1. Der Erhalt der Arbeitnehmereigenschaft in unmittelbarer Anwendung des Art. 45 AEUV kommt nicht in Betracht, wenn eine Frau, die ihre Arbeitstätigkeit im Spätstadium der Schwangerschaft aufgegeben hat, erst rund zweieinhalb Jahre nach der Geburt wieder eine Erwerbstätigkeit aufnimmt (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 – C-507/12 – „Saint Prix“). 2. Auch unter Berücksichtigung des in Art. 18 Abs. 1 AEUV statuierten Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit kann § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG i. V. m. § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU (in der bis zum 23. November 2020 geltenden Fassung; jetzt: § 11 Abs. 14 Satz 1 Frei-zügG/EU) dem sorgeberechtigten Elternteil eines – wegen der Begleitung des anderen Elternteils nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU i. V. m. § 3 Abs. 1 FreizügG/EU seinerseits freizügigkeitsberechtigten – minderjährigen Unionsbürgers kein Aufenthaltsrecht vermitteln. Vielmehr findet § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG – gemäß seinem Wortlaut – nur auf den Elternteil eines (minderjährigen) Deutschen Anwendung. 3. Die Schutzwirkungen, die aufgrund von Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG von der familiären Bindung einer Ausländerin zu ihrem Kind und ihrem Lebensgefährten ausgehen, sind zwar bei der Auslegung der Normen des AufenthG zu berücksichtigen, erlauben es dem Senat aber nicht, sich über einzelne Tatbestandsmerkmale dieser Vorschriften hinwegzusetzen.
Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. März 2017 aufgehoben. Die gegen den Beklagten gerichtete Klage wird abgewiesen.
Der Beigeladene wird dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII für die Zeit vom 2. März 2016 bis zum 31. August 2016 zu gewähren.
Der Beigeladene hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit stehen existenzsichernde Leistungen für die Zeit vom 2. März bis 31. August 2016.
Die 1992 geborene Klägerin ist bulgarische Staatsangehörige. Sie hält sich seit dem 2. Januar 2013 in der Bundesrepublik Deutschland auf.
Vom 25. August 2014 bis zum 24. August 2015 war die Klägerin als Reinigungskraft bei der K GmbH angestellt, wobei sie dieser Tätigkeit tatsächlich jedenfalls ab dem 26. April 2015 wegen eines Beschäftigungsverbots bei Schwangerschaft nicht mehr nachging.
Am xx.xx.2015 kam die Tochter der Klägerin, M H, zur Welt. Vater des Kindes ist der 1991 geborene Lebensgefährte der Klägerin, Herr M H. Die Tochter und der Lebensgefährte sind ebenfalls Bulgaren. Der Lebensgefährte hält sich seit Oktober 2012 dauerhaft in der Bundesrepublik auf; zuvor hatte er bereits 2009 und 2010 für rund sechs bzw. rund neun Monate in Deutschland gelebt und war anschließend jeweils wieder nach Bulgarien zurückgekehrt.
Im streitbefangenen Zeitraum lebte die Klägerin zusammen mit ihrem Lebensgefährten und ihrer Tochter in einer Mietwohnung unter der im Rubrum genannten Anschrift. Die Miete belief sich auf monatlich 585,- Euro. Die Klägerin erhielt Elterngeld in Höhe von monatlich 150,- Euro (Hälfte des Mindestbetrags von 300,- Euro wegen Inanspruchnahme der Verlängerungsoption). Außerdem wurde Kindergeld in Höhe von monatlich 190,- Euro an sie gezahlt.
Der Lebensgefährte der Klägerin war ab dem 2. März 2016 (und durchgängig über August 2016 hinaus) als Reinigungskraft beschäftigt. Er erzielte aus dieser Erwerbstätigkeit Einkünfte, die sich im streitgegenständlichen Zeitraum auf zwischen 422,80 Euro und 576,93 Euro netto pro Monat beliefen und jeweils im Folgemonat ausgezahlt wurden.
Mit Bescheid vom 16. März 2016 bewilligte der Beklagte dem Lebensgefährten sowie der gemeinsamen Tochter für die Zeit vom 2. März bis 31. August 2016 (vorläufig) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Zugleich lehnte er es ab, der Klägerin solche Leistungen zu gewähren mit der Begründung, dass sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zwecke der Arbeitsuche ergebe.
Am 17. Mai 2016 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) die Überprüfung des Bescheids vom 16. März 2016. Zugleich stellte sie einen erneuten Leistungsantrag.
Der Beklagte lehnte, jeweils mit Bescheid vom 7. Juni 2016, beide Anträge ab. Die gegen diese beiden Bescheide eingelegten Widersprüche der Klägerin wies er mit einem Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2016 zurück. Er begründete seine Entscheidung damit, dass die Klägerin gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sei.
