L 14 KR 52/16

Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 51 KR 1224/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 KR 52/16
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Wer als Erfüllungsgehilfe eine Dienstleistung für einen Auftragge-ber erbringt, die dieser einem Dritten vertraglich als Hauptleistungs-pflicht schuldet, ist typischerweise in die Arbeitsorganisation des Auf-traggebers eingegliedert. 2. Ergeben sich Arbeitsort und/oder -zeit aus den mit einer Tätigkeit verbundenen Notwendigkeiten („aus der Natur der Sache“), spricht dies nicht gegen ein Weisungsrecht (Anknüpfung an BSG, Urteile vom 04. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R –, und vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –). 3. Zur Versicherungspflicht einer Pflegehilfskraft in der ambulanten Versorgung.

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Dezember 2015 und der Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 2013 aufgehoben, soweit es die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 für die Beigeladene zu 2 betrifft.

 

Es wird festgestellt, dass die Beigeladene zu 1 in ihrer Beschäftigung für die Beigeladene zu 2 am 1., 2., 3., 6. und 7. August 2012 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag.

 

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

 

Tatbestand

 

 

Die Beteiligten streiten (noch) um die Frage, ob die Beigeladene zu 1 in ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 2 an fünf Tagen Anfang August 2012 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag.

 

Die 1960 geborene Beigeladene zu 1 verfügt nach eigenen Angaben über eine Ausbildung als Pflegehelferin. Sie meldete Ende Mai 2012, noch während einer bis zum 31. Juli 2012 dauernden Beschäftigung, ein zunächst im Nebenerwerb, ab dem 1. August 2012 als Haupterwerb ausgeübtes Gewerbe mit der Tätigkeit „Pflege und Betreuung von Alten- und behinderten Menschen“ an. Dies mitteilende Schreiben der Beigeladenen zu 1 aus Juli und Oktober 2012 wertete die klagende Deutsche Rentenversicherung Bund zunächst als Antrag, ihre Versicherungspflicht als Selbständige festzustellen. In diesem Zusammenhang beschrieb die Beigeladene zu 1 ihre Tätigkeit als „Pflege von alten u. behinderten Menschen in ambulanten u. stationären Einrichtungen bundesweit. Bei Personalmangel Aushilfe in verschiedenen Einrichtungen der Altenhilfe nach Bedarf, keine medizinischen Leistungen.“ Weil die Klägerin Zweifel an der Selbständigkeit der von der Beigeladenen zu 1 ausgeübten Tätigkeit hegte, bot sie ihr ein Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) an. Nachdem die Beigeladene zu 1 hierauf nicht reagierte, leitete die beklagte Krankenkasse als für die Beigeladene zu 1 zuständige Einzugsstelle auf Bitten der Klägerin eine Statusprüfung nach § 28h SGB IV ein.

 

Durch die Vermittlung einer „Agentur für freiberufliche Pflegekräfte“ war die Beigeladene zu 1 – nach ihren Angaben ohne „direkten“ Vertrag – für die (damals noch als Pflegedienst W D GmbH firmierende) Beigeladene zu 2 ab dem 29. Mai 2012 auf der Basis eines Stundensatzes von 18 € (ggf. zzgl. Nacht- und Wochenendzuschlägen) tätig und stellte einen Betrag von 712,13 € für ihre Einsätze vom 1.-3. sowie am 6. und 7. August 2012 in Rechnung. Der Stundensatz einer „fest angestellten“ Pflegehilfskraft der Beigeladenen zu 2 lag bei 9 Euro. (282 GA)

 

Zu ihrer ab dem 1. August 2012 ausgeübten Tätigkeit gab die Beigeladene zu 1 gegenüber der Klägerin bzw. der Beklagten an,

- sie beschäftige nicht regelmäßig mindestens einen Arbeitnehmer/Auszubildenden,

- sie arbeite nicht am Betriebssitz ihres Auftraggebers und habe keine regelmäßigen Arbeits- und Anwesenheitszeiten einzuhalten,

- ihr würden keine Weisungen erteilt und ihr Einsatzgebiet könne nicht ohne ihre Zustimmung verändert werden,

- die Einstellung von Vertretern bzw. Hilfskräften durch sie sei nicht von der Zustimmung ihres Auftraggebers abhängig,

- sie sei „für die angegebenen Punkte“ selbst verantwortlich und treffe diesbezüglich eigenständig und unabhängig die notwendigen Entscheidungen,

- sie sei als Pflegekraft für verschiedene Auftraggeber ohne ärztliche Anweisung tätig,

- die Auftragsausführung werde „in der Pflegedokumentation der Patienten u. Einsatzzeitnachweise auf Tourenplan/Dienstplan dokumentiert“,

- Arbeitszeitnachweise würden „geführt u. danach Rechnung erstellt“,

- eine gesonderte Kontrolle werde nicht durchgeführt, wenn die Patienten zufrieden seien,

