L 14 AL 64/18

Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 18 AL 300/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AL 64/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Leistungen der Arbeitsassistenz zur Erlangung eines Arbeitsplatzes setzen nicht voraus, dass der behinderte Mensch bereits einen Ar-beitsplatz innehat. 2. Die Anspruchshöchstdauer von drei Jahren gemäß § 49 Abs. 8 Satz 2 SGB IX läuft nicht kalendarisch ab dem Zeitpunkt der erstmaligen In-anspruchnahme der Leistung ab, sondern setzt voraus, dass Leistun-gen für die Dauer von drei Jahren zumindest bewilligt wurden. 3. Zur Prüfungsumfang bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage, wenn sich eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage er-ledigt hat.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 7. März 2018 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 22. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2014 rechtswidrig ist.

 

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das gesamte Verfahren. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

Tatbestand

 

 

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Bescheides, mit dem die beklagte Bundesagentur für Arbeit ihr Leistungen der Arbeitsassistenz verwehrt hat.

 

Die 1971 geborene blinde Klägerin, Mutter dreier Kinder (* September 2007, Dezember 2009 und Februar 2011), ist ausgebildete Diplom-Sozialarbeiterin/-Sozialpädagogin. Ihr wurden ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen G, H, B, Bl und RF unbefristet zuerkannt.

 

Die Klägerin erhielt nach eigenen Angaben während einer Beschäftigung bei der Gesamtschule in B für die Zeit von Juli 2005 bis 31. Dezember 2007 durch die Beklagte (Agentur für Arbeit Berlin-Nord) als Reha-Trägerin Zuschüsse für eine Arbeitsassistenz, die sie wegen des im August 2007 beginnenden Mutterschutzes nicht vollständig habe in Anspruch nehmen können.

 

Mit Bescheid vom 13. März 2009 bewilligte das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales – Integrationsamt – (LaGeSo) der damals noch in Berlin lebenden Klägerin für die Zeit vom 1. März 2009 bis zum 28. Februar 2010 aus Mitteln der Ausgleichsabgabe gemäß § 102 Abs. 4, § 33 Abs. 8 S. 1 Nr. 3 und Satz 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) einen Zuschuss bis zur Höhe von 240 € (durch Bescheid vom 21. April 2009 erhöht auf 500 €) als monatliches Budget für die Kosten einer Arbeitsassistenz. Der für die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz bis zu drei Jahren gemäß § 33 Abs. 8 S. 1 Nr. 3 SGB IX zuständige Rehabilitationsträger – so das LaGeSo weiter – habe es mit der Durchführung des Verfahrens beauftragt und die Kostenübernahme bestätigt. Nach Ablauf von drei Jahren gehe die Zuständigkeit auf das Integrationsamt über. Dem Zuschuss liege ein anerkannter Assistenzbedarf von 10 Stunden wöchentlich zugrunde. Kosten für Assistenzleistungen könnten nur übernommen werden für die Unterstützung bei der Bewerbungsrecherche, das Erstellen von Bewerbungsunterlagen und die Wegbegleitung zu Vorstellungsgesprächen.

Nachdem die Assistenzkraft der Klägerin ihre Tätigkeit zu Ende August 2009 beendet hatte, stellte das LaGeSo die Zahlungen an die Klägerin, die mit einem entsprechenden Ruhen einverstanden war, zum September 2009 ein.

 

Am 23. Juni 2014 beantragte die seit dem 25. März 2014 als arbeitssuchend gemeldete Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme „für eine Arbeitsassistenz nach § 33 Abs. 8 Nr. 3 SGB IX in Form eines persönlichen Budgets“. Die Beklagte leitete diesen Antrag unter dem 14. Juli 2014 an das Landesamt für Soziales und Versorgung – Integrationsamt – des zu 1 beigeladenen Landes (im folgenden: Beigeladener zu 1) weiter. Dieser sandte den Antrag umgehend mit dem Hinweis zurück, das Integrationsamt sei kein Reha-Träger im Sinne von § 6 SGB IX, sondern nur für die Ausführung der Arbeitsassistenz zuständig (Schreiben vom 17. Juli 2014). Mit Bescheid vom 22. Oktober 2014, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 2014, lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil kein konkreter Arbeitsplatz vorliege.