Am 15. Juli 2016 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben und geltend gemacht, dass ihr ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II zustehe. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II greife nicht ein. Aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 30. Januar 2013 (B 4 AS 54/12 R) gehe hervor, dass aus § 11 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) in Verbindung mit der Auffangregelung des § 7 Abs. 1 Satz 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in begründeten Fällen Aufenthaltserlaubnisse auch für nicht ausdrücklich erfasste Aufenthaltszwecke folgten. Der dortige Fall habe die Konstellation zweier Partner mit Kind betroffen, von denen einer ein Daueraufenthaltsrecht innegehabt habe. Entsprechendes gelte, wenn einer der Partner ein „besseres“ Aufenthaltsrecht als ein solches zur Arbeitsuche habe – wie hier ihr Lebensgefährte aufgrund seiner Arbeitstätigkeit. Aufgrund des gemeinsamen Kindes, das einen aus Art. 6 Grundgesetz (GG) geschützten Anspruch auf Ermöglichung und Aufrechterhaltung eines familiären Bezugs zu beiden Elternteilen von Geburt an habe, ergäben sich aufenthaltsrechtliche Vor- und Schutzwirkungen in Bezug auf das Aufenthaltsrecht der Eltern. Alles andere würde zu nicht zu rechtfertigenden Diskriminierungen von hier aufenthalts- und leistungsberechtigten EU-Ausländern führen.
Während des Klageverfahrens hat das Sozialgericht den Beklagten in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren verpflichtet, der Klägerin vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II „in gesetzlicher Höhe“ für die Zeit vom 15. Juli bis 31. August 2016 zu gewähren (Beschluss vom 5. August 2016 zum Aktenzeichen S 136 AS 10186/16 ER). Der Beklagte hat der Klägerin in Umsetzung dieses Beschlusses Leistungen für diese beiden Monate ausgezahlt.
Mit Gerichtsbescheid vom 16. März 2017 hat das Sozialgericht den Beklagten verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 2. März bis 31. August 2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dem Grunde nach zu gewähren. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die Klägerin die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfülle und dass auch kein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II greife. Zwar verfüge die Klägerin nicht über ein von ihrem Partner abgeleitetes Aufenthaltsrecht als Familienangehörige gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 6 und § 3 FreizügG/EU, da sie mit ihm nicht verheiratet sei. Auch ihre Tochter vermittle ihr kein Aufenthaltsrecht nach dieser Norm. Gleichwohl dürfe die Klägerin aufgrund von Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG nicht von ihrer Familie getrennt werden. Der Partner der Klägerin verfüge über ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer gemäß § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU. Das Aufenthaltsrecht ihrer Tochter folge aus § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6 und § 3 Abs. 1 FreizügG/EU. Zwar gewähre Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG nicht unmittelbar ein Aufenthaltsrecht. Nach dieser Norm stehe die Familie aber unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Dem Schutz der Familie kämen aufenthaltsrechtliche Wirkungen für den Aufenthaltsstatus eines Familienangehörigen zu. Von der Schutzpflicht des Staates aus Art. 6 GG seien insbesondere die Rechtsposition des Kindes sowie dessen Anspruch auf Ermöglichung bzw. Aufrechterhaltung eines familiären Bezugs zu beiden Elternteilen von Geburt an betroffen. Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 30. Januar 2013 (B 4 AS 54/12 R) werde bereits für schwangere Unionsbürgerinnen ein Aufenthaltsrecht begründet, wenn wegen zeitnaher Geburt des Kindes die Familiengründung bevorstehe. Erst recht müsse das Aufenthaltsrecht dann bei bereits bestehender Familie gegeben sein. Es handle sich um ein Aufenthaltsrecht aus familiären Gründen, das aus dem Zusammenleben der Partner mit einem gemeinsamen Kind folge und damit um ein anderes Aufenthaltsrecht als das der Arbeitsuche. Die Tochter der Klägerin dürfe nicht von der Erziehungsleistung eines ihrer Elternteile – hier der Mutter – ausgeschlossen werden. Aufgrund ihres jungen Alters sei sie im streitigen Bewilligungsabschnitt noch besonders auf beide Elternteile angewiesen gewesen.
Gegen den ihm am 23. März 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Beklagte am 21. April 2017 Berufung eingelegt, worauf der Senat den Sozialhilfeträger beigeladen hat (Beschluss vom 14. September 2020).
Der Beklagte macht weiterhin geltend, die Klägerin sei im streitigen Zeitraum gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen gewesen. Die Klägerin habe weder Arbeitnehmerstatus nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU noch Selbständigenstatus nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU gehabt. Auch ein Aufenthaltsrecht als Familienangehörige gemäß §§ 3, 4 FreizügG/EU komme nicht in Betracht. Ebenso wenig ergebe sich ein Aufenthaltsrecht aus § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Es sei kein überzeugender Grund ersichtlich, die zuletzt genannte Vorschrift in Anwendung des Diskriminierungsverbots aus Art. 18 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) dergestalt zu interpretieren, dass sie – neben dem Nachzug zu einem minderjährigen ledigen Deutschen – auch den Nachzug zu einem minderjährigen ledigen Unionsbürger mit Aufenthaltsrecht und gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland regle. Der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 30. Januar 2013 (B 4 AS 54/12 R) habe ein besonders gelagerter Einzelfall zugrunde gelegen, in dem eine risikoschwangere Unionsbürgerin aus Bulgarien für die letzten Wochen vor der Niederkunft nicht von SGB II-Leistungen ausgeschlossen werden sollte, weil sie sich ohnehin mit der Geburt des Kindes auf ein Aufenthaltsrecht in direkter Anwendung des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG hätte berufen können. Auch die Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts nach § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU i. V. m. § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG dürften nicht gegeben sein. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass das der Ausländerbehörde nach dieser Vorschrift eingeräumte Ermessen hinsichtlich der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf Null reduziert sei, zumal die Ausländerbehörde die Möglichkeit der Versagung der Aufenthaltserlaubnis nach § 27 Abs. 3 Satz 1 AufenthG habe. Schließlich ergebe sich ein Aufenthaltsrecht nicht unmittelbar aus Art. 6 GG.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. März 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise, den Beigeladenen zu verurteilen, ihr Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) für die Zeit vom 2. März 2016 bis zum 31. August 2016 zu gewähren sowie die Krankenkassenbeiträge für diese Zeit zu übernehmen.
Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er trägt vor, dass dem ersatzweisen Zugang zu Leistungen nach dem SGB XII kein grundsätzliches Hindernis entgegenstehe, wenn durch den Senat festgestellt werde, dass die Entscheidung des Beklagten über den Ausschluss der Klägerin von Leistungen nach dem SGB II rechtlich zutreffend sei.
Die Klägerin hat im November 2017 erstmals nach der Geburt ihrer Tochter wieder eine Erwerbstätigkeit aufgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der beigezogenen Gerichtsakte zu dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren (S 136 AS 10186/16 ER) verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft (vgl. § 143 Sozialgerichtsgesetz – SGG) sowie nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Berufung ist zudem begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide des Beklagten aufgehoben und diesen zur Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II verurteilt. Auf den Hilfsantrag der Klägerin war vielmehr der Beigeladene zu verurteilen, ihr Leistungen nach dem SGB XII für die hier streitige Zeit vom 2. März bis 31. August 2016 zu gewähren.
I. Gegenstand des Berufungsverfahrens sind neben der Entscheidung des Sozialgerichts die beiden Bescheide des Beklagten vom 7. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Juli 2016.
Mit dem einen Bescheid vom 7. Juni 2016 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Juli 2016) hat der Beklagte den (erneuten) Leistungsantrag der Klägerin vom 17. Mai 2016 abgelehnt. Insoweit ist die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG) statthafte Klage gerichtet auf die Aufhebung dieser Ablehnungsentscheidung und die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dem Grunde nach für die Zeit vom 1. Mai bis 31. August 2016.
Mit dem weiteren Bescheid vom 7. Juni 2016 (ebenfalls in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Juli 2016) hat der Beklagte den Überprüfungsantrag der Klägerin vom 17. Mai 2016 abgelehnt. Insoweit verfolgt die Klägerin ihr Begehren zulässig mit einer kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage, gerichtet auf die Aufhebung eben dieses Bescheids, die Verpflichtung des Beklagten zur teilweisen Rücknahme des Bescheids vom 16. März 2016 sowie die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Ihr Begehren hat die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich auf die Zeit ab 2. März 2016 beschränkt. Unter Berücksichtigung ihres Rechtsschutzziels ist außerdem davon auszugehen, dass sie im Überprüfungsverfahren lediglich Leistungen bis zum 30. April 2016 erstrebt, weil der daran anschließende Zeitraum – wie oben gezeigt – bereits von der Klage gegen denjenigen Bescheid vom 7. Juni 2016 umfasst ist, mit dem der (erneute) Leistungsantrag vom 17. Mai 2016 abgelehnt worden ist.
Hilfsweise begehrt die Klägerin die Verurteilung des Beigeladenen zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII.
II. Die Zulässigkeit der Klage wird nicht dadurch berührt, dass die Klägerin in Umsetzung des im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangenen Beschlusses des Sozialgerichts vom 5. August 2016 (S 136 10186/16 ER) bereits Leistungen vom Beklagten erhalten hat. Zum einen war dies nur für einen Teil des hier streitigen Zeitraums der Fall. Zum anderen hat sich der Rechtsstreit auch nicht teilweise dadurch erledigt, dass für den Fall der nunmehr beantragten hilfsweisen Verurteilung des Beigeladenen die Leistungserbringung des Sozialhilfeträgers bereits (teilweise) als erfüllt im Sinne des § 107 Abs. 1 SGB X gilt (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R –, SozR 4-4200 § 7 Nr. 43, juris Rn. 14).
III. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sind die beiden Bescheide des Beklagten vom 7. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Juli 2016 rechtmäßig. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheids vom 16. März 2016 und Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 2. März bis 30. April 2016. Sie hat auch keinen Anspruch auf solche Leistungen für die Zeit vom 1. Mai bis 31. August 2016.
1. Rechtliche Grundlage des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind die §§ 19 ff. SGB II i. V. m. §§ 7 ff. SGB II. Anzuwenden sind diese Vorschriften in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung (Geltungszeitraumprinzip; vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016 – B 14 AS 53/15 R –, SozR 4-4200 § 11 Nr. 78, juris Rn. 14). Soweit die Klägerin ihren Anspruch im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens verfolgt (betrifft: Zeitraum vom 2. März bis 30. April 2016), ist ferner § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X i. V. m. § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II maßgebend. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts (hier: des Ablehnungsbescheids vom 16. März 2016) das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.
2. Die Klägerin erfüllte im streitigen Zeitraum durchaus die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II, insbesondere war sie hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II i. V. m. § 9 SGB II. Auszugehen ist von einem monatlichen Gesamtbedarf der Klägerin und der mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 SGB II) lebenden Personen in Höhe von 1.550 Euro. Dieser setzt sich zusammen aus einem Regelbedarf nach der Regelbedarfsstufe 2 für die Klägerin und ihren Lebensgefährten in Höhe von jeweils 364,- Euro und nach der Regelbedarfsstufe 6 für die gemeinsame Tochter in Höhe von 237,- Euro (§ 20 SGB II, § 8 Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz – RBEG – in der Fassung vom 24. März 2011, § 2 Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2016 – RBSFV 2016 – vom 22. Oktober 2015) sowie den kopfteilig umzulegenden Bedarfen für Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) in Höhe von jeweils 195,- Euro (1/3 von 585,- Euro). Mit dem zu berücksichtigenden Einkommen (Elterngeld, Kindergeld, Erwerbstätigeneinkommen des Lebensgefährten) konnte der Bedarf ersichtlich nicht vollständig gedeckt werden. Zu berücksichtigendes Vermögen stand nicht zur Verfügung.
