L 26 KR 77/20

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
26.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 122 KR 3704/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 26 KR 77/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Behandlungspflegerische Leistungen, die von Pflegekräf-ten erbracht werden, die zwar eine entsprechende Berufs-ausbildung abgeschlossen haben, aber (noch) nicht über die nach z.B. dem Altenpflegegesetz oder dem Kranken-pflegegesetz erforderliche Erlaubnis zum Führen der je-weiligen Berufsbezeichnung verfügen, ziehen keinen Vergütungsanspruch nach sich. Bereits vergütete Leis-tungen können im Wege des öffentlich-rechtlichen Erstat-tungsanspruchs zurückgefordert werden. Gleiches gilt im Falle eines durch das Abzeichnen „im Auftrag“ begründe-ten Dokumentationsfehlers

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. November 2019 wird zurückgewiesen.

 

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 

 

Die Klägerin, eine auf die Versorgung von intensivpflegebedürftigen und beatmungspflichtigen Patienten in der eigenen häuslichen Umgebung spezialisierte, bundesweit tätige Gesellschaft macht noch eine Forderung in Höhe von 42.097,84 € für im Januar 2015 erbrachte Leistungen der Behandlungspflege gegenüber der beklagten Krankenkasse geltend, gegen die diese mit Rückforderungsansprüchen aufgerechnet hat.

 

Mit Wirkung zum 1. August 2009 schlossen die Klägerin und die Beklagte einen Vertrag über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, häuslicher Pflege und Haushaltshilfe nach §§ 132, 132a Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V). In diesem, nachfolgend als Versorgungsvertrag bezeichneten Vertrag heißt es unter anderem:

 

„§ 1 Gegenstand des Vertrages

Dieser Vertrag regelt die Einzelheiten der Versorgung mit Leistungen für

a) häusliche Krankenpflege (Behandlungspflege, Grundpflege, hauswirtschaftliche Versorgung) gemäß § 37 Abs. 1 SGB V,

b) häusliche Krankenpflege (Behandlungspflege) gemäß § 37 Abs. 2 SGB V,

...

 

§ 9 Inhalt der häuslichen Krankenpflege

(1) Zur Vermeidung oder zur Verkürzung der Krankenhausbehandlung oder wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, umfasst die häusliche Krankenpflege die im Einzelfall notwendige Behandlungs- und Grundpflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung.

(4)

Alle Leistungen der häuslichen Krankenpflege beinhalten die Wahrnehmung und Beobachtung, die Kommunikation, die Pflegeplanung und Pflegedokumentation, die jeweilige Vor- und Nachbereitung der Pflege sowie die erforderliche Information der am Pflegeprozess Beteiligten.

 

§ 10 Behandlungspflege

Behandlungspflegerische Leistungen des Pflegedienstes umfassen die Maßnahmen der ärztlichen Behandlung, die auf der Grundlage einer medizinischen Indikation im Rahmen eines individuellen Behandlungsplanes aufgrund einer ärztlichen Verordnung an Pflegedienste delegiert werden. Leistungen der Behandlungspflege müssen von Pflegefachkräften gemäß § 22 ausgeführt werden.

 

§ 16 Vertragsverstöße

(1) Besteht der Verdacht eines Verstoßes gegen Pflichten aus diesem Vertrag, ist eine schriftliche Stellungnahme des Vertragspartners einzuholen. Der andere Vertragspartner hat diese Verstöße schriftlich zu benennen.

(3) Lässt sich der Verdacht auf einen Vertragsverstoß nicht ausräumen, entscheidet der andere Vertragspartner über geeignete Maßnahmen. Diese sind insbesondere die Verwarnung, Abmahnung oder die Verhängung einer Vertragsstrafe in Geld. Bei den in Absatz 4 genannten Vertragsverstößen bedarf es nach der Stellungnahme vor einer Kündigung keiner Abmahnung. Eine Vertragsstrafe kann in angemessener Höhe verhängt werden. Weitergehende Ansprüche der Vertragspartner bleiben davon unberührt.

7) Wurden Leistungen vorsätzlich entgegen geltendem Recht bzw. diesem Vertrag erbracht oder Leistungen ohne entsprechende Gegenleistung mit der K abgerechnet, hat der Pflegedienst unabhängig von einer eventuellen Kündigung den entstandenen Schaden zu ersetzen.

 

§ 19 Fachliche Anforderungen

(1) Der Pflegedienst bzw. der Träger des Pflegedienstes stellt sicher, dass die von ihm angebotenen Leistungen der häuslichen Krankenpflege unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft nach § 20 erbracht werden.

(2) Er gewährleistet, dass die Leistungen der häuslichen Krankenpflege nur von dazu fachlich qualifiziertem Personal erbracht werden. Dieses Personal muss während der für den Pflegedienst geleisteten Arbeitszeit fachlich und disziplinarisch vollständig in die Organisation des Pflegedienstes eingebunden sein.

(5) Der Pflegedienst ist auf Anforderung verpflichtet, der K seine Mitarbeiter (Anzahl, Qualifikation und Arbeitszeit) zu melden….

 

§ 20

Verantwortliche Pflegefachkraft

Die fachlichen Voraussetzungen als verantwortliche Pflegefachkraft erfüllen Personen, die

a) die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ oder „Gesundheits- und Krankenpfleger“, „Krankenschwester“ oder „Krankenpfleger“, „Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin“ oder „Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger“, „Kinderkrankenschwester“ oder „Kinderkrankenpfleger“, „Altenpflegerin“ oder „Altenpfleger“ entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen bzw. einer landesrechtlichen Regelung in der jeweils gültigen Fassung besitzen und

b) und innerhalb der letzten acht Jahre mindestens drei Jahre eine praktische, hauptberufliche (Vollzeit) Tätigkeit nach erteilter Erlaubnis in einem der unter a) genannten Berufe in einem Krankenhaus oder einer Pflegeeinrichtung nachweisen, wobei mindestens zwei Jahre auf eine hauptberufliche (Vollzeit) Tätigkeit im ambulanten pflegerischen Bereich entfallen müssen und …

...