 

Die Klägerin blieb mit ihrem Begehren im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ohne Erfolg (Beschluss des Sozialgerichts vom 9. März 2015, Beschluss des Senats vom 2. Juni 2015). Die Beklagte wies in diesem Verfahren darauf hin, dass sich ihre Rechtsauffassung nach 2009 entsprechend den „Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) für die Erbringung finanzieller Leistungen zur Arbeitsassistenz schwerbehinderter Menschen gemäß § 102 Abs. 4 SGB IX“ (im Folgenden: Empfehlungen) vom 22. November 2012 geändert habe. Der Senat ging in seinem Beschluss vom 2. Juli 2015 davon aus, dass die Voraussetzungen für eine Arbeitsassistenz nach § 33 Abs. 8 S. 1 Nr. 3 SGB IX nicht glaubhaft gemacht seien. Eine Arbeitsassistenz erscheine für die Erlangung eines Arbeitsplatzes nicht notwendig. Es ergebe sich aus ihrem Vorbringen nicht, aus welchen Gründen sie auf eine Unterstützung bei der Bewerberrecherche und dem Erstellen von Bewerbungsunterlagen sowie auf eine Wegbegleitung zu Vorstellungsgesprächen angewiesen sei. Dies ergebe sich nicht schon allein aus dem Umstand, dass sie hochgradig sehbehindert sei. Sie sei jedenfalls in der Lage, sich schriftlich im Verfahren gegenüber dem Gericht hinreichend deutlich auszudrücken und fehlerfreie Schrift-sätze zu übersenden. Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass sie sich nicht bewerben können solle. Soweit sie eine Hilfskraft bei der Recherche nach Stellenangeboten als notwendig erachte, könne der Senat dem nicht folgen. Für schwerbehinderte Menschen müsse die Beklagte Personal zur Verfügung stellen, das ihr bei Besuchen in der Agentur für Arbeit (oder einem Jobcenter) bei der Recherche behilflich sei – ggf. durch Vorlesen der Stellengesuche – und sie bei den Bewerbungen entsprechend unterstütze. Eine Assistenz zur Wegbegleitung benötige sie nicht, da ihr als schwerbehinderter Mensch mit den zuerkannten Merkzeichen nach § 145 SGB IX zumindest ein Anspruch auf unentgeltliche Beförderung bzw. auf Erstattung von Fahrgeldausfällen zustehen dürfte.

 

Im Klageverfahren hat der Beigeladene zu 1 darauf hingewiesen, dass das Integrationsamt wegen der leistungsausschließenden Regelungen in § 160 Abs. 5 SGB IX und § 18 Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung keine Kostenübernahmeerklärung für einen Reha-Träger abgeben könne. Die Klägerin benötige wegen Art und Schwere ihrer Behinderung rehabilitative Unterstützung, um einen geeigneten Arbeitgeber zu finden. Es bedürfe auch eines Mobilitätstrainings im weiteren Sinne, behinderungsbedingte Hilfe bei der Erstellung von Bewerbungsunterlagen und Begleitung zu den Vorstellungsgesprächen sowie Unterstützung bzw. Steuerung durch einen vom Reha-Träger zu beauftragenden Integrationsfachdienst für Blinde und Sehbehinderte. Es wäre aus seiner Sicht verfahrensoptimierend, wenn eine Differenzierung von Erlangung oder Erhaltung eines Arbeitsplatzes vorgenommen wurde, auf die o.g. Hinweise eingegangen werden und die Beklagte ihre bisherige Auffassung ergänzen bzw. korrigieren könnte.

Mit Urteil vom 7. März 2018 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Zwar bestimme § 33 Abs. 8 S. 1 Nr. 3 SGB IX, dass Leistungen nach Abs. 3 Nr. 1 und 6 auch die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz als Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes umfassten. Zur Überzeugung der Kammer seien die Voraussetzungen jedoch nicht gegeben. Denn nach Abs. 8 S. 2 dieser Vorschrift werde die Leistung nur für die Dauer bis zu 3 Jahren erbracht. Diese Anspruchsdauer sei nach den Ausführungen des Beigeladenen zu 1 sowie dem Vorbringen der Klägerin zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung am 23. Juni 2014 ausgeschöpft gewesen. Eine Verurteilung des Beigeladenen zu 1, der nach Ablauf der ersten 36 Monate zwar nunmehr zuständiger Rehabilitationsträger sei, scheitere am mangelnden Arbeitsplatz. Nach Ablauf der drei Jahre und damit dem Zuständigkeitswechsel gewähre der Beigeladenen zu 1 nach § 102 Abs. 4 SGB IX „lediglich“ begleitende Hilfen im Arbeitsleben. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf einen Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) gegenüber dem zu 2 beigeladenen Jobcenter.

