L 18 AL 35/21 B ER

Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 120 AL 271/21 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 35/21 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerden des Antragstellers gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Berlin vom 19. März 2021 und 13. April 2021 werden zurückgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

 

Die Beschwerden des Antragstellers sind nicht begründet.

 

Für den in entsprechender Anwendung von § 140 Sozialgerichtsgesetz (SGG; vgl insoweit Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl § 140 Rn 2 mwN aus der Rspr) ergangenen Beschluss des Sozialgerichts (SG) vom 13. April 2021 gilt dies schon deshalb, weil nicht ersichtlich ist, dass das SG mit dem Beschluss vom 19. März 2021 über den ganzen Streitgegenstand entscheiden wollte, aber versehentlich nicht erschöpfend entschieden hat. Eine in diesem Sinne eindeutige Entscheidungslücke liegt bezogen auf den Beschluss vom 19. März 2021 nicht vor. Dies folgt schon daraus, dass das SG beide in der Antragsschrift gestellten Anträge in Abschnitt I des Beschlusses aufführt. Im Übrigen folgt dies auch zwanglos aus der Begründung in Abschnitt II Absatz 2. Dort hat das SG im Einzelnen dargelegt, dass aus seiner Sicht die Antragsgegnerin bei einem Fortbestand der im Bildungsgutschein verlautbarten Regelung infolge der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs zu einer (auch) zukunftsgerichteten Weiterleistung der Teilhabeleistungen verpflichtet wäre. Es hat damit den (wörtlich) als Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung (Antrag zu Nr. 2 in der Antragsschrift vom 2. März 2021) gestellten Antrag iSv § 103 SGG verständig ausgelegt und auch beschieden. Einer Ergänzungsentscheidung iSv § 140 SGG bedurfte es daher nicht.

 

Die Beschwerde gegen den Beschluss vom 19. März 2021 ist gleichfalls unbegründet.

 

Der aufgrund einer Multiplen Sklerose-Erkrankung mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 anerkannte Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Februar 2021, mit dem diese den erteilten Bildungsgutschein (CAD-) mit einer Geltungsdauer vom 22. Januar 2021 bis 19. März 2021 aufgehoben hat. Es handelt sich insoweit um einen Antrag iSv § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG iVm § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG. Der Widerspruch hat abweichend von der Grundregel des § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG keine aufschiebende Wirkung. Dies folgt aus § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG, auf den § 336a Satz 2 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung -  (SGB III) ausdrücklich verweist. Danach entfällt die aufschiebende Wirkung ua in Angelegenheiten der Bundesagentur für Arbeit bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen. Der Bescheid vom 11. Februar 2021 entzieht eine laufende Leistung, denn die Leistungen, die aufgrund des aufgehobenen Bildungsgutscheins zu erbringen gewesen wären, sind in jedem Fall laufende Leistungen im Sinne von § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG. Die Antragsgegnerin hätte bei Fortbestand des Bildungsgutscheins (und Antritt der Maßnahme) ungeachtet dessen, dass mit dem entsprechenden Bescheid vom 22. Januar 2021 iS eines Grundlagenbescheides das Vorliegen der Fördervoraussetzungen festgestellt, konkrete Leistungen aber noch nicht bewilligt wurden, Weiterbildungskosten iSv § 81 Abs. 1 iVm § 83 SGB III übernehmen müssen, und zwar auch für die am 15. März 2021 beginnende Maßnahme, die der Antragsteller indes nicht angetreten hat. Hierbei hätte es sich nicht um einmalige, sondern um wiederkehrende Leistungen zur Deckung von Kosten, die in regelmäßigen Abständen, in der Regel monatlich, anfallen (vgl zum Ganzen Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17. Februar 2012 – L 9 AL 370/11 B ER – juris – Rn 7 mwN), gehandelt.

 

Der so verstandene Antrag hat jedoch keinen Erfolg. Das Rechtsschutzbedürfnis für diesen Antrag ist entfallen. Wie der Antragsteller zwischenzeitlich bestätigt hat, nimmt er an der am 15. März begonnenen Maßnahme nicht teil. Da die Geltungsdauer des am 22. Januar 2021 nach Maßgabe von § 81 Abs. 4 SGB III – mit der ausdrücklichen Möglichkeit der zeitlichen Befristung (vgl § 81 Abs. 4 Satz 2 SGB III) – ausgegebenen Bildungsgutscheins damit abgelaufen ist, kann eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung von Leistungen aus diesem Bildungsgutschein schon deshalb nicht mehr erfolgen, weil der Bildungsgutschein vor Antritt der Maßnahme (innerhalb der Geltungsdauer) vom Träger der Maßnahme vorzulegen ist (§ 81 Abs. 4  Satz 3 SGB III). Es kann daher in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob es zudem an einer auch für einen Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG – als einem gerichtlichen Eilverfahren – zu fordernden Eilbedürftigkeit gefehlt hat, von der allenfalls bei einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit der angegriffenen Verwaltungsentscheidung der Antragsgegnerin vom 11. Februar 2021 hätte abgesehen werden können (vgl auch Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht , Beschluss vom 7. Juli 2016 – L 5 KR 63/16 B ER – juris – Rn 26; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt aaO § 86b Rn 12f). Jedenfalls hatte auch die Vollziehung des Bescheides vom 11. Februar 2021 für den Antragsteller keine unbillige Härte zur Folge.

