- Versicherte haben Anspruch auf diejenige Hörgerä-teversorgung, die nach dem jeweiligen Stand der Medizintechnik die bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder erlaubt (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 KR 20/08 – juris) - Eine Kostenerstattung des über dem Festbetrag lie-genden Kostenanteils bei einem selbst beschafften Hörgerät hängt maßgeblich von dem Zeitpunkt des unbedingten Verpflichtungsgeschäfts mit dem Leis-tungserbringer ab.
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 2. Mai 2019 aufgehoben sowie die Bescheide der Beklagten vom 29. März 2016 und 15. September 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2017 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger weitere Kosten in Höhe von 4.363 € zu erstatten.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das gesamte Verfahren mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen hat.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten der beidseitigen Versorgung mit Hörgeräten über den Festbetrag hinaus in Höhe von 4.363 €.
Der 1961 geborene, bei der Beigeladenen rentenversicherte und bei der Beklagten krankenversicherte Kläger ist seit 1993 Berufsschullehrer und Ausbilder für Landwirtschaft und Gartenbau an der Bildungseinrichtung B e.V. Er unterrichtet lernbehinderte und verhaltensauffällige Schülerinnen und Schüler im Klassenraum, im Freien und teilweise bei der Vorführung von Geräten und bei laufenden Motorgeräuschen.
Der Kläger wurde wegen einer mittelgradigen Schwerhörigkeit sowohl im Jahr 2003 als auch im Jahr 2010 beidseits mit Hörhilfen versorgt. Den den Festbetrag überschreitenden Anteil übernahm die Beigeladene jeweils im Rahmen der Gewährung von Leistungen zur Teilhabe.
Der Kläger weist einen Grad der Behinderung von 30 auf.
Am 17. Dezember 2015 verordnete der behandelnde HNO-Arzt Dr. B dem Kläger wegen beidseitigem Hörverlust durch Schallempfindungsstörung die erneute Versorgung mit Hörgeräten.
Der Kläger testete daraufhin bei der Hörgeräteakustikerin M W nach dem Freiburger Sprachtest vier Hörgeräte mit den folgenden Testergebnissen:
Hörgerät |
Eigenanteilsfrei |
Freifeld Nutzschall 65 dB |
Freifeld Störschall 60 dB |
Widex Unique 440 U4-XP |
Nein |
95% |
80% |
Oticon Get 13 Power |
Ja |
90% |
80% |
Phonak Baseo Q15-P |
Ja |
90% |
80% |
Starkey Z Series i110 |
Nein |
95% |
80% |
Nach dem Anpass- und Abschlussbericht der Hörgeräteakustikerin vom 3. März 2016 wies der Kläger im Ergebnis der Freifeldmessung (65dB, 1 m Abstand) DIN 45621, ohne Hörsystem beidseitig ein Sprachverstehen von 30% und mit Hörsystem - den Geräten Widex Unique 440 U4-XP - von 95 % auf. Daraus ergab sich ein Hörgewinn beidseits von 65 %.
Eine vorformulierte Empfangsbestätigung des Versicherten sowie die Erklärung zu Mehrkosten zur aufzahlungspflichtigen Hörsystemversorgung mit den Geräten Widex Unique 440 U4-XP unterschrieben die Hörgeräteakustikerin W am 21. Januar 2016 und der Kläger am 3. März 2016. Die in dem Vordruck zur Empfangsbestätigung des Versicherten enthaltene folgende Formulierung (vgl. Anhang 4.2 des Vertrags zur Komplettversorgung mit Hörsystemen zwischen der Bundesinnung für Hörgeräteakustik und der nachfolgend benannten Ersatzkassen vom 1. Juli 2015, zu denen auch die Beklagte gehört): „Es ist mein ausdrücklicher Wunsch, keine aufzahlungsfreie Hörgeräteversorgung zu erproben.“ war mit dem handschriftlichen Zusatz „wurde erprobt“ versehen. Weiterhin enthielt der Vordruck den Zusatz: „Ich habe mich für eine Versorgung mit Aufzahlung entschieden. Das/die Hörsysteme habe ich erhalten. Mit der von mir zu leistenden höheren Vergütung bin ich einverstanden.“
Mit Kostenaufstellung vom 15. März 2016 machte die Hörgeräteakustikerin gegenüber der Beklagten die Kostenübernahme für die Hörgeräteversorgung nach Abzug der gesetzlichen Zuzahlung von 20 € in Höhe von insgesamt 1.514,02 € geltend. Der Kläger bestätigte darin mit seiner Unterschrift, die Leistung erhalten zu haben.
Nach dem Kostenvoranschlag der Hörgeräteakustikerin vom 18. März 2016 beliefen sich die Kosten für die Hörgeräte Widex Unique 440 U4-XP nach Abzug des Zuschusses in Höhe von 1.534,02 € zuzüglich der gesetzlichen Eigenleistung in Höhe von 20 € auf einen Betrag in Höhe von 4.383 € (Gesamtpreis von 5.897,02 €).
Mit Antragsformular vom 20. März 2016, eingegangen bei der Beigeladenen am 24. März 2016, stellte der Kläger bei dieser einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für einen berufsbedingten Mehrbedarf in Bezug auf eine Hörhilfe. In der Anlage zur Kostenübernahme für Hilfsmittel und technische Arbeitshilfen, die behinderungsbedingt zur Berufsausübung erforderlich sind, gab er an, dass er durch den voranschreitenden Hörverlust Äußerungen von lernbehinderten und verhaltensauffälligen Schülern in der Klasse, im Freien und bei Gerätevorführungen vermindert wahrnehme und die vorhandenen Hörgeräte verschlissen seien bzw. nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen würden. Die Frage im Antragsformular, ob das Hilfsmittel verbindlich bestellt oder bereits gekauft sei, verneinte er.
Mit Bescheid vom 29. März 2016, laut handschriftlichem Vermerk des Klägers bei diesem eingegangen am 19. Mai 2016, erklärte die Beklagte die Übernahme der vertraglich vereinbarten Kosten in Höhe von 1.534 €. Zur Begründung führte sie aus, dass sich die Hörgeräteakustikerin ihr (der Beklagten) gegenüber vertraglich verpflichtet habe, ihre Versicherten aufzahlungsfrei (lediglich unter Abzug der gesetzlichen Zuzahlung) mit Hörgeräten zu versorgen. Die vereinbarten Vertragspreise ermöglichten eine Versorgung mit folgender technischer Mindestausstattung: Digitaltechnik, Mehrkanaligkeit (mindestens 4 Kanäle), Rückkopplungs- und Störschallunterdrückung, mindestens drei Hörprogramme sowie Mehrmikrofontechnik.
