L 28 BA 2/21 B ER

Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
28.
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 5 BA 13/20 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 BA 2/21 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Eine allgemeine anwaltliche Beratung zur Frage ei-ner etwaigen Scheinselbständigkeit im Vorgriff auf die beabsichtigte Beauftragung eines Einzelunter-nehmers lässt nicht ohne Weiteres den bedingten Vorsatz in Bezug auf den Verstoß gegen zentrale arbeitgeberbezogene Pflichten des Sozialversiche-rungs- und Steuerrechts entfallen. 2. Eine unbillige Härte der sofortigen Vollziehung ei-nes Beitragsbescheides ist nicht bereits mit den hiermit verbundenen wirtschaftlichen Konsequen-zen der finanziellen Belastung indiziert, sondern setzt die Glaubhaftmachung darüber hinausgehen-der, nicht oder nur schwer wiedergutzumachender Nachteile voraus

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 22. Dezember 2020 wird zurückgewiesen.

 

Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Der Streitwert wird für das Antrags- und das Beschwerdeverfahren auf jeweils 31.083,72 € festgesetzt.

Gründe

 

I.

Die Antragstellerin begehrt sinngemäß die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer am 28. Oktober 2020 erhobenen Klage (S 43 BA 15/20) gegen einen Betriebsprüfungsbescheid der Antragsgegnerin, mit dem diese eine Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen einschließlich darauf entfallender Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 62.167,44 € für den Prüfzeitraum 1. Januar 2013 bis 31. Oktober 2015 unter Zugrundelegung einer abhängigen Beschäftigung des 1961 geborenen   (S) fordert.

 

Die Antragstellerin betrieb im Prüfzeitraum als GmbH & Co. KG ein Unternehmen mit dem Gegenstand der Raumausstattung einschließlich Abriss-, Renovierungs- und Einbauarbeiten und mit Geschäftssitz in Fin der . Ausweislich des Schlussberichts des Hauptzollamts  vom 17. Dezember 2019 ist Komplementär der Antragstellerin eine Beteiligungs GmbH, deren geschäftsführender Gesellschafter und Inhaber seit Dezember 2012  (L.) ist. Die Antragstellerin beschäftigte in der Zeit von Oktober 2012 bis jedenfalls Dezember 2014 über 20 Arbeitnehmer.

 

S. hatte zum 2. Dezember 2007 als Einzelunternehmer das Gewerbe „Hausmeisterservice “ an seinem Wohnsitz angemeldet. Die Abmeldung erfolgte am 13. November 2015. Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Nachschau im Einzelunternehmen des S. wurde seitens des HZA festgestellt, dass dieser in der Zeit 2013 bis 2014 ausschließlich für die Antragstellerin tätig gewesen sei.

 

Das Hauptzollamt Finanzkontrolle Schwarzarbeit (HZA) prüfte am 18. November 2015 die Geschäftsunterlagen der Antragstellerin; Gegenstand war die Beauftragung des Hausmeisterdienstes S. Die Antragsgegnerin nahm auf entsprechende Anfrage des HZA am 22. Juli 2016 gutachterlich zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung zweier Subunternehmer, darunter des S., im Zusammenhang mit der Tätigkeit bei der Antragstellerin Stellung (Bl. 10 bis 12 der Verwaltungsvorgänge); S. wurde am 27. Januar 2017 vom HZA als Zeuge vernommen (Bl. 24 bis 27 der Verwaltungsvorgänge). Die Antragsgegnerin kündigte der Antragstellerin die Durchführung einer Betriebsprüfung auf der Grundlage der Unterlagen des HZA an (Schreiben vom 18. Februar 2020). Zu ihrer Anhörung (Schreiben vom 5. März 2020) äußerte sich L. am 31. März 2020 dahingehend, er habe Anfang 2010 auf Grund von Auftragsspitzen einen zuverlässigen Subunternehmer gesucht (Bl. 64f. der Verwaltungsvorgänge). S. habe seine „Ich AG“ bereits 2007 gegründet und in der Folgezeit vielfältige hausmeistertypische Leistungen nach entsprechender Übermittlung der Kundenwünsche selbständig und größtenteils mit eigenen Werkzeugen ausgeführt, keinesfalls nur Abrissarbeiten. Er habe im Rahmen der jeweiligen Aufgabenstellungen jederzeit seine Arbeit selbständig organisieren und die Arbeitszeit frei einteilen können. Die auf der Basis eines Verrechnungssatzes von ca. 12 € zuzüglich Zielprämie und Objektlohn gewährte Vergütung habe ca. 2,4 mal höher gelegen als der Stundenlohn seiner Mitarbeiter.