3. Gleichwohl besteht der von der Klägerin gegen den Beklagten geltend gemachte Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II nicht, weil die Klägerin von solchen Leistungen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in der hier maßgeblichen, bis zum 28. Dezember 2016 geltenden Fassung (a. F.) ausgeschlossen war.
Ausgenommen sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II a. F. Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Von diesem Leistungsausschluss umfasst sind erst recht die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der EU, die keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen (EU-Ausländer) und nicht über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG verfügen (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R –, SozR 4-4200 § 7 Nr. 43, juris Rn. 19 ff.; so seit dem 29. Dezember 2016 auch § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a SGB II).
Die Ausschlussregelung erfordert bei Unionsbürgern regelmäßig eine fiktive Prüfung des Grundes bzw. der Gründe der Aufenthaltsberechtigung. Bereits das Vorhandensein eines Aufenthaltsrechts aus einem anderen Grund als dem Zweck der Arbeitsuche hindert die Feststellung eines Aufenthaltsrechts „allein aus dem Zweck der Arbeitsuche“ im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II a. F. (BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 54/12 R –, SozR 4-4200 § 7 Nr. 34, juris Rn. 23-24).
Auf eine unionsrechtliche Freizügigkeitsberechtigung, die nicht von dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II a. F. umfasst ist, oder ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG konnte sich die Klägerin im streitigen Zeitraum indes nicht berufen.
a) Die Klägerin war in der Zeit von März bis August 2016 nicht als Arbeitnehmerin nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt. Sie war lediglich bis 2015 als Reinigungskraft tätig. Danach hat sie keine Beschäftigung mehr ausgeübt.
b) Die Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmerin wirkte im streitigen Zeitraum auch nicht (mehr) fort.
aa) Der Verlängerungstatbestand des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU, wonach für Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätige die Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU bei vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall unberührt bleibt, ist nicht einschlägig. Eine Schwangerschaft ist weder eine Krankheit noch ein Unfall und kann somit auch keine vorübergehende Erwerbsminderung im Sinne dieser Vorschrift begründen (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. Januar 2017 – L 20 AS 2483/16 B ER –, juris Rn. 17; vgl. auch EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 – C-507/12 – „Saint Prix“, juris Rn. 27 ff. zu Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten; im Folgenden: Unionsbürgerrichtlinie).
bb) Ebenso wenig greift der Verlängerungstatbestand nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU ein. Nach dieser Vorschrift bleibt das Recht auf Aufenthalt aus § 2 Abs. 1 FreizügG/EU für Arbeitnehmer unberührt bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach mehr als einem Jahr Tätigkeit. Ein solcher Sachverhalt ist hier nicht gegeben. Die Klägerin stand lediglich vom 25. August 2014 bis zum 24. August 2015 – und damit jedenfalls nicht mehr als ein Jahr lang – in einem Beschäftigungsverhältnis als Reinigungskraft. Tatsächlich hat sie diese Arbeit spätestens ab dem 26. April 2015 auch gar nicht mehr ausgeübt.
cc) Eine Fortgeltung der Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmerin bestand für die hier streitige Zeit auch nicht nach dem Verlängerungstatbestand des § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU. Das Recht auf Aufenthalt bleibt nach dieser Vorschrift nach weniger als einem Jahr Beschäftigung lediglich während der Dauer von sechs Monaten bestehen. Dieser Zeitraum war im März 2016 längst abgelaufen.
dd) Schließlich kann der Erhalt der Freizügigkeit als Arbeitnehmerin hier nicht über eine unmittelbare Anwendung des Art. 45 AEUV begründet werden. Die Vorschrift gewährleistet innerhalb der Union die Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Die Tragweite des Arbeitnehmerbegriffs im Sinne des AEUV wird durch die Unionsbürgerrichtlinie und das diese Richtlinie umsetzende nationale Recht (hier: FreizügG/EU) nicht beschränkt, weshalb eine unmittelbare Anwendung des Art. 45 AEUV weiterhin in Betracht kommt (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 – C-507/12 – „Saint Prix“, juris Rn. 32). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Art. 45 AEUV dahin auszulegen, dass eine Frau, die ihre Erwerbstätigkeit wegen der körperlichen Belastungen im Spätstadium ihrer Schwangerschaft und nach der Geburt des Kindes aufgibt, die Arbeitnehmerschaft im Sinne dieser Vorschrift behält, sofern sie innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach der Geburt ihres Kindes ihre Beschäftigung wieder aufnimmt oder eine andere Stelle findet (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014, a. a. O., Rn. 40 ff.). Bei der Frage, ob der zwischen der Geburt des Kindes und der Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit liegende Zeitraum als „angemessen“ angesehen werden kann, hat das nationale Gericht alle konkreten Umstände des Ausgangsverfahrens und die für die Dauer des Mutterschaftsurlaubs geltenden nationalen Vorschriften im Einklang mit Art. 8 der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014, a. a. O., Rn. 42). Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin nicht erhalten geblieben. Ihre Tätigkeit als Reinigungskraft hatte die Klägerin (spätestens) am 26. April 2015 eingestellt. Am 22. Mai 2015 gebar sie ihre Tochter. Anschließend hat sie weder die bis dahin ausgeübte Arbeitstätigkeit als Reinigungskraft bei der Ken Gebäudeservice GmbH fortgesetzt noch sich zeitnah eine neue Stelle gesucht. Erst im November 2017 hat sie wieder eine Beschäftigung aufgenommen. Der Zeitraum zwischen der Geburt des Kindes und der Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit betrug mithin rund zweieinhalb Jahre; er kann nicht mehr als angemessen im Sinne der EuGH-Rechtsprechung angesehen werden, zumal zu berücksichtigen ist, dass die Schutzfrist, innerhalb derer ein Arbeitgeber eine Frau nach der Entbindung nicht beschäftigen darf, nach dem hier maßgebenden nationalen Recht regelmäßig bereits acht Wochen nach der Entbindung endet (vgl. § 6 Mutterschutzgesetz – MuSchG – in der seinerzeit geltenden Fassung bzw. § 3 Abs. 2 MuSchG in der aktuellen Fassung).
