L 14 AL 2/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 62 AL 3718/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AL 2/17
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Unständige Beschäftigungen im Sinne des § 27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III liegen nicht vor, wenn sich die übernommenen Tätigkeiten vereinba-rungsgemäß in regelmäßigen zeitlichen Abständen wiederholen. 2. Ein Beschäftigungslosigkeit i.S.v. § 138 Abs. 1 Satz 1 SGB III aus-schließendes Dauerbeschäftigungsverhältnis liegt nicht vor, wenn weder der Arbeitgeber verpflichtet ist, der Beschäftigten regelmäßige Einsatzzeiten anzubieten, noch diese verpflichtet ist, ihr angebotene Dienste anzunehmen (Anschluss an BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R, – und BAG, Urteil vom 16. Mai 2012 – 5 AZR 268/11 –). Die Beschäftigte unterliegt dann an den Tagen zwischen ih-ren Einsätzen mangels Arbeitsverhältnis keiner Dienstbereitschaft und kann frei über ihre Arbeitskraft entscheiden. 3. § 7 Abs. 3 SGB IV betrifft ausschließlich das versicherungs- und bei-tragsrechtliche Beschäftigungsverhältnis, lässt indes keine Rück-schlüsse auf das – ohnehin nur für das Arbeitsförderungsrecht rele-vante und dort nicht gesondert geregelte – leistungsrechtliche Be-schäftigungsverhältnis zu. 4. Zum Anspruch auf Arbeitslosengeld einer Kamerafrau, die nicht in einem Dauerbeschäftigungsverhältnis zu einer Rundfunkanstalt steht (hier bejaht).

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. November 2016 und der Bescheid der Beklagten vom 17. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Oktober 2014 geändert.

 

Die Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid vom 22. Januar 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. April 2014 zu ändern und der Klägerin Arbeitslosengeld für folgende Tage und Zeiträume zu gewähren:

6. bis 9., 11. bis 19., 21. bis 22. und 25. bis 27. Januar 2014,

28. Februar bis 2. März und 4. bis 7. März 2014,

19. bis 24. März und 26. März 2014,

28. März bis 2. April 2014,

5. April bis 13. April 2014, 26. April bis 4. Mai 2014,

7. Mai 2014,

8. bis 13., 15. bis 19. und 23. bis 29. August 2014,

31. August bis 10. September 2014,

16. bis 19. Oktober 2014.

 

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das gesamte Verfahren zu 1/2.

 

Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

 

 

Tatbestand

 

 

Die Klägerin begehrt Arbeitslosengeld für 90 Kalendertage zwischen dem 6. Januar und 19. Oktober 2014.

 

Die 1970 geborene Klägerin war seit 2000 als Kameraassistentin/-frau für diverse Arbeit-/Auftraggeber tätig. Bei der beigeladenen Rundfunkanstalt war sie seit 2005 ausschließlich für das Hauptstadt-Studio der ARD tätig und in den Jahren 2012 und 2013 als sog. „EB-Technikerin“ (EB = elektronische Berichterstattung) im folgenden Umfang beschäftigt:

2012

BT-Beig*

TT-so**

2013

BT-Beig ***

TT-so

Januar

7

1

Januar

11

2

Februar

4

3

Februar

8

 

März

10

4

März

8

2

April

18

2

April

 

3

Mai

5

6

Mai

15

 

Juni

5

5

Juni

2

4

Juli

5

3

Juli

13

1

August

13

5

August

8

1

September

4

7

September

9

3

Oktober

15

 

Oktober

8

1

November

15

10

November

12

 

Dezember

6

5

Dezember

 

 

Gesamt

107

51

Gesamt

94

17

* BT-Beig = Tage der Beschäftigung bei Beigeladener

** TT-so = Tage der Tätigkeit bei sonstigen Auftraggebern

 

Die jeweiligen Einsätze umfassten Zeiträume zwischen einzelnen und elf aufeinanderfolgenden Kalendertagen – wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 8 ff. der Verwaltungsakte verwiesen – und wurden von der Beigeladenen als Beschäftigungszeiten der Krankenkasse der Klägerin gemeldet. Schriftliche (Rahmen-)Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu diesen Einsätzen existieren nicht. Der Klägerin stand es sowohl frei, von der Beigeladenen angebotene Einsätze anzunehmen oder abzulehnen, als auch, andere Arbeitsverhältnisse einzugehen. Sie durfte angenommene Einsätze für die Beigeladene ohne für sie nachteilige Konsequenzen kurzfristig wieder absagen. Die einzelnen Einsätze der Klägerin dauerten zwischen acht und zehn Stunden je Kalendertag; sie begannen frühestens gegen 8.00 Uhr (mit einem Ende gegen 16.15 Uhr) und endeten (bei einem Beginn um 15.00 Uhr) spätestens gegen 23.15 Uhr.

Die Beigeladene beschäftigte für ihre sechs dem Hauptstadtbüro zuarbeitenden EB-Teams als Kameraleute und -assistenten jeweils sechs „festangestellte“ Mitarbeiter (im Folgenden: Festangestellte) und ca. vier „Freie“ (im Folgenden: Freie), darunter die Klägerin. Zur Erstellung der Dienstpläne erfragte die Zeugin T, die bei der Beigeladenen in den Jahren 2012/13 für den Bereich der Fernsehproduktion das gesamte technische Personal (Festangestellte und Freie) disponierte, die Verfügbarkeit bzw. Wünsche aller dieser Mitarbeiter ca. sechs bis sieben Wochen im Voraus. Anschließend teilte sie zunächst die Festangestellten ein und schloss die – z.B. wegen Krankheit, Urlaub oder Teilzeitarbeit der Festangestellten bestehenden – Lücken mit Freien. Aktueller Mehrbedarf wurde zunächst mit diesen, ersatzweise mit „hinzugekauften“ Teams externer Produktionsfirmen gedeckt. Bei der Auswahl der Freien im Hinblick auf konkrete Einsätze wurde berücksichtigt, dass diese (aufgrund einer Dienstanweisung) jeweils nur max. 96 Tage im Jahr für die Beigeladene arbeiten sollten, aber auch persönliche Präferenzen im Hinblick auf andere Teammitglieder fanden Beachtung. Innerhalb einer Schicht (7,7 Stunden) verrichtete die Klägerin dieselbe Tätigkeit wie die Festangestellten. Ca. zwei- bis dreimal jährlich lehnte die Klägerin Angebote der Beigeladenen ab. Für die von ihr nur anzuzeigenden, nicht genehmigungspflichtigen Urlaubstage konnte die Klägerin von der Beigeladenen für maximal 42 Tage im Kalenderjahr Urlaubsentgelt erhalten, ab dem vierten Tag einer Arbeitsunfähigkeit einen von der Gewährung von Krankengeld und der Dauer des vereinbarten Einsatzes unabhängigen Zuschuss. Grundlage für diese beiden Leistungen war ein ab 2008 geltender, u.a. von der Beigeladenen abgeschlossener Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen (TV)  i.S.d. § 12a Tarifvertragsgesetz (TVG), der Mindestbedingungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beigeladenen regelte. Diese mussten von der Beigeladenen bzw. anderen zur ARD gehörenden Rundfunkanstalten wirtschaftlich abhängig und sozial schutzbedürftig sein (Ziffer 1.2 TV). Letzteres war gegeben, wenn sie in den letzten sechs Kalendermonaten vor dem Zeitraum, für den ein Anspruch aus dem TV geltend gemacht wird, mindestens an 42 Tagen (einschließlich Urlaubstagen, Krankheitstagen und Zeiten des Mutterschutzes, für die ein Anspruch auf Urlaubsentgelt bzw. auf Zuschuss nach diesem TV berechtigt geltend gemacht wurde) für eine der o.g. Rundfunkanstalten tätig waren und die Vergütungen (einschließlich aller Entgelte und Ansprüche aus diesem TV) in diesem Zeitraum nicht mehr als 36.000 € betrugen (Ziffer 3.1 TV). Der TV sah außerdem die Pflicht der Beigeladenen vor, ab einer bestimmten Anzahl von Tätigkeitstagen im Kalenderjahr ihre Absicht, die Zusammenarbeit mit einer Mitarbeiterin bzw. einem Mitarbeiter nicht fortzusetzen, innerhalb einer bestimmten Frist (mindestens zwei Monate) anzukündigen (Ziffer 6.4 TV).