 

§ 22 Pflegefachkräfte

(1) Der Pflegedienst hat neben einer verantwortlichen Pflegefachkraft und ihrer Vertretung ständig mindestens zwei weitere Pflegefachkräfte, welche die Erlaubnis zur Führung einer der Berufsbezeichnungen gemäß § 20 a) besitzen, zu beschäftigen.

(2) Bei Verhinderung der Pflegefachkräfte nach Abs. 1 ist entsprechendes Vertretungspersonal einzusetzen.

 

§ 27 Leistungsnachweis

(1) Der Pflegedienst hat die nach diesem Vertrag erbrachten Leistungen in einem Leistungsnachweis aufzuzeigen.

(2) Alle vom Pflegedienst durchgeführten Leistungen sind im Leistungsnachweis bei jedem Hausbesuch von der jeweiligen Pflegefachkraft / Pflegekraft durch Handzeichen entsprechend der in der Einrichtung hinterlegten Kürzelliste einzutragen und durch den Versicherten/Bevollmächtigten bzw. bestellten Betreuer am Ende des Monats und / oder der Leistungserbringung unterschriftlich zu bestätigen sowie durch den Pflegedienst gegenzuzeichnen.

(3) Der vollständig ausgefüllte Leistungsnachweis stellt die Grundlage für die Abrechnung dar.

 

§ 33 Verfahren zur Durchführung von Qualitätsprüfungen

(1) Wird von der K die Notwendigkeit einer Qualitätsprüfung als gegeben angesehen, ist sie berechtigt, die Qualität der Leistungserbringung der häuslichen Krankenpflege durch den MDK oder einen durch die K benannten unabhängigen Sachverständigen überprüfen zu lassen.

(2) Grundlage der Prüfung sind insbesondere ...

- die Qualifikationsnachweise des Pflegepersonals,

 

§ 40 Vergütung

(1) Die Vergütung der erbrachten Leistungen richtet sich nach der mit der K abgeschlossenen Vergütungsvereinbarung (Anlage 2).

...

 

§ 42 Beanstandung, Verjährung

(1) Beanstandungen müssen von der K innerhalb von 12 Monaten nach Rechnungseingang erhoben werden. Bei Vorliegen von Vertragsverstößen gemäß § 16 gilt diese Frist nicht.

...“

 

Mit Wirkung ab 1. Oktober 2010 schlossen die Beteiligten eine Vergütungsvereinbarung (vgl. § 40 Abs. 1 des Versorgungsvertrages), wonach für Leistungsgruppen 2 bis 5 die im Versorgungsvertrag definierten Pflegefachkräfte einzusetzen waren.

 

Die Klägerin setzte für Behandlungsfälle seit September 2012 der Leistungsgruppe 2 und höher als Pflegefachkräfte neben anderen auch acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein, die nach erfolgreichem Durchlaufen der erforderlichen Ausbildung noch nicht über die Erlaubnis zum Tragen der jeweiligen Berufsbezeichnung verfügten. Die jeweiligen Qualifikationsurkunden (Urkunden als Altenpfleger/in bzw. Gesundheits- und Krankenpflegerin) wurden diesen wie folgt erteilt: Frau S ab 2. Oktober 2012, Frau M ab 10. September 2012, Frau R ab 19. September 2012, Frau K ab 17. Dezember 2012, Herrn T ab 2. April 2013, Frau M ab 1. Oktober 2012 und Frau P ab 5. Oktober 2012.

 

Nachdem die Beklagte von der Klägerin für die Prüfung der vertragskonformen Leistungserbringung in der Behandlungspflege eine aktuelle Mitarbeiterübersicht nebst Qualifikationsurkunden angefordert hatte (Schreiben vom 14. August 2013), zeigte sie dieser unter dem 12. September 2013 Beanstandungen der Abrechnungen von Leistungen der häuslichen Krankenpflege für den Zeitraum von September 2012 bis August 2013 an. Nach Aufforderung zur Stellungnahme zur beabsichtigten Rückforderung zu Unrecht gezahlter Vergütung in Bezug auf Abrechnungen für die Zeit vom 1. September 2012 bis 30. April 2013 in einer Gesamthöhe von 42.643,56 € (Schreiben vom 7. Mai 2014), schriftlicher Erläuterung zur Berechnung der Rückforderungsbeträge (Schreiben vom 16. Mai 2014) und einem mit Vertretern der Klägerin geführten Gespräch in den Räumen der Beklagten am 8. Juli 2014 nahm die Klägerin am 28. Juli 2014 und ergänzend am 6. Oktober 2014 schriftlich zur beabsichtigten Rückforderung Stellung.