- die Arbeitszeiten richteten sich nach dem Auftrag, der die Anzahl der Tage und die tägliche Arbeitszeit regele und auch den Einsatzort (stationäre Einrichtung oder – bei ambulanter Versorgung – die Anschriften der Patienten laut Tourenplan) festsetze,

- die Rechnung werde nach der tatsächlichen Arbeitszeit erstellt,

- es finde keine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers statt („keine Teilnahme an Dienstbesprechungen usw.“),

- die Anweisungen kämen direkt vom Ansprechpartner (in der Regel Pflegedienstleitung),

- Dienstkleidung werde nicht gestellt,

- sie trete „nicht selbstständig in Sachen eigener Werbung auf“,

- sie erhalte Aufträge über Vermittlungsagenturen und entscheide dann, ob sie den Auftrag annehme,

- sie müsse für den Unterhalt ihres Unternehmens selbst sorgen und trage „das Risiko z.B. für den Unterhalt der notwendigen Sachmittel u. Investitionen sowie für Arbeitsmaterialien, Sozialversicherungen, Steuerberater usw.“.

Die Beigeladene zu 1 reichte ferner das Muster einer von ihr verwendeten Dienstleistungsvereinbarung ein, wegen dessen Inhalt auf Bl. 32 ff. der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen wird.

 

Auf den Antrag der Beigeladenen zu 1 festzustellen, dass eine Beschäftigung nicht vorliege, stellte die Beklagte fest, dass die Beigeladene zu 1 in ihrer Tätigkeit als Pflegehilfskraft in der Altenpflege ab dem 1. August 2012 in keinem abhängigen Beschäftigungsverhältnis bei den von ihr angegebenen Arbeitgebern (darunter die Beigeladene zu 2) stehe und daher keine Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung bzw. Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung eintrete (Bescheid vom 11. Juni 2013).

 

Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage vom 9. Juli 2013 hat die Klägerin die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1 in der gesetzlichen Rentenversicherung seit dem 1. August 2012 geltend gemacht.

 

Die Beigeladene zu 1 hat im Klageverfahren angegeben, sie nutze ein Zimmer ihrer Dreiraumwohnung als Büro und setze dies auch bei der Steuer entsprechend ab. Sie benutze ihren Pkw auch als Dienstwagen. Zu Beginn ihrer Tätigkeit habe sie Arbeitskleidung (Kittel, Hose, Schuhe) im Wert von ca. 500 € angeschafft, ferner einen Computer für die Arbeit, weil der alte „Asbach uralt“ gewesen sei. Außerdem kaufe sie regelmäßig Verbrauchsmaterial wie Einmalhandschuhe und Desinfektionsmittel. Sie habe eine Berufshaftpflichtversicherung mit einem monatlichen Beitrag von 25 € abgeschlossen.

Sie sei mit ihrem Pkw zum Büro der Beigeladenen zu 2 gefahren und habe dort die Liste entgegengenommen, auf der die von ihr zu versorgenden Patienten aufgeführt waren, und die entsprechenden Schlüssel erhalten. Den Unterlagen seien Anweisungen beigefügt gewesen, welche Leistungen in Form von Pflegekomplexen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) sie bei den jeweiligen Patienten habe erbringen sollen. Sie sei dann zu den Patienten gefahren, habe die jeweiligen Pflegeleistungen erbracht und in der dort vorhandenen Patientenakte, in der auch Informationen zum Gesundheitszustand und den Bedürfnissen der Patienten hinterlegt gewesen seien, ihr Kürzel hinterlassen. Am Ende des Tages habe sie die Schlüssel zurückgebracht. Eine Einarbeitung habe es ebenso wenig gegeben wie eine Besprechung bei der Übergabe. Bei Rückfragen habe sie sich jederzeit an die Pflegedienstleitung wenden können.

An ihre potentiellen Auftraggeber sei sie nicht selbst herangetreten, sondern habe zwei Vermittlungsagenturen genutzt. An diese seien die Pflegedienste auf der Suche nach einer Pflegekraft herangetreten. Die Agentur habe dann per SMS die bei ihr gelisteten, in Frage kommenden Pflegekräfte – jeweils nur Tage oder Stunden vor dem geplanten Einsatz – informiert und die jeweils interessierten Pflegekräfte dem Pflegedienst vorgeschlagen. In der Folgezeit sei es ggf. zu einer Vertragsgestaltung entsprechend dem eingereichten Vertragsmuster gekommen. Das Stundenhonorar hätten die Agenturen im Vorfeld mit den jeweiligen Auftraggebern ausgehandelt. Manchmal habe sie Arbeitsaufträge auch direkt von den Arbeit- oder Auftraggebern bekommen.