Mit Schreiben vom 4. April 2016 teilte die Beigeladene dem Kläger mit, dass sie für die weitere Bearbeitung des Leistungsantrags nicht zuständig sei, da die Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erfüllt seien. In seiner Tätigkeit als Berufsschullehrer und Ausbilder im Landschafts- und Gartenbau kämen Hörhilfen im Rahmen der krankenversicherungsrechtlichen Versorgung in Betracht. Der Antrag sei daher zuständigkeitshalber an die Beklagte weitergeleitet worden. Mit weiterem Schreiben vom 4. April 2016 leitete die Beigeladene die Antragsunterlagen an die Beklagte mit dem Hinweis weiter, dass die Höranforderungen für die Berufsausübung des Klägers als Berufsschullehrer und Ausbilder im Landschafts- und Gartenbau keine spezifisch berufsbedingte Notwendigkeit der Hörgeräteversorgung erfordere. Bei den in Betracht kommenden Leistungen handele es sich nicht um Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Unter dem 8. Juni 2016 erhob der Kläger gegen den Bescheid der Beklagten vom 29. März 2016 Widerspruch. Mit Hörgeräten, die aufzahlungsfrei seien, sei seine Hörbehinderung nicht bestmöglich auszugleichen. Er nutze die Hörgeräte im Berufsschulunterricht mit lernbehinderten und verhaltensauffälligen Schülern. Dabei sei es sehr wichtig, in einer durch Störgeräusche gekennzeichneten Umgebung Fragen und Antworten der Schüler, aber auch unsachgemäße Äußerungen exakt zu lokalisieren und angemessen darauf zu reagieren. Dies sei mit den aufzahlungsfreien Hörgeräten nicht möglich.
Mit Bescheid vom 15. September 2016 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme über die bereits abgerechnete Versorgungspauschale in Höhe von 1.534 € hinaus ab. Grundsätzlich sei eine ausreichende und audiologisch sinnvolle Hörgeräteversorgung ohne privaten Eigenanteil sichergestellt. Entscheidend sei, dass für den Hörgeräteakustiker eine vertragliche Verpflichtung bestehe, eine unabhängig vom Schwerhörigkeitsgrad eigenanteilfreie, ausreichende und zweckmäßige Hörgeräteversorgung anzubieten.
Gegen den Bescheid vom 15. September 2016 erhob der Kläger mit Schreiben vom 21. September 2016 Widerspruch und erklärte, dass er sich nach einer Frist von 14 Tagen die beantragten Hilfsmittel selbst beschaffen werde.
In dem im Widerspruchsverfahren von der Beklagten eingeholten sozialmedizinischen Gutachten des MDK Berlin-Brandenburg vom 13. Oktober 2016 wurde ausgeführt, dass sowohl das getestete zuzahlungsfreie Hörgerät Phonak Baseo Q15-P als auch das Gerät Widex Unique U4-XP 440 hinsichtlich der technischen Auslegung als für die Versorgung der vorliegenden Hörstörung geeignet ausgesucht werden könne. Beide Geräte ermöglichten ein Einsilbenverstehen mit 65dB binaural im Freifeld von 95%. Es sei jedoch darauf hinzuweisen, dass die Hörgeräte-Features des Geräts Widex Unique U4-XP 440 wie z.B. die zusätzliche Sprachanhebung am Arbeitsplatz des Klägers von Vorteil sein könnten.
Unter dem 2. November 2016 stellte die Hörgeräteakustikerin dem Kläger die Hörgeräte Widex Unique 440 U4-XP in Höhe von 4.383 € in Rechnung, die der Kläger sogleich bezahlte.
Mit Schreiben vom 3. November 2016 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass mit dem Hörgerät Phonak Baseo Q15-P laut Anpassbericht nur ein Hörvermögen von 90 % erreicht werden könne. Er habe sich die Hörgeräte Widex Unique 440 U4-XP am 2. November 2016 selbst beschafft. Er begehre nunmehr die Erstattung der dafür entstandenen Kosten. Seine berufliche Situation habe sich außerdem insofern geändert, als er nunmehr auch minderjährige unbegleitete Flüchtlinge aus asiatischen und afrikanischen Herkunftsländern unterrichte, deren Deutschkenntnisse lückenhaft seien, was die Kommunikation erschwere.
In der daraufhin von der Beklagten eingeholten ergänzenden ärztlichen Einschätzung des MDK Berlin-Brandenburg vom 8. Dezember 2016 hieß es, dass selbst bei einem mit dem zuzahlungsfreien Hörgerät Phonak Baseo Q15-P lediglich zu erreichenden Sprachverstehen im Freifeld bei 65dB von 90 % das Hörgerät Widex Unique 440 U4-XP mit einem Sprachverstehen von 95% (auch bei einer Differenz von 5 % = 1 Wort) nicht als signifikant überlegen angesehen werden könne. Bezüglich der Mehrkosten für die Hörgeräte-Features, welche am Arbeitsplatz des Klägers von Vorteil sein könnten, sei eine Antragstellung beim Rentenversicherungsträger zu empfehlen. Es ergebe sich keine Änderung des bereits gutachtlich getroffenen Votums.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. März 2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Im Rahmen der vertraglich vereinbarten Versorgungspauschale sei eine geeignete eigenanteilfreie Hörgeräteversorgung mit den Hörgeräten vom Typ Phonak Baseo Q15-P im ausreichenden und zweckmäßigen Umfang im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung sichergestellt. Die Versorgung mit den vom Kläger beantragten Geräten sei somit nicht im Sinne des § 33 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) erforderlich gewesen. Darüber hinaus sei die Beigeladene zu dem Ergebnis gekommen, dass kein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bestehe.
Am 13. April 2017 hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass spätestens mit Übersendung des Schreibens des Leistungserbringers (Hörgeräteakustik ) vom 15. März 2016 ein Teilhabeantrag bei der Beklagten eingegangen sei. Es sei eine Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3a SGB V eingetreten. Er habe die benötigten Geräte ausweislich der vorliegenden Rechnung der Hörgeräteakustik vom 2. November 2016 nunmehr selbst gekauft.
Das Sozialgericht hat im Wege der Amtsermittlung einen Befundbericht des behandelnden HNO-Arztes Dr. B und eine Arbeitgeberauskunft der Bildungseinrichtung B e.V. einschließlich zweier Stellenbeschreibungen beigezogen.
Die Hörgeräteakustikerin W hat unter dem 13. Dezember 2017 auf Nachfrage des Sozialgerichts mitgeteilt, dass die Geräte Widex Unique 440 U4-XP am 22. Februar 2016 an den Kläger übergeben worden seien. Die Anpassung sei am 15. März 2016 abgeschlossen worden. Die Rechnung sei am 2. November 2016 bezahlt worden. Der Kläger sei als Berufsschullehrer auf ein 360 Grad räumliches Hören angewiesen. Die getesteten zuzahlungsfreien Festbetragsgeräte Baseo Q15P und Get 13 HdO ermöglichten kein 360 Grad räumliches Hören, sie verfügten über keine Impulsschallunterdrückung, kein adaptives Richtmikrofon und hätten nur vier einstellbare Kanäle. Den Kostenvoranschlag für die Geräte Widex Unique 440 U4-XP und die ärztliche Verordnung habe sie der Beklagten am 3. März 2016 elektronisch übermittelt. Den Festbetrag habe sie mit einer Sammelrechnung am 15. März 2016 in Rechnung gestellt. Die ärztliche Verordnung im Original habe der Kläger ihr am 17. Dezember 2015 übergeben. Ergänzend hat sie auf weitere sozialgerichtliche Nachfrage am 6. Juni 2018 mitgeteilt, dass mit der Ausstellung der Rechnung die Kaufentscheidung spätestens getroffen worden sei, die Hörgeräte mit der Ausstellung der Rechnung endgültig übergeben worden seien, der Kaufvertrag verbindlich gewesen sei und der Kläger Zahlungsaufschub erhalten habe, da er die evtl. in Aussicht stehende Kostenübernahme durch die Beklagte habe klären wollen. Der Kaufvertrag sei ihres Erachtens mit Rechnungslegung geschlossen worden. Eine verbindliche Aussage in schriftlicher Form liege nicht vor.