Zu Beginn der Tätigkeit setzte der Vorgesetzte der o.g. Zeugin einen Tagessatz für die Klägerin fest, welcher sich im Laufe der Zeit entsprechend den Tarifverträgen weiterentwickelte.

 

Eine – nach Auffassung der Klägerin auf ihre Beschäftigung anzuwendende – „Dienstanweisung für den Einsatz freier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ (im Folgenden: Dienstanweisung) bei der Beigeladenen enthielt u.a. folgende Regelungen:

 

Die Tätigkeit freier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist neben der Beschäftigung angestellter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Erfüllung des Programmauftrags unerlässlich. Freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dürfen nur dann verpflichtet werden, wenn dies erforderlich ist, um den Programmauftrag erfüllen zu können, und/oder festangestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter [der Beigeladenen] nicht zur Verfügung stehen.

 

§ 1 Grundsätze

 

(1) Freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dürfen grundsätzlich nur auf der Grundlage von Einzelabreden beschäftigt werden. […]

 

(2) Freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind nicht verpflichtet, angebotene Aufträge anzunehmen. Die Ablehnung eines Angebots – die keiner Begründung bedarf – darf kein Anlass sein, keine Aufträge mehr anzubieten.

 

(3) Freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind nicht verpflichtet, ihre Arbeitskraft in einem bestimmten Umfang [der Beigeladenen] zur Verfügung zu stellen.

 

(4) Freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind nicht verpflichtet, regelmäßig [bei der Beigeladenen] zu erscheinen. In keinem Fall dürfen freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter veranlasst werden, über die Erfüllung der von ihnen angenommenen Aufträge hinaus anwesend zu sein oder sich zur Verfügung zu halten.

 

(5) Freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können ihren Urlaub frei wählen. Sie dürfen nicht aufgefordert werden, sich in etwaige Urlaubslisten einzutragen oder sich den Urlaub genehmigen zu lassen.

 

(6) Freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dürfen nicht in den allgemeinen organisatorischen Arbeitsablauf eingegliedert werden. […]

 

(7) Tätigkeiten von freien Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, für deren Erledigung die Anwesenheit [in der Beigeladenen] nicht erforderlich ist, sollen außerhalb [der Beigeladenen] durchgeführt werden.

 

(8) Freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterliegen keinen Weisungen, soweit diese sich nicht unmittelbar aus dem übernommenen Auftrag herleiten. […]

 

§ 2 Dienstplanung

 

(1) Freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dürfen nicht ohne vorherige konkrete Absprache der einzelnen Termine in Dienst-, Einsatz- oder anderen Plänen bzw. Dispositionen aufgeführt werden. Stillschweigen gilt nicht als Einverständnis der freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den vorgelegten Einsatzangeboten.

 

(2) Vor Abschluss der Planung sind den freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Angebotspläne mit Vorschlägen für die Einsatzzeiten zuzuleiten. Erst nach deren Einverständniserklärung bzw. nach der Einarbeitung etwaiger Änderungswünsche der freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kann die endgültige Planung erstellt werden. […]

 

(3) Sind die freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht zu erreichen oder erklären sie nicht rechtzeitig ausdrücklich ihr Einverständnis mit dem beabsichtigten Einsatz, ist dies als Ablehnung des Auftragsangebots zu werten. In einem solchen Fall dürfen diese freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu dem beabsichtigten Zeitpunkt nicht eingesetzt werden.

 

Die Klägerin erhielt von der Beigeladenen für das Jahr 2012 Zahlungen (einschließlich „Urlaubsentgelt“) i.H.v. 18.098,99 €. Im Jahr 2013 erzielte sie – ausweislich ihres Einkommenssteuerbescheids – Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 27.882,42 € (einschließlich Zahlungen der Beigeladenen wegen Krankheit oder Urlaub). Sie war in diesen beiden Jahren in den meisten Monaten auch für andere Auftraggeber – dies zwischen einem und elf Tagen je Monat – tätig.

 

Am 6. Januar 2014 meldete sich die Klägerin arbeitssuchend und arbeitslos, beantragte Arbeitslosengeld und reichte hierfür umfangreiche Unterlagen zur Beschäftigung bei der Beigeladenen – auch für das Jahr 2014 – ein. Die beklagte Bundesagentur für Arbeit lehnte einen Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld ab dem 6. Januar 2014 ab, weil diese auch weiterhin in einem Dauerbeschäftigungsverhältnis stehe und deshalb nicht arbeitslos sei (Bescheid vom 22. Januar 2014, nicht angefochtener Widerspruchsbescheid vom 3. April 2014). Der Überprüfungsantrag der Klägerin vom Juli 2014 blieb erfolglos (Bescheid vom 17. Juli 2014, Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 2014).

 

Die Klägerin war auch nach dem 6. Januar 2014 kurzzeitig für unterschiedliche Arbeit-‍/‌Auftraggeber tätig und meldete sich anschließend wieder arbeitslos. Wegen der Einzelheiten wird auf die von der Klägerin bzw. der Beigeladenen hierzu eingereichten Unterlagen (Bl. 45 ff., 86 ff. Gerichtsakte) sowie die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 3. Juni 2021 übergebenen Unterlagen verwiesen.

 

Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgebracht, die Verwaltungspraxis der Beklagten sei uneinheitlich und daher rechtsmissbräuchlich. Einer großen Anzahl von Mitarbeitern der Beigeladenen würde trotz ihrer nur unständigen Beschäftigung Arbeitslosengeld für die zwischen den einzelnen Arbeitstagen liegenden Zeiträume gezahlt, sofern die übrigen Voraussetzungen vorliegen.