 

Mit Schreiben vom 3. November 2014 machte die Beklagte gegenüber der Klägerin einen Rückforderungsanspruch in Höhe von insgesamt 42.643,56 € geltend. Ein ambulanter Pflegedienst habe keinen vertraglichen Vergütungsanspruch, wenn die Behandlungspflege nicht durch geeignetes Personal durchgeführt werde, auch wenn die Leistungen ordnungsgemäß erbracht würden. Zwar könnten mit dem Abschluss der neuen Vergütungsvereinbarung ab dem 1. Oktober 2010 behandlungspflegerische Leistungen der Leistungsgruppe 1 an geeignete Pflegekräfte nach Anlage 1 der Vereinbarung delegiert werden; dies gelte aber nicht für die Leistungsgruppen 2 bis 5, für die weiterhin die im Vertrag definierten Pflegefachkräfte einzusetzen seien. Wegen der insofern durch nicht qualifizierte Pflegekräfte behandelten Patienten (betreffend die Versicherten  M,  N,  K und  S) werde auf die beigefügte Anlage verwiesen. Daraus errechne sich ein Rückforderungsanspruch in Höhe von 38.404,45 €. Die Verhängung einer darüber hinausgehenden Vertragsstrafe erfolge derzeit nicht. Die Kürzung der Leistungssätze zu 100 Prozent beruhe darauf, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zwar grundpflegerische Leistungen sowie hauswirtschaftliche Versorgung abzuziehen seien, behandlungspflegerische Maßnahmen aber auch während der Grundpflege erbracht werden müssten und dem danach errechneten Tageshöchstbetrag für Leistungen der Intensivpflege eine vierundzwanzigstündige Betreuung gegenüberzustellen sei. Bei zwei weiteren Patienten (die Versicherten  L und  L) seien Leistungen durch einen Mitarbeiter im Auftrag „i. A“ unterschrieben worden, was ebenfalls nach dem Versorgungsvertrag unzulässig und als Dokumentationsfehler zu bewerten sei, weil die Erbringung der Leistungen der Behandlungspflege nicht nachgewiesen sei. Der vollständig ausgefüllte Leistungsnachweis stelle die Grundlage für die Abrechnung dar. Dies betreffe einen Rückforderungsbetrag von 3.693,39 €. Zugleich kündigte die Beklagte für den Fall des Bestreitens der Forderung die Aufrechnung mit einem Vergütungsanspruch aus der Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege an (Schreiben vom 2. Dezember 2014). Die Klägerin hielt die Rückforderung für unberechtigt (Schreiben vom 10. Dezember 2014 und 13. Februar 2015). Eine mangelhafte Leistungserbringung läge nicht in dem die Rückforderung berechtigenden Umfang vor. Es handle sich um einen lediglich formellen Mangel, da die Mitarbeiter über die fachliche Eignung verfügt hätten.

 

Mit Schreiben vom 2. März 2015 sowie zwei Schreiben vom 9. März 2015 über Beträge in Höhe von 5.849,32 € und 36.794,24 € erklärte die Beklagte die Aufrechnung mit sich aus den Rechnungen der Klägerin vom 19. und 26. Februar 2015 ergebenden Forderungsbeträgen und insofern die im Januar 2015 für die Versicherten  erbrachten Leistungen. Die von der Klägerin geforderte vollständige Auszahlung ihrer Vergütungsansprüche (Schreiben vom 12. Juni 2015) lehnte die Beklagte ab (Schreiben vom 17. Juni 2015).

 

Mit ihrer am 5. Oktober 2015 vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin begehrt, die für die Patienten ,  im Januar 2015 erbrachte häusliche Krankenpflege in vollständiger Höhe zu vergüten. Sämtliche Patienten seien im Rahmen einer 24stündigen Intensivpflege versorgt, die Leistungen von der Beklagten genehmigt und ordnungsgemäß abgerechnet worden. Die Klägerin habe den Anspruch der Versicherten auf 24stündige häusliche Krankenpflege als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht. Es handle sich hierbei um eine Sachleistung, so dass die von der Beklagten vorgenommene Aufrechnung rechtswidrig sei. Gleichwohl seien die für die genannten Patienten im Monat Januar 2015 erbrachten Leistungen um insgesamt 42.643,56 € gekürzt worden. Die Aufrechnungserklärung sei nicht hinreichend bestimmt, und eine Kürzung zu 100 Prozent stelle eine unangemessene Vertragsstrafe dar. Tatsächliche Qualitätsmängel in der Pflege seien nicht feststellbar gewesen.

 

Nach angenommenen Anerkenntnissen wegen Beträgen in Höhe von 146,88 €, 272,82 € und 126,02 € hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 26. November 2019 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die zulässige, isolierte Leistungsklage sei unbegründet. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, die Vergütung für Leistungen der Behandlungspflege für die Zeit von Februar 2012 bis April 2012 aufgrund fehlerhafter Dokumentation (Abzeichnung mit „i.A.“) in Höhe von 3.693,39 € und für die Zeit von September 2012 bis April 2013 aufgrund vertragswidrigen Einsatzes von Pflegekräften vor Aushändigung der Urkunde in Höhe von 38.404,45 € zurückzufordern und mit diesen Forderungen gegen Leistungsansprüche der Klägerin aus dem Monat Januar 2015 rechtswirksam aufzurechnen, so dass diese als erloschen gälten. Die Beklagte habe gegen kein Aufrechnungsverbot verstoßen, sie habe nicht gegen Sachleistungsansprüche aufgerechnet, sondern gegen den Vergütungsanspruch des Leistungserbringers. Die Aufrechnungserklärung, an die das Gesetz keine besonderen Anforderungen hinsichtlich Form und Inhalt stelle, sei wirksam, insbesondere nach den konkreten Umständen hinreichend bestimmt, zumal die Zusammensetzung der Forderung zuvor konkret mitgeteilt worden sei. Die Beklagte könne sich für die Rückforderung auf einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch stützen. Die Klägerin sei in Höhe von 42.097,84 € ungerechtfertigt bereichert gewesen. Sie habe eine Vergütung für Leistungen erhalten, die auf einer Nichteinhaltung der Vereinbarung aus dem Versorgungsvertrag nach § 132a SGB V beruhte, gegen den die Klägerin verstoßen habe. Soweit sie Leistungen im Zeitraum von Februar 2012 bis April 2012 mit „i. A.“ abgezeichnet habe, fehle es an vollständig ausgefüllten Leistungsnachweisen im Sinne von § 27 Abs. 3 des Versorgungsvertrages. Hierdurch bedingt habe die Klägerin Leistungen in Höhe von 3.693,39 € ohne Rechtsgrund erhalten. Sie habe hinsichtlich der von Pflegekräften erbrachten Leistungen, die ihre Ausbildung zwar abgeschlossen, aber noch keine Urkunde erhalten hatten, ebenfalls keinen Vergütungsanspruch erlangt. Hierdurch sei es zu einer Überzahlung in Höhe von 38.404,45 € gekommen. Es sei eine formale Betrachtungsweise angezeigt, auf das Vorliegen einer Schlechtleistung komme es zum Schutz der Versicherten nicht an. Bei einer solchen vom Vertrag abweichenden Leistung handle es sich um ein Aliud, das zu keiner Gegenleistung berechtige. Die erforderliche Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung sei nicht mit Abschluss der letzten Prüfung eingetreten, sondern erfolge mit der Aushändigung der Urkunde. Maßgeblich hierfür sei neben der fachlichen Qualifikation auch die gesundheitliche Eignung und die Zuverlässigkeit der Person, die in der Regel durch Vorlage eines Führungszeugnisses vor Aushändigung der Urkunde geprüft werde. Bei den in § 20 a) des Vertrages genannten Berufsbezeichnungen handle es sich um geschützte Berufsbezeichnungen, so dass die Anknüpfung hieran nicht willkürlich und im Rahmen der Qualitätskontrolle praktikabel sei. Anders als die Klägerin geltend mache, handle es sich insofern nicht um eine Vertragsstrafe.

