L 17 SF 70/21 B E

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Abteilung
17
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 6 R 15/20
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 17 SF 70/21 B E
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16. Dezember 2020 über ein Ordnungsgeld von 200,00 Euro wird zurückgewiesen.

 

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

 

 

 

 

G r ü n d e :

 

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen ein Ordnungsgeld in Höhe von 200,00 Euro.

 

Mit Verfügung vom 20. November 2020 wurde der Beschwerdeführer als Zeuge für Mittwoch, 16. Dezember 2020, 10:00 Uhr, in das Sozialgericht Berlin geladen. In der Ladung war unter anderem darauf hingewiesen worden, dass gegen einen Zeugen, der ohne genügende Entschuldigung nicht erscheint, ein Ordnungsgeld bis zu 1.000,00 Euro festgesetzt werden kann. Weiter hieß es, der Termin zur Beweisaufnahme diene dazu, den Beschwerdeführer zur Erstattung des angeforderten Befundberichtes zu veranlassen; der Termin werde aufgehoben, wenn dieser Befundbericht rechtzeitig vorher eingehe. Laut Zustellungsurkunde vom 25. November 2020 wurde die Ladung nach einem vergeblichen Übergabeversuch in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt.

 

Zum Erörterungstermin vom 16. Dezember 2020 erschien der Beschwerdeführer nicht. Ausweislich des Protokolls des Termins wurde festgestellt, dass er ordnungsgemäß geladen worden sei. Nach 20-minütigem Abwarten wurde dem Beschwerdeführer ein Ordnungsgeld von 200,00 Euro sowie die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt.

 

Am 22. Februar 2021 hat der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt. Er bearbeite Schreiben der Sozialgerichte, die an ihn gerichtet werden, innerhalb einer Woche. Die Ladung habe er nicht bekommen. Hätte er sie erhalten, wäre er auch zur Verhandlung erschienen. Anfang März 2021 ist sodann beim Sozialgericht ein vom Beschwerdeführer erstellter Befundbericht eingegangen.

 

II.

Ob die gem. § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Beschwerde rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist des § 173 Abs. 1 SGG erhoben worden ist, kann offenbleiben. Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehene Beschluss über das Ordnungsgeld wurde ausweislich der Zustellungsurkunde vom 21. Dezember 2020 am selben Tag nach vergeblichem Zustellungsversuch in den Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung des Geschäftsraumes des Beschwerdeführers eingelegt. Der Beschwerdeführer ist jedoch offensichtlich erst tätig geworden, nachdem ihm die Zahlungsaufforderung des Sozialgerichts vom 5. Februar 2021 am 10. Februar 2021 zugestellt worden ist.

 

Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet. Das Ordnungsgeld ist nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen für ein Ordnungsgeld liegen vor.

 

Einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, sind nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 380 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten und zugleich ein Ordnungsgeld aufzuerlegen. Dies unterbleibt, wenn sein Ausbleiben rechtzeitig genügend entschuldigt wird, § 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Entschuldigt sich der Zeuge nachträglich genügend, werden die getroffenen Anordnungen nach § 381 Abs. 1 Satz 3 ZPO aufgehoben.

 

Der Beschwerdeführer ist zum Erörterungstermin vom 16. Dezember 2020 unstreitig nicht erschienen. Er war auch rechtzeitig und ordnungsgemäß geladen. Die Ladung enthielt alle nach § 377 ZPO erforderlichen Angaben.

 

Dass das Gericht eine Abladung für den Fall des rechtzeitigen Eingangs eines Befundberichts bei dem Sozialgericht in Aussicht gestellt hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Ladung war nicht auflösend bedingt. Dies wäre nur der Fall gewesen, wenn eine förmliche Abladung bei Bedingungseintritt nicht mehr hätte erfolgen sollen. Ein solcher Fall liegt hier aber offenkundig nicht vor. Es kann zudem nicht festgestellt werden, dass das Gericht sich bereits vorab gebunden hätte, in jedem Fall, also auch bei einer gegebenenfalls völlig unzulänglichen Beantwortung der Beweisfragen durch den Beschwerdeführer, den Termin aufzuheben. Dies kann der Ladung nicht entnommen werden. In ihr ist vielmehr lediglich die Bereitschaft des Gerichts bekundet worden, unter bestimmten Voraussetzungen den Termin wieder aufzuheben, weil eine mögliche Erledigung des Termins bereits zum Zeitpunkt der Ladung unübersehbar im Raum stand. Auch nach einer Ladung darf das Gericht einen Zeugen, der nicht verpflichtet ist, schriftlich Auskunft zu geben, darauf hinweisen, welche Folgen eine schriftliche Beantwortung der Beweisfragen nach sich zieht, um ihm überhaupt erst eine sachgerechte Entscheidung zu ermöglichen, ob er gem. § 377 Abs. 3 Satz 1 ZPO schriftlich Stellung nimmt oder es vorzieht, gem. § 377 Abs. 3 Satz 3 ZPO im Termin auszusagen. Ein gesetzliches Verbot für einen solchen Hinweis gibt es nicht (vgl. aber in diesem Zusammenhang Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. Mai 2015 – L 27 R 65/15 B –, Juris).

 

Der Beschwerdeführer ist in der Ladung auch auf die Folgen eines Nichterscheinens hingewiesen worden.