Von der im Dienstleistungsvertrag vorgesehenen Möglichkeit, Hilfskräfte einzusetzen oder den Dienst durch andere (ebenfalls geeignete) Kräfte erbringen zu lassen, habe sie niemals Gebrauch gemacht. Im Krankheitsfall hätte sie keinen Ersatz benennen können und absagen müssen.

 

Mit Urteil vom 15. Dezember 2015 hat das Sozialgericht die (auch Tätigkeiten der Beigeladenen zu 1 für andere Auftraggeber betreffende) Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Nach Auffassung der Kammer ergebe sich nach dem Gesamtbild keine Zuordnung zum rechtlichen Typus einer abhängigen Beschäftigung. Die mit der Beigeladenen zu 2 geschlossene schriftliche Dienstvereinbarung spreche eindeutig gegen eine abhängige Beschäftigung. Die Kammer sei überzeugt, dass die Vertragsverhältnisse entsprechend den Vereinbarungen gelebt worden seien. Der tatsächliche Ablauf der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 stehe den schriftlichen Vereinbarungen nicht entgegen. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass eine so starke Eingliederung der Beigeladenen zu 1 in die Arbeitsorganisation der jeweiligen Auftraggeber vorgelegen hätte, dass entgegen der Vereinbarungen doch von einem Arbeitsverhältnis ausgegangen werden müsse. Dies ergebe sich aus folgenden Umständen: Die Beigeladene zu 1 habe ihre Dienstleistungen nicht in den Räumen der Auftraggeber erbracht. Der Kontakt zu den Räumlichkeiten und den Mitarbeitern der Beigeladenen zu 2 habe sich auf das Abholen der Adressenliste und der Schlüssel der zu pflegenden Personen vor dem jeweiligen Arbeitseinsatz und das Zurückbringen der Schlüssel und das Abgeben eines Zettels mit der Abgabe der geleisteten Arbeitsstunden nach dem Einsatz beschränkt. Bei den zu pflegenden Personen habe die Beigeladene zu 1 jeweils der dort befindlichen Patientenakte entnommen, welche Pflegeleistungen zu erbringen und welche Besonderheiten ggf. zu beachten gewesen seien. Diese Vorgaben seien nach Auffassung der Kammer nicht direkt als Weisungen des Auftraggebers zu verstehen. Es entspreche vielmehr grundsätzlich dem Charakter von Pflegeleistungen, dass diese sich an den medizinischen und pflegerischen Bedürfnissen der Patienten ausrichteten, welche zuvor häufig durch die behandelnden Ärzte bzw. die Pflegekasse oder deren Beauftragte festgestellt worden seien und die dann zur Grundlage des Pflegevertrages gemacht würden. Eine Zusammenarbeit vor Ort etwa mit fest angestellten Pflegekräften des jeweiligen Auftraggebers habe nicht stattgefunden. Dass der Auftraggeber bzw. deren Mitarbeiter für Rückfragen telefonisch zur Verfügung gestanden hätten, sei aus Sicht der Kammer nicht als das Erteilen von Weisungen zu bewerten. Die Beigeladene zu 1 habe auch weder eine Einarbeitung erhalten noch an Fortbildungen oder Dienstbesprechungen teilgenommen. Damit habe sich der Tätigkeitsrahmen der Beigeladenen zu 1 wesentlich gegenüber angestellt beschäftigten Pflegekräften der Auftraggeber unterschieden.

Die Beigeladene zu 1 habe die unternehmerische Freiheit besessen, selbst zu entscheiden, ob sie sich bei der Vermittlungsagentur im Bezug auf ihr unterbreitete Auftragsangebote zurückmelde, um diese Aufträge ggf. zu übernehmen. Sie habe – wenn auch in relativ geringem Umfang – eigenes Kapital eingesetzt und damit ein gewisses unternehmerisches Risiko übernommen. Wegen der Berufshaftpflichtversicherung und der Raten für den Computer seien ihr laufende Kosten entstanden. Diesem Risiko hätten allerdings keine nennenswerten unternehmerischen Chancen gegenübergestanden. Berücksichtige man die laufenden Kosten der Beigeladenen zu 1, die immer wieder auftretenden Zeiträume ohne Aufträge und damit ohne Einnahmen sowie die von ihr allein zu tragenden Kosten für Krankenversicherung, Altersvorsorge etc., so dürften sich keine Verdienstmöglichkeiten ergeben, die erheblich über dem Verdienst von fest angestellten Pflegekräften (9 € je Stunde) liegen.