 

Mit ihrer Berufung vom 31. Januar 2020 verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und macht geltend, alle von ihr eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten über die entsprechende Ausbildung verfügt, seien polizeilich nicht in Erscheinung getreten und gesundheitlich in der Lage gewesen, die Tätigkeiten auszuführen. Die dem Rückforderungsanspruch zugrunde liegenden Pflegeleistungen seien beanstandungsfrei und fachgerecht erbracht worden. Die Klägerin habe danach keine minderqualifizierten Pflegekräfte in den Versorgungen eingesetzt. Auch die Unterzeichnung im Auftrag sowie das nachträgliche Überreichen der Dokumentation begründeten keinen Verstoß im eigentlichen Sinn, die eine Kürzung rechtfertigen würde. Eine Vertragsstrafe in Höhe einer vollständigen Leistungskürzung sei unangemessen; es hätte zumindest eine Abstufung erfolgen müssen. Bei den Pflegeverträgen mit den Patienten handle es sich um Einzelvertragsverhältnisse, für die Einzelfallgenehmigungen und Einzelfallfreigaben erfolgt seien mit der Folge, das individuelle Rechtsbeziehungen entstanden seien. Es gebe keine Rechtsgrundlage dafür, dass die Beklagte wegen der aus den Leistungsverhältnissen mit den Patienten resultierenden Vergütungen mit anderen Verbindlichkeiten aufrechne. Aus der Unpfändbarkeit des Sachleistungsanspruchs folge für die Beklagte ein Aufrechnungsverbot. Die Aufrechnungserklärung sei nicht hinreichend bestimmt.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. November 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 42.097,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. Juni 2015 zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie macht geltend, ein Anspruch auf Vergütung der nicht entsprechend des Versorgungsvertrages erbrachten Leistungen durch Personal ohne die erforderliche Qualifikation bestehe nicht. Hiermit solle eine hohe Qualität der Leistung garantiert werden. Bei der Erlaubnis zum Führen der im Versorgungsvertrag genannten Berufsbezeichnungen handle es sich nicht um eine rein formelle Regelung, weil neben dem erfolgreichen Abschluss der jeweiligen Ausbildung und Prüfung weitere Voraussetzungen erfüllt werden müssten. Bereits die Voraussetzungen für eine Leistungsabrechnung hätten danach nicht vorgelegen. Dies gelte auch für das Abzeichnen des Leistungsnachweises als „i.A.“. Aufgrund dessen könne nicht mehr nachverfolgt werden, ob die Leistung tatsächlich von einer Pflegefachkraft erbracht worden sei. Bei der Intensivpflege fielen Grundpflege bzw. hauswirtschaftliche Versorgung mit der häuslichen Krankenpflege zusammen, da daneben stets die Krankenbeobachtung anfiele, so dass die nach diesem Vertrag erforderlichen Voraussetzungen stets vorzuliegen hätten. Die Aufrechnung sei insgesamt eindeutig und wirksam erklärt worden.

 

Die Beteiligten haben sich mit einer schriftlichen Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren vorbereitende Schrift-sätze nebst Anlagen, den Inhalt der Gerichtsakten und den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

Die zulässige Berufung der Klägerin (vgl. § 143 ff. Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffenden Gründen abgewiesen.

 

Der mit der statthaften (echten) allgemeinen Leistungsklage (vgl. § 54 Abs. 5 SGG) verfolgte Anspruch der Klägerin auf vollumfängliche Vergütung der in Rechnung gestellten Leistungen der Behandlungspflege im Januar 2015  – zwischen den Beteiligten besteht insoweit ein Gleichordnungsverhältnis, und die beklagte Krankenkasse hat die Zahlung der streitigen Beträge nicht mittels Verwaltungsakts abgelehnt (vgl. BSG, Urteile vom 29. Juni 2017 – B 3 KR 16/16 R – juris Rn. 14 ff., 17 und vom 20. April 2016 – B 3 KR 23/15 R – juris Rn. 14; Sächsisches LSG, Urteil vom 18. Dezember 2009 – L 1 KR 89/06 – juris Rn. 31) – besteht nicht. Der Vergütungsanspruch in Höhe des noch streitigen Betrages von 42.097,84 € ist aufgrund der von der Beklagten mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch rechtmäßig erklärten Aufrechnung erloschen.