c) Ebenso wenig verfügte die Klägerin über ein Daueraufenthaltsrecht gemäß § 4a FreizügG/EU. Nach § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU haben Unionsbürger, die sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU das Recht auf Einreise und Aufenthalt (Daueraufenthaltsrecht). Diese Voraussetzungen waren im streitbefangenen Zeitraum noch nicht erfüllt, da sich die Klägerin erst seit Januar 2013 in der Bundesrepublik Deutschland aufhält. Ersichtlich ist auch keine andere der in § 4a FreizügG/EU geregelten Fallgruppen einschlägig.
d) Aus einer Stellung als Familienangehörige (§ 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU i. V. m. § 3 FreizügG/EU) lässt sich im vorliegenden Fall ein Aufenthaltsrecht der Klägerin ebenfalls nicht herleiten. Zu den Familienangehörigen gehören gemäß § 3 Abs. 2 FreizügG/EU (in der hier maßgebenden, bis zum 23. November 2020 geltenden Fassung) der Ehegatte, der Lebenspartner und die Verwandten in gerader absteigender Linie der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 und 7 FreizügG/EU genannten Personen oder ihrer Ehegatten oder Lebenspartner, die noch nicht 21 Jahre alt sind (Nr. 1) und die Verwandten in gerader aufsteigender und in gerader absteigender Linie der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 und 7 FreizügG/EU genannten Personen oder ihrer Ehegatten oder Lebenspartner, denen diese Personen oder ihre Ehegatten oder Lebenspartner Unterhalt gewähren (Nr. 2). Keiner dieser Tatbestände ist hier gegeben. Mit ihrem Lebensgefährten war die Klägerin im streitbefangen Zeitraum nicht verheiratet und es bestand auch keine Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG). Die Tochter der Klägerin gehörte nicht zu den in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 und 7 FreizügG/EU genannten Personen; sie war ihrerseits lediglich als Familienangehörige ihres Vaters – des Lebensgefährten der Klägerin – nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt.
Soweit nach § 3a FreizügG/EU einer „nahestehenden Person“ eines Unionsbürgers unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet verliehen werden kann, kann sich die Klägerin hierauf (schon deshalb) nicht berufen, weil diese Vorschrift erst durch Gesetz zur aktuellen Anpassung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften vom 12. November 2020 (BGBl. I S. 2416) in das FreizügG/EU aufgenommen worden ist und dementsprechend im streitbefangenen Zeitraum noch gar nicht galt.
e) Ferner ergibt sich ein Aufenthaltsrecht der Klägerin nicht aus den Vorschriften des AufenthG.
Grundsätzlich ist das AufenthG nur für Drittstaatsangehörige anwendbar (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG). Es findet jedoch auch auf Unionsbürger ausnahmsweise Anwendung, wenn es eine günstigere Rechtsstellung vermittelt als das FreizügG/EU (§ 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU in der hier maßgebenden, bis zum 23. November 2020 geltenden Fassung; jetzt: § 11 Abs. 14 Satz 1 FreizügG/EU). Im Falle der Klägerin ist jedoch keiner der im AufenthG geregelten Tatbestände erfüllt.
aa) Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich ein Aufenthaltsrecht nicht aus § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG herleiten. Nach dieser Vorschrift kann eine Aufenthaltserlaubnis in begründeten Fällen auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Allerdings können eheähnlich zusammenlebende heterosexuelle Paare weder aus dem Auffangtatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG noch aus dem europäischen Recht ein Aufenthaltsrecht zur Familienzusammenführung ableiten, weil der Familiennachzug in § 3 FreizügG/EU und den §§ 27 ff. AufenthG abschließend geregelt ist. Da nichteheliche Lebensgemeinschaften von den ausdrücklichen Regelungen gerade nicht erfasst sind, ist die Anwendung von § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG grundsätzlich gesperrt (BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 54/12 R –, SozR 4-4200 § 7 Nr. 34, juris Rn. 33).
bb) Auf ein Aufenthaltsrecht aus familiären Gründen nach §§ 27 ff. AufenthG kann sich die Klägerin ebenfalls nicht berufen.