 

Die Ladung ist durch Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten erfolgt. Wird die Person, der zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung, in dem Geschäftsraum oder in einer Gemeinschaftseinrichtung, in der sie wohnt, nicht angetroffen, kann das Schriftstück zunächst an bestimmte Personen in der Wohnung oder dem Geschäftsraum zugestellt werden, § 178 ZPO. Ist auch dies, wie hier ausweislich der Zustellungsurkunde, nicht möglich, kann das Schriftstück gemäß § 180 Satz 1 ZPO in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt, § 180 Satz 2 ZPO; die fehlende Kenntnis des Adressaten ist dabei unerheblich. Die Zustellungsurkunde stellt dabei eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 ZPO dar, in der Ort und Zeitpunkt der Zustellung bezeugt wird.

 

Der Gegenbeweis ist zwar zulässig, erfordert jedoch mehr als die schlichte Behauptung, dass die in der Zustellungsurkunde beurkundeten Tatsachen unrichtig sind, sondern einen substantiierten Beweisantritt unter Darlegung von Umständen, die geeignet sind, eine Zustellung sicher auszuschließen. Nach diesen Maßgaben ist dem Beschwerdeführer der Gegenbeweis nicht gelungen. Die bloße Behauptung, er habe die Ladung nicht erhalten, genügt offensichtlich schon deshalb nicht, weil es für die Zustellung auf das Einlegen in den Briefkasten ankommt, nicht erst auf den tatsächlichen Erhalt des zuzustellenden Schriftstücks.

 

Aus demselben Grund ist der Beschwerdeführer auch nicht genügend für sein Ausbleiben entschuldigt.

 

Wenn der Beschwerdeführer trotz Zustellung in den Briefkasten seiner Arztpraxis die Ladung nicht bekommen haben will, so hätte er substantiiert nähere Angaben zu den örtlichen Verhältnissen machen müssen, insbesondere dazu, wer in seiner Praxis die eingehende Post sichtet und diese bearbeitet und wie er selbst sicherstellt, dass Post ihn auch zuverlässig erreicht. Denn der Beschwerdeführer ist verpflichtet, seinen Bürobetrieb so zu organisieren, dass Fristversäumnisse ausgeschlossen sind; er muss es organisatorisch wirksam sicherstellen, dass er Post auch tatsächlich erhält, insbesondere muss er auch mögliche Fehler rechtzeitig ermitteln und gegen solche die nötigen Vorkehrungen treffen. Der Hinweis des Beschwerdeführers, es gebe „Zeugen – meine Mitarbeiterinnen“, dass er die Ladung nicht erhalten habe, genügt hier offensichtlich nicht diesen Anforderungen.

 

Dass die Arztpraxis des Beschwerdeführers unzureichend organisiert zu sein scheint, dieser jedenfalls nicht ausreichend entschuldigt ist, dürfte im Übrigen auch daraus abzulesen sein, dass, abgesehen von dem behaupteten Verlust der Ladung, auch der Beschluss über das Ordnungsgeldes, der unter dem 21. Dezember 2020 zugestellt worden ist, wohl erst nach Erhalt der entsprechenden Zahlungsaufforderung des Sozialgerichts im Februar 2021 bemerkt worden ist.

 

Die nachträgliche Vorlage des Befundberichts steht dem Ordnungsgeld ebenfalls nicht entgegen. Ziel des Ordnungsgelds ist nicht die Willensbeugung des Zeugen. Vielmehr hat es repressiven Charakter und soll zugleich präventiv allgemein den zügigen Ablauf gerichtlicher Verfahren sichern. Es bleibt deshalb bei dem Ordnungsgeld, wenn die unterbliebene Zeugenaussage sich im Nachhinein erledigt hat oder wenn sich später herausstellt, dass es auf die Aussage des Zeugen gar nicht ankommt (vgl. BFH, Beschluss vom 11. September 2013 – XI B 111/12 –; OLG Koblenz, Beschluss vom 20. April 2020 – 13 WF 241/20 –, jeweils Juris).

 

Die Höhe des auferlegten Ordnungsgeldes und die Begründung des Gerichts hierzu ist schließlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Bewegt sich das Ordnungsgeld, wie hier, eher im unteren gesetzlichen Rahmen des maßgebenden Artikel 6 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch, der Ordnungsgelder zwischen 5 bis 1000 Euro ermöglicht, bedarf es keiner tiefergehenden Darlegung der richterlichen Ermessensgründe. Zutreffend hat das Gericht auf die entstandene Verfahrensverzögerung hingewiesen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG. Im (nichtkontradiktorischen) Beschwerdeverfahren gegen ein Ordnungsgeld ist ein Beschwerdeführer nur dann nach § 183 SGG kostenprivilegiert, wenn er dies auch im Hauptsacheverfahren ist. Dies ist hier nicht der Fall. Der Beschwerdeführer zählt als Zeuge nicht zu dem in § 183 SGG genannten Personenkreis.

 

Die Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ist angesichts der Tatsache, dass als Gerichtsgebühr pauschal 66,00 Euro anzusetzen sind, entbehrlich, s. § 3 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i. V. m. Nr. 7504 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zum GKG.

 

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG

 

Rechtskraft
Aus
Saved