 

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben dem Urteil des Sozialgerichts der von der Klägerin nach teilweiser Erledigung der Hauptsache (in geringfügiger Höhe) durch angenommenes Anerkenntnis (vgl. § 101 Abs. 2 SGG) geltend gemachte Vergütungsanspruch für in der Zeit vom 1. bis 31. Januar 2015 erbrachte Leistungen der Behandlungspflege, der von der Beklagten weder dem Grunde noch der Höhe nach bestritten wird. Die Beklagte war indes berechtigt, die bereits durch sie erfolgte Vergütung für Leistungen der Behandlungspflege in der Zeit vom 1. Februar 2012 bis 30. April 2013 in der noch gegenständlichen Höhe von der Klägerin zurückzufordern (1.) und mit dieser Forderung gegen die aufgrund der Rechnungen vom 19. und 26. Februar 2015 geltend gemachten Zahlungsansprüche teilweise aufzurechnen (2.). 

 

1. Rechtsgrundlage für die Rückforderung der Beklagten ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch. Dieses aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Rechtsinstitut setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses (a) Leistungen ohne rechtlichen Grund (b) erbracht worden sind (vgl. BSG, Urteile vom 20. April 2016 – B 3 KR 23/15 R – a.a.O. Rn. 15 m.w.N. und vom 1. August 1991 – 6 RKa 9/89 – juris Rn. 17).

 

So liegt es hier. Die Beklagte hatte die von der Klägerin in der Zeit vom 1. Februar 2012 bis 30. April 2013 erbrachten und in Rechnung gestellten Leistungen der Behandlungspflege vergütet, obwohl kein hierauf bezogener vertraglicher Vergütungs- oder Wertersatzanspruch bestand.

 

a) Ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis ist vorliegend zwischen den Beteiligten gegeben, da § 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 15. Dezember 2008; BGBl. I S. 2426 – a.F.) die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern als öffentlich-rechtlich definiert, welches auch für die rechtliche Einordnung eines – wie hier – auf der Grundlage von § 132a Abs. 2 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 23. Juni 1997 (BGBl. I S. 1520 – a.F.) geschlossenen Versorgungsvertrages zwischen einer Krankenkasse und einem Pflegeunternehmen gilt (vgl. BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 KR 2/03 R – juris Rn. 13; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Dezember 2016 – L 9 KR 9/14 – juris Rn. 53).

 

Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs gelten nach ständiger Rechtsprechung ähnliche Grundsätze wie nach den Maßstäben der ungerechtfertigten Bereicherung im bürgerlichen Recht (vgl. §§ 812 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB]), dem der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch zumindest insoweit vergleichbar ist, als beide Ansprüche als Ausdruck eines althergebrachten Rechtsgrundsatzes dem Ausgleich einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung dienen. Nach welchen Maßstäben eine Bereicherung ungerechtfertigt ist, ist auch im Zivilrecht nicht ausdrücklich geregelt. Es lässt sich deshalb keine einheitliche Formel für das Vorliegen oder Fehlen eines die Vermögensverschiebung rechtfertigenden Grundes aufstellen. Allgemein anerkannt ist, dass Leistungen zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit, die in Wirklichkeit nicht besteht, grundsätzlich auf der Grundlage des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs zurückgefordert werden können (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 – B 3 KR 21/03 R – juris Rn. 16; LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O. Rn. 54 m.w.N.). Dies ist hier der Fall.

 

b) In Bezug auf die von der Klägerin in der Zeit von Februar 2012 bis April 2013 erbrachten Leistungen der Behandlungspflege fehlte es – soweit hier gegenständlich – an einem Vergütungsanspruch, weil die Leistungen unter Verletzung wesentlicher vertraglicher Vereinbarungen, nämlich dem zum 1. August 2009 zwischen den Beteiligten geschlossenen Versorgungsvertrag erbracht wurden. Die Klägerin hatte, welches sie selbst nicht bestreitet, für die Behandlungspflege der von der Beklagten bezeichneten Versicherten einerseits für begrenzte, ebenfalls näher bezeichnete Zeiträume acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Pflegefachkräfte eingesetzt, die (noch) nicht über die Erlaubnis zum Führen einer der im Versorgungsvertrag als erforderlich genannten Heilberufsbezeichnungen verfügten (aa) und andererseits Vergütungsansprüche auf Leistungsnachweise gestützt, die wegen im einzelnen genannter weiterer Versicherter und Zeiträume nicht mit dem bei der Klägerin hinterlegten Kürzel der/s jeweiligen Mitarbeiterin/s unterzeichnet worden waren, sondern mit der allgemeinen Abkürzung für im Auftrag „i. A.“ (bb).

 

aa) Der Gegenstand des Versorgungsvertrages gemäß § 1 – Behandlungspflege – war vorliegend betroffen. Nach § 10 Satz 2 des Versorgungsvertrages sind Leistungen der Behandlungspflege von Pflegefachkräften gemäß § 22 auszuführen, die, wie sich aus § 20 a) des Versorgungsvertrages ergibt, über die Erlaubnis zum Führen einer der dort genannten – im deutschen Gesundheitswesen reglementierten – Berufsbezeichnungen verfügen. Wie vom Sozialgericht zu Recht ausgeführt worden ist, wird die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung nicht unmittelbar mit dem Abschluss der jeweiligen Ausbildung der hier betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erteilt, sondern findet erst mit der Übergabe der jeweiligen Urkunde statt. Über diese Qualifikation verfügten die genannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bis zur Erteilung der jeweiligen Urkunde im gegenständlichen Zeitraum noch nicht, welches die Klägerin selbst nicht in Abrede stellt.