 

Gegen dieses ihr am 25. April 2018 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 2. Mai 2018, zu deren Begründung sie vorträgt: Das Sozialgericht habe nicht ausreichend geprüft, ob „die 3 Jahre Leistungsbezug bei der Bundesagentur für Arbeit bereits abgelaufen“ seien. Ihr sei Arbeitsassistenz bewilligt worden für die Zeiträume 1. Juli 2005 bis 31. Juli 2007 und 1. Mai bis 31. August 2009. Somit seien noch mindestens sieben Monate offen. Ein konkreter Arbeitsplatz sei für Leistungen der Arbeitsassistenz keine Voraussetzung. In der bereits bei Gericht eingereichten E-Mail des Integrationsamtes liege ein Aufhebungsbescheid, da sich durch die erneute Schwangerschaft bzw. Mutterschutz die Arbeitsassistenz erledigt habe. Sie benötige Unterstützung, um Stellenanzeigen in großformatigen Zeitungen, die sie nicht auf den Scanner legen und deren Inhalt sie nicht über die Braillezeile auslesen könne, oder im Internet durchzulesen. Nicht jede insoweit einschlägige Internetseite sei barrierefrei gestaltet. Barrierefreie Internetseiten könne sie sich vorlesen lassen, z.B. über die Programme „VoiceOver“ oder „JAWS“. Aufgrund ihrer Blindheit sei es ihr nur sehr eingeschränkt möglich, Texte abzufassen und zu formatieren, nach möglichen Jobangeboten zu suchen und vor allem die Vorstellungsgespräche an ihr unbekannten Orten zu absolvieren. Ihr Verlobter habe ihr damals und heute beim Abfassen der Korrespondenz mit dem Gericht geholfen, sei aber selbst schwer krank, schwerbehindert mit einem GdB von 70 und könne die Aufgaben der Arbeitsassistenz auch nicht übernehmen. Falls ein Taxigutschein für die Fahrt zu Vorstellungsgesprächen überhaupt möglich sei, benötige sie Hilfe, um dessen Raum, gegebenenfalls auch eine Toilette dort zu finden. Der Taxifahrer sei wohl nicht verpflichtet, diese Räume für sie zu suchen. Auch für Weiterbildungen, die an unterschiedlichen Orten stattfinden, benötige sie eine Wegebegleitung.

 

Während des Berufungsverfahrens hat die Klägerin sich zum 1. November 2020 dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung gestellt und ein (Vollzeit-)Masterstudium in Psychologie aufgenommen, welches sie voraussichtlich nach dem Sommersemester 2022 beendet. Den Rechtsstreit möchte die Klägerin gleichwohl fortsetzen.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 7. März 2018 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 22. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2014 rechtswidrig ist.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts und ihre angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Nach dem Bescheid vom 13. März 2009 ende ihre Zuständigkeit mit Ablauf des 28. Februar 2012, weil der Drei-Jahres-Zeitraum kalendarisch ablaufe. Es sei aus ihrer Sicht unstrittig, dass die Klägerin in ihrer Situation Unterstützung bedürfe.

 

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

 

Der Beigeladene zu 1 ist der Auffassung, weil § 49 Abs. 8 SGB IX nF für Leistungen der Arbeitsassistenz zur Erlangung eines Arbeitsplatzes auf § 185 SGB IX nF verweise, müssten auch dessen Voraussetzungen vollständig vorliegen. Unter „Erlangung eines Arbeitsplatzes“ verstehe er – im Sinne einer Verfestigung der Tätigkeit – deren ersten drei Jahre.

 

Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage am 20. September 2020 mit den Beteiligten erörtert.

 

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

 

Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist aufzuheben. Denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig.

 

A. Streitgegenstand ist neben dem Urteil des Sozialgerichts vom 7. März 2018 der Bescheid der Beklagten vom 22. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2014. Diese Bescheide haben sich auf sonstige Weise (§ 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – SGB X) erledigt, nachdem sich die Klägerin wegen der Aufnahme eines Masterstudiums der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung stellt und somit zum (maßgeblichen) Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eine Arbeitsassistenz zur Erlangung eines Arbeitsplatzes nicht benötigt.