 

Gegen dieses ihr am 18. Januar 2016 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 2. Februar 2016, zu deren Begründung sie vorträgt: Vertragliche Festlegungen, dass die Pflegekraft bei der Durchführung der übertragenen Tätigkeiten oder den Arbeitszeiten keinen Weisungen des Auftraggebers unterliege, seien reine Vertragsrhetorik und entsprächen vorliegend offenkundig nicht der tatsächlichen Handhabung. Allein die Auftraggeber dürften aufgrund der mit den Pflegekassen geschlossenen Versorgungsverträge berechtigt sein, Pflegesachleistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung nach § 36 SGB XI zu erbringen, sodass die Beigeladene zu 1 nach dem Wortlaut von § 36 Abs. 1 S. 3 SGB XI Angestellte der Auftraggeber gewesen sei. § 71 Abs. 1 SGB XI und die nachgeordneten Regelungen des – beigefügten, für Berlin geltenden – Rahmenvertrages gemäß §§ 75 Abs. 1 SGB XI gingen mithin davon aus, dass die im Rahmen der häuslichen Pflegehilfe vom Pflegedienst eingesetzte Pflegekraft in den Betrieb der ambulanten Pflegeeinrichtung weisungsabhängig eingegliedert sei.

 

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Dezember 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 2013 aufzuheben und festzustellen, dass die Beigeladene zu 1 in ihrer Beschäftigung für die Beigeladene zu 2 am 1., 2., 3., 6., und 7. August 2012 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und verweist zur Begründung auch auf die Ausführungen der Beigeladenen zu 1.

 

Die Beigeladene zu 1 ist der Auffassung, Verstöße gegen die von der Klägerin benannten Regelungen des SGB XI beträfen nur das Verhältnis zwischen Pflegeeinrichtungen und Leistungsträger. Sie trägt vor, ihre Aufgaben als Pflegehilfskraft hätten sich auf Körperpflege, Waschen und Duschen, An- und Ausziehen sowie ggf. auch die Zubereitung von Mahlzeiten, das Einkaufen und die Reinigung der Wohnung beschränkt. Für medizinische Maßnahmen wie Katheder- oder Verbandswechsel seien andere Mitarbeiter des Pflegedienstes eingesetzt worden. Im Übrigen habe sie jedoch dieselbe Tätigkeit wie die von ihr vertretenen Mitarbeiter des Pflegedienstes ausgeübt. Hätte sie im Rahmen eines Patientenbesuchs festgestellt, dass ein akuter Bedarf für eine medizinische Fachpflegekraft bestanden hätte, hätte sie dies in der Dokumentation eingetragen und ggf. Kontakt mit dem Pflegedienst und den Angehörigen aufgenommen oder die Notrufnummer 112 gewählt. Sie habe damals weitere Besuche bei einer Patientin, von der sie nur beschimpft worden sei, abgelehnt und diese in der Folgezeit nicht mehr aufsuchen müssen.

 

Das Gericht hat mit Beschluss vom 12. September 2018 das Verfahren bezüglich der weiteren im Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 2013 genannten Auftraggeber der Beigeladenen zu 1 ab dem 1. August 2012 abgetrennt. Die abgetrennten Teile des Verfahrens werden unter den Az. L 9 KR 298/18 bis L 9 KR 302/18 geführt. Diese Verfahren sind noch nicht abgeschlossen.

 

Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 6. September 2018 erörtert.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Klägerin und der Beklagten, die dem Senat vorgelegen haben, Bezug genommen.

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem alle Beteiligten ihr Einverständnis hiermit erklärt haben.

 

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts vom 15. Dezember 2015 und der Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 2013 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren subjektiven Rechten, soweit darin die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1 in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) aufgrund ihrer Beschäftigung für die Beigeladene zu 2 am 1., 2., 3., 6. und 7. August 2012 verneint wird.

 

I. Streitgegenstand ist zum einen das Urteil des Sozialgerichts vom 15. Dezember 2015, soweit es die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 für die Beigeladene zu 2 ab dem 1. August 2012 betrifft, zum anderen der Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 2013, soweit er ebenfalls diese Tätigkeit betrifft, beschränkt auf die Frage der Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1 in der GRV.

 

II. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) zulässig. Zu Recht hat die Klägerin ihr Begehren auf die Versicherungspflicht in der GRV begrenzt, weil sie nur insoweit in eigenen Rechten betroffen ist bzw. über das erforderliche Feststellungsinteresse verfügt (vgl. Bundessozialgericht – BSG –, Urteil vom 28. September 2011 – B 12 KR 15/10 R –, juris, Rn. 19, m.w.N.). Da die Beigeladene zu 1 nur an den aus dem Tenor ersichtlichen Tagen für die Beigeladene zu 2 tätig war, legt der Senat das klägerische Begehren dahin aus, dass die Anfechtung und Feststellung der Versicherungspflicht nur auf diese Tage bezogen sein sollen. Denn die Gerichte haben bei der Erfassung des klägerischen Begehrens den Antrag zugrunde zu legen, der der Klägerseite am besten zum Ziel verhilft (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 13.A., § 123 Rn. 3 m.w.N.).

 

III. An den o.g. streitigen Tagen unterlag die Beigeladene zu 1 aufgrund ihrer Beschäftigung für die Beigeladene zu 2 der Versicherungspflicht in der GRV nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).