 

Die Antragsgegnerin forderte mit Bescheid vom 8. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2020 für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis 31. Oktober 2015 gegenüber der Antragstellerin Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 36.617,44 € zuzüglich Säumniszuschlägen in Höhe von 25.550 € nach. Die Antragstellerin hat hiergegen am 28. Oktober 2020 Klage erhoben und zugleich um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Nach Verweisung der beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) anhängig gemachten Verfahren an das zuständige Sozialgericht Cottbus hat dieses mit Beschluss vom 22. Dezember 2020 den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurückgewiesen.

 

Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde vom 7. Januar 2021 macht die Antragstellerin im Wesentlichen geltend, ernsthafte und insofern für eine Aussetzung der Vollziehung ausreichende Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides lägen, anders als vom Sozialgericht entschieden, vor. Der Geschäftsführer der Antragstellerin, Herr L., habe aufgrund seiner, des Bevollmächtigten, Stellungnahme im Schreiben vom 10. Juni 2010 darauf vertrauen dürfen, dass eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit des S. nicht vorliege. Allenfalls käme hier ein unerheblicher Fahrlässigkeitsvorwurf in Betracht. Der Geschäftsführer der Antragstellerin habe jedenfalls nicht mit einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung des S. gerechnet.

 

 

 

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

 

den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 22. Dezember 2020 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage vor dem Sozialgericht Cottbus – S 43 BA 15/20 – anzuordnen.

 

Die Antragsgegnerin beantragt,

 

die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Sie macht geltend, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides beständen nicht. Von einer bedingt vorsätzlich unterlassenen Beitragszahlung der Antragstellerin sei auszugehen. Eine unbillige Härte habe die Antragstellerin weder geltend gemacht noch sei eine solche ersichtlich.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gegenständliche Gerichtsakten, die Gerichtsakten des Sozialgerichts Cottbus zu S 43 BA 15/20 und die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin nebst Unterlagenordner des HZA Bezug genommen.

 

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 22. Dezember 2020 ist unbegründet. Das Sozialgericht hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der Klage S 43 BA 15/20 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2020 anzuordnen.

 

Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder – wie hier – Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese auf Antrag ganz oder teilweise anordnen. Die vorgenannte Klage gegen den nach durchgeführtem Betriebsprüfungsverfahren gemäß § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) – Gemeinsame Vorschriften – i.V.m. §§ 2, 6 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) für den Prüfzeitraum 1. Januar 2013 bis 31. Oktober 2015 ergangenen Bescheid wegen Nachforderungen zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 62.167,44 € hat gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung. Die von der Antragsgegnerin am 14. Juli 2020 verfügte Aussetzung der Vollziehung der Beitragsforderung in voller Höhe wegen geltend gemachter existenzvernichtender finanzieller Belastung war bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens befristet.