 

Zutreffend hat die Klägerin ihr Klagebegehren zunächst in Gestalt einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungs(bescheidungs)klage (§ 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG) geltend gemacht und nach der Erledigung der Bescheide auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG umgestellt. Nach dieser Vorschrift spricht das Gericht, wenn sich der Verwaltungsakt durch Zurücknahme oder anders erledigt, auf Antrag durch Urteil aus, dass er rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG ist auch auf Verpflichtungsklagen anwendbar (BSG, Urteil vom 05. Juni 2003 – B 11 AL 59/02 R –; Urteil vom 14. März 2001 – B 6 KA 49/00 R –, Rn. 15; jeweils juris und m.w.N.).

Das erforderliche Feststellungsinteresse ist u.a. bei einer (konkreten) Wiederholungsgefahr zu bejahen (BSG, Urteil vom 14. März 2001 – B 6 KA 49/00 R –, juris, Rn. 15, m.w.N.). Eine solche ist gegeben, wenn die nicht entfernt liegende Möglichkeit eines wiederholten Auftretens der Rechtsfrage zwischen den Beteiligten besteht, etwa, wenn sich konkret abzeichnet, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen oder rechtlichen Umständen ein gleichartiges Leistungsbegehren wieder auftreten kann (BSG, Urteil vom 18. Juli 2019 – B 8 SO 2/18 R –, juris, Rn. 11, m.w.N.; Urteil vom 16. Mai 2018 – B 6 KA 1/17 R –, juris, Rn. 18).

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die Beklagte einen erneuten Antrag der Klägerin auf Leistungen der Arbeitsassistenz zur Erlangung eines Arbeitsplatzes, etwa im Anschluss an ihr derzeitiges Studium, wieder mit der Begründung ablehnen wird, es fehle an einem Arbeitsplatz. Dies reicht für die Annahme einer Wiederholungsgefahr aus.

 

B. Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig.

 

I. Die beiden Bescheide können ohne Rücksicht darauf für rechtswidrig erklärt  werden, dass sie sich u.U. doch noch als rechtmäßig hätten erweisen können, wenn die weitere Prüfung hätte ergeben können, dass einem Anspruch der Klägerin auf Leistungen der Arbeitsassistenz andere Gesichtspunkte entgegenstehen. Für eine Zurückverweisung zur weiteren Prüfung ist – anders als in einem Verfahren der Verpflichtungsklage – bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage kein Raum (a.A. für den hier nicht gegebenen Fall eines wegen bereits anhängiger Amtshaftungsklage bestehenden Feststellungsinteresses: BSG, Urteil vom 05. Juni 2003 – B 11 AL 59/02 R –, juris, Rn. 19). Eine solche Klage ist nach ihrem Sinn und Zweck darauf gerichtet, die Rechtswidrigkeit eines Bescheides mit Blick auf künftige ähnliche Entscheidungssituationen festzustellen. Dies gebietet es, das Verfahren auf den für künftige Neubescheidungen maßgeblichen Gesichtspunkt zu konzentrieren und insoweit ohne Rücksicht auf andere offene Gesichtspunkte abschließend zu entscheiden (BSG, Urteil vom 14. März 2001 – B 6 KA 49/00 R –, juris, Rn. 15, m.w.N.).

 

II. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der o.g. Bescheide des Beklagten ist – zumindest bei einer (wie hier) zunächst statthaften Anfechtungs- und Verpflichtungsklage – der Zeitpunkt der Erledigung (BSG, Urteil vom 18. Mai 2011 – B 3 KR 7/10 R –, juris, Rn. 24; Schütz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 131 SGG (Stand: 05.04.2018), Rn. 39; jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist daher die Rechtslage am 1. November 2020.

 

III. Rechtsgrundlage für einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sind § 112 Abs. 1, § 113 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGB III i.V.m. §§ 114, 118 SGB III i.V.m. den Vorschriften des SGB IX. Nach § 112 Abs. 1, § 113 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGB III  können behinderten Menschen Teilhabeleistungen, insbesondere auch ergänzende Leistungen, u.a. erbracht werden, um deren Erwerbsfähigkeit herzustellen.

 

1. Behindert im Sinne des SGB III sind gemäß § 19 Abs. 1 SGB III Menschen, deren Aussichten, am Arbeitsleben teilzuhaben oder weiter teilzuhaben, wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 SGB IX nicht nur vorübergehend wesentlich gemindert sind und die deshalb Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben benötigen, einschließlich lernbehinderter Menschen. Die Klägerin ist – dies hat die Beklagte zu Recht nicht in Frage gestellt – behindert, weil aufgrund der mit ihrer Blindheit verbundenen Einschränkungen ihre Aussicht, am Arbeitsleben in ihrem erlernten Beruf teilzuhaben, länger als sechs Monate (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) und somit nicht nur vorübergehend wesentlich gemindert ist, sodass sie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben benötigt.