Die Beklagte hat mitgeteilt, dass die Versorgungsanzeige am 29. März 2016 bei ihr eingegangen sei.
Die Beigeladene hat ausgeführt, dass eine Kostenübernahme für Hilfsmittel wie Hörgeräte als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben durch den Rentenversicherungsträger nur in Betracht komme, wenn diese ausschließlich zum Ausgleich einer Behinderung bei Ausübung eines bestimmten Berufes oder einer bestimmten Bildungsmaßnahme benötigt würden. Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Das Erfordernis höherwertiger Hörhilfen gehe vorliegend nicht aus der Besonderheit der beruflichen Anforderung im Tätigkeitsbild eines Ausbilders/Lehrers, sondern aus der Behinderung selbst hervor.
Der Kläger hat ein Schreiben der Hörgeräteakustikerin vom 18. Oktober 2018 vorgelegt, wonach für ihn bis zur endgültigen Rechnungslegung die Möglichkeit bestanden habe, die Hörgeräte zurückzugeben.
Auf Nachfrage des Sozialgerichts hat der Kläger mitgeteilt, dass eine Hörgeräteabschlussprüfung bei dem behandelnden HNO-Arzt im Sinne von § 30 Hilfsmittel-Richtlinie nicht durchgeführt worden sei.
In der mündlichen Verhandlung vom 2. Mai 2019 hat das Sozialgericht die Hörgeräteakustikerin M W als Zeugin zur Hörgeräteversorgung des Klägers im Jahr 2016 vernommen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll verwiesen.
Mit Urteil vom 2. Mai 2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Beklagte sei ungeachtet der Frage, ob sie erstangegangener Leistungsträger im Sinne des § 14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen – (SGB IX) in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung sei, im Außenverhältnis umfassend für das Leistungsbegehren des Klägers zuständig. Den Antrag habe die Beigeladene innerhalb der Zweiwochenfrist an die Beklagte weitergeleitet, mit der Folge, dass diese auch über evtl. Ansprüche auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bzw. auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation mit zu entscheiden gehabt habe. Dies schließe eine Zuständigkeit der Beigeladenen für die Erfüllung des Kostenerstattungsanspruchs aus. Grundlage des gegen die Beklagte geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs sei allenfalls § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V. Demgegenüber scheide eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3a Satz 9 SGB V (Genehmigungsfiktion) aus, da Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, die wie vorliegend dem Ausgleich oder der Vorbeugung einer Behinderung dienen, vom sachlichen Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3a SGB V ausgeschlossen seien. Eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. SGB V scheide ebenfalls aus, da es sich bei der Hörgeräteversorgung vorliegend nicht um eine unaufschiebbare Leistung handele. Ein Anspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V scheitere an der erforderlichen Kausalität zwischen der Leistungsablehnung und der Kostenbelastung. Denn eine ablehnende Entscheidung habe die Beklagte vor der Selbstbeschaffung der Hörgeräte durch den Kläger noch nicht getroffen. Anspruchshindernd sei zwar erst das unbedingte Verpflichtungsgeschäft zwischen Leistungserbringer und Versichertem. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei das bindende – endgültige – Verpflichtungsgeschäft jedoch spätestens mit dem Abschluss der Hörgeräteanpassung am 15. März 2016 und damit vor der Ablehnungsentscheidung vom 29. März 2016 abgeschlossen worden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger sich unter Inkaufnahme eines Eigenanteils für den angepassten Gerätetyp entschieden und sich zur Entrichtung des Kaufpreises im Falle der fehlenden Kostenübernahme durch die Beklagte oder die Beigeladene verpflichtet. Zu diesem Zeitpunkt sei ein bindender Kaufvertrag gemäß § 433 BGB geschlossen worden. Dass der Kläger die Hörgeräte erst am 2. November 2016 bezahlt habe, stehe dem nicht entgegen. Die Hörgeräteakustikerin habe insoweit angegeben, dass dem Kläger die Hörgeräte am 22. Februar 2016 übergeben worden seien und die Probephase drei Wochen betragen habe. Nach Ablauf der Probephase habe der Kläger diese nicht zurückgeben müssen. Die einzig sinnvolle Erklärung hierfür sei, dass er sich für den Kauf der streitgegenständlichen Hörgeräte entschieden habe. Die Hörgeräteakustikerin habe einen Abschluss der Hörgeräteanpassung am 15. März 2016 bestätigt, so dass ein Kauf auf Probe nach § 454 Abs. 1 BGB nicht in Frage komme. Auch wenn die Zeugin ausgeführt habe, dass eine Kaufentscheidung erst mit Rechnungslegung am 2. November 2016 erfolgt sei, sei dies aufgrund der am 3. März 2016 unterzeichneten Erklärung zu den Mehrkosten ausgeschlossen. Für den verbindlichen Kaufvertragsabschluss am 15. März 2016 spreche auch der Umstand, dass die Hörgeräteakustikerin bereits am 29. März 2016 den Festbetrag gegenüber der Beklagten in Rechnung gestellt habe. Es bestehe auch kein Kostenerstattungsanspruch nach § 15 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. Satz 3 SGB IX a.F.. Danach sei der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zwar zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet, wenn sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst beschafften. Diese Erstattungspflicht bestehe auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen könne oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt habe. Eine unaufschiebbare Leistung habe jedoch nicht vorgelegen. Eine Frist sei weder der Beklagten noch der Beigeladenen gesetzt worden. Insoweit habe es auch hier an der Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Kostenbelastung gefehlt.
Gegen das am 11. Juni 2019 dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellte Urteil hat dieser am 20. Juni 2019 Berufung eingelegt.