(1) Ein solches Aufenthaltsrecht ergibt sich insbesondere nicht aus § 28 AufenthG. Die Vorschrift regelt den Familiennachzug zu Deutschen. Eine Aufenthaltserlaubnis ist danach unter anderem dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG). Die Tochter der Klägerin ist indes nicht Deutsche, sondern Bulgarin, weshalb der Tatbestand dieser Norm hier nicht erfüllt ist.
Zwar wird teilweise vertreten, dass § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG aufgrund des in Art. 18 Abs. 1 AEUV statuierten Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit auch dem sorgeberechtigten Elternteil eines – wegen der Begleitung des anderen Elternteils nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU i. V. m. § 3 Abs. 1 FreizügG/EU seinerseits freizügigkeitsberechtigten – minderjährigen Unionsbürgers ein Aufenthaltsrecht vermitteln kann (so LSG NRW, Beschluss vom 30. Oktober 2018 – L 19 AS 1472/18 B ER –, juris Rn. 28 ff.; Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Auflage 2020, FreizügG/EU § 11 Rn. 37). Diese Auffassung ist jedoch nicht beifallswert. Vielmehr ist mit der ganz überwiegenden Meinung davon auszugehen, dass § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG – gemäß seinem Wortlaut – nur auf den Elternteil eines (minderjährigen) Deutschen Anwendung findet (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Mai 2017 – L 31 AS 1000/17 B ER –, juris Rn. 2 ff.; LSG NRW, Beschluss vom 27. Juli 2017 – L 21 AS 782/17 B ER –, juris Rn. 44 ff.; SG Berlin, Urteil vom 9. Juli 2018 – S 135 AS 23938/15 –, juris Rn. 54; wohl auch Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, 2. Update Mai 2021, FreizügG/EU § 11 Rn. 100). Das Diskriminierungsverbot des Art. 18 Abs. 1 AEUV gilt lediglich unbeschadet der besonderen Bestimmungen der Verträge und wird durch zahlreiche andere Vorschriften spezifiziert und konkretisiert. Der Regelung des Art. 18 Abs. 1 AEUV können keine weitergehenden Vorgaben entnommen werden als diejenigen, die in den besonderen Bestimmungen bzw. den spezifischen Diskriminierungsverboten enthalten sind (Epiney, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, AEUV Art. 18 Rn. 4 m. w. N.). Zu diesen besonderen Bestimmungen gehören unter anderem die Art. 45, 49 und 56 AEUV, also die Vorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit, sowie die Regelungen der Unionsbürgerrichtlinie. Die Unionsbürgerrichtlinie regelt im Einzelnen die Bedingungen, unter denen Unionsbürger und ihre Familienangehörigen ihr Recht auf Freizügigkeit innerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten wahrnehmen können, das Recht dieser Personen auf Daueraufenthalt sowie die Beschränkungen dieser Rechte (vgl. insbesondere Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie, der eine ausdrückliche Ausnahme vom Diskriminierungsverbot enthält). Das ausdifferenzierte Normprogramm, dass der Unionsbürgerrichtlinie (und dem sie umsetzenden nationalen Recht: FreizügG/EU) zugrunde liegt, würde durch die von der Gegenauffassung befürwortete Anwendung des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG auf den Elternteil eines minderjährigen Unionsbürgers vollkommen ausgehöhlt.
(2) Ein Aufenthaltsrecht der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 29 AufenthG (hier anwendbar in der bis zum 31. Juli 2017 geltenden Fassung). Für den Familiennachzug zu einem Ausländer muss nach Abs. 1 dieser Vorschrift der Ausländer, zu dem der Nachzug angestrebt wird (Stammberechtigter), eine Niederlassungserlaubnis, Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU, Aufenthaltserlaubnis oder eine Blaue Karte EU besitzen und ausreichender Wohnraum zur Verfügung stehen. Weder die Tochter noch der Lebensgefährte der Klägerin verfügte im streitbefangenen Zeitraum über einen der in dieser Norm genannten Aufenthaltstitel. Es lag insbesondere keine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU (§ 9a AufenthG) vor. Auf das Erfordernis eines solchen Aufenthaltstitels des Stammberechtigten kann selbst unter dem Gesichtspunkt, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts lediglich eine „fiktive Prüfung“ der Gründe für das Bestehen eines anderweitigen Aufenthaltsrechts vorzunehmen ist, nicht verzichtet werden. Der vom Bundessozialgericht angelegte Prüfungsmaßstab bezieht sich allein auf die Frage, ob der Hilfesuchende (hier: die Klägerin) die Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts aus einem anderen Grund als dem Zweck der Arbeitsuche erfüllt und hat seinen Ursprung in der spezifischen ausländerrechtlichen Stellung von Unionsbürgern (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 54/12 R –, SozR 4-4200 § 7 Nr. 34, juris Rn. 28). Um ein „fiktives Aufenthaltsrecht“ der Klägerin bejahen zu können, müssen somit zunächst einmal die Tatbestandsmerkmale des § 29 Abs. 1 AufenthG erfüllt sein, was nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift jedoch nur der Fall ist, wenn der Stammberechtigte (hier: die Tochter bzw. der Lebensgefährte der Klägerin) tatsächlich einen Aufenthaltstitel der genannten Art besitzt (vgl. Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, 2. Update Mai 2021, FreizügG/EU § 29 Rn. 5). Dass eine lediglich „fiktive Prüfung“ auch in Bezug auf die Person des Stammberechtigten vorzunehmen ist, lässt sich der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gerade nicht entnehmen.