 

2. Gemäß § 114 SGB III richten sich die allgemeinen und besonderen Leistungen nach den Vorschriften des (u.a.) Zweiten („Aktivierung und berufliche Eingliederung“) und Fünften („Förderung der Berufsausbildung“) Abschnitts des SGB III, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist.

 

Abweichendes im Leistungsrahmen ergibt sich jedoch aus § 118 Satz 1 SGB III, der die im Dritten Unterabschnitt des Siebten Abschnitts des SGB III behandelten besonderen Leistungen näher definiert, i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 1 und 7 und Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 SGB IX. Zu den besonderen Leistungen zählen auch die bis zum 30. Juni 2001 in § 114 SGB III (in der Fassung vom 24. März 1997 - BGBl I 594) geregelten "sonstigen Hilfen", die mit Inkrafttreten des SGB IX zum 1. Juli 2001 – ergänzt u.a. um die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz – in § 33 Absätze 3 und 8 SGB IX übernommen worden und aufgrund des Bundesteilhabegesetzes (BTHG vom 23. Dezember 2016, BGBl. I 3234) seit dem 1. Januar 2018 in § 49 Absätze 3 und 8 SGB IX (neue Fassung – nF) geregelt sind. Die Aufzählung der besonderen Leistungen in § 118 Satz 1 SGB III der Vorschrift ist nicht abschließend; subsidiär gelten die Vorschriften des SGB IX (BSG, Urteil vom 04. Juni 2013 – B 11 AL 8/12 R –, juris, Rn. 18 f., m.w.N.).

 

3. Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben umfassen gemäß § 49 Abs. 3 Nr. 1 und 7 SGB IX nF u.a. Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes und sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um Menschen mit Behinderungen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten. Die Leistungen nach § 49 Abs. 3 Nr. 1 und 7 SGB IX nF umfassen gemäß Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 dieser Vorschrift auch die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz für schwerbehinderte Menschen als Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes (vgl. BSG a.a.O., Rn. 19). Die Voraussetzungen von § 49 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 SGB IX nF (wortgleich: § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 SGB IX in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden, von der Beklagten zugrunde gelegten alten Fassung - aF) sind im Falle der Klägerin erfüllt.

 

a. Insbesondere setzen Leistungen der Arbeitsassistenz  nach § 49 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 SGB IX nF nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht voraus, dass der behinderte Mensch bereits einen Arbeitsplatz innehat.

 

aa. Der Wortlaut der Regelung verknüpft die Notwendigkeit einer Arbeitsassistenz vielmehr ausschließlich mit dem – hier von der Klägerin verfolgten – Zweck, einen Arbeitsplatz zu erlangen, und weicht somit von den Bestimmungen in § 49 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 7 SGB IX nF (und § 33 Abs. 3 Nr. 1 und 6 SGB IX aF) ab, die als Ziel auch die Erhaltung eines Arbeitsplatzes bzw. einer Beschäftigung vorsehen. Ein zu erhaltender Arbeitsplatz ist auch nicht wegen seiner Erwähnung in § 49 Abs. 3 Nr. 1 und 7 SGB IX nF als weiteres Tatbestandsmerkmal in § 49 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 SGB IX nF hineinzulesen. Dies ließe außer Acht, dass die von § 49 Abs. 3 Nr. 1 und 7 SGB IX nF erfassten Hilfen sowohl zur Erhaltung eines Arbeitsplatzes (bzw. zur Erhalten einer Beschäftigung) als auch zur Erlangung eines solchen (bzw. zur Ermöglichung einer Beschäftigung) erbracht werden können, § 49 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 SGB IX nF jedoch nur (noch) die Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes betrifft.