 

1. Nach dieser Vorschrift unterliegen u.a. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, der Versicherungspflicht in der GRV. Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbeson­dere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Eine abhängige Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unterneh­merrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekenn­zeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Um­stände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Be­schäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 07. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R –, juris, m.w.N.).

 

Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zu­ordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG a.a.O.). Steht es Erwerbstätigen – wie hier der Beigeladenen zu 1 – im Rahmen wiederkehrender Anfragen frei, ob sie die ihnen angebotenen, typischerweise zeitlich begrenzten Aufträge annehmen, ist auf die Verhältnisse abzustellen, die nach Annahme des jeweiligen Auftrags im Hinblick (allein) auf die konkrete Tätigkeit bestanden (vgl. BSG a.a.O., Rn. 31; Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Februar 2017 – L 9 KR 234/13 –, juris, Rn. 85, m.w.N.). Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts kommt es daher auf die durch die Ablehnung von Aufträgen bedingten Zeiträume von vornherein nicht an.

Das Bestehen einer ggf. zu würdigenden Rahmenvereinbarung ist im vorliegenden Fall weder nach dem Vorbringen der Beteiligten noch anderweitig ersichtlich.

 

2. Der Senat entnimmt dem Vorbringen der Beigeladenen zu 1 – die ihre ursprüngliche Behauptung, gegenüber allen Auftraggebern das o.g. Vertragsmuster verwandt zu haben, im Berufungsverfahren korrigierte, weil sie mit der Beigeladenen zu 2 keine schriftliche Vereinbarung traf – folgenden Vertragsinhalt: Sie erbrachte gegenüber pflegebedürftigen Personen Pflegeleistungen nach dem SGB XI, die diese zuvor mit der Beigeladenen zu 2 vertraglich vereinbart hatten. Diese Leistungen waren aufgrund der eingeschränkten berufsrechtlichen Befugnisse der Beigeladenen zu 1 als Pflegehilfskraft begrenzt und umfassten Körperpflege, Waschen und Duschen, An- und Ausziehen sowie ggf. auch die Zubereitung von Mahlzeiten, das Einkaufen und die Reinigung der Wohnung. Hierfür erhielt sie von Mitarbeitern der Beigeladenen zu 2 zu Beginn jedes Arbeitstages eine Liste der zu versorgenden Pflegebedürftigen (Tourenplan) sowie die erforderlichen Schlüssel, um in deren Wohnungen zu gelangen. Einzelheiten zu den zu erbringenden Pflegeleistungen, zum Gesundheitszustand und den sonstigen Bedürfnissen der Pflegebedürftigen entnahm sie (schriftlichen) Anweisungen, die den ihr jeden Morgen übergebenen Unterlagen beigefügt waren, sowie der bei den Pflegebedürftigen vor Ort geführten Pflegedokumentation. In diese trug sie nach Durchführung der Pflegeleistungen als Tätigkeitsnachweis ihr Namenskürzel ein. Am Ende jeden Arbeitstages brachte sie die Schlüssel zur Beigeladenen zu 2 zurück. Bei akutem medizinischem Bedarf nutzte sie u.a. die ihr eingeräumte Möglichkeit zur Rücksprache mit der Pflegedienstleitung der Beigeladenen zu 2, von der sie in der Regel auch im Übrigen Anweisungen erhielt. An Dienstbesprechungen der Beigeladenen zu 2 musste sie nicht teilnehmen. Die Beigeladene zu 1 setzte ihren Pkw sowie selbst beschaffte Arbeitskleidung und -materialien (wie Einmalhandschuhe und Desinfektionsmittel) ein. Die von ihr erbrachten Leistungen stellte sie der Beigeladenen zu 2 auf der Grundlage der tatsächlichen Arbeitszeiten sowie eines Stundensatzes von 18.- € (zzgl. Nacht- und Wochenendzuschlägen) in Rechnung.

 

2. Ausgehend von diesen vertraglichen Vereinbarungen überwiegen die Indizien für eine abhängige Beschäftigung der Beigeladenen zu 1 bei der Beigeladenen zu 2 deutlich.

 

a. Bei der Gewichtung der Indizien ist zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit von Pflegehilfs­kräften in ambulanten Pflegeeinrichtungen Besonderheiten aufweist. Die Regelungen über die Erbringung ambulanter Pflegeleistungen nach dem SGB XI haben zwar keine zwingende, übergeordnete und determinierende Wirkung hinsichtlich des sozialversicherungsrechtlichen Status von ambulant tätigen Pflegefach­kräften. Regulatorische Vorgaben sind jedoch bei der Gewichtung der Indizien zur Statusbeurteilung zu berücksichtigen (BSG a.a.O.).