 

Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung – ganz oder teilweise – gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer Abwägung des Suspensivinteresses der Antragstellerin auf der einen Seite mit dem angesichts der gesetzlichen Vorgabe in § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG regelmäßigen vorrangigen öffentlichen Vollzugsinteresses auf der anderen Seite (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt in SGG, 13. Auflage 2020, § 86b Rn. 12b m.w.N.). Aus diesem bereits vom Gesetzgeber grundsätzlich geregelten vorrangigen Vollzugsinteresse von Entscheidungen über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich darauf entfallender Nebenkosten folgt zugleich, dass in der Regel nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Interesse an der aufschiebenden Wirkung begründen können, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, vorliegend mithin der Klage der Antragstellerin, als zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Insoweit müssen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen, um entgegen dem dargestellten Regel-Ausnahmeverhältnis des Gesetzgebers das Aussetzungsinteresse als höher zu gewichten. Umgekehrt sind die Anforderungen an die Erfolgsaussichten geringer, je schwerer die angefochtene Entscheidung für den Betroffenen wirkt. Insofern ist in die Abwägungsentscheidung auch einzustellen, ob die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

 

Mit dem Sozialgericht liegen auch aus Sicht des Senats nach der in Eilverfahren regelmäßig nur möglichen, indes auch gebotenen summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 8. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2020, insbesondere soweit die Antragsgegnerin hiermit eine versicherungspflichtige Beschäftigung des S. festgestellt hat, nicht vor. Nichts Abweichendes folgt hinsichtlich der Berechnung der Höhe der Sozialversicherungsbeiträge und Säumniszuschläge.

 

Ermächtigungsgrundlage für den Bescheid ist § 28p Abs. 1 Sätze 1 und 5 SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV), und zwar mindestens alle vier Jahre (Satz 1). Hier beruhte die – anlassbezogene – Prüfung auf der Unterrichtung der Antragsgegnerin gemäß § 6 Abs. 3 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 4 SchwarzArbG seitens des HZA. Die Träger der Rentenversicherung erlassen nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte (den hier gegenständlichen Prüfbescheid, vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R – juris Rn. 17) zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Mit dem letzten Halbsatz der Vorschrift ist klargestellt, dass die Zuständigkeit der Träger der Rentenversicherung unabhängig von den eigentlich nach § 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV für solche Feststellungen zuständigen Einzugsstellen besteht.

 

Der gegenständliche Beitragsbescheid ist nach summarischer Prüfung formell rechtmäßig. Soweit die Antragsgegnerin ihre Prüfung auf die Ermittlungsergebnisse des HZA gestützt hat, führt dies zu keinem abweichenden Ergebnis. Das Gesetz schreibt in § 28p SGB IV keinen zwingenden Ort für die Durchführung der Betriebsprüfung vor. Die Behörde bestimmt gemäß §§ 20 Abs. 1 Satz 2, 21 Abs. 1 Satz 1 SGB X Art und Umfang der Ermittlungen und nach ihrem pflichtgemäßem Ermessen die Beweismittel. Erachtet sie die vom HZA ermittelten Umstände als ausreichend – dessen Prüfung beruhte hier auf § 2 Abs. 1 SchwarzArbG, wonach die Behörden der Zollverwaltung u.a. prüfen, ob sich aus den Dienst- oder Werkleistungen ergebende Pflichten nach § 28a SGB IV erfüllt werden oder wurden, die hierbei wiederum nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 SchwarzArbG, wie auch vorliegend, von den Trägern der Rentenversicherung unterstützt werden – kann sie sich hierauf beschränken und die Betriebsprüfung mit einem Prüfungsbescheid gemäß § 8 SGB X abschließen (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom – L 10 R 592/17 – juris Rn. 20 ff. m.w.N.). Der Bescheid ist schließlich nach vorheriger Anhörung und ordnungsgemäß begründet ergangen (vgl. §§ 24 Abs. 1, 35 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X).

 

Der Bescheid ist nach vorläufiger (summarischer) Prüfung auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Nach § 28e Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei ihm Beschäftigten zu entrichten. Der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegen nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV u.a. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – SGB V; § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI; § 20 Abs. 1 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – SGB XI; § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – SGB III). Der Beitragsbemessung für den vom Arbeitgeber zu zahlenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag liegt gemäß §§ 28d, 28e SGB IV das Arbeitsentgelt zugrunde (vgl. § 342 SGB III, § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V, § 57 SGB XI, § 162 Nr. 1 SGB VI).

