L 18 AS 1076/21 B ER RG

Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 128 AS 3190/21 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 1076/21 B ER RG
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 7. September 2021 wird als unzulässig verworfen.

 

Kosten sind im Anhörungsrügeverfahren nicht zu erstatten.

 

 

 

Gründe

 

 

Die Anhörungsrüge des Antragstellers gegen den Senatsbeschluss vom 7. September 2021 ist bereits unzulässig und war entsprechend zu verwerfen. Der Antragsteller hat eine entscheidungserhebliche Gehörsverletzung nicht dargetan.

 

Nach § 178a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist (Nr 1) und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (Nr 2). Mithin ist es Zulässigkeitsvoraussetzung einer Anhörungsrüge, dass der Antragsteller das Vorliegen der Voraussetzungen (auch) des § 178a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG schlüssig darlegt (vgl Bundessozialgericht <BSG>, Beschluss vom 7. April 2005 – B 7a AL 38/05 B = SozR 4-1500 § 178a Nr 2 Rn 7; BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 6). Hierzu gehört insbesondere das Aufzeigen der Umstände, aus denen sich die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Gericht ergibt, gegen dessen Entscheidung sich der Betroffene wendet. Zugleich ist darzulegen, weshalb ohne die vermeintliche Gehörsverletzung eine für den Rügeführer günstigere Entscheidung nicht ausgeschlossen werden kann (vgl BSG, Beschluss vom 14. Juli 2021 – B 5 R 21/21 C – juris – Rn 5 mwN). Diese Voraussetzungen erfüllt die von dem Antragsteller erhobene Anhörungsrüge nicht. Ein entscheidungserheblicher Gehörsverstoß im Beschwerdeverfahren gegen den dem Antragsteller nach seinen eigenen Angaben am 14. Juni 2021 bekannt gegebenen Beschluss des Sozialgerichts (SG) vom 10. Juni 2021 liegt nicht vor.

 

Sofern der Antragsteller erstmals mit Schriftsatz vom 8. September 2021 an das SG vorträgt, bereits am 20. Juni 2021 per Fax beim SG Beschwerde eingelegt zu haben, wofür sich aus dem der Senatsentscheidung vom 7. September 2021 zugrunde liegenden Akteninhalt kein Anhaltspunkt ergeben hatte, rügt er keinen Gehörsverstoß, sondern die ggf inhaltliche Unrichtigkeit des Senatsbeschlusses vom 7. September 2021; die Anhörungsrüge ist indes kein Rechtsbehelf, der eine (erneute) inhaltliche Überprüfung des angefochtenen SG-Beschlusses eröffnet (vgl zur Gehörsrüge zB BSG, Beschluss vom 28. Oktober 2009 – B 6 KA 56/08 B – juris – Rn 16 mwN; anders für den Fall, dass sich das Gericht entscheidungserheblich auf Vortrag der Gegenseite stützt, ohne dem anderen Beteiligten hierzu vorher rechtliches Gehör einzuräumen: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 10. September 2021 – 1 BvR 1029/20 – juris - Rn 15,16 mwN).

 

Zum anderen kann auch nicht angenommen werden, dass – wie es für die Darlegung einer Gehörsrüge und damit die Zulässigkeit der Anhörungsrüge ggf erforderlich wäre – der erkennende Senat eine den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzende Überraschungsentscheidung getroffen hätte, indem er den Antragsteller nicht vorab auf die nach Auffassung des Senats vorliegende Fristversäumnis für die Einlegung der Beschwerde hingewiesen hat und damit diesem Gelegenheit gegeben hätte, sein Vorbringen zu der einer aus seiner Sicht eingehaltenen Beschwerdefrist darzulegen. Denn der Antragsteller hatte mit seiner ausweislich der Verfahrensakten (erst) am 27. August 2021 per Fax beim SG eingegangenen Beschwerdeschrift die Beschwerdefrist versäumt und weder seiner inhaltlich nicht begründeten Beschwerde noch dem übrigen Akteninhalt ließ sich ein Anhalt dafür entnehmen, dass der Antragsteller schon zu einem früheren Zeitpunkt als dem 27. August 2021 Beschwerde gegen den SG-Beschluss eingelegt haben könnte. Ein ergänzender (vorläufiger) Hinweis (des Berichterstatters) auf eine vom Senat gesehene Verfristung des Rechtsmittels drängte sich daher weder auf noch war er überhaupt angezeigt, zumal der Antragsteller auch keine weitere Begründungsfrist erbeten oder ergänzenden Vortrag in Aussicht gestellt hatte. Dies gilt umso mehr, als dem Antragsteller, wie sich seinem Schriftsatz vom 8. September 2021 entnehmen lässt, bekannt war, dass möglicherweise ein „technischer Fehler“ vorliegt und „Faxanschlüsse durch die Einführung der IP-Telefonie unzuverlässig funktionieren“ und er es daher im Ergebnis nicht für ausgeschlossen hielt, dass eine per Fax eingelegte (frühere) Beschwerde nicht ordnungsgemäß per Fax an das SG übermittelt wurde. Es besteht zudem keine allgemeine Pflicht des Gerichts zu einem Hinweis zu seiner Rechtsauffassung vor der zu treffenden Entscheidung (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 62 Rn 8e mwN). Denn diese würde eine tatsächliche und rechtliche Würdigung voraussetzen, die sich regelmäßig erst aufgrund einer abschließenden Beratung des Gerichts ergeben kann vgl hierzu BSG, Urteil vom 26. Juli 2016 - B 4 AS 47/15 R  = SozR 4-1500 § 114 Nr 2 Rn 35).