 

Mit Urteil vom 9. November 2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin sei während der Tage ihrer Arbeitsunterbrechungen grundsätzlich nicht beschäftigungslos gewesen, denn sie habe in einem Dauerbeschäftigungsverhältnis gestanden. Nach dem Gesamtverhalten der Vertragsparteien sei darauf zu schließen, dass sich die Klägerin und die Beigeladene zumindest im fraglichen Zeitraum über die jeweils für konkrete Einsätze verabredeten Dienste als Kamerafrau hinaus auf unbestimmte Zeit gebunden hätten. Das Weisung- und Direktionsrecht der Beigeladenen gegenüber der Klägerin sei derart umfassend gewesen, dass von dieser – auch ohne explizit schriftlich hierzu verpflichtet worden zu sein – faktisch erwartet (und von ihr auch tatsächlich so gehandhabt) worden sei, dass sie sich außerhalb ihres Urlaubs auch an Nicht-Einsatztagen für die Beigeladene zur Verfügung halte. Nur bei Annahme eines Dauerbeschäftigungsverhältnisses sei die Anwartschaftszeit erfüllt; die Voraussetzungen von § 142 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) dürften nicht erfüllt sein.

 

Gegen dieses ihr am 8. Dezember 2016 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 9. Januar 2017, zu deren Begründung sie vorträgt: Sie habe – zumindest nach § 142 Abs. 2 SGB III – die Anwartschaftszeit erfüllt; auch das Sozialgericht sei von 226 Einsatztagen ausgegangen. Im Jahr 2013 habe sie ein Arbeitsentgelt i.H.v. 29.800 € erzielt. Entsprechend der zwischen ihr und der Beklagten geübten Praxis habe sie sich bei jedem kurzfristigen Einsatz ab- und danach wieder angemeldet. Die Vertragsparteien hätten gerade keine Vereinbarung abgeschlossen, um damit zu zeigen, dass sie nicht willens seien, ein fortdauerndes Arbeitsverhältnis (Dauerbeschäftigungsverhältnis) zu begründen. Seinen Schluss, die Vertragsparteien hätten sich auf unbestimmte Zeit binden wollen, habe das Sozialgericht nicht aus den von ihm erwähnten Aufstellungen bezüglich Tätigkeiten und Bruttoarbeitsentgelten ziehen dürfen, weil sie diese Aufstellungen erst im Rahmen des Rechtsstreits gefertigt habe. Die o.g. Dienstanweisung habe das Sozialgericht unzutreffenderweise nicht, den TV fehlerhaft angewandt.

Sie habe auf zukünftige Einsätze gehofft, aber nicht darauf vertrauen können, künftig seitens der Beigeladenen herangezogen zu werden. Zwischen Oktober 2013 und Mai 2014 sei sie – jeweils für einen oder mehrere Tage – für fünf andere Auftraggeber tätig gewesen.

Sie sei seit 2001 in der Künstlersozialkasse (KSK) und habe, um dort ihre Mitgliedschaft zu erhalten, schon immer auch Aufträge anderer Auftraggeber angenommen. Soweit sie in den Jahren 2012/2013 Aufträge der Beigeladenen abgelehnt oder abgesagt habe, sei dies bei längerfristigen Anfragen vorgekommen, aber auch bei kurzfristigen, z.B. wenn sie spät am Abend eine Anfrage erhalten habe, ob sie am nächsten Tag einen erkrankten Kollegen ersetzen könne.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. November 2016 und den Bescheid der Beklagten vom Bescheid vom 17. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Oktober 2014 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 22. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. April 2014 zu ändern und ihr Arbeitslosengeld für folgende Tage und Zeiträume zu gewähren:

6. bis 9., 11. bis 19., 21. bis 22. und 25. bis 27. Januar 2014,

28. Februar bis 2. März und 4. bis 7. März 2014,

19. bis 24. März und 26. März 2014,

28. März bis 2. April 2014,

5. April bis 13. April 2014, 26. April bis 4. Mai 2014,

7. Mai 2014,

8. bis 13., 15. bis 19. und 23. bis 29. August 2014,

31. August bis 10. September 2014,

16. bis 19. Oktober 2014.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor: Zur bedeutenden Ablehnung von Aufträgen sei es seitens der Klägerin nicht gekommen. Auch sei kein längerer Zeitraum andauernden Ausfalls der Anforderungen der Klägerin durch die Beigeladene festzustellen. Deren Übersichten für die Zeit vom 6. Januar 2012 bis zum 5. Januar 2014 ließen zu keiner Zeit eine Unterbrechung von über einem Monat erkennen. Die Klägerin habe nach dem TV für Nicht-Einsatztage Urlaubsgeld von der Beigeladenen in einem Umfang erhalten, der dem Umfang des Urlaubsanspruchs eines regulären Arbeitnehmers entsprechen dürfte. Auch die Zahlung von Krankengeld durch die Beigeladene spreche dafür, dass eine Vertragsbeziehung bestanden habe, die weitgehend den Arbeitnehmern in einem durchgehenden Beschäftigungsverhältnis angenähert sei. Es seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Beigeladene die Klägerin nicht mehr habe beauftragen oder die Klägerin ihre Beschäftigung dort habe beenden wollen. Die Vielzahl und regelmäßigen Einsätze der Klägerin ohne größere Unterbrechungen lasse jedenfalls den Schluss zu, dass die Beigeladene einen Dauerbedarf habe abdecken wollen und die Klägerin auf weitere regelmäßige Einsätze habe vertrauen dürfen. Mit der Klägerin sei per E-Mail eine vorherige Abstimmung der Einsätze erfolgt, was nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ein Dauerarbeitsverhältnis begründe.

 

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

 

Der Senat hat durch seinen Berichterstatter im Erörterungstermin vom 29. September 2020 zwei Mitarbeiterinnen der Beigeladenen, die Zeuginnen T und L, vernommen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin eine Vielzahl von Schreiben der Beklagten (Agentur für Arbeit Berlin Nord) überreicht, in denen ihr mitgeteilt wurde, welche konkreten Zeiten die Beklagte der gesetzlichen Rentenversicherung als Zeiten der „Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug (§ 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VI)“ im Zeitraum zwischen dem 6. Januar 2014 bis zum 1. September 2015 gemeldet habe. Wegen der Einzelheiten dieser Schreiben wird auf die Verwaltungsakte verwiesen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die dem Senat vorgelegen hat, Bezug genommen.

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

 

Die zulässige Berufung ist, soweit sie am Ende der mündlichen Verhandlung noch aufrecht erhalten wurde, begründet. Der Klägerin steht für 90 Kalendertage zwischen 6. Januar und 19. Oktober 2014 Arbeitslosengeld in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang dem Grunde nach zu.