(3) Schließlich begründet § 36 AufenthG (hier anwendbar in der bis zum 31. Juli 2017 geltenden Fassung) kein Aufenthaltsrecht der Klägerin.
Nach § 36 Abs. 1 AufenthG ist den Eltern eines minderjährigen Ausländers, der einen in dieser Vorschrift näher bezeichneten Aufenthaltstitel besitzt, abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG und § 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn sich kein personensorgeberechtigter Elternteil im Bundesgebiet aufhält. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind schon deshalb nicht erfüllt, weil die Tochter der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum keinen der in der Vorschrift genannten Aufenthaltstitel besaß.
Sonstigen Familienangehörigen eines Ausländers kann gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zum Familiennachzug eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist. Zu den „sonstigen Familienangehörigen“ gehören auch die Eltern (Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, Update Mai 2021, AufenthG § 36 Rn. 9). Eine außergewöhnliche Härte in diesem Sinne setzt grundsätzlich voraus, dass der schutzbedürftige Familienangehörige ein eigenständiges Leben nicht führen kann, sondern auf die Gewährung familiärer Lebenshilfe dringend angewiesen ist, und dass diese Hilfe in zumutbarer Weise nur in Deutschland erbracht werden kann, wobei ggf. unionsrechtliche Maßstäbe Berücksichtigung finden müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juli 2013 – 1 C 15/12 –, BVerwGE 147, 278, juris Rn. 12 und Rn. 27 ff.). Im Rahmen des § 36 Abs. 2 AufenthG sind zudem die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 5 AufenthG sowie die Versagungsgründe des § 27 Abs. 3 AufenthG anwendbar (Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht, Update Mai 2021, AufenthG § 36 Rn. 9). Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt danach in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs kann zudem versagt werden, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfindet, für den Unterhalt von Familienangehörigen auf Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII angewiesen ist (§ 27 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Ausgehend hiervon vermag der Senat nicht zu erkennen, dass die Klägerin aus § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ein Aufenthaltsrecht herleiten kann.
f) Ein Aufenthaltsrecht der Klägerin folgt schließlich nicht aus Art. 6 GG. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 – 2 BvR 1226/83 u. a. –, BVerfGE 76, 1; BVerfG, Beschluss vom 18. April 1989 – 2 BvR 1169/84 –, BVerfGE 80, 81). Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen. Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalls geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalls (BVerfG, Beschluss vom 1. Dezember 2008 – 2 BvR 1830/08 –, juris Rn. 26; BVerfG, Beschluss vom 9. Januar 2009 – 2 BvR 1064/08 –, juris Rn. 14).
Die Schutzwirkungen, die von der familiären Bindung der Klägerin zu ihrem Kind und ihrem Lebensgefährten ausgehen, sind somit zwar bei der Auslegung der Normen des AufenthG zu berücksichtigen, erlauben es dem Senat aber nicht, sich über einzelne Tatbestandsmerkmale dieser Vorschriften hinwegzusetzen, weshalb sich ein Aufenthaltsrecht der Klägerin nicht begründen lässt. Die Umstände des Einzelfalls, auf die nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abzustellen ist, sind hier im Übrigen dadurch geprägt, dass die Lebensgemeinschaft zwischen der Klägerin, ihrem Lebensgefährten und ihrem Kind im streitbefangenen Zeitraum keineswegs nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden konnte, sondern auch in dem Heimatland Bulgarien (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerfG, Beschluss vom 1. Dezember 2008 – 2 BvR 1830/08 –, juris Rn. 27), weshalb eine Trennung der Familie nicht zu befürchten war.
g) Mit dem hier gefundenen Ergebnis weicht der Senat nicht von dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 30. Januar 2013 (B 4 AS 54/12 R) ab. Der vorliegende Fall liegt gänzlich anders als derjenige, über den das Bundessozialgericht zu entscheiden hatte. Dort ging es um die aufenthaltsrechtlichen Vorwirkungen, die der bevorstehenden Geburt eines Kindes für den Aufenthaltsstatus eines Elternteils im Hinblick auf den Schutz der Familie gemäß Art. 6 GG zukommen können. Soweit das Bundessozialgericht solche Vorwirkungen zugunsten einer schwangeren Unionsbürgerin in dem konkreten Einzelfall bejaht hat, mag dies aufgrund der besonders gelagerten Sachverhaltskonstellation sachgerecht gewesen sein. Diese war dadurch gekennzeichnet, dass der Kindsvater – ein griechischer Staatsangehöriger – bereits einen mehr als achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland zurückgelegt hatte. Durch die Geburt im Inland erwirbt ein Kind ausländischer Eltern gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Insofern war – auch wenn das Bundessozialgericht dies nicht ausdrücklich hervorgehoben hat – im dortigen Fall zu erwarten, dass das Kind mit seiner Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben würde – mit der Folge, dass sich die Mutter auf § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG (in unmittelbarer Anwendung) würde berufen können. Der vorliegende Fall liegt anders, weil der Lebensgefährte der Klägerin sich zum Zeitpunkt der Geburt der gemeinsamen Tochter erst weniger als drei und zum Zeitpunkt des Beginns des streitbefangenen Zeitraums immer noch weniger als vier Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hatte.