 

Eine unbillige Härte ist anzunehmen, wenn dem Betroffenen – was hier nicht ersichtlich ist – durch die Vollziehung des Verwaltungsaktes Nachteile entstehen oder ernsthaft drohen, die nicht oder nur schwer wiedergutgemacht werden können (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt aaO § 86b Rn 12f mwN). Soweit der Antragsteller in Ansehung seines Schreibens vom 12. April 2021 und seiner Beschwerdeschrift (auch) eine Regelungsanordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG – gerichtet auf eine zukünftig beginnende Maßnahme – erstreben sollte, fehlt es damit unabhängig davon, dass insoweit eine überprüfbare Verwaltungsentscheidung noch nicht vorliegt, (auch) an einem Anordnungsgrund iS eines zur Vermeidung anders nicht mehr rückgängig zu machender Nachteile unaufschiebbar eiligen Regelungsbedürfnisses.

 

Dies ergibt sich aus Folgendem:

Der Antragsteller hat mitgeteilt (vgl Schriftsätze vom 9. März 2021 und 12. März 2021), dass er über „ausreichend liquide Mittel“ (ca. 17.000,- €) verfüge, so dass „Eilbedürftigkeit aus wirtschaftlichen Gründen nicht gegeben sein dürfte“. Sofern er darauf abhebt, dass sein Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) mit dem 19. März 2021 erschöpft ist und dann die Bewilligung der „hier begehrten Leistung ausgeschlossen sein dürfte“, trifft dies unabhängig von dem zwischenzeitlich verstrichenen Zeitraum nicht zu und folgt daher auch hieraus im Rahmen der dargelegten Abwägung kein zu berücksichtigender Nachteil. Die in Streit stehende Förderung beruflicher Weiterbildung iSv § 81 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) kann zum Einen auch nach einem Ausscheiden aus dem Alg-Bezug bzw bei einem Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) gefördert werden (vgl nur § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr 4 SGB II). Eine Verfügbarkeit des Antragstellers für den Arbeitsmarkt ist nicht Leistungsvoraussetzung nach dem SGB II (vgl Bundessozialgericht <BSG> – B 4 AS 97/09 R – juris – zur Förderung einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme durch den SGB II-Leistungsträger). Im Übrigen kommt eine weitere Zuständigkeit der Antragsgegnerin als für die hier in Rede stehende Weiterbildung erstangegangener Träger iSv § 14 Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX) auch nach einem möglichen „Wechsel“ des Antragstellers in den SGB II-Leistungsbezug in Betracht. Denn bei einem einheitlichen Rehabilitationsgeschehen, dh der hier streitgegenständlichen beruflichen Weiterbildung zur C-Fachkraft, besteht die im Außenverhältnis nach § 14 SGB IX begründete Zuständigkeit bei unverändertem Rehabilitationsbedarf unverändert fort (vgl zum Ganzen BSG, Urteil vom 28. November 2019 – B 8 SO 8/18 R = SozR 4-3250 § 14 Nr 30 – Rn 14 ff mwN). Dabei dürfte hier zu beachten sein, dass sich der bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) gestellte Teilhabeantrag auf das zwischenzeitlich beendete Beschäftigungsverhältnis vom 1. Februar 2019 bis 30. Juni 2020 bezogen haben dürfte (innerbetriebliche Umsetzung, vgl Vermerk vom 11. Februar 2021 und Bescheide vom 29. Januar 2021), mithin auf ein anderes Rehabilitationsgeschehen. In diesem Zusammenhang hätte auch der von der DRV verlautbarte Bescheid vom 18. Februar 2021 keine Auswirkungen auf die im Außenverhältnis begründete und weiter bestehende Zuständigkeit der Antragsgegnerin. Dass die begehrte Maßnahme zugleich eine Leistung der aktiven Arbeitsmarktförderung iSv § 3 Abs. 2 SGB III darstellt, ändert hieran nichts, zumal auch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben iSv § 49 Abs. 3 Nr. 4 SGB IX Maßnahmen zur Weiterbildung umfassen können. § 22 Abs. 1 bzw Abs. 2 Satz 1 SGB III stehen daher der Erbringung der Leistungen durch die Antragsgegnerin nicht entgegen, die im Übrigen bereits mit Bescheid vom 12. Juni 2018 ihre Zuständigkeit nach § 14 SGB IX für die berufliche Weiterbildung anerkannt haben dürfte.

 

Es ist damit kein Rechts- und schon gar kein sonstiger Hinderungsgrund ersichtlich, weshalb der Antragsteller die berufliche Weiterbildung nicht durch den vorläufigen Einsatz eigener wirtschaftlicher Mittel vorantreibt.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

 

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (§ 177 SGG).  

 

 

Rechtskraft
Aus
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