 

A. Streitgegenstand sind neben dem Urteil des Sozialgerichts die Bescheide vom 17. Juli 2014 und 8. Oktober 2014, mit denen die Beklagte die Änderung ihrer Bescheide vom 22. Januar 2014 und 3. April 2014 abgelehnt hat. Den geltend gemachten Anspruch auf Arbeitslosengeld hat die Klägerin im Berufungsverfahren aufgrund ihrer Beschäftigungslosigkeit ab dem 6. Januar 2014 konkretisiert und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf die aus der Tenor ersichtlichen 90 Kalendertage zwischen 6. Januar und 19. Oktober 2014 beschränkt.

 

B. Das Urteil des Sozialgerichts und die Bescheide der Beklagten vom 17. Juli 2014 und 8. Oktober 2014 sind zu ändern, soweit sie einen Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld für die aus dem Tenor ersichtlichen 90 Kalendertage ab dem 6. Januar 2014 verneinen (hierzu II). Insoweit ist die Beklagte zu verpflichten (hierzu I), ihre Bescheide vom 22. Januar 2014 und 3. April 2014 zu ändern und der Klägerin Arbeitslosengeld zu gewähren.

 

I. Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – SGB X). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall bezüglich der aus dem Tenor ersichtlichen Kalendertage erfüllt. Die (Überprüfungs-)Bescheide vom 17. Juli 2014 und 8. Oktober 2014 sind insoweit rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren subjektiven Rechten, als die Beklagte darin die Änderung der Bescheide vom 22. Januar 2014 und 3. April 2014 insgesamt abgelehnt hat. Bei Erlass dieser Bescheide hat die Beklagte das Recht unrichtig angewandt, indem sie einen Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld ab dem 6. Januar 2014 in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang verneint hat.

 

II. Die Klägerin kann für 90 Kalendertage zwischen 6. Januar und 19. Oktober 2014 grundsätzlich Arbeitslosengeld beanspruchen. Die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür liegen vor.

 

Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hat nach § 137 Abs. 1 SGB III, wer

1. arbeitslos ist,

2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und

3. die Anwartschaftszeit erfüllt hat.

 

Die Klägerin hat – auf der Grundlage ihrer Arbeitslosmeldung zum 6. Januar 2014 – die (verkürzte) Anwartschaftszeit nach § 142 Abs. 2 SGB III erfüllt (hierzu 1) und war an den aus dem Tenor ersichtlichen Tagen arbeitslos i.S.v. § 138 SGB III (hierzu 2). Sie hatte sich ferner an den aus dem Tenor ersichtlichen Kalendertagen bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet (hierzu 3). Der Anspruch umfasst 90 Kalendertage (hierzu 4.).

 

1. Nach § 142 Abs. 1 Satz 1 SGB III hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt gemäß § 143 Abs. 1 S. 1 SGB III (in der im Januar 2014 gel­­tenden, hier maßgeblichen alten Fassung - aF) zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die zweijährige Rahmenfrist umfasst im Falle der Klägerin den Zeitraum vom 6. Januar 2012 bis zum 5. Januar 2014.

 

Für Arbeitslose, die diese Anwartschaftszeit nicht erfüllen sowie darlegen und nachweisen, dass

1. sich die in der Rahmenfrist zurückgelegten Beschäftigungstage überwiegend aus versicherungspflichtigen Beschäftigungen ergeben, die auf nicht mehr als zehn Wochen im Voraus durch Arbeitsvertrag zeit- oder zweckbefristet sind, und

2. das in den letzten zwölf Monaten vor der Beschäftigungslosigkeit erzielte Arbeitsentgelt die zum Zeitpunkt der Anspruchsentstehung maßgebliche Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) nicht übersteigt,

betrug gemäß § 142 Abs. 2 Satz 1 SGB III (in der vom 1. August 2012 bis zum 31. Dezember 2019 geltenden, hier maßgeblichen alten Fassung - aF) die Anwartschaftszeit sechs Monate. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift bleibt § 27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III unberührt.

 

In einem Versicherungspflichtverhältnis stehen nach § 24 Abs. 1, § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III u.a. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind.

 

a. Während ihrer Tätigkeit für die Beigeladene war die Klägerin gegen Arbeitsentgelt beschäftigt und stand daher in einem Versicherungspflichtverhältnis.

 

aa. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB IV). Eine abhängige Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unterneh­merrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekenn­zeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Um­stände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Be­schäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 07. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R –, juris, m.w.N.).

 

bb. Hieran gemessen war – was zu Recht von keinem Beteiligten in Zweifel gezogen wurde – die Klägerin während der jeweiligen Einsatztage bei der Beigeladenen beschäftigt. Sobald die Klägerin einem ihr von der Beigeladenen angebotenen Einsatz (Auftrag) zugestimmt hatte, unterlag sie deren Weisungen hinsichtlich Ort, Zeit und Art der Tätigkeit. Zugleich war sie in die betriebliche Organisation der Beigeladenen eingebunden, weil sie in einem von der Beigeladenen organisierten und finanzierten EB-Team arbeitete und hierbei die von der Beigeladenen gestellten Betriebsmittel (z.B. Fahrzeuge, Aufnahmetechnik) Verwendung fanden. Rechtlich bedeutsame Unterschiede hinsichtlich der Einbindung in die Organisationsstruktur und in die Arbeitsabläufe der Beigeladenen im Vergleich zu deren "festangestellten" Beschäftigten (zu diesem Kriterium: BSG, Urteil vom 24. März 2016 – B 12 KR 20/14 R –, juris, Rn. 23) sind ebenso wenig ersichtlich wie ein irgendwie geartetes unternehmerisches Risiko der Klägerin.

 

b. Aufgrund dieser Beschäftigung erfüllt die Klägerin nicht die (reguläre) Anwartschaftszeit (§ 142 Abs. 1 SGB III) von zwölf Monaten – wegen § 339 Satz 2 SGB III entspricht dies 360 Kalendertagen – innerhalb der zweijährigen Rahmenfrist, sondern nur die (verkürzte) Anwartschaftszeit (§ 142 Abs. 2 SGB III aF) von sechs Monaten (= 180 Kalendertage). Denn die Klägerin war nur an den jeweiligen o.g. insgesamt (107 + 94 =) 201 Einsatztagen, nicht aber an den dazwischen liegenden Tagen bei der Beigeladenen beschäftigt (hierzu aa.). Ein (versicherungs- bzw. beitragsrechtliches) Dauerbeschäftigungsverhältnis bestand zwischen der Klägerin und der Beigeladenen nicht (hierzu bb.).