 

Ausweislich § 9 Abs. 1 des Versorgungsvertrages umfasst die häusliche Krankenpflege die im Einzelfall notwendige Behandlungspflege (§ 10 des Versorgungsvertrages), Grundpflege (§ 11 des Versorgungsvertrages) sowie hauswirtschaftliche Versorgung (§ 12 des Versorgungsvertrages). Sämtliche dieser Leistungen sind unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft nach § 20 zu erbringen (§ 19 Abs. 1 des Versorgungsvertrages), die als verantwortliche Pflegefachkraft, wie auch die stellvertretende verantwortliche Pflegefachkraft über die Befugnis zum Führen einer der in § 20 a) des Versorgungsvertrages aufgeführten Berufsbezeichnungen verfügt. Der Vertragswortlaut ist insofern eindeutig. Indes gebieten auch Sinn und Zweck dieser vertraglichen Regelung angesichts der häufig lebenserhaltenden Bedeutung erforderlicher pflegerischer Maßnahmen und gegebenenfalls drohender gesundheitlicher Gefahren im Rahmen der professionellen Pflege des Leistungserbringerrechts (vgl. § 132a SGB V), dass Leistungen der Behandlungspflege ausschließlich durch Fachkräfte und nicht allgemein durch geeignete Pflegekräfte erbracht werden, wie es im Rahmen des Leistungsrechts durch selbstbeschaffte Kräfte (vgl. § 37 Abs. 3 und 4 SGB V) möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 21. November 2002 – B 3 KR 14/02 R – juris Rn. 18).

 

In der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung besteht insofern Einigkeit, dass die rechtliche Befugnis der Beklagten, bestimmte einheitliche Qualitätsstandards – hier der eingesetzten Pflegefachkräfte – zu verlangen, auf der gesetzlichen Verpflichtung der Krankenkassen beruht, eine ausreichende und zweckmäßige Versorgung der Versicherten nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse in der fachlich gebotenen Qualität sicherzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 4. Mai 1994 – 6 RKa 40/93 – juris Rn. 15 zur ärztlichen Betreuung und Überwachung des Dialysebetriebs; Sächsisches LSG, Urteil vom 23. Oktober 2018 – L 9 KR 105/15 – juris Rn. 50). Nach § 132a Abs. 1 Satz 1 SGB V a.F. sollen der Spitzenverband der Krankenkassen gemeinsam und einheitlich und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene unter Berücksichtigung der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V gemeinsam Rahmenempfehlungen über die einheitliche Versorgung mit häuslicher Krankenpflege abgeben. Dabei sind nach § 132a Abs. 1 Satz 4 SGB V a.F. u.a. zu regeln: Inhalte der häuslichen Krankenpflege einschließlich deren Abgrenzung (Nr. 1), Eignung der Leistungserbringer (Nr. 2), Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Fortbildung (Nr. 3) sowie Grundsätze der Vergütungen und ihrer Strukturen (Nr. 6). Über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, über die Preise und deren Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung schließen – wie hier zum 1. August 2009 geschehen – die Krankenkassen Vereinbarungen mit den Leistungserbringern (§ 132a Abs. 2 Satz 1 SGB V a.F.). Solange es, wie es für die gegenständliche Zeit der Fall war – keine Rahmenempfehlungen auf Bundesebene gibt, können die Versorgungsverträge hinsichtlich der Eignung und Qualifikation der Leistungserbringer Voraussetzungen zur Qualitätssicherung und Ausfüllung des Begriffs der Eignung (vgl. § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB V) für die Beteiligten verbindlich zu regeln (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 22. Juni 2016 – L 1 KR 39/15 – juris Rn. 43 [die hiergegen erhobene NZB hatte keinen Erfolg: BSG, Beschluss vom 17. Januar 2018 – B 3 KR 43/17 – juris]; Sächsisches LSG, Urteil vom 28. August 2019 – L 1 KR 93/16 – mit Schriftsatz der Beklagten vom 1. April 2020 übersandt u.w.N.). Insofern handelt es sich bei vertraglichen Festschreibungen dieser Art um Regelungen mit einer der Qualitätssicherung dienenden Steuerungsfunktion (vgl. BSG, Urteil vom 21. November 2002 – B 3 KR 14/02 – a.a.O. Leitsatz), indem diese Regelungen die Qualität der Leistungserbringung gewährleisten und darüber hinaus deren Überprüfung erleichtern sollen, insbesondere, ob die Qualifikation der Pflegefachkräfte nach den allgemeinen Regeln des Berufsrechts vorhanden ist (vgl. auch Sächsisches LSG, Urteil vom 28. August 2019 – L 1 KR 93/16 – a.a.O.).

 