 

Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann maßgeblich bei Diensten höherer Art zu einer „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Tätigkeit prägen (vgl. zu Vorstehendem etwa BSG, Urteile vom 7. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R – juris Rn. 13 und vom 11. November 2015 – B 12 R 2/14 R – juris Rn. 17f. jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 20. Mai 1996 – 1 BvR 21/96 – juris Rn. 6 ff.).

 

Die wertende Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder zur selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden. Ob die Zuordnung zum Typus der Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich mithin aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist, so dass regelmäßig als Ausgangspunkt vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen ist. Liegen diese in schriftlicher Form vor, ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind, die maßgebend sind, soweit sie ihrerseits rechtlich zulässig sind (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 RK 16/13 R – juris).

 

Nach dem erstinstanzlichen Vortrag der Antragstellerin habe diese zwar, vertreten durch L., kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis mit S. begründen wollen. Unter Zugrundelegung der genannten höchstrichterlichen Maßstäbe ist vorliegend gleichwohl davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin mit dem Bescheid vom 8. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2020 zu Recht festgestellt hat, dass S. im Prüfzeitraum abhängig bei der Antragstellerin beschäftigt war und insofern der Gesamtsozialversicherungspflicht unterlag.

 

Ausweislich der Prüfergebnisse des HZA war ein Vertragsverhältnis zwischen der Antragstellerin und S. nicht schriftlich fixiert worden, sondern, und zwar auch nach dem Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren, lediglich mündlich vereinbart. L. habe nach den Aussagen des S. vor dem HZA am 20. Mai 2016 und am 27. Januar 2017 diesen 2009 wegen zu erledigender Arbeiten angesprochen; er selbst habe in dessen Unternehmen mal in Zeiten der Arbeitslosigkeit nachgefragt. L. habe Stundenverrechnungssätze zwischen 10 € am Anfang und 12 € zum Schluss gezahlt, und die Vergütung sei nach Arbeitsstunden erfolgt, nur ausnahmsweise im August 2015 mal nach Quadratmetern. Eine Vereinbarung über die Zahlung einer Urlaubsvergütung oder für den Fall der Arbeitsunfähigkeit, so macht die Antragstellerin selbst geltend, sei nicht getroffen worden. Die Rechnungen seien nach der Aussage des S. in der Firma des L. geschrieben worden. Stundenaufzeichnungen seien nicht vorher abgezeichnet worden. Er, S., habe meistens die Entkernung beim Abriss gemacht, Pflasterarbeiten und kleine Reparaturarbeiten. L. bzw. dessen Polier, M S., hätten konkrete Arbeitsanweisungen erteilt, was in der nächsten Stunde bzw. am jeweiligen Tag zu tun wäre. Er, S., habe zusammen mit Angestellten des L. gearbeitet. Das Werkzeug habe L. immer gestellt. Arbeitsbeginn sei morgens und Arbeitsende abends im Betrieb des L. gewesen, er habe täglich 9-10 Stunden gearbeitet, mit eigenen Autos seien sie nicht gefahren, Spritkosten habe L. erstattet. Zwar hatte L. im Zuge der Befragung des HZA mitgeteilt, S. sei an ihn herangetreten, sofern er Arbeiten benötigt hätte. Dieser hätte sein eigenes Werkzeug verwendet und seine Arbeitszeiten selbständig geregelt. Ob S. noch andere Auftraggeber gehabt habe, wisse er nicht. Im vorliegenden Verfahren hat er bereits erstinstanzlich vor dem Sozialgericht geltend gemacht, allein der Umstand, dass S. seine Arbeitsleistung im Wesentlichen so erbracht habe, wie angestellte Mitarbeiter der Antragstellerin ändere nichts daran, dass er seine Arbeitszeit frei bestimmt habe. Indes folgt aus den Gesamtumständen nach einstweiliger Prüfung nicht die Selbständigkeit des S.