 

aa. Keine Beschäftigung i.S.v. § 7 SGB IV liegt vor, solange nach den zugrunde liegenden vertraglichen Vereinbarungen weder der Auftraggeber zur Erteilung von Aufträgen noch der Erwerbstätige zum Tätigwerden verpflichtet ist (BSG, Urteile vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –, vom 11. März 2009 – B 12 R 11/07 R –, und vom 04. Juni 1998 – B 12 KR 5/97 R –; entsprechend für das Arbeitsrecht: BAG, Urteil vom 16. Mai 2012 – 5 AZR 268/11 –; Urteil vom 31. Juli 2002 – 7 AZR 181/01 –; jeweils juris und m.w.N.). Darauf aufbauend hat das BSG für die Statusbeurteilung stets nur auf die nach Annahme eines Auftrags (durch den Erwerbstätigen) bestehenden Verhältnisse und Umstände abgestellt (BSG, Urteil vom 31. März 2017 – B 12 KR 16/14 R –, juris, Rn. 29, m.w.N.). Damit korrespondiert, dass z.B. bei darstellenden Künstlern die zwischen ihren jeweiligen Auftritten liegenden Tage und Zeiträume nur bei einer auch dann bestehenden Verpflichtung zur Dienstbereitschaft als Beschäftigungszeit anzuerkennen sind (BSG, Urteil vom 20. März 2013 – B 12 R 13/10 R –, juris, m.w.N.).

 

Im vorliegenden Fall war weder die Beigeladene verpflichtet, der Klägerin regelmäßig Einsatzzeiten anzubieten, noch war die Klägerin verpflichtet, ihr angebotene Dienste anzunehmen. Ein Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis bestand daher nur an den Tagen, an denen die Klägerin tatsächlich für die Beigeladene tätig war. Nach der o.g. Übersicht stand die Klägerin in der vom 6. Januar 2012 bis zum 5. Januar 2014 dauernden Rahmenfrist mehr als 180 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis. Zu diesem Ergebnis gelangte auch das Sozialgericht.

 

bb. Soweit das BSG trotz unterbrochener (Pflicht zur) Arbeitsleistung ein durchgängiges bzw. Dauerbeschäftigungsverhältnis angenommen hat, betrifft diese Rechtsprechung (vgl. nur Urteil vom 11. März 2014 – B 11 AL 5/13 R –, juris, Rn 10 ff. m.w.N.) nur das leistungs-, nicht aber das für die Erfüllung der Anwartschaftszeit allein maßgebliche versicherungs- bzw. beitragsrechtliche Beschäftigungsverhältnis.

 

Der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses ist, wie das BSG in ständiger Rechtsprechung betont hat, kontextabhängig und funktionsdifferent auszulegen. Funktion des für Dauer und Höhe des Anspruchs auf Arbeitslosengeld maßgebenden Begriffs des versicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses ist es, den Versicherungsschutz in der Sozial- und Arbeitslosenversicherung zu gewährleisten. Entsprechend geht die Rechtsprechung des BSG davon aus, dass das Beschäftigungsverhältnis im versicherungsrechtlichen Sinne auch bei tatsächlicher Nichtbeschäftigung, z.B. bei Arbeitsunfähigkeit oder Urlaub, nicht beendet ist, wenn und solange eine Pflicht des Arbeitgebers zur Fortzahlung des Arbeitsentgelts besteht. Dies gilt etwa in Fallgestaltungen rechtlich unwirksamer Kündigungen von Arbeitsverträgen, in denen der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt, der Arbeitgeber sie aber nicht annimmt und dadurch in Annahmeverzug gerät.

Dagegen hat das Fortbestehen bzw. die Beendigung des leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses i.S.v. § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III die Funktion, das durch Leistungen der Arbeitslosenversicherung erfasste Risiko zu bestimmen. Der Arbeitnehmer steht – unbesehen des Fortbestehens eines Arbeitsverhältnisses – regelmäßig nicht mehr in einem leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis, wenn die Beschäftigung faktisch ein Ende gefunden hat, wenn also die das Beschäftigungsverhältnis prägende persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten, die sich in der faktischen Verfügungsgewalt (Direktionsrecht) des Arbeitgebers und der Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers ausdrückt, entfällt (BSG, Urteil vom 12. September 2019 – B 11 AL 20/18 R –, Rn. 16 – 17; Urteil vom 30. August 2018 – B 11 AL 15/17 R –, Rn. 26 zum Begriff der Beschäftigung im versicherungsrechtlichen Sinne als Voraussetzung für die Konkretisierung des Bemessungszeitraums i.S.v. § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB III; vgl. auch Urteil vom 19. September 2019 – B 12 R 25/18 R –, Rn. 25; jeweils juris und m.w.N.).

 

Ob die Klägerin aufgrund der Häufigkeit und der näheren Umstände ihrer Einsätze in einem Dauerbeschäftigungsverhältnis zur Beigeladenen stand, ist für die Erfüllung der Anwartschaftszeit ohne Belang.

 

c. Die Dauer der jeweiligen Einsätze war im Voraus jeweils auf weniger als zehn Wochen begrenzt.

 

d. Das von der Klägerin in den letzten zwölf Monaten vor der am 6. Januar 2014 beginnenden Beschäftigungslosigkeit erzielte Arbeitsentgelt entspricht ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nach dem Einkommenssteuerrecht und überstieg mit 27.882 € nicht den Betrag von 33.180 € als die zu diesem Zeitpunkt maßgebliche Bezugsgröße nach § 18 Absatz 1 SGB IV.

 

e. Die Anwendung der verkürzten Anwartschaftszeit scheitert auch nicht an dem Verweis in § 142 Abs. 2 Satz 2 SGB III auf § 27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III. Nach dieser Vorschrift sind versicherungsfrei Personen in einer unständigen Beschäftigung, die sie berufsmäßig ausüben. Unständig ist eine Beschäftigung, die auf weniger als eine Woche der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch Arbeitsvertrag beschränkt ist. Die Klägerin war bei der Beigeladenen nicht unständig beschäftigt.

 

aa. Nach der Rechtsprechung des BSG sind Personen unständig Beschäftigte, deren Hauptberuf die Lohnarbeit bildet, die aber ohne festes Arbeitsverhältnis bald hier, bald dort, heute mit dieser, morgen mit jener Arbeit beschäftigt sind. Berufsmäßigkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn die Beschäftigungen zeitlich oder wirtschaftlich den Schwerpunkt der Erwerbstätigkeit bilden. Unständige Beschäftigungen werden typischerweise bei ständig wechselnden Arbeitgebern ausgeübt (BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R –, juris, Rn. 25, m.w.N.). Eine unständige Beschäftigung kommt nicht in Betracht, wenn von Beginn der Beschäftigung an feststeht, dass sich die Arbeitseinsätze für den Arbeitgeber wiederholen werden, insbesondere dies in Rahmenverträgen vorher festgelegt wurde. In diesen Konstellationen liegt keine unständige Beschäftigung, sondern eine regelmäßige Beschäftigung vor. Auch wiederholte kurzfristige Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber können unständig sein, wenn sie von vornherein auf weniger als eine Woche begrenzt sind. Hieran fehlt es, wenn die einzelnen Beschäftigungen sich vereinbarungsgemäß in regelmäßigen zeitlichen Abständen wiederholen oder wenn sog. Kettenverträge zur Umgehung einer ständigen Beschäftigung geschlossen werden (BSG, Urteil vom 04. Juni 2019 – B 12 R 10/18 R –, Rn. 38; Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 17/16 R –, Rn. 20; jeweils juris und m.w.N.). Der Natur der Sache nach pflegen Beschäftigungen begrenzt zu sein, wenn hierfür aus der besonderen Art der Arbeit folgende, objektiv und nicht vom Willen der Vertragsparteien abhängige Gründe ausschlaggebend sind (BSG, Urteil vom 04. Juni 1998 – B 12 KR 5/97 R –, juris). Die Frage, ob eine unständige Beschäftigung vorliegt, ist als Statusfrage aufgrund einer Prognose zu Beginn der Beschäftigung zu treffen (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 17/16 R –, juris, Rn. 17).

