L 18 AS 747/21 B PKH

Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 114 AS 12043/18
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 747/21 B PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 3. Mai 2021 aufgehoben.

Dem Kläger wird für das Verfahren bei dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten bewilligt.

 

 

 

Gründe

 

Die zulässige Beschwerde ist begründet; dem – bedürftigen und mittlerweile im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII) stehenden - Kläger ist für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Bevollmächtigten zu bewilligen.

 

Die statthafte isolierte Anfechtungsklage hat hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG> iVm § 114 Zivilprozessordnung <ZPO>). Zunächst dürfte die isolierte Anfechtungsklage (vgl § 54 Abs. 1 SGG) statthaft sein. Nach Auffassung des Senats spricht bei der gebotenen summarischen Prüfung Einiges dafür, dass es sich bei der angefochtenen „Zahlungsaufforderung“ um einen Verwaltungsakt iSv § 31 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) handelt. Dieser Leistungsbescheid ist nach § 40 Abs. 8 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) iVm § 3 Abs. 2a Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) auch Vollstreckungsvoraussetzung. Der Leistungsbescheid fungiert in der Verwaltungsvollstreckung wegen Geldforderungen als Vollstreckungstitel und stellt den zu vollstreckenden Anspruch eindeutig. Er ist dabei von der bloßen Zahlungsaufforderung abzugrenzen, was ggf durch Auslegung dahingehend zu ermitteln ist, ob sich den gewählten Formulierungen unter Berücksichtigung des maßgebenden rechtlichen Gesichtspunktes des "Empfängerhorizonts" eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat, entnehmen lässt, dass eine verbindliche Regelung durch Verwaltungsakt getroffen werden sollte (vgl etwa Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 5. September 2006 - B 4 R 75/06 R – juris – Rn 15 ff; Urteil vom 25. Januar 2011 - B 5 R 14/10 R – juris).

 

Im Bescheid vom 24. September 2018 wird der Kläger zur Zahlung des gesamten Darlehensbetrages von 806,01 € aufgefordert und mitgeteilt, die Rückzahlung sei zum 11. Oktober 2018 fällig. Letztlich hat der Beklagte damit seine Forderung fällig gestellt und den Rückzahlungsbetrag festgesetzt. Der Darlehensbescheid vom 19. Mai 2010 ist nicht bereits ein Leistungsbescheid im genannten Sinne, weil er die konkrete Rückforderung des Darlehensbetrags nicht regelt. Er regelt allenfalls die Fälligkeitsvoraussetzungen, indes aber (naturgemäß) keinen genauen Fälligkeitstermin. Zudem steht nach dem Erklärungsinhalt des Darlehensbescheides vom 19. Mai 2010 auch nicht zweifelsfrei fest, ob das Ereignis, an das die Fälligkeit geknüpft wurde (Beendigung des Mietverhältnisses oder Beendigung der Hilfebedürftigkeit), tatsächlich eingetreten ist. Denn sowohl das Mietverhältnis des Klägers als auch dessen Hilfebedürftigkeit sind nicht beendet. Dass letzteres zwingend mit dem Ende des SGB II-Leistungsbezugs der Fall sein sollte, lässt sich dem Darlehensbescheid nicht mit hinreichender Bestimmtheit entnehmen, knüpft er doch nur „mutmaßlich“ an dieses Ereignis an. Es bedurfte daher eines Forderungsbescheides mit Festsetzung der konkreten Rückforderung, mit dem der Beklagte überdies auch ein anderes Fälligkeitsdatum festgesetzt hat als die Beendigung des SGB II-Leistungsbezugs. Dies hat der Beklagte durch Verwendung der Rechtsbehelfsbelehrung in dem Leistungsbescheid im Übrigen selbst so gesehen, ohne den Kläger indes vorher ausreichend angehört (vgl § 24 SGB X) zu haben.

 

Etwas Anderes folgt auch nicht aus der im SGB II zum 1. April 2011 eingeführten Aufrechnungs- und Fälligkeitsregelung (vgl § 42a Abs. 2 und 3 SGB II). Denn diese ist auf Mietkautionsdarlehen, die – wie hier – vor dem 1. April 2011 ausgezahlt wurden, nicht anwendbar (vgl BSG, Urteil vom 25. Juni 2015 - B 14 AS 28/14 R = SozR 4-4200 § 42a Nr 1- Rn 18 ff, dahingehend bereits BSG, Urteil vom 22. März 2012 – B 4 AS 26/10 R = SozR 4-1200 § 46 Nr 3 – Rn 16 „echte Rechtsänderung“).

 

Die Anfechtungsklage hat auch in der Sache hinreichende Erfolgsaussichten schon deshalb, weil weder ein Ende der Hilfebedürftigkeit noch ein Ende des Mietverhältnisses ersichtlich sind. Hinsichtlich der hier anwendbaren Rechtslage bis zum 31. März 2011 dürfte eine Rückzahlungsverpflichtung vor Beendigung des Mietverhältnisses und Erstattung der Kaution durch den Vermieter ausscheiden (vgl hierzu BSG, Urteil vom 22. März 2012 – B 4 AS 26/10 R – aaO).

 

Kosten sind im PKH-Beschwerdeverfahren kraft Gesetzes nicht zu erstatten (vgl § 127 Abs. 4 ZPO).

 

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (§ 177 SGG).

 

 

Rechtskraft
Aus
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