (vgl. BT-Drs. 18/10186 S. 36).

 

Hiernach ist schließlich auch die Ausfüllung der zwischen den Beteiligten dissenten Vereinbarung zu § 5 Abs. 1 mit Ziffer 8 des Schiedsspruchs nicht zu beanstanden. Danach habe die Klägerin, soweit die von der Vereinbarung umfassten Arzneimittel von ihr zu Lasten der Krankenkassen ab dem geregelten Zeitpunkt zu einem höheren Betrag als dem Erstattungsbetrag nach § 2 der Vereinbarung abgegeben werden, die Preisdifferenz zwischen diesem zuzüglich Umsatzsteuer und dem von den Krankenkassen tatsächlich gezahlten ApU zuzüglich Umsatzsteuer auszugleichen. Die in Konsequenz zur vorstehenden Festsetzung mit Ziffer 7 des Schiedsspruchs getroffenen Regelung zur Nacherstattung sei, so die Begründung, für das Funktionieren des Preisregulierungssystems ebenfalls unerlässlich. Die ist – auch angesichts der gesetzlichen Zielrichtung mit Blick auf die Vertragsärzteschaft (vgl. BT-Drs. 18/10208 S. 29 f., 36; Axer in Becker/Kingreen, SGB V, 7. Auflage 2020, § 131 Rn. 14) von der Regelungskompetenz der Beklagten ebenfalls umfasst. Denn andernfalls liefe die Verpflichtung zur Meldung eines maximalen Abgabepreises in Höhe des Erstattungsbetrags ins Leere, wenn die Klägerin auch nach erfolgter Festsetzung des Erstattungsbetrages und der nachfolgenden Meldeverpflichtung an ihrer Rechtsauffassung festhielte, berechtigt zu sein, entgegen § 78 Abs. 3a AMG Rapiscan® bzw. Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff Regadenoson je Bezugsgröße zu einem Betrag oberhalb des Erstattungsbetrages in den Verkehr zu bringen. Dafür, dass dies der Fall wäre, spricht bereits die Begründung ihrer konkretisierenden Anträge im Schiedsverfahren, wonach sie zwar grundsätzlich bereit sei, die Nacherstattungsregelung in § 5 Abs. 1 des Vertrages zu akzeptieren, dies indes nur, wenn zugrunde gelegt würde, dass im Direktvertrieb das Prinzip des einheitlichen Herstellerabgabepreises und die Arzneimittelpreisverordnung nicht gelte. Wie indes zuvor ausgeführt, trifft dies nach Auffassung des Senats nicht zu. Dies hat zur Folge, dass – wie von der Schiedsstelle in nicht zu beanstandender Weise abgewogen worden ist – die isolierte Festsetzung des Erstattungsbetrags ohne die flankierenden Regelungen mit den festgesetzten Vertragsinhalten dem Sinn und Zweck der Preisregulierung nach §§ 35a, 130b SGB V vorliegend nicht gerecht geworden wäre.

 

Weitere Ermittlungen von Amts wegen (§ 103 Satz 1 SGG) waren vom Senat nicht durchzuführen. Soweit es die Klägerin im vorbereitenden Verfahren für notwendig erachtet hat, die übrigen Beteiligten zur Vorlage weiterer Akten aufzufordern, hat sie dies in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ebenso wenig aufrecht erhalten wie die zuvor schriftsätzlich angekündigten Beweisanträge. Im Übrigen ist ihr wiederholt Einsicht in sämtliche zum Verfahren zugehörige Gerichts- und sonstigen Akten, darunter die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes L 28 KR 342/20 KL ER übersandten Akten bzw. Unterlagen der Beteiligten, gewährt worden. Der Senat hatte auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die von den Beteiligten vorgelegten Akten, insbesondere die vom Beigeladenen zu 2. übersandte Zusammenfassende Dokumentation vom 15. August 2019 nebst Wortprotokoll der mündlichen Anhörung vom 8. Juli 2019 und detaillierter Darstellung der Recherchestrategie, unvollständig gewesen sein könnten. Nach dem 1. Kap. 2. Abschnitt § 5 Abs. 4 Satz 2 der Verfahrensordnung des GBA in der hier maßgeblichen, mit Beschluss vom 16. August 2018 geänderten Version vom 6. März 2019 (BAnz AT 05.03.2019 B2; VO) soll eine zusammenfassende Dokumentation das Beratungsverfahren in seinem jeweiligen Stand umfassend darstellen und insbesondere eine Auseinandersetzung mit den Stellungnahmen nach dem 3. Abschnitt entsprechend der Beschlussvorlage nach § 13 sowie eine Auswertung eingeholter Gutachten enthalten. Nach dem 5. Kap. 1. Abschnitt 1. Titel § 4 Abs. 2 Satz 1 und 2 VO wird über die – wie vorliegend u.a. gegenständlich – Durchführung der Nutzenbewertung eine zusammenfassende Dokumentation erstellt, die enthält: Beschreibung des Verfahrensablaufs, zugrundeliegende Nutzenbewertung und Dossier, eingegangene Stellungnahmen aus der schriftlichen und mündlichen Anhörung, Würdigung der vorgetragenen Argumente und Bewertung des Zusatznutzens durch den Gemeinsamen Bundesausschuss. Dies war hier der Fall.

 

III. Die von der Klägerin darüber hinaus beantragte Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung der Schiedsanträge kam hiernach nicht in Betracht.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO.

 

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

Rechtskraft
Aus
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