 

bb. Hieran gemessen war die Klägerin nicht unständig beschäftigt. Dagegen spricht zunächst, dass sie in den (hier maßgeblichen) Jahren 2012 und 2013 regelmäßig von der Beigeladenen beschäftigt wurde. Während dieser zwei Jahre hatte sie – abgesehen von den Monaten April und Juni 2013 – monatlich mindestens drei Einsätze und kam auf mindestens vier, höchstens 18 Einsatztage pro Kalendermonat. Auch wenn es zwischen der Klägerin und der Beigeladenen weder schriftliche noch Rahmenvereinbarungen gab, gingen offenkundig beide Seiten von regelmäßig wiederkehrenden Einsätzen der Klägerin für das Hauptstadtbüro aus. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Umstand, dass die Beigeladene für das Hauptstadtbüro sechs EB-Teams bestücken musste, von den hierfür zur Verfügung stehenden Arbeitskräften nach den glaubhaften Angaben der Zeuginnen T und L jedoch höchstens 60 bis 70 % Festangestellte waren. Weil angesichts einer Schichtdauer von 7,7 Stunden (zuzüglich Pausen) und Einsatzzeiten zwischen 8.00 und 23.15 Uhr regelhaft mehr als ein Team pro Kalendertag gebildet werden musste, genügten die jeweils sechs festangestellten Kameraleute und -assistenten nicht, um den gesamten Personalbedarf der Beigeladenen für die EB-Teams zu befriedigen. Die Beigeladene war vielmehr von vornherein zwingend darauf angewiesen, auf Freie für die Bestückung der EB-Teams zurückzugreifen und bei ihnen wegen der zu füllenden Lücken anzufragen. Dies unterstreicht die Dienstanweisung in ihrer einleitenden Feststellung: „Die Tätigkeit freier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist neben der Beschäftigung angestellter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Erfüllung des Programmauftrags unerlässlich.“

 

Dem steht nicht die Einschätzung der Klägerin entgegen, sie habe auf weitere Einsätze bei der Beigeladenen nicht vertrauen dürfen. Diese Einschätzung hat die Klägerin mit dem Hinweis verbunden, sie habe regelmäßig bei der Beigeladenen wegen weiterer Einsätze nachfragen müssen. Nach Auffassung des Senats wollte die Klägerin, der bewusst war, dass die Beigeladene zur Bestückung der EB-Teams auf Freie angewiesen war, damit im Wesentlichen zum Ausdruck bringen, dass sie habe aktiv werden müssen, um weiter von der Beigeladenen als Freie beschäftigt zu werden, weitere Einsatzzeiten somit kein „Selbstläufer“ waren.

 

2. Klägerin war an den aus dem Tenor ersichtlichen Tagen arbeitslos i.S.v. § 138 SGB III.

 

Nach dieser Vorschrift ist arbeitslos, wer Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist und

1. nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit),

2. sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen), und

3. den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).

 

Die Kläger unternahm im streitgegenständlichen Zeitraum zwischen Januar 2014 und Mai 2015 Eigenbemühungen, um wieder in Arbeit zu gelangen. Dies wird bereits dadurch belegt, dass sie nicht für den gesamten Zeitraum durchgängig Arbeitslosengeld verlangt, sondern nur für die Kalendertage, an denen sie keiner Beschäftigung oder sonstigen Tätigkeit nachgegangen ist. Die Klägerin stand auch den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung. Anderweitiges ist weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich.

 

Die Klägerin war desweiteren beschäftigungslos. Entgegen der Auffassung der Beklagten stand sie leistungsrechtlich nicht in einem Dauerbeschäftigungsverhältnis zur Beigeladenen.

 

a. Leistungsrechtliche Beschäftigungslosigkeit tritt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 11. März 2014 – B 11 AL 5/13 R –, juris, m.w.N.) bereits dann ein, wenn die tatsächliche Beschäftigung beendet wird und es an dem Willen der Parteien des Beschäftigungsverhältnisses fehlt, dieses fortzusetzen. Dies ermöglicht die Annahme von Beschäftigungslosigkeit in verschiedenen, in der Praxis häufig auftretenden Konstellationen. Nach diesen Maßstäben tritt leistungsrechtliche Beschäftigungslosigkeit z.B. ein, wenn Arbeitnehmer nach langer Arbeitsunfähigkeit und Ausschöpfung des Krankengeldanspruchs aus gesundheitlichen Gründen nicht weiter beschäftigt werden können. Sie liegt auch vor, wenn Arbeitnehmer nach Kündigung von der Arbeit freigestellt werden. Sie wird ferner bejaht, wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmer bei bestehendem Arbeitsverhältnis freistellt, weil er die Löhne wegen Zahlungsunfähigkeit nicht mehr zahlen kann.

Andererseits besteht ein Beschäftigungsverhältnis in Fällen weiter, in denen die tatsächliche Arbeitsleistung beendet oder unterbrochen ist, aber sowohl das Arbeitsverhältnis fortbesteht als auch beide Parteien den Willen haben, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen. Eine Fortdauer der Beschäftigung trotz deren tatsächlicher Unterbrechung ist etwa in Fällen der Kurzarbeit anzunehmen. Nach der Anordnung von Kurzarbeit aus wirtschaftlichen Gründen oder wegen eines unabwendbaren Ereignisses ruht die Arbeitspflicht der Beschäftigten ganz oder teilweise. Die Beteiligten des Beschäftigungsverhältnisses wollen die Beschäftigung aber wieder fortsetzen, wenn die Gründe für die Kurzarbeit entfallen sind. In dieser Situation besteht nicht nur das beitragsrechtliche Versicherungspflichtverhältnis fort (§ 24 Abs. 3 SGB III), sondern die Beschäftigten erhalten für die Dauer des Arbeitsausfalls auch eine Entgeltersatzleistung (nach §§ 95 ff. SGB III). Sie haben aber keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Beschäftigungslosigkeit, sondern erhalten stattdessen Kurzarbeitergeld als Leistung der aktiven Arbeitsförderung zur Sicherung des Verbleibs in Beschäftigung (so die Überschrift des Sechsten Abschnitts im Dritten Kapitel des SGB III). In all diesen Fällen liegt leistungsrechtlich keine Beschäftigungslosigkeit vor, weil die jeweiligen Arbeitnehmer in einem die Arbeitslosigkeit ausschließenden sogenannten Dauerbeschäftigungsverhältnis stehen (BSG a.a.O., m.w.N.).