h) Der Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II a. F. stehen keine europarechtlichen Bestimmungen entgegen. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind Regelungen eines Mitgliedstaats, nach denen Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten vom Zugang zu beitragsunabhängigen Sozialleistungen ausgeschlossen werden, wenn ihnen gar kein Aufenthaltsrecht zusteht (Rechtssache „Dano“, Urteil vom 11. November 2014 – C-333/13) oder wenn sich ihr Aufenthaltsrecht nur aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt (Rechtssache „Alimanovic“, Urteil vom 15. September 2015 – C-67/14), mit Unionsrecht vereinbar. Vor diesem Hintergrund besteht kein Zweifel daran, dass der Leistungsausschluss europarechtskonform ist.
i) Das Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) steht dem Leistungsausschluss der Klägerin als bulgarische Staatsangehörige ebenfalls nicht entgegen. Das EFA ist schon nach seinem persönlichen Anwendungsbereich nicht einschlägig, weil Bulgarien kein Unterzeichnerstaat dieses Abkommens ist.
j) Schließlich ist der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II a. F. mit dem Grundgesetz vereinbar (vgl. BSG, Urteil vom 30. August 2017 – B 14 AS 31/16 R –, SozR 4-4200 § 7 Nr. 53, juris Rn. 29 ff. m. w. N.).
Nach allem hat die Klägerin gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
IV. Auf den Hilfsantrag der Klägerin war der Beigeladene gemäß § 75 Abs. 5 SGG zu verurteilen, ihr Leistungen nach dem SGB XII für die hier streitige Zeit vom 2. März bis 31. August 2016 zu gewähren.
Der Anwendbarkeit des SGB XII auf die erwerbsfähige Klägerin steht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. etwa BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R –, SozR 4-4200 § 7 Nr. 43, juris Rn. 40 ff.; BSG, Urteil vom 30. August 2017 – B 14 AS 31/16 R –, SozR 4-4200 § 7 Nr. 53, juris Rn. 32 ff.; BSG, Urteil vom 9. August 2018 – B 14 AS 32/17 R –, SozR 4-4200 § 7 Nr. 57, juris Rn. 24 ff.), der sich der Senat anschließt, § 21 Satz 1 SGB XII nicht entgegen.
Die Klägerin unterlag dem Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung (a. F.). Insoweit gilt das oben zu § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II a. F. Gesagte sinngemäß auch hier. Beide Normen regelten bis zum 28. Dezember 2016 wortidentisch den Leistungsausschluss für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt.
Der Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII a. F. führt indes nicht zum Ausschluss auch von Ermessensleistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII (vgl. dazu im Einzelnen BSG, Urteil vom 30. August 2017 – B 14 AS 31/16 R –, SozR 4-4200 § 7 Nr. 53, juris Rn. 44 ff.; Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde hiergegen durch BVerfG, Beschluss vom 21. August 2018 – 1 BvR 2674/17 –, juris). Vielmehr kann auf der Grundlage von § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist.
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dieser Vorschrift ein Anspruch der Klägerin gegen den Beigeladenen auf Gewährung von Sozialhilfeleistungen. Die Klägerin erfüllte im streitigen Zeitraum die Leistungsvoraussetzungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 19 Abs. 1, 27 Abs. 1 SGB XII, insbesondere war sie hilfebedürftig. Das dem Beigeladenen durch § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII eingeräumte Ermessen ist in einem Fall wie dem vorliegenden dem Grunde und der Höhe nach hinsichtlich der Hilfe zum Lebensunterhalt auf Null reduziert.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, welcher der Senat auch insoweit folgt, kommt eine Ermessensreduktion im Rahmen des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII in Betracht, wenn sich der Aufenthalt von EU-Ausländern verfestigt hat, was regelmäßig ab einem sechsmonatigen Aufenthalt in Deutschland der Fall ist (vgl. etwa BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R –, SozR 4-4200 § 7 Nr. 43, juris Rn. 53 ff.; BSG, Urteil vom 30. August 2017 – B 14 AS 31/16 R –, SozR 4-4200 § 7 Nr. 53, juris Rn. 52 ff.). Eine derartige Verfestigung des tatsächlichen Aufenthalts der Klägerin ist jedenfalls in Bezug auf den streitbefangenen Zeitraum (März bis August 2016) zu bejahen. Die Klägerin hält sich bereits seit Januar 2013 in der Bundesrepublik auf. Der Zeitraum von sechs Monaten, nach dessen Ablauf typisierend von einer Aufenthaltsverfestigung auszugehen ist, war im März 2016 längst absolviert. Die Klägerin hatte zudem bereits eine Beschäftigung in Deutschland ausgeübt (2014 / 2015) und ein Kind zur Welt gebracht (2015). Bei einer solchen Sachlage ist das dem Beigeladenen durch § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII eingeräumte Ermessen auf Null reduziert.
V. Die Verurteilung des Beigeladenen hat der Senat im Wege eines Grundurteils (§ 130 SGG) ausgesprochen. Er hat daher davon abgesehen, die zu erbringenden Leistungen höhenmäßig zu beziffern oder auch nur die bei der Bestimmung der Anspruchshöhe zu berücksichtigenden Bedarfe im Einzelnen aufzuführen. Die von der Klägerin in ihrem (Hilfs-)Antrag erwähnte Übernahme von Krankenversicherungsbeiträgen ist Bestandteil der Hilfe zum Lebensunterhalt (vgl. § 32 SGB XII). Der Beigeladene wird daher bei der Umsetzung des vorliegenden Urteils diese Bedarfe nach Maßgabe der vorgenannten Vorschrift zu berücksichtigen haben. Eines expliziten Ausspruchs im Tenor des Urteils bedurfte es nicht.
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
VII. Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG vorliegen.