Zur Begründung führt er aus, dass die Annahme des Sozialgerichts, mit Abschluss der Probephase der ausgewählten Hörgeräte am 15. März 2016 sei zugleich die Kaufentscheidung erfolgt, fehlgehe. Der Ablauf der Probephase und das anschließende Behalten der Hörgeräte sei nicht mit einer Willenserklärung gleichzusetzen. Die zunächst getroffene Auswahlentscheidung sei eine Vorstufe zur Kaufentscheidung, die am 15. März 2016 auch nicht stillschweigend getroffen worden sei. Der Kaufvertrag sei erst am 2. November 2016 geschlossen worden. Dies ergebe sich aus den übereinstimmenden Angaben des Klägers und der Zeugin. Es entspreche der üblichen Praxis eines Hörgeräteakustikers, dass dieser dem Kunden die Hörgeräte auch für einen längeren Zeitraum überlasse. Die Hörgeräteabschlussprüfung sei keine unverzichtbare Anspruchsvoraussetzung. Außerdem sei es mit den aufzahlungsfreien Hörgeräten zu keiner ausreichenden Störgeräuschunterdrückung und zu keinem ausreichenden Richtungshören gekommen. Die Feststellungslast, dass die zuzahlungsfreien Geräte insofern ausreichend gewesen wären, treffe die Beklagte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 2. Mai 2019 aufzuheben sowie die Bescheide der Beklagten vom 29. März 2016 und 15. September 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2017 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm einen Betrag in Höhe von 4.363 € zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Die Beigeladene äußert sich zur Sache nicht und stellt keinen Antrag.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und Beigeladenen, die dem Senat vorgelegen haben und Grundlage der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind neben dem Urteil des Sozialgerichts vom 2. Mai 2019 die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 29. März 2016 und 15. September 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2017. Die geltend gemachte Erstattung von über den Festbetrag hinausgehenden Kosten macht der Kläger zutreffend mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 und 4 SGG geltend. Die angefochtenen Bescheide sind, soweit die Beklagte die Erstattung der durch den Festbetrag für die vom Kläger erworbenen beidseitigen Hörgeräte der Marke Widex Unique 440 U4-XP nicht gedeckten Kosten der Hörgeräteversorgung in Höhe des Differenzbetrages zum Festbetrag sowie abzüglich der gesetzlichen Zuzahlung in Höhe von 20 € - insgesamt i.H.v. 4.363 € - abgelehnt hat, rechtswidrig und verletzen den Kläger insoweit in seinen Rechten.
Der Kläger kann einen Anspruch auf die Kosten der Hörgeräteversorgung nicht aus einer rentenversicherungsrechtlichen Hilfsmittelversorgung, sondern aus dem Recht der Krankenversicherung herleiten. Er hat gegen die Beklagte, die aufgrund der fristgerechten Weiterleitung des Leistungsantrags durch die Beigeladene für die Prüfung des Antrags umfassend zuständig geworden ist, einen Anspruch auf die endgültige Erstattung der durch den Festbetrag nicht gedeckten Kosten der Hörgeräteversorgung in Höhe von 4.363 € auf der Grundlage von §§ 13 Abs. 3 Satz 1, 33 Abs. 1 SGB V. Die Beklagte hat ihre Leistungspflicht mit den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht auf den Festbetrag begrenzt und einen darüber hinausgehenden Leistungsanspruch rechtswidrig abgelehnt. Die geschuldete Leistung hat sich der Kläger im Rahmen des Notwendigen selbstbeschafft, wodurch die noch gegenständlichen Kosten entstanden sind. An dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen der Leistungsablehnung durch die Beklagte und der Kostenbelastung des Klägers fehlt es nach Überzeugung des Senats nicht.
Die Beklagte ist nach der rechtzeitigen Weiterleitung des Leistungsantrags vom 20. März 2016 durch die Beigeladene nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a.F. als verantwortlicher zweitangegangener Rehabilitationsträger im Verhältnis zum versicherten Kläger endgültig, ausschließlich und umfassend zuständig geworden. Die Zuständigkeit des verantwortlichen Rehabilitationsträgers erfasst auch Kostenerstattungsansprüche (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 30. Oktober 2014, B 5 R 8/14 R, Rn. 29 juris). Die rechtzeitige Weiterleitung eines Rehabilitationsantrags an den zweitangegangenen Träger hat zur Folge, dass dieser Rehabilitationsträger, der zu einer erneuten Weiterleitung nicht ermächtigt ist, ungeachtet seiner eigentlichen Zuständigkeit zur umfassenden Prüfung des Rehabilitationsbedarfs nach § 10 SGB IX verpflichtet ist und damit auch über materiell-rechtliche Ansprüche auf Rehabilitationsleistungen nach Rechtsgrundlagen anderer Rehabilitationsträger, hier des beigeladenen Rentenversicherungsträgers, zu entscheiden hat (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014, B 5 R 8/14 R, Rn. 29 juris). Dabei ist es aus der Sicht des Rentenversicherungsträgers unerheblich, ob die Versorgung mit Hörhilfen nach dem Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation ist. Denn § 14 SGB IX a.F., die dem Versicherten ein freies Wahlrecht hinsichtlich des in Anspruch genommenen Rehabilitationsträgers einräumt, muss seiner Intention nach auch in solchen Fällen gelten, in denen eine Leistung (hier: Hörhilfen) beantragt wird, die zwar nach dem Recht des erstangegangenen Trägers eine solche der medizinischen Rehabilitation, nach dem der ("eigentlich" mit- oder allein-) zuständigen Krankenkasse jedoch keine Leistung zur Teilhabe im Sinne der §§ 4, 5 SGB IX darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 21. August 2008, B 13 R 33/07 R, Rn. 30; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014, B 5 R 8/14 R, Rn. 30; Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. August 2020, L 16 R 974/16, jeweils juris).
Die Beigeladene hat hinsichtlich des bei ihr am 24. März 2016 eingegangenen Leistungsantrags des Klägers auf die Versorgung mit Hörgeräten mit Schreiben vom 4. April 2016 und damit innerhalb der zweiwöchigen Prüffrist des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX festgestellt, dass sie für die beanspruchte Rehabilitationsleistung nicht zuständig ist und den Antrag an die Beklagte weitergeleitet, worüber sie den Kläger ebenfalls mit Schreiben vom 4. April 2016 unterrichtet hat. Die zweiwöchige Prüfungsfrist der Beigeladenen begann gemäß § 26 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) am Tage nach dem Eingang des Leistungsantrages bei der Beigeladenen, also am 25. März 2016, und endete gemäß § 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 188 Abs. 2 Satz 1 BGB nach zwei Wochen mit dem Ablauf desjenigen Tages, der dem Tag des fristauslösenden Ereignisses entspricht, mithin am 7. April 2016. Nach der fristgerechten Weiterleitung des Antrags hatte die Beklagte, worauf das Sozialgericht zu Recht hingewiesen hat, unter Einbeziehung des Rehabilitationsrechts nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) über den Kostenerstattungsanspruch für die Hilfsmittelversorgung des Klägers umfassend zu entscheiden.
Die Frage, ob die Beklagte bereits aufgrund der Kontaktaufnahme des Klägers mit der Hörgeräteakustikerin im Februar 2016 als Leistungserbringerin und Vertragspartnerin der Beklagten einen Antrag nach § 19 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) gestellt hat und hierdurch auch als erstangegangener Leistungsträger beurteilt werden kann, kann offen bleiben. Nach § 19 Satz 1 SGB IV werden Leistungen in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie in der sozialen Pflegeversicherung auf Antrag erbracht, soweit sich aus den Vorschiften für die einzelnen Versicherungszweige nichts anderes ergibt. Zwar besteht im Bereich der Versorgung mit Hörhilfen wegen des besonderen Beratungsweges grundsätzlich ein der Krankenkasse zurechenbarer Rechtsschein der Empfangszuständigkeit des Hörgeräteakustikers für rehabilitationsrechtliche Leistungsanträge im Sinne einer geduldeten passiven Stellvertretung (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014, B 5 R 8/14; BSG, Urteil vom 24. Januar 2013, B 3 KR 5/12, jeweils juris). Gleichwohl ist es nicht ausgeschlossen, dass Hörgeräteakustiker ausnahmsweise von Versicherten, denen ein freies Wahlrecht hinsichtlich des in Anspruch genommen Rehabilitationsträgers zusteht, allein in dieser Funktion – und nicht gleichzeitig als Repräsentanten des Krankenversicherungsträgers – aufgesucht werden und damit nach dem rechtlich objektivierten Willen, wie er sich aus der Gesamtheit der Umstände erschließen lässt, Raum für eine (Erst-)Antragstellung insbesondere bei einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung bleibt (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014, B 5 R 8/14 R, Rn. 43 juris).