 

Ein Dauerrechtsverhältnisses auch ohne ausdrückliche oder stillschweigende (anfängliche) diesbezügliche Vereinbarungen hat das BSG (Urteil vom 03. Dezember 1998 – B 7 AL 108/97 R –, juris, Rn. 26, m.w.N.) ferner bei der Aufnahme in einen Kreis immer wieder beschäftigter oder zur Verfügung stehender Personen trotz anfänglicher beiderseitiger Unverbindlichkeit angenommen. In Anknüpfung an Rechtsprechung des BAG (NZA 1998, 1277; Urteil vom 22. April 1998 – 5 AZR 92/97 –, juris; BAGE 77, 226; jeweils m.w.N.) zu den Rechtsverhältnissen von Mitarbeitern von Rundfunk- und Fernsehanstalten kann nach Auffassung des BSG ein Dauerarbeitsverhältnis auch dann vorliegen, wenn die einzelnen Einsätze jeweils vorher verabredet werden. Dies soll selbst dann gelten, wenn dem Arbeitnehmer das Recht eingeräumt wird, einzelne Einsätze abzulehnen, solange der Arbeitgeber auf diese Weise keinen Spitzen- oder Saisonbedarf, sondern einen Dauerbedarf an Arbeitskräften abdeckt, er also auf Dauer mehr Arbeitnehmer benötigt, als er unbefristet beschäftigt. Voraussetzung ist jedoch, dass der einzelne Arbeitnehmer häufig und ohne größere Unterbrechungen herangezogen wird und er von seinem Ablehnungsrecht regelmäßig keinen Gebrauch macht, der Arbeitnehmer also darauf vertrauen könne, auch in Zukunft herangezogen zu werden. Abgestellt wurde ferner darauf, ob die Anstalt innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens über die Arbeitsleistung verfügen kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang (ohne Abschluss dahingehender Vereinbarungen) zur Arbeit herangezogen wird, ihm also die Arbeiten letztlich "zugewiesen" werden. Ein Indiz für die ständige Dienstbereitschaft und damit für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses soll die Genehmigungspflicht von Urlaub sein, ebenfalls das Aufstellen von Dienstplänen, das regelmäßig nur dann sinnvoll sei, wenn Dienstbereitschaft der darin aufgenommenen Beschäftigten erwartet werden könne. Auch bei Einsätzen aufgrund jeweils vorhergehender telefonischer Anfragen des Arbeitgebers kann ein Dauerarbeitsverhältnis entstehen, sofern die oben genannten Kriterien vorliegen (BSG a.a.O.).

 

b. Nach diesen Maßstäben stand die Klägerin an den Tagen, an denen sie mit der Beigeladenen keine Einsätze für das Hauptstadtbüro vereinbart hatte, nicht in einem (Dauer-)Beschäftigungsverhältnis zu dieser.

 

aa. Die Klägerin unterlag an den Tagen zwischen ihren Einsätzen für die Beigeladene nicht deren Weisungsrecht und war nicht in deren betriebliche Strukturen eingegliedert. Entsprechende Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der Beigeladenen existieren nicht. Die Beigeladene forderte von der Klägerin für diese Tage auch keine irgendwie geartete Dienstbereitschaft, sondern musste auch bei kurzfristig entstehendem Personalbedarf bei der Klägerin anfragen, ob sie zur Übernahme eines Einsatzes bereit sei (was die Klägerin teilweise abgelehnt hat). Eine Zuweisung der Klägerin zu bestimmten Einsätzen durch die Beigeladene fand gerade nicht statt.

 

Die Beigeladene setzte damit konsequent ihre Dienstanweisung um. Diese bringt deutlich zum Ausdruck, dass die seitens der Beklagten angenommene Weisungsgebundenheit der Klägerin auch an einsatzfreien Tagen gerade nicht gewollt war. Denn nach § 1 der Dienstanweisung waren Freie „nicht verpflichtet, angebotene Aufträge anzunehmen“, die begründungslose Ablehnung eines Angebots durfte auch „kein Anlass sein, keine Aufträge mehr anzubieten“ (Abs. 2). Sie waren auch „nicht verpflichtet, ihre Arbeitskraft in einem bestimmten Umfang [der Beigeladenen] zur Verfügung zu stellen“ (Abs. 3), sie durften nicht „veranlasst werden, über die Erfüllung der von ihnen angenommenen Aufträge hinaus anwesend zu sein oder sich zur Verfügung zu halten“ (Abs. 4), und durften „nicht aufgefordert werden, sich in etwaige Urlaubslisten einzutragen oder sich den Urlaub genehmigen zu lassen“ (Abs. 5). Insbesondere aber – und dies ist ausschlaggebend – unterlagen sie „keinen Weisungen, soweit diese sich nicht unmittelbar aus dem übernommenen Auftrag herleiten“ (Abs. 8). Dass dies seitens der Beigeladenen gegenüber der Klägerin abweichend von der Dienstanweisung gehandhabt wurde, ist weder von der Beklagten näher dargelegt worden noch anderweitig ersichtlich.

 

bb. Die Klägerin stand somit an den einsatzfreien Tagen (auch) in keinem Arbeitsverhältnis i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Es ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, in welcher Weise bzw. durch welche Erklärungen oder Handlungen zwischen der Klägerin und der Beigeladenen für diese Tage ein die Erbringung von Arbeitsleistungen oder auch nur Dienstbereitschaft beinhaltender Vertrag nach den §§ 145 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), d.h. durch Abgabe und Annahme entsprechender Willenserklärungen nach §§ 130 ff. BGB, hätte zustande gekommen sein sollen.

 

cc. Dementsprechend konnte die Klägerin an den einsatzfreien Tagen völlig frei über ihre Arbeitskraft verfügen. Dass sie hiervon Gebrauch gemacht hat, belegen ihre regelmäßigen Tätigkeiten für andere Auftraggeber. Durch die Wahl von und den Wechsel zwischen Auftraggebern handelte die Klägerin unternehmerisch (vgl. BSG a.a.O., Rn. 15). Auch bei der Urlaubsgestaltung war sie völlig frei und musste keine Rücksicht auf die Interessen der Beigeladenen nehmen. Übereinstimmend haben hierzu die Klägerin und die Beigeladene bekundet, dass die Klägerin Urlaub zwar „beantragen“ musste. Da dieser allerdings stets ohne Einwendungen oder Einschränkungen gewährt wurde, bestand für die Klägerin im Ergebnis lediglich ein Anzeige- und kein „echtes“ Genehmigungserfordernis. Mit der Anzeige der geplanten Urlaubstage signalisierte die Klägerin der Beigeladenen nur, dass sie in dem benannten Zeitraum keine Anfragen wegen Einsätzen erhalten wollte.