 

bb. Aus welchen Gründen die Beklagte gleichwohl einen von der Klägerin innegehabten Arbeitsplatz als Voraussetzung für Leistungen der Arbeitsassistenz nach § 49 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 SGB IX nF ansieht, hat sie in keiner Weise erläutert. Der bloße Verweis auf die Empfehlungen taugt zur Begründung ihrer Auffassung nicht. So ist bereits nicht ersichtlich, aus welchen Gründen sich die Beklagte als Reha-Trägerin i.S.v. § 6 SGB IX Handlungsanleitungen unterwirft, an deren Erstellung offenkundig weder sie selbst noch die anderen Reha-Träger nach § 6 SGB IX mitgewirkt haben, sondern die ausschließlich von Behörden erarbeitet wurden, die gerade nicht zu den Reha-Trägern i.S.d. SGB IX zählen. Im Übrigen enthalten die Empfehlungen offensichtliche Widersprüche, sodass es ihnen auch an der gebotenen Überzeugungskraft mangelt. So soll nach Ziffer 2.1 der Empfehlungen „Arbeitsassistenz i.S. der §§ 33 Abs. 8 Ziff. 3 und 102 Abs. 4 SGB IX […] die über gelegentliche Handreichungen hinausgehende, zeitlich wie tätigkeitsbezogen regelmäßig wiederkehrende Unterstützung von schwerbehinderten Menschen (Assistenznehmern) bei der Arbeitsausführung in Form einer von ihnen beauftragten Assistenzkraft im Rahmen der Erlangung oder Erhaltung eines Arbeitsplatzes auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt“ (Fassung von 2011; inhaltsgleich die Empfehlungen i.d.F. von 2019) sein. Wie allerdings „im Rahmen der Erlangung eines Arbeitsplatzes“ die Unterstützung „bei der Arbeitsausführung“ ausgestaltet sein könnte, erschließt sich dem Senat nicht.

 

cc. Die offensichtlich vom Beigeladenen zu 1 geübte Praxis, Leistungen der Arbeitsassistenz nach § 49 Abs. 8 SGB IX nF nur bei vorhandenem Arbeitsplatz zu gewähren, ist mit dieser Vorschrift nicht zu vereinbaren.

 

Ihr liegt offenkundig das Verständnis zugrunde, bei dem Verweis in § 49 Abs. 8 Satz 2 SGB IX nF auf § 185 Abs. 5 SGB IX – wonach die „Leistung nach Satz 1 Nummer 3 […] für die Dauer von bis zu drei Jahren bewilligt und in Abstimmung mit dem Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 durch das Integrationsamt nach § 185 Absatz 5 ausgeführt“ werde – handele es sich um eine Rechtsgrundverweisung, sodass auch alle Voraussetzungen für eine auf § 185 Abs. 5 SGB IX gestützte Leistungsgewährung gegeben sein müssten. Die Annahme einer Rechtsgrundverweisung findet sich – soweit ersichtlich – allerdings weder in (veröffentlichter) Rechtsprechung noch in der Literatur. Unabhängig hiervon überzeugt die Rechtsauffassung des Beigeladenen zu 1 auch in der Sache nicht.

 

Nach § 185 Abs. 5 Satz 1 SGB IX nF (bzw. § 102 Abs. 4 SGB IX aF und – wortgleich – § 17 Abs. 1a Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung) haben schwerbehinderte Menschen im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihnen aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mitteln Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz. Der Annahme einer auf diese Vorschrift bezogenen Rechtsgrundverweisung in dem vom Beigeladenen zu 1 verstandenen Sinne steht aus Sicht des Senats grundsätzlich bereits entgegen, dass § 185 Abs. 5 SGB IX nF ausschließlich Leistungen für schwerbehinderte Menschen (i.S.v. § 2 Abs. 2 SGB IX) vorsieht, während Leistungen der Beklagten nach § 49 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 SGB IX nF „nur“ eine Behinderung i.S.v. § 19 SGB III i.V.m. § 2 Abs. 1 SGB IX erfordern. Letztlich kann der Senat aber offen lassen, ob sich aus der Regelung in § 185 Abs. 5 SGB IX nF ergibt, dass Leistungen der Arbeitsassistenz zwingend einen vom schwerbehinderten Menschen innegehabten Arbeitsplatz voraussetzen. Selbst wenn man mit dem Beigeladenen zu 1 diese Auffassung verträte, stünde die Annahme, dies habe auch zu gelten, soweit § 49 Abs. 8 Satz 2 SGB IX nF (bzw. § 33 Abs. 8 Satz 2 SGB IX aF) hierauf verwiesen, nach dem o.G. in unauflöslichem Widerspruch zum Wortlaut von § 49 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 SGB IX nF.