 

Dass möglicherweise der „Geschäftsführer der Antragstellerin“, L., und der vermeintliche Subunternehmer S. im Hinblick auf die Gewerbeanmeldung des S. aus dem Jahr 2007 von der (mündlichen) Vereinbarung selbständiger Tätigkeit ausgingen, wie für die Antragstellerin geltend gemacht wird, genügt indessen nicht, um eine solche sozialversicherungsrechtlich zugrunde zu legen. Einem insofern gegebenenfalls vorhandenen, mangels schriftlichen Vertrages bereits nicht feststellbaren übereinstimmenden Willen der Beteiligten käme ohnehin keine maßgebliche, sondern allenfalls eine indizielle Bedeutung zu, wenn dieser dem festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnis nicht offensichtlich widersprach und er durch weitere Umstände gestützt wird (vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R – juris Rn. 16f.). Indes überwiegen nach vorläufiger Prüfung hier die Umstände, die für eine abhängige Beschäftigung des S. bei der Antragstellerin im Prüfzeitraum sprechen. S. war bei den Arbeitseinsätzen, die er nach den Ermittlungsergebnissen des HZA in einer für Arbeitnehmer typischen Regelmäßigkeit an fünf Tagen in der Woche ganztätig ausübte, in den Betrieb der Antragstellerin, in deren Arbeitsabläufe und die Organisationsstruktur eingegliedert. Anders als von dieser ohne nähere Darlegung behauptet, nutzte er ausweislich der Ermittlungsergebnisse, an denen zu Zweifeln der Senat keine Anhaltspunkte hat, die von ihr zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel und Werkzeuge und fuhr vom Geschäftssitz der Antragstellerin mit anderen Mitarbeitern mit einem Fahrzeug der Antragstellerin zum jeweiligen Einsatzort und nach Arbeitsende wieder von dort zurück. Dass L. die Aussagen des S. vor dem HZA mit seiner Stellungnahme vom 31. März 2020 nach Beendigung des Vertragsverhältnisses als Schutzbehauptung im Hinblick auf dessen Steuerschulden abtut, kann angesichts der weiteren, für eine Beschäftigung sprechenden Umstände dahinstehen. Eine eigene Betriebsstätte hatte S. weder im Zeitpunkt der Gewerbeanzeige noch später, noch beschäftigte er eigene Arbeitnehmer. Weisungen wurden entweder unmittelbar von L. oder (zumeist) von dem bei der Antragstellerin angestellten Polier MS. erteilt. Für eine jeweils für die Arbeitseinsätze vertraglichen vereinbarten Vergütung und Rechnungsstellung durch S. fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten. Vielmehr wurde er – welches auch von der Antragstellerin nicht bestritten wird – weit überwiegend auf Stundenbasis arbeitnehmerähnlich entlohnt, wobei die Rechnungen nicht von ihm selbst gestellt, sondern im Büro des L. geschrieben worden seien, und zwar, wie er selbst im Rahmen der Anhörung angegeben hat, im Sinne einer „organisatorischen“ Unterstützung des S. Für größere Freiheiten beim Arbeitseinsatz oder etwaige Möglichkeiten der Erhöhung seiner Verdienstchancen ist nichts Greifbares ersichtlich. Eigenes Kapital hat S. nicht eingesetzt, für seinen angemeldeten Betrieb ist er nicht werbend auf dem Markt aufgetreten, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass er ein eigenes nennenswertes Unternehmerrisiko getragen hat, zumal er in der gegenständlichen Zeit zumindest bis November 2014 ausschließlich und sodann jedenfalls weit überwiegend für die Antragstellerin gearbeitet habe. Dass es, wie die Antragstellerin bereits im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemacht hat, an der Vereinbarung einer Urlaubsvergütung oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall fehlte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn dass jemand von seinem Auftraggeber bzw. Arbeitgeber nicht den für Beschäftigte typischen sozialen Schutz erhalten hat, führt für sich genommen nicht zur Annahme eines unternehmerischen Risikos (vgl. BSG, Urteil vom 24. März 2016 – B 12 KR 20/14 R – juris Rn. 21), wenn, wie auch hier, damit weder typische Freiheiten eines Selbständigen noch erkennbar höhere Verdienstchancen einhergingen. Insofern folgt auch aus dem allgemeinen, Arbeitnehmer wie Selbständige treffenden Risiko, außerhalb der jeweiligen Arbeit die eigene Arbeitskraft gegebenenfalls nicht verwerten zu können, kein Unternehmerrisiko.