 

Die Zulassung einer ambulanten Pflegeeinrichtung erfolgt durch Abschluss eines Versorgungs­vertrages, der den Versorgungsauftrag konkret bestimmt (§§ 72, 73 SGB XI). Nach § 71 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI muss bei ambulanten Pflegediensten die Pflege unter ständiger Verantwortung einer Pflegefachkraft stehen. Dies bedeutet, dass eine entsprechend qualifizierte Pflegefachkraft die Gesamtverantwortung für die pflegerische Versorgung tragen und auch wirksam wahrnehmen können muss. Das ist der Fall, wenn die verantwortliche Pflegefachkraft die Pflegeleistungen für jeden betreuten Pflegebedürf­tigen zumindest in den Grundzügen selbst festlegt, ihre Durchführung organisiert und ihre Um­setzung angemessen kontrolliert. Notwendig ist eine Steuerung, Anleitung, Koordination und Kontrolle der Pflegeleistungen auf der Grundlage eines in jedem Einzelfall gesondert zu erhe­benden Bedarfs. Diese pflegerische Gesamtverantwortung muss von der Pflegefachkraft stän­dig wahrgenommen werden. Das SGB XI setzt somit einen hohen Organisationsgrad zur Qualitätssicherung voraus. Diese regulatorischen Rahmen­bedingungen haben im Regelfall die Eingliederung von Pflegefach- und erst recht von -hilfskräften in die Orga­nisations- und Weisungsstruktur des ambulanten Pflegedienstes zur Folge. Für eine nur aus­nahmsweise in Betracht kommende selbstständige Tätigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne müs­sen daher gewichtige Indizien bestehen.

 

Bei Pflegehilfskräften kommt hinzu, dass sie – anders als Pflegefachkräfte – typischerweise nicht zur selbstständigen und eigenverantwortlichen Pflege von Patientinnen und Patienten befähigt sind, sondern der Anleitung durch eine Pflegefachkraft bedürfen (BSG a.a.O.; Dickmann, Heimrecht, 11.A., Abschnitte C III Rn. 89 und G I Rd. 15). Hiermit übereinstimmend sieht die „Gemeinsame Empfehlung gemäß § 75 Abs. 5 SGB XI zum Inhalt der Rahmenverträge nach § 75 Abs. 2 SGB XI zur ambulanten pflegerischen Versorgung vom 13. Februar 1995“ der in § 75 Abs. 6 (bis zum 31. Dezember 2001: Abs. 5) SGB XI genannten (Spitzen-)Organisationen (abrufbar unter www.gkv-spitzenverband.de, Stichwortpfad „Pflegeversicherung“, „Richtlinien, Vereinbarungen, Formulare“) in § 18 Abs. 3 S. 3 (Empfehlungen ambulante Pflege) vor: „Beim Einsatz von Pflegehilfskräften ist zudem sicherzustellen, dass Pflegefachkräfte die fachliche Überprüfung des Pflegebedarfs, die Anleitung der Hilfskräfte und die Kontrolle der geleisteten Arbeit gewährleisten.“

 

b. Die Beigeladene zu 1 unterlag einem Weisungsrecht der Beigeladenen zu 2 und war darüber hinaus in einer ihre Tätigkeit prägenden Weise in den Betriebsablauf des Pflegedienstes eingegliedert.

 

So hat die Beigeladene zu 1 selbst angegeben, Anweisungen seien den täglichen Unterlagen für die von ihr aufzusuchenden Pflegebedürftigen beigefügt gewesen oder habe sie von ihrem „Ansprechpartner (in der Regel die Pflegedienstleitung)“ erhalten. Insbesondere hat die Beigeladene zu 1 offenkundig nicht eigenständig entschieden, welche Leistungen für welche Pflegebedürftigen zu welchem Zeitpunkt erforderlich und daher zu erbringen waren. Vielmehr wurden ihr Ort, Zeit und Inhalt ihrer Tätigkeit – an welchem Tag gegenüber welchen Pflegebedürftigen welche Leistungen zu erbringen waren – vollständig von der Beigeladenen zu 2 als ihrer Vertragspartnerin vorgegeben. Dass die Beigeladene zu 1 nicht am Betriebssitz der Beigeladenen zu 2 tätig wurde, ist entgegen der Auffassung des Sozialgerichts unerheblich, weil dies für die Arbeit von Pflegekräften in der ambulanten Versorgung charakteristisch ist und sich nicht von der Tätigkeit abhängig beschäftigter Pflegedienstmitarbeiter unterscheidet. Dass sich – wie hier – Arbeitsort und/oder -zeit aus den mit einer Tätigkeit verbundenen Notwendigkeiten („aus der Natur der Sache“) ergeben, spricht nicht gegen ein Weisungsrecht (BSG, Urteil vom 04. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R –, Rn. 31; Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –, Rn. 30; jeweils juris).