 

Es überzeugt ferner nicht, wenn der Beigeladene zu 1 den Begriff „Erlangung eines Arbeitsplatzes“ im Sinne von „Erhalten, Verfestigen eines Arbeitsplatzes in den ersten drei Jahren“ auslegt. Dem steht zum einen das allgemeine Sprachverständnis von „erlangen“ im Sinne von „durch Bemühung, nach einer Zeit des Wartens bekommen, zu etwas Bestimmtem kommen“ (Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 3.A.) entgegen. Das Verständnis des Beigeladenen zu 1 ließe zum anderen offen, nach welchen Kriterien dann die Begriffe „Erhaltung eines Arbeitsplatzes“ und „Erlangung eines Arbeitsplatzes“ in § 49 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX nF (bzw. § 33 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX aF) voneinander abzugrenzen wären. Letztlich hätte die vom Beigeladenen zu 1 praktizierte Auslegung des Begriffs „Erlangung eines Arbeitsplatzes“ zur Folge, dass behinderte Menschen in der Situation der Klägerin unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Leistungen der Arbeitsassistenz erhalten könnten – und dies, obwohl der Beigeladene zu 1 im vorliegenden Fall einen Unterstützungsbedarf der Klägerin unumwunden eingeräumt hat. Auf welche sonstige Art und Weise die Klägerin die unstrittig benötigte Hilfe bei der Erfassung von Stellenanzeigen in großformatigen Zeitungen und auf nicht barrierefreien Internetseiten, beim Abfassen von den üblichen Anforderungen in der Arbeitswelt genügenden Bewerbungsschreiben, beim Zusammenstellen von Bewerbungsmappen oder im Zusammenhang mit Vorstellungsgesprächen in ihr unbekannten Gebäuden bekommen könnte, ist dem Vorbringen des Beigeladenen zu 1 nicht zu entnehmen.

 

Es lässt sich allerdings nicht bestreiten, dass auch in weiten Teilen der Kommentarliteratur den Erläuterungen bezüglich der Arbeitsassistenz zur Erlangung eines Arbeitsplatzes (§ 49 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 SGB IX nF) offensichtlich die Vorstellung eines schon vorhandenen Arbeitsplatzes zugrunde liegt (beispielhaft: „Der Arbeitsassistent wird gem. § 164 SGB IX in den Betrieb integriert“: Luik, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3.A., § 49, Stand: 17.06.2020, Rn. 246; „Unterstützung von schwerbehinderten Menschen bei der Arbeitsausführung in Form einer von ihnen beauftragten persönlichen Arbeitsplatzassistenz im Rahmen der Erlangung (oder auch Erhaltung) eines Arbeitsplatzes auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Sie beinhaltet insbesondere Hilfstätigkeiten bei der Erbringung der vom schwerbehinderten Menschen arbeitsvertraglich/dienstrechtlich geschuldeten Arbeitsleistung“: Götze in: Hauck/Noftz, SGB, 04/20, § 49 SGB IX, Rn. 45; „[…] ist Arbeitsassistenz also eine Hilfestellung bei der Arbeitsausführung“ (Tolmein, in: Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht, Teil G. SGB IX – Rehabilitation und Teilhabe § 28 Die Leistungen im Rehabilitations- und Teilhaberecht Rn. 93). Der Senat führt diese möglicherweise Missverständnisse veranlassenden Ausführungen auf die fehlende Differenzierung zwischen Leistungen der Arbeitsassistenz zur Erlangung eines Arbeitsplatzes und solchen zur Erhaltung eines Arbeitsplatzes zurück. Eine Auseinandersetzung mit dem o.g. logischen Widerspruch, dass ein Arbeitsplatz, der mit Hilfe einer Arbeitsassistenz erst erlangt werden soll, vom Hilfebedürftigen nicht bereits innegehabt werden kann, findet sich nicht. Allerdings vertritt auch keine dieser Literaturstimmen das vom Beigeladenen zu 1 favorisierte o.g. Verständnis des Begriffs „Erlangung eines Arbeitsplatzes“.

 

b. Eine Arbeitsassistenz ist für die blinde Klägerin zur Erlangung eines Arbeitsplatzes notwendig. Die Klägerin hat nachvollziehbar dargelegt, warum sie zum Erfassen von Stellenanzeigen in Zeitungen bzw. Zeitschriften oder auf nicht barrierefreien Internetseiten, zur Erstellung von den Erwartungen des Arbeitsmarktes entsprechenden Bewerbungsunterlagen (insbesondere durch Korrekturlesen, Formatierung und Ausdruck von Bewerbungsschreiben, Zusammenstellen einer Bewerbungsmappe) und für die Wahrnehmung von Bewerbungsgesprächen auf die assistierende Unterstützung angewiesen ist. Zweifel an der Eignung dieser Unterstützungshandlungen als Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.