Selbst wenn zugunsten des Antragstellers davon auszugehen wäre, es hätte eines vorherigen richterlichen Hinweises auf das nach Auffassung des Gerichts nicht innerhalb der Beschwerdefrist eingelegte Rechtsmittel bedurft, und er hätte sodann vortragen können, die Beschwerde fristgerecht eingelegt zu haben, wäre die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen gewesen, der (behauptete) Gehörsverstoß daher nicht entscheidungserheblich. Denn eine frühere Einlegung des Rechtsmittels als am 27. August 2021, für die der Antragsteller die Beweislast trägt (vgl hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 64 Rn 6a mwN aus der Rspr), ist nicht feststellbar. Die auf der Rückseite der eingereichten, unter dem 20. Juni 2021 datierten Beschwerdeschrift ersichtlichen „OK-Vermerke“ in den Sendeberichten vom 20. Juni 2021 und 27. August 2021 lassen schon nicht zweifelsfrei erkennen, dass sie sich auf das bezeichnete Schriftstück beziehen. Im Übrigen können Sendeprotokolle zwar eine Indizwirkung entfalten (vgl Bundesgerichtshof, Urteil vom 19. Februar 2014 – IV ZR 163/13 – juris – Rn 27 mwN aus der Rspr), vorliegend fehlt es neben der nicht möglichen eindeutigen Zuordnung der Sendeprotokolle und der vom Antragsteller selbst eingeräumten technischen Übermittlungsprobleme aber auch an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass dem SG am 20. Juni 2021 – wie vom Antragsteller behauptet – die Beschwerdeschrift tatsächlich zugegangen sein könnte. Entsprechende Anfragen beim SG haben ergeben, dass in der EUREKA Fach-Dokumentenliste sowohl für das vorliegende Eilverfahren als auch für das Verfahren – S 128 AS 3194/21 – kein Faxeingang zu verzeichnen ist. Im Übrigen ist auch nicht plausibel, weshalb der Antragsteller seine Beschwerde, die er bereits am 20. Juni 2021 an das SG gefaxt haben will, dann nachweislich (erneut?) am 27. August 2021 (mit weiteren zwei Schriftsätzen) an das SG gefaxt hat, obwohl in der Zwischenzeit keine Kommunikation mit ihm seitens des SG (und auch nicht seitens des Landessozialgerichts) erfolgte.

 

Letztlich wäre die Beschwerde indes auch in der Sache nicht begründet gewesen und ein (behaupteter) Gehörsverstoß daher nicht entscheidungserheblich. Das SG hat zutreffend darauf verwiesen, dass kein Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtsschutzes bestand. Der Antragsteller hätte sich ohne Weiteres auch bei Problemen in der Postzustellung mit dem Leistungsteam des Antragsgegners telefonisch in Verbindung setzen bzw dort persönlich vorsprechen können. Spätestens nach der Übersendung der entsprechenden Schriftstücke durch das SG an die vom Antragsteller mitgeteilte Anschrift seiner Mutter wäre er in der Lage gewesen, in der Sache bei der Klärung seiner Leistungsangelegenheit mitzuwirken, ohne dass es der weiteren gerichtlichen Hilfe bedurft hätte.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

 

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 178a Abs. 4 Satz 3 SGG).

 

 

Rechtskraft
Aus
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