 

Die Beigeladene zu 1 war auch vollständig in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 2 integriert: Sie wurde zur Verwirklichung des Betriebszwecks der Beigeladenen zu 2 – die Verrichtung ambulanter Pflegeleistungen – innerhalb der von dieser vorgegebenen Organisationsab­läufe eingesetzt, indem sie (Teil-)Leistungen erbrachte, die die Beigeladene zu 2 Dritten (etwa den Pflegekassen, Sozialhilfeträgern oder Privatpatienten) schuldete. Denn wer – wie hier die Beigeladene zu 1 – als Erfüllungsgehilfe eine Dienstleistung für einen Auftraggeber erbringt, die dieser einem Dritten vertraglich als Hauptleistungspflicht schuldet, ist typischerweise in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Oktober 2020 – L 9 KR 352/17 –‍, juris, Rn. 36 ff.; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. Juni 2020 – L 8 BA 78/18 –, juris, Rn. 52). Im vorliegenden Fall griff die Beigeladene zu 1 im Rahmen ihrer Tätigkeit – auch – arbeitsteilig auf (Betriebs-‍)Mittel zurück, die von der Beigeladenen zu 2 zur Verfügung gestellt wurden (z.B. die Pflegedokumentationen einschließlich der mit ihrem Namenskürzel zu versehenden Leistungsnachweise oder die Haus- und Wohnungsschlüssel der Pflegebedürftigen). Der gesamte organi­satorische Rahmen vom Erstkontakt mit den Pflegebedürftigen über die detaillierte Einteilung der Mitarbeiter bis zur Ab­rechnung der erbrachten Leistungen lag hingegen in der Hand der Beigeladenen zu 2 bzw. wurde von dieser vorgegeben.

 

Angesichts dessen ist es von untergeordneter Bedeutung, dass die Beigeladene zu 1 nicht an Dienstbesprechungen bei der Beigeladenen zu 2 teilnehmen musste und in einem Einzelfall eine Pflegebedürftige, von der sie ständig beschimpft wurde, nicht weiter versorgen musste.

 

c. Demgegenüber lassen sich keine gewichtigen Umstände feststellen, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen.

 

aa. Die Beigeladene zu 1. trug kein nennenswertes Unternehmerrisiko.

 

(1) Maßgebendes Kriterium für ein unternehmerisches Risiko ist nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen. Aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf. nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko bezüglich der einzelnen Einsätze (BSG, Urteile vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –, und vom 31. März 2015 – B 12 KR 17/13 R –; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Juni 2017 – L 9 KR 354/13 –, Rn. 111 f.; jeweils juris und m.w.N.). Risikolos in diesem Sinne ist insbesondere die Vereinbarung eines gleichbleibenden Entgelts für geleistete Stunden (BSG, Urteil vom 07. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R –, juris, Rn. 31).

 

(2) Die Beigeladene zu 1 hat ihre Arbeitskraft in keiner Weise mit dem Risiko eingesetzt, keine Vergütung zu erhalten. Dem stand grundsätzlich schon die Vergütung nach Zeiteinheiten entgegen. Die Möglichkeit, durch insbesondere schnellere Leistungserbringung eine höhere Vergütung zu erzielen, bestand gerade nicht, sondern hätte die nach geleisteten Stunden bemessene Vergütung der Beigeladenen zu 1 sogar verringert.

 

(3) Dass die Beigeladene zu 1 Arbeitskleidung, bestimmte Arbeitsmaterialien (Einweghandschuhe, Desinfektionsmittel) und einen Computer angeschafft und ihren Pkw auch für ihre berufliche Tätigkeit benutzt hat, stellt keinen im Verhältnis zu ihrer Vergütung nennenswerten Kapitaleinsatz dar. Dass sie den Computer nur für ihre berufliche Tätigkeit eingesetzt hat (zu diesem Kriterium: BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –, juris), ist zudem weder ihrem Vorbringen zu entnehmen noch bei lebensnaher Betrachtung anzunehmen.

 

(4) Dies gilt auch für den Abschluss von Versicherungen, mit denen die Beigeladene zu 1 Rahmenbedingungen für eine selbstständige Tätigkeit schuf, die aber für sich genommen zu keiner entscheidenden Prägung der Tätigkeit selbst führen (vgl. insoweit auch BSG, Urteil vom 07. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R –, juris, Rn. 31).

 

bb. Ob die Beigeladenen eine Delegationsbefugnis der Beigeladenen zu 1 vereinbart hatten, kann dahinstehen. Auch wenn dies Vertragsinhalt geworden sein sollte, kommt es hierauf im vorliegenden Fall nicht an. Zum einen sieht selbst die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 87, 129; 98, 146) eine solche Möglichkeit lediglich als ein nicht von vornherein ein Arbeitsverhältnis ausschließendes Indiz an. Zum anderen kommt ihr Gewicht allenfalls dann zu, wenn die persönliche Leistungserbringung nicht mehr die Regel ist und die Leistungserbringung durch einen Dritten das Gesamtbild der Tätigkeit wesentlich verändert (BSG, Urteil vom 11. März 2009 – B 12 KR 21/07 R –, LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Februar 2017 – L 9 KR 234/13 –, juris, Rn. 101). Dies ist hier nicht der Fall, weil sich die Beigeladene zu 1 nie vertreten ließ.

