Über einen Kostenantrag nach § 109 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ist erst mit Rechtskraft der Endentscheidung des Sozialgerichts zu entscheiden.
Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juli 2021
– S 7 R 1825/16 – wird aufgehoben.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens
werden der Staatskasse auferlegt.
G r ü n d e :
I.
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. In diesem Zusammenhang erhob sie vor dem Sozialgericht Berlin die Klage S 7 R 1825/16, dabei wurde gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf ihren Antrag ein Gutachten eingeholt. Mit Gerichtsbescheid vom 23. April 2021 wurde später die Klage abgewiesen. Hiergegen legte die Klägerin am 6. Mai 2021 Berufung ein, die bei dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg unter dem Aktenzeichen L 6 R 283/21 geführt wird und über die noch nicht entschieden ist.
Am 14. Juli 2021 hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Berlin beantragt, die Kosten des nach § 109 SGG eingeholten Sachverständigengutachtens der Landeskasse aufzuerlegen. Dies hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 15. Juli 2021 abgelehnt. Das Gutachten habe die medizinische Sachaufklärung nicht gefördert. Zwar habe ein zuvor eingeholtes gerichtliches Gutachten für eine Überzeugungsbildung des Gerichtes nicht ausgereicht, allerdings hätte das Gericht auch ohne das hier in Rede stehende Gutachten und unabhängig von dessen Ergebnis ein weiteres Gutachten von Amts wegen beauftragt.
Am 17. August 2021 hat die Klägerin hiergegen Beschwerde eingelegt. Diese solle erst entschieden werden, wenn die Berufung abgeschlossen ist.
II.
1. Über die Beschwerde entscheidet der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern. Eine abweichende Regelung ergibt sich insbesondere nicht aus § 155 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGG (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 155 Rn. 9e).
Die Beschwerde ist statthaft, insbesondere ist sie nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung ist die Beschwerde gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193 ausgeschlossen. Vorliegend handelt es sich nicht um eine derartige Kostengrundentscheidung, sondern um eine Entscheidung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG. Zwar erscheint es widersprüchlich, dass gegen eine Kostengrundentscheidung des Sozialgerichts keine Beschwerde, gegen eine Entscheidung über die endgültige Kostentragung eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens hingegen eine solche gegeben ist. § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG ist hingegen eindeutig. Wegen des Grundsatzes der Rechtsmittelklarheit ist eine analoge Anwendung der Bestimmung auf Kostenentscheidungen nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht möglich (ebenso Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 109 Rn. 22).
Aus dem Beschwerdevortrag geht hervor, dass die Klägerin gegenwärtig keine endgültige Entscheidung anstrebt, sondern erreichen möchte, dass über ihren Antrag (erst dann) neu entschieden wird, wenn die rentenrechtliche Endentscheidung rechtskräftig geworden sein wird; der (Kosten-)Beschluss des Sozialgerichts vom 15. Juli 2021 über die Kostentragung des nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens solle bis dahin nicht rechtskräftig werden (zur Rechtskraft einer solchen Entscheidung s. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen (NW), Beschluss vom 28. Dezember 2009 – L 3 B 10/09 R –, Juris; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt SGG, 13. Auflage 2020, § 109 Rn. 18). Damit strebt sie im Ergebnis eine isolierte Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts über die Kostentragung an.
2. Die Beschwerde hat Erfolg. Der Beschluss des Sozialgerichts vom 15. Juli 2021 ist verfrüht ergangen. Er ist deshalb aufzuheben. Die Entscheidung über die Tragung der Kosten ist erst mit Rechtskraft der Endentscheidung des Sozialgerichts nach Abschluss der in der Sache eingelegten Berufung zu treffen.
Über den Kostenantrag gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG entscheidet endgültig das Gericht. Aus dem Wortlaut geht nicht hervor, wann eine solche Entscheidung ergehen darf. Systematische Gründe sprechen dafür, dass eine Entscheidung erst ergehen kann, wenn das Verfahren beendet ist und die Endentscheidung des Sozialgerichts rechtskräftig geworden ist. Dies ergibt sich aus § 193 Abs. 1 Sätze 1 und 3 SGG. Danach ist über die (Verfahrens-)Kosten im Urteil zu entscheiden oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss. Bei einer solchen Kostenentscheidung sind alle Umstände in den Blick zu nehmen, die im Verfahren bis dahin eine Rolle gespielt haben. Da die in einem Berufungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse bei der Entscheidung über die Kostenübernahme des nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens zu berücksichtigen sind (vgl. etwa LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28. August 2018 – L 11 R 183/18 B –; LSG NW, Beschluss vom 20. Juni 2017 – L 18 R 677/15 B –; Bayerisches LSG, Beschluss vom 12. August 2013 – L 15 SB 118/13 B –; jeweils Juris; Keller, a.a.O., § 109 Rn. 16a), ist vor einer Kostenentscheidung das § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG das Ende dieses gesamten Abschnitts, der für die Beurteilung den Blick zu nehmen ist, und damit die Rechtskraft der Endentscheidung des Sozialgerichts abzuwarten. Denn erst mit der maßgeblichen rechtskräftigen Endentscheidung kann beurteilt werden, ob das Gutachten die Sachaufklärung wesentlich gefördert hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Bei einem Erfolg der Beschwerde hat die Staatskasse dem Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten (vgl. LSG NW, Beschlüsse vom 23. Mai 2018 – L 21 SB 122716 B – und vom 20. Juni 2017 – L 18 R 677/15 B –, jeweils Juris; a. A. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. Oktober 2018 – L 11 R 3757708 KO –, Juris).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.