 

Die Notwendigkeit i.S.d. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben entfällt nicht da­durch, dass Familien- oder Haushaltsmitglieder die erforderlichen Assistenzleistungen übernehmen könnten. Hierfür findet sich im Gesetz – anders etwa für Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Abs. 3 SGB V – keine Stütze. Auch den Empfehlungen liegt ein solches Verständnis nicht zugrunde. Soweit der Beschluss des Senats vom 2. Juni 2015 in diesem Sinne verstanden werden könnte, hält der Senat daran nicht fest.

 

Nur vorsorglich sei darauf hingewiesen, dass sowohl die Beklagte als auch der Beigeladene zu 1 im Laufe des Rechtsstreits ausdrücklich anerkannt haben, dass die Klägerin auf Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes angewiesen ist. Dies impliziert die Notwendigkeit möglicher Assistenzleistungen. Im Übrigen darf, wenn der behinderte Mensch – wie hier die Klägerin – selbst einen geeigneten Vorschlag zur (unstrittig) erforderlichen Hilfe bei der Erlangung eines Arbeitsplatzes macht, der zuständige Reha-Träger dies nicht ohne konkreten und geeigneten Gegenvorschlag ablehnen (Luik, in: Schlegel/ Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3.A., § 49, Stand: 17.06.2020, Rn. 113_1; vgl. auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Dezember 2018 – L 8 R 4195/18 ER-B – juris, Rn. 46, das in derartigen Konstellationen die Notwendigkeit eines konkreten und geeigneten Gegenvorschlags betont).

 

c. Einem Anspruch der Klägerin auf Leistungen der Arbeitsassistenz steht auch nicht die Höchstdauer von drei Jahren (§ 49 Abs. 8 Satz 2 SGB IX nF) entgegen. Die Klägerin hat Leistungen der Arbeitsassistenz als Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes nach den dem Senat bekannten Tatsachen höchstens für ein Jahr (März 2009 bis Februar 2010) erhalten. Aus welchen Gründen das Sozialgericht bei der Berechnung der Höchstdauer auch die der Klägerin für die Zeit von Juli 2005 bis Dezember 2007 bewilligten und von ihr bis August 2007 in Anspruch genommenen Assistenzleistungen berücksichtigt hat, obwohl die Klägerin nach eigener Darstellung – die Beklagte als zuständige Reha-Trägerin hat hierzu keine näheren Angaben gemacht bzw. machen können – damals einen Arbeitsplatz innehatte, die Leistungen somit offenkundig nicht der Erlangung eines solchen dienten, ist nicht erkennbar. Auch die Beklagte hat in keiner Weise erläutert, warum sie wegen Ablaufs des Dreijahreszeitraums nach dem 28. Februar 2012 ihre Zuständigkeit verneint, obwohl der Klägerin nur für die Zeit von

März 2009 bis Februar 2010 Leistungen der Arbeitsassistenz zur Erlangung eines Arbeitsplatzes bewilligt, tatsächlich aber nur bis August 2009 gewährt wurden. Aus welchem Grund leistungslose 30 Monate (von September 2009 bis Februar 2012) zur Erfüllung des klägerischen Anspruchs nach § 49 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 SGB IX nF dienen können – dies ist wohl die Rechtsansicht der Beklagten –, ist unerfindlich. Die Beklagte berücksichtigt insoweit den Wortlaut der einschlägigen gesetzlichen Regelungen nicht hinreichend: während nach § 33 Abs. 8 Satz 2 SGB IX aF die Leistung nach (§ 49 Abs. 8) Satz 1 Nr. 3 für die Dauer von drei Jahren „erbracht“ wurde, wird sie nach § 49 Abs. 8 Satz 2 SGB IX nF für diese Dauer „bewilligt“. Im Falle der Klägerin wurden Leistungen der Arbeitsassistenz zur Erlangung eines Arbeitsplatzes aber für die Dauer von drei Jahren weder erbracht noch bewilligt.

 

d. Ob es auf die unter b. und c. genannten, in den streitgegenständlichen Bescheiden nicht angeführten Einwände angesichts seines eingeschränkten Prüfprogramms (s.o. unter B. I.) überhaupt ankommt, kann der Senat offenlassen, da diese Einwände – wie dargelegt – nicht durchgreifen.

 

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

 

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe hier (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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