Ausgehend von einer umfassenden Zuständigkeit der Beklagten steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger einen Anspruch auf Kostenerstattung gemäß §§ 13 Abs. 3 Satz 1, 33 Abs. 1 SGB V hat. Versicherte haben nach § 33 Abs. 1 Satz 1, 3. Alt. SGB V Anspruch auf Versorgung u.a. mit Hörhilfen, die im Einzelfall erforderlich sind, um u.a. eine Behinderung auszugleichen. Nach § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V sind die Kosten in der entstandenen Höhe von der Krankenkasse zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind.
Der Kostenerstattungsanspruch § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V reicht dabei nicht weiter als ein entsprechender primärer Sachleistungsanspruch; er setzt voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Ein Kostenerstattungsanspruch ist gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Sachleistungsleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen der Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbstbeschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 3 KR 20/08 R, Rn. 10 juris).
Rechtsgrundlage des Sachleistungsanspruchs ist § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte u.a. Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln wie Hörhilfen, die im Einzelfall erforderlich sind, um u.a. die hier allein in Betracht zu ziehende Behinderung nach § 33 Abs. 1 Satz 1, 3. Alt. SGB V und damit die beeinträchtigte Körperfunktion wie hier das Hören auszugleichen. Der Kläger ist aufgrund seiner beidseitigen mittelgradigen Schwerhörigkeit auf eine Hörgeräteversorgung angewiesen. Dass er zum Ausgleich seiner Schwerhörigkeit einen Anspruch auf eine Versorgung mit Hörgeräten hat, die nach § 34 Abs. 4 SGB V nicht aus der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind, wird von der Beklagten im Grundsatz auch nicht in Frage gestellt.
Das konkret ausgewählte Hörgerät ist grundsätzlich für einen in seiner Hörfähigkeit, wie den Kläger, eingeschränkten Menschen erforderlich i.S.v. § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V, wenn es nach dem Stand der Medizintechnik (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) die bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen normal Hörender erlaubt und damit im allgemeinen Alltagsleben einen erheblichen Gebrauchsvorteil gegenüber anderen Hörhilfen bietet (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 3 KR 20/08 R, Rn. 19 juris). Für den Behinderungsausgleich nach § 33 Abs. 1 Satz 1 1, 3. Alt. gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Teil des von den Krankenkassen nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V geschuldeten, möglichst vollständigen Behinderungsausgleichs ist es, hörbehinderten Menschen im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen zu eröffnen und ihnen die dazu nach dem Stand der Hörgerätetechnik jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen. Dies schließt die Versorgung mit volldigitalen Hörgeräten ein (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 3 KR 20/08 R; BSG, Urteil vom 24. Januar 2013, B 3 KR 5/12 R, jeweils juris). Daher kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist. Denn der Anspruch auf ein Hilfsmittel der Gesetzlichen Krankenversicherung zum Behinderungsausgleich und zwar auch außerhalb des Grundbedürfnisses nach Mobilität im Sinne von Fortbewegung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. Mai 2020, B 3 KR 7/19 R, Rn. 31 juris) ist nicht von vornherein auf einen Basisausgleich im Sinne einer Minimalversorgung beschränkt. Für den Versorgungsumfang, insbesondere die Qualität, aber auch die Quantität und Diversität der Hilfsmittelausstattung kommt es im Ergebnis allein auf den Umfang der mit dem begehrten Hilfsmittel zu erreichenden Gebrauchsvorteile an (BSG, Urteil vom 15. März 2018, B 3 KR 18/17 R, Rn. 42 juris), ohne dass nach neuerer überzeugender Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hierfür maßgeblich die Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Behinderungsausgleich heranzuziehen wäre (BSG, Urteil vom 7. Mai 2020, B 3 KR 7/19 R, Rn. 27 juris). Begrenzt ist der Anspruch auf Hilfsmittelversorgung nach § 33 SGB V durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V, wonach die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse nicht bewilligen (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2011, B 3 KR 9/10 R, jeweils juris). Demzufolge verpflichtet auch § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht dazu, den Versicherten jede – subjektiv – gewünschte und von ihnen für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen.
Die Krankenkasse erfüllt grundsätzlich mit der Zuzahlung des Festbetrags ihre Leistungspflicht. Der für ein Hilfsmittel – hier: Hörgerätesysteme – nach § 36 SGB V festgesetzte einheitliche Festbetrag, der eine besondere Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 Abs. 2 SGB V darstellt, begrenzt die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung allerdings dann nicht, wenn er für den Ausgleich der konkreten vorliegenden Behinderung objektiv nicht ausreicht (BSG, Urteil vom 21. August 2008, B 13 R 33/07 R, Rn. 39 m.w.N.; BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 3 KR 20/08 R; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 15. Mai 2019, L 2 R 237/17, Rn. 63ff. jeweils juris). Wesentliches Kriterium hierfür ist die Frage, ob das begehrte Hörgerät im Alltag einen erheblichen Gebrauchsvorteil gegenüber anderen, zum Festbetrag erhältlichen Hörhilfen bietet. Ausgeschlossen sind insofern Ansprüche auf teurere Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet ist; Mehrkosten sind bei einer über das Maß des Notwendigen hinausgehenden Versorgung selbst zu tragen (std. Rspr. BSG, Urteil vom 10. September 2020, B 3 KR 15/19 R, Rn. 19 m.w.N. juris; vgl. § 33 Abs. 1 Satz 5 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung; § 33 Abs. 1 Satz 9 SGB V in der aktuellen Fassung). Übertragen auf den Ausgleich einer Hörbehinderung folgt hieraus, dass das Hören zu dem allgemeinen Grundbedürfnis der Erschließung eines geistigen Freiraums gehört. Zu diesem Freiraum gehört u.a. die Aufnahme von Informationen und die Kommunikation mit anderen Menschen (vgl. BSG, Urteil vom 10. September 2020, B 3 KR 15/19 R, Rn. 17 juris). Die Hörgeräteversorgung muss demnach gewährleisten, dass mit ihr die Funktionsbehinderung in typischen Alltagssituationen der Kommunikation mit anderen Menschen möglichst weitgehend ausgeglichen wird. Dazu gehört, dass der aktuelle Stand des medizinischen und technischen Fortschritts berücksichtigt wird. Es muss aber – gerade bei unterschiedlich aufwändigen, gleichermaßen zur Verfügung stehenden Versorgungsalternativen – für eine höherwertige Versorgung ein relevanter Gebrauchsvorteil für das allgemeine Grundbedürfnis nachgewiesen sein. Ist ein Behinderungsausgleich bei dem Versicherten durch ein Hörgerät zum Festbetrag zu erreichen, besteht kein Anspruch auf Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten.