 

Auch die Gewerbeanmeldung durch S. (am Ort seines Wohnsitzes) bereits im Jahr 2007 kann angesichts ersichtlichen Unternehmerrisikos nicht zur Gesamtwertung des Vorliegens von Selbständigkeit führen (BSG, Urteil vom 4. Juni 1998 – B 12 KR 5/97 R – juris Rn. 24). Denn ein Selbständiger kann ebenfalls Arbeiten als abhängiger Beschäftigter erbringen, zumal dann, wenn es sich, wie vorliegend, um Arbeiten handelt, die isoliert betrachtet sowohl von Selbständigen als auch von Arbeitnehmern erbracht werden können. Eine entsprechende Prüfung erfolgt im Übrigen nicht im Rahmen der Anzeige des Gewerbes gemäß § 14 Abs. 1 Gewerbeordnung.

 

Sodann hat die Antragsgegnerin nach summarischer Prüfung die Höhe der nachgeforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge einschließlich der Umlagen zu Recht nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV auf der Grundlage eines Nettoarbeitsentgelts berechnet. Danach gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart, wenn bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt wurden. Illegal ist ein Beschäftigungsverhältnis in diesem Sinn, wenn objektiv zentrale arbeitgeberbezogene Pflichten des Sozialversicherungsrechts (Zahlungs-, Melde-, Aufzeichnungs- und Nachweispflichten) verletzt wurden (vgl. BSG, Urteil vom 9. November 2011 – B 12 R 18/09 R – juris LS). Die in § 1 Abs. 3 SchwarzArbG in der erst ab 18. Juli 2019 geltenden Fassung (Gesetz vom 11. Juli 2019 [BGBl. I S. 1066]) enthaltene Legaldefinition des Begriffs der illegalen Beschäftigung gilt zwar nicht rückwirkend für den hier maßgeblichen Zeitraum. Wie ausgeführt, ist höchstrichterlich aber bereits zuvor der objektive Tatbestand des illegalen Beschäftigungsverhältnisses dahin ausgelegt worden, dass jedenfalls Fälle des Verstoßes gegen zentrale arbeitgeberbezogene Pflichten des Sozialversicherungsrechts und des Steuerrechts – wie hier – erfasst sind. Hinsichtlich der nunmehr eingeführten Legaldefinition in § 1 Abs. 3 SchwarzArbG geht dementsprechend auch der Gesetzgeber selbst von einer Klarstellung aus (vgl. BT-Drs. 19/8691 S. 43). In objektiver Hinsicht genügt mithin, dass hier die Antragstellerin, vertreten durch L., den S. zu Unrecht als selbständig behandelt und weder Steuern noch Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung abgeführt hat.

 