Diesen Vorgaben des Versorgungsvertrages entspricht die Erbringung behandlungspflegerischer Leistungen seitens der Klägerin durch Personen, die, wie ausgeführt, nicht über die Erlaubnis einer der in § 20 a) des Versorgungsvertrages genannten Berufsbezeichnungen verfügten, nicht. Dass diese Personen jeweils bereits die für die Erteilung der Erlaubnis u.a. erforderliche Ausbildung erfolgreich absolviert hatten, kann dahinstehen, da dies mit der Erlaubniserteilung, die von weiteren Umständen abhängt, nicht gleichzusetzen ist. Wie sich etwa aus § 2 Abs. 1 des Altenpflegegesetzes (in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. August 2003, BGBl. I S. 1690) ergibt, ist Voraussetzungen für die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Altenpflegerin“ bzw. „Altenpfleger“ neben der fachlichen, durch die Ausbildung vermittelten Eignung auch die persönliche Zuverlässigkeit, die gesundheitliche Eignung sowie das Vorhandensein hinreichender deutscher Sprachkenntnisse. Nichts anderes folgt etwa aus § 1 Krankenpflegegesetz (KrPflG in der Fassung des Gesetzes vom 16. Juli 2003, BGBl. I S. 1442 – a.F.), wonach derjenige, der eine der dort genannten Berufsbezeichnungen wie Gesundheits- und Krankenpflegerin u.a. führen will, der Erlaubnis bedarf, deren Voraussetzungen nach § 2 KrPflG a.F. neben der erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung die Zuverlässigkeit, gesundheitliche Eignung und das Erfordernis gewisser Deutschkenntnisse sind. Insofern sind die Krankenkassen weder befugt noch in der Lage, die berufsrechtliche Qualifikation der von der Klägerin eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbständig zu prüfen bzw. durch eine eigene berufsrechtliche Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 13. Dezember 2016 – B 1 KR 4/16 R – juris Rn. 15 zur Approbation von Psychotherapeuten als Voraussetzung für die eigenverantwortliche Krankenbehandlung Versicherter). Darüber hinaus trägt das im Versorgungsvertrag geregelte Erfordernis eines formalen Qualifikationsnachweises im Sinne der erteilten Erlaubnis zum Führen einer der genannten Berufsbezeichnungen den Anforderungen des Verwaltungsverfahrens Rechnung, im Einzelfall nicht mit fachlichen und persönlichen Eignungsprüfungen überlastet zu werden (vgl. BSG, Urteil vom 21. November 2002 – B 3 KR 14/02 R – a.a.O. Rn. 21; Sächsisches LSG, Urteile vom 23. Oktober 2018 – L 9 KR 105/15 – a.a.O. Rn. 59 und vom 13. September 2018 – L 9 KR 265/13 – juris Rn. 63).  

 

Nicht mit Erfolg kann die Klägerin geltend machen, dass den in Frage stehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern später und zu hier nicht streitigen Zeitpunkten die jeweiligen Erlaubnisse zum Führen der Berufsbezeichnungen erteilt wurden. Dieser Umstand wird zwar von der Beklagten nicht in Abrede gestellt, er heilt den Vertragsverstoß aber nicht rückwirkend. Denn die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung hat – vergleichbar einer Zulassungsentscheidung – konstitutiven Charakter und entfaltet damit Rechtswirkungen nur für die Zeit ab Aushändigung bzw. Zugang der Urkunde (vgl. BSG, Urteil vom 20. April 2016 – R 3 KR 23/15 – a.a.O. Rn. 29 zur Zulassung einer bestimmten Betriebsstätte einer Masseurin und medizinischen Bademeisterin).

 

Soweit hiernach der Vergütungsanspruch der Klägerin entfallen ist, kann sie die Vergütung der von diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern noch ohne Berechtigung zum Führen der erforderlichen Berufsbezeichnung erbrachten Leistungen auch nicht auf der Grundlage anderer rechtlicher Gesichtspunkte, etwa auf Grund entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung oder als Wertersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag (vgl. §§ 812 ff, 818 Abs. 2 BGB i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V a.F.) beanspruchen, da andernfalls die für den Qualifikationsnachweis wesentlichen vertragliche Bestimmungen (§§ 19 Abs. 2, 10 Satz 2, 22 Abs. 1, 20 a) des Versorgungsvertrages ausgehöhlt würden. Einem Leistungserbringer steht vielmehr für Leistungen, die unter Verstoß gegen derartige Vorschriften bewirkt werden, auch dann keine Vergütung zu, wenn diese Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht worden und für den Versicherten geeignet und nützlich sind (vgl. BSG, Urteile vom 4. Mai 1994 – 6 RKa 40/93 – a.a.O. Rn. 18; vom 17. März 2005 – B 3 KR 2/05 R – juris Rn. 32). So liegt es auch hier. Die genannten Regelungen des Versorgungsvertrages könnten ihre Steuerungsaufgabe nicht erfüllen, wenn der Klägerin als Leistungserbringerin die vertragswidrig bewirkten Leistungen über einen Wertersatzanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung oder einen Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag ganz oder anteilig zu vergüten wären. Hierbei kommt es nicht auf die Schwere des Verstoßes an (stRspr. vgl. BSG, Urteil vom 20. April 2016 – B 3 KR 23/15 – a.a.O. Rn. 31f. und Beschluss vom 17. Mai 2000 – B 3 KR 19/99 B – juris Rn. 5 m.w.N. sowie BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 7. Mai 2014 – 1 BvR 3571/13 u.a. – juris zum vollständigen Ausschluss des im Verhältnis zu den gesetzlichen Krankenkassen bestehenden Vergütungsanspruchs in Fällen der Außerachtlassung von Rabattverträgen bei der Arzneimittelabgabe durch Apotheken). Die Funktionsfähigkeit des Systems der Leistungserbringung würde in Frage gestellt, wenn Vorschriften nicht eingehalten werden, die die Qualität der Leistungserbringung sichern und deren Überprüfung erleichtern sollen (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2007 – B 3 KR 15/06 R – juris Rn. 17), welches nicht nur für den ärztlichen Bereich gilt, sondern auch für alle sonstigen Leistungserbringer, mithin auch die Klägerin (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 22. Juni 2017 – L 1 KR 39/15 – a.a.O. Rn. 40). Nur soweit einzelne Vorschriften eine reine Ordnungsfunktion haben, welches hier angesichts der wesentlichen Steuerungsfunktion der genannten Regelungen im Versorgungsvertrag gerade nicht der Fall ist, besteht kein Grund, dem Leistungserbringer trotz der Entlastung der Krankenkasse eine Entschädigung zu versagen (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 2008 – B 3 KR 17/07 R – juris Rn. 29; Sächsisches LSG, Urteil vom 23. Oktober 2018 – L 9 KR 105/15 – a.a.O. Rn. 58f.).

 

bb) Entsprechend dem zuvor ausgeführten Sachverhalt verhält es sich, soweit hier seitens der Klägerin behandlungspflegerische Leistungen auf der Grundlage von Leistungsnachweisen (vgl. § 27 Abs. 3 des Versorgungsvertrages) abgerechnet wurden, obgleich sie ohne das nach § 27 Abs. 2 des Versorgungsvertrages erforderliche Handzeichen der jeweiligen Pflegefachkraft, sondern im Auftrag („i. A.“) abgezeichnet worden waren. Einen solchen Verstoß gegen die Dokumentationspflicht, den die Klägerin ebenfalls in der Sache eingeräumt hat, hat die Beklagte zu Recht entsprechend der zuvor dargestellten Leistungserbringung durch nicht qualifiziertes Personal behandelt. Eine nachträgliche Korrektur der Dokumentation, wie von der Klägerin geltend gemacht, heilt diesen Verstoß nicht. Denn, wie ebenfalls zutreffend vom Sozialgericht ausgeführt worden ist, kann auch aus Gründen des Schutzes der Versicherten nur diejenige Pflegefachkraft, die die in Rede stehenden Leistungen erbracht hat, für ihre Erbringung zeichnen und nicht ein Dritter. Dies hat nach § 27 Abs. 2 des Versorgungsvertrages bei jedem Hausbesuch zu erfolgen.

 

Die geltend gemachten Rückforderungsansprüche der Beklagten sind auch nicht verjährt. Zwar müssen Beanstandungen nach § 42 Abs. 1 des Versorgungsvertrages innerhalb von 12 Monaten nach Rechnungslegung erhoben werden. Dahinstehen kann, ob diese Vereinbarung hier bereits deshalb nicht eingreift, weil insoweit schon gar kein Vergütungsanspruch der Klägerin entstanden ist, es sich mithin nicht um eine sonstige Form der Leistungsstörung oder Schlechtleistung im Sinne einer Beanstandung handelt (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Dezember 2016 – L 9 KR 9/14 – a.a.O. Rn. 62; LSG Hamburg, Urteil vom 22. Juni 2017 – L 1 KR 29/15 – a.a.O. Rn. 56). Denn diese Regelung gilt explizit nicht bei Vorliegen von Vertragsverstößen gemäß § 16 des Versorgungsvertrages mit der Folge, dass das gegebenenfalls länger als 12 Monate dauernde Verfahren nach dieser Regelung einzuleiten ist. Zwar sieht § 16 Abs. 3 des Versorgungsvertrages, wie von der Klägerin geltend gemacht, vor, dass dann, wenn sich der Verdacht auf einen Vertragsverstoß nicht ausräumen lässt, über geeignete – abgestufte – Maßnahmen wie Verwarnung, Abmahnung oder Vertragsstrafe in Geld zu entscheiden ist. Die hiermit geregelten Folgen von Vertragsverstößen schließen jedoch, wie sich aus § 16 Abs. 3 Satz 5 des Versorgungsvertrages ergibt, weitergehende Ansprüche – wie hier aus einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch – nicht aus (vgl. auch Sächsisches LSG, Urteil vom 23. Oktober 2018 – L 9 KR 105/15 – a.a.O. Rn. 62). Eine Vertragsstrafe hat die Beklagte dagegen ausdrücklich nicht verhängt. Die entsprechend geltende, allgemeine 4jährige Verjährungsfrist des § 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeine Vorschriften – (SGB I) ist nicht verstrichen.

 

2. Die Beklagte hat ihre Erstattungsansprüche rechtswirksam gegen die streitgegenständlichen Vergütungsforderungen der Klägerin aufgerechnet. Diese gelten damit als in dieser Höhe erloschen (vgl. § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V a.F. i.V.m. § 389 BGB).

 

Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB V a.F. gelten u.a. für die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu sonstigen Leistungserbringern, wie der Klägerin, die dort genannten Vorschriften. Im Übrigen gelten nach Satz 3 des Absatzes 1 die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. So liegt es hier in Bezug auf die Aufrechnungsvorschriften nach §§ 387 ff. BGB. Danach kann dann, wenn zwei Personen einander Leistungen schulden, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann (§ 387 BGB). Die Aufrechnung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil (§ 388 BGB) und bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind (§ 389 BGB). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

 

Anders als die Klägerin meint, sind hier die erforderliche Gleichartigkeit und Gegenseitigkeit der Forderungen zu bejahen. Darauf, dass die sich gegenüberstehenden Forderungen Leistungen der Behandlungspflege in Bezug auf jeweils andere Versicherte sowie andere Zeiträume betreffen, kommt es nicht an, weil es sich unabhängig davon um gleichartige und gegenseitige Zahlungsansprüche handelt, nämlich einerseits diejenigen der Klägerin auf Vergütung im Januar 2015 erbrachter Leistungen und andererseits der Beklagten aus dem vorstehend dargestellten und mit Schreiben vom 3. November 2014 geltend gemachten und damit fälligen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Sachleistungsansprüche (vgl. § 54 SGB I), zumal solche der Klägerin, stehen insofern nicht im Raum. Durch die unter dem 2. Dezember 2014 von der Beklagten angekündigte und mit Schreiben vom 2. März 2015 in Verbindung mit den Schreiben vom 9. März 2015 erfolgte Aufrechnungserklärung hat die Beklagte bewirkt, dass die Vergütungsforderungen der Klägerin aus ihren Rechnungen vom 19. und 26. Februar 2015 teilweise in der noch gegenständlichen Höhe als erloschen gelten. Der Forderung der Beklagten stand auch keine Einrede entgegen, da sie insbesondere, wie ausgeführt, nicht verjährt war (vgl. § 390 BGB).

 

Dass die Aufrechnung rechnerische Fehler aufweisen würde, ist nicht ersichtlich und wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

 

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (vgl. § 160 Abs. 2 SGG).

 

 

 

 

 

 

Rechtskraft
Aus
Saved