Dies zugrunde gelegt bot das vom Kläger gewählte Hörsystem Widex Unique 440 U4-XP im Verhältnis zu den beiden getesteten aufzahlungsfreien Hörgeräten Phonak Baseo Q15-P und Oticon Get 13 Power zur Überzeugung des Senats einen erheblichen Gebrauchsvorteil. Der Kläger war mit den gewählten Hörgeräten nach den vorliegenden Testergebnissen unter Nutzschall besser in der Lage, zu hören und zu verstehen. Mit den Hörgeräten Widex Unique 440 U4-XP wies er nach den von der Hörgeräteakustikerin durchgeführten Messungen im Freifeld bei 65dB ohne Störschall im Verhältnis zu den zuzahlungsfreien, getesteten Geräten ein besseres Sprachverstehen bei Nutzschall in Höhe von 5 % auf. Der Test der Geräte Widex Unique 440 U4-XP ergab im Freifeld 65dB ohne Störgeräusch ein Sprachverstehen von 95 %, die zuzahlungsfreien Geräte hingegen lediglich von 90 %. Demgegenüber ergaben sich unter Störschall keine Messunterschiede, hier war das von dem Kläger ausgewählte Hörgerät den anderen, auch zuzahlungsfreien Geräten gegenüber, nicht überlegen. Die genannten Testergebnisse folgten jeweils auf Grundlage des nach § 21 Abs. 2 ff. Hilfsmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (HilfsM-RL) vorgesehenen und vorliegend durchgeführten sog. Freiburger Einsilbertest im freien Schallfeld (DIN ISO 8253-3) und im Störschall. Bei diesem Sprachtest handelt es sich um ein normiertes Verfahren, das einen objektiven Vergleich zwischen den für den Versicherten konkret in Betracht kommenden Hörgeräten ermöglicht. Die Hilfsmittel-Richtlinie sieht bei Anwendung des vorgeschriebenen Freiburger Einsilbertests keine Abschläge für Messungenauigkeiten oder Schwankungen vor. Dass es sich bei dem festgestellten Messunterschied von 5 % zwischen den ausgewählten Hörgeräten und den zuzahlungsfreien Geräten um eine zu vernachlässigende, bloße Messtoleranz handeln könnte, kann dem Kläger nicht entgegengehalten werden. Denn die Hilfsmittel-Richtlinie sieht bei der Anwendung des maßgeblichen Freiburger Einsilbertests keine Abschläge für Messungenauigkeiten oder Schwankungen vor. Die Krankenkassen können gegen Messergebnisse eines Hörgeräteakustikers, die die Überlegenheit eines zuzahlungsfreien Geräts belegen, nicht generell Messungenauigkeiten einwenden, die eine Abweichung von 5 % zugunsten des teuren Geräts erklären könnten (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. August 2020, L 16 R 974/16, Rn. 33; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Dezember 2019, L 9 KR 44/17, Rn. 36; vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. November 2020, L 9 KR 90/18, jeweils juris). Hieran ändert auch der Vertrag zur Komplettversorgung mit Hörsystemen zwischen der Bundesinnung für Hörgeräteakustik und den nachfolgend benannten Ersatzkassen, zu denen auch die Beklagte gehört, vom 1. Juli 2015 nichts. In diesem Vertrag ist in Anlage 1 Ziffer 9 (S. 30) bestimmt, dass bei einem Test von aufzahlungspflichtigen und aufzahlungsfreien Hörgeräten ein möglichst weitgehend gleiches Sprachverstehen jedoch bei einer Messtoleranz von 5 % Punkten erreicht werden muss. Die genannte Messintoleranz kann vorliegend schon deshalb nicht relevant sein, weil es keinerlei Hinweise darauf gibt, dass es sich bei dem festgestellten besseren Hörergebnis mit den ausgewählten Hörgeräten Widex Unique U-XP 440 lediglich um eine der konkreten Testsituation geschuldete zufällige und daher nicht beachtenswerte Abweichung vom Nennmaß handelt. Anhaltspunkte dafür ergeben sich weder aus dem Anpass- und Abschlussbericht der Hörgeräteakustikerin noch aus dem Gutachten des MDK Berlin-Brandenburg vom 8. Dezember 2016, in dem das bessere Messergebnis des Geräts Widex Unique U-XP 440 mit einer Differenz von 5% (= 1 Wort) lediglich als nicht signifikant beurteilt wurde. Insofern ist das ausgewählte Hörgerät gegenüber den getesteten Hörgeräten mit einem besseren Hörverstehen verbunden, worauf der Kläger bereits im Widerspruchsverfahren ausdrücklich hingewiesen hat.
Neben den objektiv besseren Messergebnissen geht aus den Angaben der Hörgeräteakustikerin und der ärztlichen Stellungnahme des MDK Berlin-Brandenburg vom 8. Dezember 2016 zudem hervor, dass die Geräte Widex Unique U-XP 440 gegenüber dem zuzahlungsfreien Geräten Phonak Baseo mit der technischen Möglichkeit einer zusätzlichen Sprachanhebung ausgestattet sind. Die Hörgeräteakustikerin hat außerdem ausgeführt, dass die ausgewählten Geräte gegenüber den zuzahlungsfreien Geräten Baseo Q 15-P und Get 13 Power über weitere zusätzliche technische Funktionen verfügen. Sie weisen 15 statt nur vier Kanäle zur besseren Frequenzanpassung, ein automatisches adaptives Richtmikrofon, eine Ear-to-Ear-Funktion für fokussiertes Hören und eine Impulsschallunterdrückung auf und erlauben ein 360 Grad räumliches Hören sowie eine automatische Situationserkennung. Die Geräte Widex Unique U-XP 440 bieten damit gegenüber den zuzahlungsfreien Geräten Baseo Q 15-P und Get 13 Power, die lediglich über vier Kanäle, ein fixdirektionales Richtmikrofon und eine Störgeräuschunterdrückung verfügen, zusätzlich zu einem 5 % besseren Sprachverstehen im Nutzschall weitere Gebrauchsvorteile, die den Kläger auch subjektiv im Alltag einschließlich seines Berufsalltags am meisten überzeugt haben. Dabei sind die deutlichen Gebrauchsvorteile z.B. bei einer notwendigen Sprachanhebung, auf die auch die Stellungnahmen des MDK Berlin-Brandenburg Bezug genommen haben, nach Überzeugung des Senats auch außerhalb der beruflichen Tätigkeit des Klägers von deutlichem Nutzen. Es ist darüber hinaus unter den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erneut geschilderten besonderen Bedingungen des Schulunterrichts nicht ersichtlich, dass er ausschließlich in der konkreten Unterrichtssituation auf eine besondere, nur mit den selbst beschafften Hörgeräten zu realisierenden besseren Hörfähigkeit angewiesen ist, wie dies etwa bei akustischen Kontroll- und Überwachungsarbeiten oder beim feinsinnigen Unterscheiden zwischen Tönen und Klängen beispielsweise bei der Tätigkeit eines Klavierstimmers der Fall sein kann (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Januar 2020, L 5 KR 241/18, Rn. 47; BSG, Urteil vom 15. März 2018, B 3 KR 18/17 R, Rn. 53, vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Oktober 2019, L 1 KR 321/19 B ER, jeweils juris). Wegen der funktionellen Gebrauchsvorteile der ausgewählten Hörgeräte Widex Unique U-XP 440 können die anderen aufzahlungsfreien Hörgeräte nicht in gleicher Weise als geeignet angesehen werden, die Hörminderung des Klägers auszugleichen, so dass eine Unwirtschaftlichkeit mangels Vergleichbarkeit der getesteten Hörgeräte nicht vorliegt. Nachdem zur Überzeugung des Senats dem Grunde nach ein Sachleistungsanspruch des Klägers auf die Versorgung mit den streitgegenständlichen Hörgeräten bestanden hat, ist die Kostenbelastung des Klägers auch wesentlich durch die rechtswidrige Ablehnung der Sachleistung durch die Beklagte verursacht worden.