Auch der in subjektiver Hinsicht darüber hinaus zumindest erforderliche bedingte Vorsatz, Beiträge und Steuern vorzuenthalten, ist hier nach summarischer Prüfung anzunehmen. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin arbeitnehmerbezogene Steuermerkmale für S. zur Entgeltabrechnung elektronisch abgerufen hätte, bestehen nicht. Solches wurde auch von ihr selbst, die S. als selbständigen Subunternehmer behandelte, nicht geltend gemacht. Anders als die Antragstellerin allerdings unter Hinweis auf das Schreiben ihres bevollmächtigten Rechtsanwalts vom 10. Juni 2010 geltend macht, ist nach derzeitigem Sach- und Streitstand vorliegend nicht eine lediglich fahrlässige Fehlbeurteilung des Sachverhalts glaubhaft gemacht. Nach den Gesamtumständen ist der Senat im Rahmen der vorläufigen Beurteilung eher davon überzeugt, dass bedingter Vorsatzes in Bezug auf die verletzten Pflichten gegeben zu sein scheint. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist eine den Vorsatz indizierende Kenntnis von der Beitragspflicht regelmäßig anzunehmen, wenn für das gesamte typische Entgelt insbesondere bei sog. „Schwarzarbeit“ überhaupt keine Beiträge – wie auch hier – entrichtet wurden (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R – juris Rn. 65 m.w.N.). Unabhängig davon, ob L. als vertretungsberechtigtes Organ der Antragstellerin, wie es im Widerspruchsbescheid heißt, ein etwaiges Verschulden seines bevollmächtigten Rechtsanwalts wie eigenes Verschulden auch insofern zuzurechnen wäre, erfolgte die in dem Schreiben vom 10. Juni 2010 mündende „allgemeine Beratung“ des L. im Vorgriff auf eine Tätigkeit des S. (ab dem 1. Juli 2010) bei der Antragstellerin und nicht in Bezug auf die konkrete Tätigkeit, geschweige denn im Prüfzeitraum. Mit diesem Schreiben wurde darüber hinaus lediglich abgewogen, welche Umstände für eine „Scheinselbständigkeit“ sprechen könnten, nämlich dass S. wie die anderen Angestellten, gemeinsam zu einer Baustelle gelangen und dort arbeiten würde, dort möglicherweise Anweisungen des Vorarbeiters erfahren würde und die Gerätschaften der Antragstellerin für die Arbeiten nutzen würde. Sollte S. – perspektivisch – eigene Mitarbeiter beschäftigen, wäre dies – neben anderen Umständen – ein untrügliches Zeichen für eigenes unternehmerisches Tätigwerden. Indes hat L. offenbar mit dem Tätigwerden des S. die Beitragsverantwortung der Antragstellerin nicht noch einmal hinterfragt, geschweige denn bei der Antragsgegnerin erfragt, obgleich S. augenscheinlich wie seine (weiteren) Arbeitnehmer auf den Baustellen ohne eigene Werkzeuge und eigene Beschäftigten arbeitstäglich und ganztägig tätig war. S. wurde auch von L. insofern arbeitnehmergleich eingesetzt, als er Auftragsspitzen abfedern sollte und den Weisungen des Vorarbeiters bzw. Poliers Folge zu leisten hatte. Jedenfalls belegt das vorgenannte Schreiben, dass in Bezug auf eine in Aussicht genommene Arbeit des S. eine Beitragspflicht – je nach den konkreten Umständen – für möglich gehalten werden könnte und L. selbst offensichtlich einen Beratungsbedarf gehabt hatte. Eine fahrlässige Unkenntnis ist bei dieser Sachlage eher fernliegend. Dahin stehen kann insofern für das vorliegende Verfahren auch, weshalb der bevollmächtigte Rechtsanwalt dem L. am 16. Dezember 2014 eine Übersicht zu „Merkmalen der Selbständigkeit“ per Telefax übersandte. Hiernach erscheint es insgesamt nicht plausibel – welches gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren weiter aufzuklären wäre – dass L. nicht einmal die Möglichkeit in Betracht gezogen habe, Beiträge für S. zu schulden, mithin nicht mit bedingtem Vorsatz gehandelt haben soll.

 

Für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen (§ 24 Abs. 1 S. 1 SGB IV). Für Beiträge aufgrund einer Betriebsprüfung gilt dies nach § 24 Abs. 2 SGB IV nicht, soweit der Arbeitgeber unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Dies ist indes, wie ausgeführt, hier gerade nicht der Fall.