 

dd. Der Senat verkennt nicht, dass auf die Tätigkeit der Klägerin für die Beigeladene Regelungen des TV zu Leistungen im Krankheitsfall, zur Vergütung in Urlaubszeiten und zum Schutz gegen die Beendigung der Vertragsbeziehungen angewandt wurden (zu diesem Kriterium: BSG, Urteil vom 11. März 2014 – B 11 AL 5/13 R – juris, Rn. 16). Dem Umstand, dass die Klägerin aufgrund des TV bestimmte Vergünstigungen wie Urlaubsentgelt oder (unter weiteren Bedingungen) einen Zuschuss zum Krankengeld erhalten hat, kommt im vorliegenden Fall allerdings kein besonderes Gewicht zu, weil an den einsatzfreien Tagen die hiesige Klägerin – anders als in dem der o.g. Entscheidung des BSG zugrunde liegenden Sachverhalt – keinerlei Dienstbereitschaft unterlag und auch im Übrigen, wie bereits dargelegt, kein Arbeitsverhältnis bestand.

 

Der TV ist zwar – wie grundsätzlich jeder Tarifvertrag i.S.d. TVG – auf die langfristige Gestaltung rechtlicher Beziehungen angelegt. Dies allein rechtfertigt indes nicht die Annahme, durch ihn werde zwangsläufig ein Dauerarbeitsverhältnis begründet. Zum einen enthält der TV keine Regelungen, aus denen sich eine dauerhafte Verpflichtung zur Arbeits- bzw. Dienstleistung bzw. der Bereitschaft hierzu ableiten lassen. Der Definition der sozialen Schutzbedürftigkeit (i.S.v. § 12a Abs. 1 Nr. 1 TVG) in Ziffer 3.1 TV liegt gerade nicht die Vorstellung eines dauerhaften Tätigwerdens der von seinem Geltungsbereich erfassten Personen für die Beigeladene zugrunde. Andernfalls bedürfte es einer nach (Kalender-)Tagen bemessenen Untergrenze zur Bestimmung der sozialen Schutzbedürftigkeit nicht. Zum anderen stünde die Annahme eines Dauerarbeitsverhältnisses in Widerspruch zur Tatsache, dass – nach dem o.G. – ein Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen nur an den Tagen bestand, an denen die Klägerin für die Beigeladene tätig wurde. Wenn – so die einheitlich von BSG und BAG (vgl. nur Segebrecht, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 7 Abs. 1 SGB IV [Stand: 22.10.2020], Rn. 91.1; KassKomm/Ziegl‌meier, 113. EL März 2021, SGB IV § 7 Rn. 77; Thüsing/Hütter-Brungs, NZA-RR 2021, 231) vertretene Rechtsauffassung (s.o.) – ein Arbeitsverhältnis nach § 611 BGB bzw. eine Beschäftigung nach § 7 SGB IV nicht bestehen kann, solange der oder die Erwerbstätige nicht zur Arbeits- oder Dienstleistung verpflichtet ist, kann ein (Dauer-)Arbeitsverhältnis ohne Verpflichtung zum Tätigwerden auch nicht auf der Grundlage eines Tarifvertrages angenommen werden. Dies gilt erst recht, wenn ein Tarifvertrag durch entsprechende Bestimmungen deutlich zum Ausdruck bringt, dass die Verpflichtung zur Arbeits- bzw. Dienstleistung nicht dauerhaft bzw. durchgängig besteht, sondern nur bei übereinstimmenden Willenserklärungen beider Seiten bezüglich jedes einzelnen Einsatzes. Demgemäß ist nach Ziffer 4. 1 TV die „Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter […] frei darin, die ihr bzw. ihm vom rbb unterbreiteten Angebote anzunehmen. Die Ablehnung eines Angebotes bedarf keiner Begründung“. Folgerichtig ist der Inhalts eines Angebots der Beigeladenen (erst dann) für beide Seiten bindend, wenn die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter es annehmen (Ziffer 4.2 Satz 1 TV).

 

ee. § 7 Abs. 3 SGB IV ist für die Frage eines leistungsrechtlichen (Dauer-)Beschäftigungsverhältnisses ohne Bedeutung. Nach Satz 1 dieser Vorschrift gilt eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Hierdurch wird „einheitlich für die Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung das Fortbestehen der Versicherungs- und Beitragspflicht [angeordnet], wenn für einen begrenzten Zeitraum der Anspruch auf Arbeitsentgelt entfallen ist, ohne dass eine Entgeltersatzleistung bezogen wird“. Durch die Neuregelung „werden die in § 192 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und in § 24 Abs. 3 Nr. 2 SGB III enthaltenen Regelungen auf die gesetzliche Rentenversicherung erstreckt“ (Entwurf des Rentenreformgesetzes 1999, BT-Drs. 13/8011, S. 68). Erfasst werden Sonderkonstellationen wie unbezahlter Urlaub, Streik und unentschuldigtes Fehlen (Arbeitsbummelei) mit jeweils begrenzter Dauer (BSG, Urteil vom 03. Dezember 1998 – B 7 AL 108/97 R –, juris, Rn. 23; Berchtold, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6.A., SGB IV § 7 Rn. 80; jeweils m.w.N.). § 7 Abs. 3 SGB IV überspielt lediglich den „Mangel an Entgeltlichkeit“ (BSG, Urteil vom 20. März 2013 – B 12 R 13/10 R –, juris, Rn. 30, m.w.N.) und betrifft ausschließlich das versicherungs- und beitragsrechtliche Beschäftigungsverhältnis (a.A. wohl LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. April 2016 – L 18 AL 117/15 –, Rn. 20, juris), lässt indes keine Rückschlüsse auf das – ohnehin nur für das Arbeitsförderungsrecht relevante und dort nicht gesondert geregelte – leistungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis zu.

 

3. Die Klägerin war auch für die aus dem Tenor ersichtlichen 90 Kalendertage zwischen 6. Januar und 19. Oktober 2014 bei der für sie zuständigen Agentur für Arbeit Berlin Nord arbeitslos gemeldet. Dies entnimmt der Senat den o.g. Meldungen dieser Agentur für Arbeit an die gesetzliche Rentenversicherung. Darin bestätigt sie für die Klägerin eine Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug i.S.v. § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Nach dieser Vorschrift sind Anrechnungszeiten Zeiten, in denen Versicherte wegen Arbeitslosigkeit bei einer deutschen Agentur für Arbeit oder einem zugelassenen kommunalen Träger nach § 6a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch als Arbeitsuchende gemeldet waren und eine öffentlich-rechtliche Leistung bezogen oder nur wegen des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens nicht bezogen haben. Demnach hatte sich die Klägerin für sämtliche der gesetzlichen Rentenversicherungstage mitgeteilten Kalendertage arbeitslos gemeldet.

 

4. Die Dauer des der Klägerin zustehenden Anspruchs auf Arbeitslosengeld beträgt, da sie „nur“ die Anwartschaftszeit nach § 142 Abs. 2 SGB III erfüllt hat, gemäß § 147 Abs. 3 Satz 1 SGB III drei Monate. Dies entspricht im Hinblick auf § 339 Satz 2 SGB III 90 Kalendertagen.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

 

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

 

 

Rechtskraft
Aus
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