Dahinstehen kann, ob ein Kostenerstattungsanspruch bereits daran scheitern könnte, dass der Kläger sich keiner ärztlichen Hörgeräteabschlussprüfung nach § 24 Abs. 1 HilfsM-RL unterzogen hat. Nach der von dem Sozialgericht hierzu zitierten Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. April 2011, L 9 KR 94/11 B ER, steht die nicht durchgeführte Hörgeräteabschlussprüfung einem solchen Anspruch jedenfalls dann nicht entgegenstehen, wenn, wie im hiesigen Fall, die vertragsärztliche Verordnung und damit die ärztliche Feststellung der Erforderlichkeit von Hörhilfen vorliegt. Insofern war in der genannten Entscheidung des Landessozialgerichts die Notwendigkeit der im dortigen Fall nicht durchgeführten Hörgeräteabschlussprüfung ausschließlich vor dem Hintergrund einer fehlenden vertragsärztlichen Verordnung einer Hörhilfe gesehen worden.
Unter Würdigung aller Umstände des Sachverhalts und des Vortrags des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist dieser zu der Überzeugung gelangt, dass der Kostenerstattungsanspruch weder an einer anspruchsschädlichen Vorfestlegung des Klägers noch an der Nichteinhaltung des Beschaffungsweges scheitert. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V, nach dem die Krankenkasse dem Versicherten die entstandenen Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung zu erstatten hat, wenn die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, verlangt die Kausalität zwischen der Kostenbelastung durch die selbstbeschafften Hilfsmittel des Versicherten und der zu Unrecht abgelehnten Leistung durch die Krankenkasse. Die Kostenbelastung muss wesentlich auf der Versagung der Leistung durch den Träger beruhen. An dieser Kausalität fehlt es etwa, wenn der Leistungsträger vor der Inanspruchnahme der Versorgung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden ist, obwohl dies möglich gewesen wäre, oder wenn der Versicherte von vorneherein auf ein bestimmtes Hilfsmittel festgelegt war (std. Rspr. BSG, Urteil vom 24. Januar 2013, B 3 KR 5/12 R, Rn. 43 m.w.N., juris). Selbst beschafft im Sinne des § 13 Abs. 3 SGB V ist ein Hilfsmittel nicht schon mit dessen Auswahl. Die Auswahl ist dem Verfahren zur Bewilligung des Hilfsmittels vorgeschaltet. Entscheidend ist ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft zwischen Leitungserbringer und Versichertem. Im Bereich der Versorgung mit Hörhilfen ist ein Ursachenzusammenhang noch gegeben, wenn der Versicherte sich erst nach der Lieferung und Anpassung des Geräts an die Krankenkasse wendet, was mit der an den medizinisch-technischen Notwendigkeit orientierten Praxis in diesem Bereich begründet wird, nach der die Krankenkasse über einen Versorgungsantrag in der Regel erst entscheidet, wenn sich der Versicherte ggf. nach Erprobung mehrerer Geräte für ein bestimmtes Gerät entschieden hat (BSG, Urteil vom 23. Januar 2003, B 3 KR 7/02 R, Rn. 36; BSG Urteil vom 20. Mai 2003 B 1 KR 9/03 R, vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. November 2015, L 16 R 408/14, jeweils juris). Anders ist es dann, wenn der Versicherte bereits vor der Entscheidung der Kasse eine endgültige rechtliche Verpflichtung eingeht und der Leistungserbringer auch im Fall der Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse die Abnahme und Zahlung des Hilfsmittels verlangen kann (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 3 KR 20/08 R, Rn. 12 juris). Bei der Beurteilung der Vorfestlegung eines Versicherten ist im Bereich der Hörgeräteversorgung der besondere Beratungs- und Beschaffungsweg zu berücksichtigen, den die Leistungserbringer mit den Krankenkassen vertraglich vereinbart haben. Hier ist es allgemein üblich, dass sich die Krankenkassen ihrer leistungsrechtlichen Verantwortung durch sog. Verträge zur Komplettversorgung (vgl. Vertrag zur Komplettversorgung mit Hörsystemen zwischen der Bundesinnung für Hörgeräteakustik und der nachfolgend benannten Ersatzkassen vom 1. Juli 2015) entziehen und die Versorgung mit Hörgeräten in die Hände des Leistungserbringers legen. Eine anspruchsschädliche Vorfestlegung kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, von der der Senat überzeugt ist, nur angenommen werden, wenn der Versicherte von vorneherein jede sinnvolle, d.h. auf eine ausreichende Versorgung gerichtete Beratung durch den Leistungserbringer ablehnt, weil er bereits auf eine bestimmte Leistung so fixiert ist, dass kein Raum für eine offene Prüfung und Beratung bleibt (BSG, Beschluss vom 28. September 2017, B 3 KR 7/17 B, Rn. 14 juris; Helbig, in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl. 2020, § 13 Rn. 78). Dies ist dann der Fall, wenn der Versicherte das Testen verschiedener, auch eigenanteilsfreier Hörgeräte ablehnt, obwohl die gewünschte Hörgeräteversorgung keine im Verhältnis relevante funktionale Verbesserung im Alltagsleben bietet (BSG, Beschluss vom 28. September 2017, B 3 KR 7/17 B, Rn. 15 juris). Nach einer jüngeren Entscheidung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 27. Oktober 2020, B 1 KR 3/20 R) - dort zu einer Krankenbehandlung im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V - fehlt es an dem erforderlichen Ursachenzusammenhang dann, wenn sich der Versicherte unabhängig davon, wie die Entscheidung der Krankenkasse ausfällt, von vorneherein auf eine bestimmte Art der Leistung durch einen bestimmten Leistungserbringer festgelegt hat und fest entschlossen ist, sich die Leistung selbst dann zu beschaffen, wenn die Krankenkasse den Antrag ablehnt. Die grundsätzliche Befolgung des Sachleistungsprinzips soll § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V dadurch absichern, dass die Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke festgestellt wird. Diese Feststellung zu treffen, ist aber nicht Sache des Versicherten, sondern der Krankenkasse (BSG, Urteil vom 27. Oktober 2020, B 1 KR 3/20 R, Rn. 14f. juris).