 

cc. Dass der der Beigeladenen zu 1 gezahlte Stundensatz mit 18.- € doppelt so hoch war wie derjenige der unstreitig abhängig beschäftigten – der sog. festangestellten – Mitarbeiter der Beigeladenen zu 2 spricht nicht entscheidend für eine selbständige Tätigkeit.

 

Die Honorarhöhe ist nur eines von vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien. Sie ist als Ausdruck des Parteiwillens zu werten. Dem Willen der Vertragsparteien kommt generell nur dann überhaupt eine potentielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich wider­spricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen. Nur unter diesen Voraussetzungen ist der in einem Vertrag dokumen­tierte Parteiwille überhaupt als ein auf Selbstständigkeit deutendes Indiz in die Gesamtabwä­gung einzustellen; hierdurch wird eine Selbstständigkeit jedoch nicht vorfestgelegt. Dabei ist das Gewicht des Indizes umso geringer, je weniger eindeutig die Vertragsgestaltung ist und je stärker die Widersprüche zu den tatsächlichen Verhältnissen sind. Zugleich schwächt es die potentielle Bedeutung ab, wenn wegen eines erheblichen Ungleichgewichts der Verhandlungs­positionen nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass alle Vertragsparteien in gleicher Weise die Möglichkeit hatten, ihre Wünsche bzgl. der Ausgestaltung des sozialversiche­rungsrechtlichen Status durchzusetzen.

 

Diese Einschränkung der indiziellen Bedeutung der Honorarhöhe ergibt sich daraus, dass die Sozialversicherung auch dem Schutz der Interessen der Mitglieder von in Pflichtversicherungs­systemen zusammengeschlossenen Solidargemeinschaften verpflichtet ist. Den Beteiligten steht keine Dispositionsfreiheit in dem Sinne zu, dass sich der Auftraggeber durch die Vereinba­rung eines Zuschlages zu einem üblichen Stundenlohn eines vergleichbaren abhängig Be­schäftigten von der Sozialversicherungspflicht "freikaufen" kann. Ebenso führt eine überlegene Verhandlungsposition von Auftragnehmern schon aus Gleichbehandlungsgründen für sich ge­nommen nicht dazu, dass sie aufgrund möglicher Eigenvorsorge aus den Pflichtversicherungs­systemen entlassen wären. Das Recht der Sozialversicherung wird beherrscht vom Grundsatz der Solidarität aller abhängig Beschäftigten. Dieser Grundsatz schließt es aus, die Versiche­rungspflicht über die gesetzlich geregelten Tatbestände hinaus von einem individuellen Schutz­bedürfnis abhängig zu machen, zumal dieses Schutzbedürfnis sich beim Einzelnen im Laufe der Zeit wandeln kann. Wenn die Versicherungspflicht solchen Wandlungen folgen würde, wäre die Gefahr einer negativen Risikoauslese gegeben (BSG, Urteil vom 07. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R –, juris, m.w.N.).

 

d. Irrelevant ist, dass die Beigeladene zu 1 für mehrere Auftraggeber tätig war. Eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber erhält erst in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit Gewicht, wie z.B. einem werbenden Auftreten am Markt für die angebotenen Leistungen (BSG, Urteil vom 07. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R –, juris, m.w.N.) Dies hat die Beigeladene zu 1 für sich ausdrücklich verneint. Zwar kann eine Tätigkeit für andere Auftraggeber ein Indiz für eine ganz erhebliche Dispositionsfreiheit in Bezug auf die zu beurteilende Tätigkeit sein, wenn sie in relevantem Umfang oder sogar schwer­punktmäßig stattfindet, weil sie dann die zeitliche Verfügbarkeit des Auftragnehmers erheblich einschränkt. Das gilt aber nicht, wenn – wie hier – die Dispositionsfreiheit des Auftragnehmers schon insoweit berücksichtigt wird, als für die Beurtei­lung auf den jeweiligen Einzelauftrag abgestellt wird (BSG a.a.O., m.w.N.).

 

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites. Den in der Sache unterliegenden Beigeladenen waren gem. § 197a Abs. 2 Satz 2 SGG (betr. Beigeladene zu 1) bzw. gem. § 154 Abs. 3 VwGO (betr. Beigeladene zu 2) keine Kosten aufzuerlegen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen diese aus Gründen der Billigkeit (§ 162 Abs. 3 VwGO) selbst, weil sie keine Anträge gestellt und somit kein Kostenrisiko übernommen haben (BSG, Urteil vom 27. Juni 2007 – B 6 KA 37/06 R –, juris).

 

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vor-liegen.

 

 

Rechtskraft
Aus
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