 

Die Beitragsforderung ist auch nicht verjährt. Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge, die nicht vorsätzlich vorenthalten worden sind, in einem Zeitraum von vier Jahren. Nach Satz 2 dieser Vorschrift verjähren dagegen vorsätzlich vorenthaltene Beiträge erst in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Diese 30jährige Frist ist hier augenscheinlich nicht verstrichen; der erforderliche Vorsatz lag vor. Hierfür sind das Bewusstsein und der Wille erforderlich, die Abführung der fälligen Beiträge zu unterlassen, wobei es für die Geltung der 30jährigen Verjährungsfrist ausreicht, wenn der Schuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten hat, er also seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat (vgl. BSG, Urteile vom 26. Januar 2005 - B 12 KR 3/04 R - juris Rn. 32; Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R – juris Rn. 64). So lag es nach vorläufiger Prüfung hier, wie zuvor ausgeführt worden ist. Auch die Säumniszuschläge sind hiernach nicht verjährt, weil für diese ebenfalls die dreißigjährige Verjährungsfrist eingreift (vgl. Segebrecht in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 25 Rn. 62).

 

Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die sofortige Vollziehung des Beitragsbescheides für die Antragstellerin eine unbillige Härte bedeuten würde, bestehen nicht. Allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung für sie verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen – erstinstanzlich ist für die Antragstellerin eine mögliche existenzvernichtende finanzielle Belastung geltend gemacht worden – führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Folge der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind. Darüber hinausgehende, nicht oder nur schwer wiedergutzumachende Nachteile sind nicht erkennbar. Solche liegen entsprechend der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Juli 2018 – L 9 BA 29/18 B ER – juris Rn. 5 m.w.N.; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 27. Oktober 2020 – L 7 BA 15/19 B ER – juris Rn. 73 m.w.N.) erst vor, wenn dem Adressaten des Beitragsbescheides voraussichtlich Nachteile entstehen werden, die über die eigentliche Zahlung hinaus zu einem nicht wiedergutzumachenden Schaden führen würden. Eine unbillige Härte in diesem Sinne kommt im Falle von Beitragsschulden mithin regelmäßig nur dann in Betracht, wenn glaubhaft gemacht ist, dass das Beitreiben der Forderung die Insolvenz bzw. die Zerschlagung des Geschäftsbetriebes zur Folge hätte, die Durchsetzbarkeit der Forderung aber bei einem Abwarten der Hauptsache zumindest nicht mehr gefährdet wäre als bereits jetzt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom – L 8 BA 152/18 B ER – juris Rn. 21). Hierfür sind keine Umstände vorgetragen geschweige denn glaubhaft gemacht worden. Darüber hinaus steht es Beitragsschuldnern, wie der Antragstellerin, frei, sich wegen allgemein mit einem Forderungseinzug verbundener wirtschaftlichen Härten mit einem Stundungsantrag an die insofern zuständige Einzugsstelle zu wenden (§ 28h Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 76 Abs. 3 SGB IV).

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

 

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 47, 52, 53 Abs. 2 Nr. 4, 63 Gerichtskostengesetz (GKG). Das für die Festsetzung des Streitwerts maßgebliche wirtschaftliche Interesse entspricht in Betriebsprüfungsverfahren gemäß §§ 28p ff. SGB IV in der Regel der Höhe der zu erwartenden Beitragsnachforderung. Wegen des identischen wirtschaftlichen Interesses ist der Streitwert daher regelmäßig in Höhe eines Bruchteils der Beitragsforderung selbst anzusetzen. Im Übrigen setzt der Senat in Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens in Fällen des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 86b Abs. 1 SGG, bei welchen die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren zu prüfen sind, den Streitwert regelmäßig – so auch hier – mit der Hälfte des Hauptsachenstreitwerts an, vorliegend mithin mit der Hälfte des Nachforderungsbetrages (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 15. Januar 2021 – L 28 BA 68/20 B ER – juris Rn. 16 m.w.N. und vom 9. Juli 2018 – L 9 BA 29/18 B ER – juris Rn. 6).

 

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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