Ausgehend von den glaubhaften Aussagen der Hörgeräteakustikerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht und den Angaben des Klägers zu den konkreten Umständen der Beschaffung der Hörgeräte hatte der Senat keinen Anlass eine anspruchsschädliche Vorfestlegung des Klägers auf die Geräte Widex Unique U-XP 440 anzunehmen. Der Kläger hatte unbestritten nach ärztlicher Verordnung bei der Hörgeräteakustikerin vier Hörgeräte, von denen zwei aufzahlungsfrei waren, getestet. Die beiden Festbetragsgeräte hat er ebenfalls probeweise getragen. Eine Auswahl der Geräte Widex Unique 440 U4-XP erfolgte erst nach Abschluss der Testphase am 15. März 2016, was im Bereich der Versorgung mit Hörhilfen auf Grundlage der mit den Leistungserbringern geschlossenen Versorgungsverträge wie aufgezeigt dem üblichen Beschaffungsweg entsprach. Mit der Auswahl der Hörgeräte hatte der Kläger nach Überzeugung des Senats noch keine verbindliche Kaufentscheidung im Sinne eines festen Entschlusses für deren Beschaffung getroffen. Der Kläger hat bei der Stellung seines Leistungsantrags vom 20. März 2016 in dem dafür vorgesehenen Formular der Beigeladenen ausdrücklich die Frage verneint, die Hilfsmittel verbindlich bestellt oder bereits gekauft zu haben. Diese Angabe hat er im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals bekräftigt. Auch in seinem Widerspruchsschreiben vom 21. September 2016 hatte er angegeben, dass er sich die beantragten Hilfsmittel (erst) nach einer Frist von 14 Tagen selbst beschaffen werde.
Aus dem Umstand, dass der Kläger die Hörgeräte Widex Unique U-XP 440 ab dem 15. März 2016 behalten und an die Hörgeräteakustikerin nicht zurückgeben hat, ist nicht abzuleiten, dass auch ein zivilrechtlich bindendes Verpflichtungsgeschäft unter Inkaufnahme des Eigenanteils vorgelegen hat. Denn im Rahmen der Hörgeräteversorgung sind, was die Hörgeräteakustikerin bestätigt hat, längere Testphasen mit der Möglichkeit der Rückgabe nicht ungewöhnlich. In Übereinstimmung damit hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wiederholt, dass er die Hörgeräte während des Zeitraumes bis zur endgültigen Beschaffung am 2. November 2016 habe zurückgeben können und die Rückgabe der Hörgeräte mit Blick auf das Verwaltungsverfahren bei der Beklagten auch ständig im Raum gestanden habe. Erst nach Kenntnis des Gutachtens des MDK Berlin-Brandenburg vom 13. Oktober 2016, nach dem er mit keiner abschließenden positiven Entscheidung der Beklagten habe rechnen können, habe er sich zum Kauf der Hörgeräte Widex Unique U-XP 440 endgültig entschlossen. Der Senat hatte keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben des Klägers rein verfahrensangepasst waren, zumal der Hinweis auf das ausschlaggebende Ergebnis, nämlich die weiteren medizinischen Ermittlungen der Beklagten, schlüssig war.
Auch die Tatsache, dass der Kläger die Empfangsbestätigung am 3. März 2016 mit der darin enthaltenen Formulierung: „Es ist mein ausdrücklicher Wunsch, keine aufzahlungsfreie Hörgeräteversorgung zu erproben.“ unterschrieben und in der Kostenaufstellung vom 15. März 2016 angegeben hatte, die Leistung erhalten zu haben, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn insoweit hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachvollziehbar erklärt, dass ihm die Hörgeräteakustikerin zu verstehen gegeben habe, dass es sich um eine Formalie handele, dies aber nichts an dem Rückgaberecht bezüglich der Hörgeräte ändere. Insofern spricht gegen eine Wertung der von dem Kläger unterschriebenen Angaben als, wie die Beklagte meint, Beweis seiner Vorfestlegung, dass er zu dieser Zeit noch von einer Zuständigkeit der Beigeladenen ausgegangen war und der Vordruck zur Empfangsbestätigung des Versicherten zur zuzahlungspflichtigen Hörsystemversorgung (Anhang 4.2) keine andere Möglichkeit vorsah als die Angaben zu bestätigen, dass sich der Versicherte für eine Versorgung mit Aufzahlung entschieden, er das Hörsystem erhalten habe und mit der von ihm zu leistenden Vergütung einverstanden sei. Dass die Hörgeräteakustikerin mit dieser, vom Kläger so bezeichneten Formalie, eine frühzeitige Erstattung des Festbetrages erreichen wollte, kann dem Kläger, der sich über die mögliche Tragweite der von ihm unterzeichneten Empfangsbestätigung offenbar nicht im Klaren war, nicht zum Nachteil gereichen.
Der Senat konnte dem Sozialgericht auch insoweit nicht folgen, als dem Kläger von der Hörgeräteakustikerin bezüglich des Kaufpreises tatsächlich am 15. März 2016 ein Zahlungsaufschub eingeräumt worden sei, der nur notwendig gewesen sei, wenn bereits vor der Rechnungslegung am 2. November 2016 ein Kaufvertrag zustande gekommen wäre. Die Hörgeräteakustikerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht entgegen einer früheren Angabe im Verfahren richtiggestellt, dass es keinen Zahlungsaufschub gegeben habe und der Kläger die Hörgeräte habe jederzeit zurückgeben dürfen. Selbst wenn der Hörgeräteakustikerin als einer in kaufmännischen Angelegenheiten vertrauten Händlerin die zivilrechtliche Bedeutung eines Zahlungsaufschubes klar gewesen sein sollte, war zu würdigen, dass auch ihres Erachtens die Kaufentscheidung des Klägers mit der Rechnungslegung getroffen worden und erst dann eine endgültige Übergabe der Hörgeräte erfolgt sei. Diese Angaben entsprechen denen des Klägers, der auf die Frage des Senats, warum er die Hörgeräte trotz behauptetem Rückgaberecht auch nach einem längeren Zeitraum nicht zurückgegeben habe, auf den Verlauf des Widerspruchsverfahrens bei der Beklagten Bezug genommen hat. Auch diese widerspruchsfrei dargestellten inneren Tatsachen sprechen dagegen, dass der Kläger bereits am 15. März 2016 einem bloßen Motivirrtum unterliegend, die Beigeladene werde die Hörgeräteversorgung wie in der Vergangenheit übernehmen, eine endgültige Kaufentscheidung getroffen hatte. Mangels weiterer tatsächlicher Anknüpfungspunkte im Zeitraum zwischen Beendigung der Testphase am 15. März 2016 und der Rechnungslegung am 2. November 2016 ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die endgültige Kaufentscheidung des Klägers Widex Unique U-XP 440 erst am 2. November 2016 und damit nach der ablehnenden Entscheidung der Beklagten erfolgte. Die infolge der Selbstbeschaffung entstandenen gegenständlichen Kosten beruhen kausal auf der rechtswidrigen Ablehnung dieser Kosten durch die Beklagte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da ein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegt.