L 14 AL 61/19

Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 57 AL 600/18
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AL 61/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

§ 92 Abs. 2 SGB III stellt gegenüber den Vorschriften der §§ 45 ff. SGB X i.V.m. § 330 SGB III nur bezüglich der Rückzahlung des För-derbetrages für die Zeit vor der Beendigung des Beschäftigungsver-hältnisses eine Sonderregelung dar. Für die Rückzahlung des Förder-betrages für die Zeit nach der Beendigung des Beschäftigungsver-hältnisses bleibt es bei der Anwendbarkeit der §§ 45 ff. SGB X i.V.m. § 330 SGB III.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. März 2019 wird zurückgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.  

 

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Bewilligung eines Eingliederungszuschusses für die Zeit vom 1. November 2016 bis 31. Januar 2017 in Höhe von insgesamt 2.970 Euro und die damit verbundene Erstattung von Leistungen.

 

Der 1973 geborene Kläger ist als Raumausstatter selbständig tätig. Am 28. Juni 2016 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung eines Eingliederungszuschusses für die Einstellung des Arbeitnehmers M B (B) als Malerhelfer und Fahrer. Mit Schreiben vom 12. August 2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie beabsichtige, ihm für die Einstellung von B einen Eingliederungszuschuss zu bewilligen. Gleichzeitig übersandte sie ihm ein Hinweisblatt zum Eingliederungszuschuss, wonach der Eingliederungszuschuss zurückzuzahlen sei, wenn kein Arbeitsentgelt gezahlt werde. Ausweislich des Arbeitsvertrages vom 12. August 2016 erfolgte die Arbeitsaufnahme des B am 15. August 2016.

 

Mit Bescheid vom 13. September 2016 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Einstellung des B für die Zeit vom 15. August 2016 bis 14. Februar 2017 einen Eingliederungszuschuss in Höhe von 990 Euro monatlich. Unter „Auflagen“ hieß es in dem Bescheid u.a.: Mit dem Eingliederungszuschuss werde das Ziel verfolgt, die betroffene Person dauerhaft beruflich einzugliedern. Der Eingliederungszuschuss werde als Zuschuss zum sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt und zu den Sozialversicherungsbeiträgen, die der Kläger für B zu entrichten habe, geleistet. Werde er nicht für diesen Zweck verwendet, werde der Bewilligungsbescheid widerrufen und die Leistungen vom Kläger zurückgefordert. Um zu prüfen, ob die Fördervoraussetzungen für den gesamten Zeitraum vorlägen bzw. vorgelegen hätten, sei der Nachweis über das gezahlte Arbeitsentgelt im Förderzeitraum unter Verwendung des Vordruckes „Schlusserklärung“ bis zum 14. April 2017 einzureichen.

 

Die Beklagte zahlte in der Folge für die Zeit ab 15. August 2016 an den Kläger einen monatlichen Eingliederungszuschuss in Höhe von 990 Euro. Am 29. September 2016 teilte der Kläger der Beklagten telefonisch mit, B habe „zu Ende November“ zugunsten einer anderweitigen Arbeitsaufnahme gekündigt. Mit Schreiben vom 30. September 2016 kündigte B das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. Oktober 2016. Die Beklagte stellte die Zahlung des Eingliederungszuschusses zum 31. Januar 2017 ein. Nach mehrfacher Erinnerung ging die unter dem 15. Dezember 2017 datierte Schlusserklärung  des Klägers am 3. Januar 2018 bei der Beklagten ein, in der er mitteilte, das Beschäftigungsverhältnis mit B sei am 31. Oktober 2016 durch den Arbeitnehmer gelöst und Arbeitsentgelt bis einschließlich 31. Oktober 2016 gezahlt worden. Beigefügt war das Kündigungsschreiben des B vom 30. September 2016.

 

Mit Schreiben vom 4. Januar 2018  hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Rückforderung des Eingliederungszuschusses für die Zeit ab 1. November 2016 in Höhe von 2.970 Euro an und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 26. Januar 2018. Am 23. Januar 2018 teilte der Kläger der Beklagten telefonisch mit, er sei nicht gewillt, die Forderung über 2.970 Euro zu erstatten und werde sich zu dem Schreiben vom 4. Januar 2018 auch nicht weiter äußern. Mit Bescheid vom 24. Januar 2018 hob die Beklagte die Bewilligung des Eingliederungszuschusses gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 330 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ab 1. November 2016 ganz auf. Der für die Zeit vom 1. November 2016 bis 31. Januar 2017 überzahlte Betrag sei zu erstatten. 

 

Mit Schreiben vom 21. Februar 2018 legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, er habe die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses einem Mitarbeiter der Beklagten persönlich mitgeteilt. Der monatliche Zuschuss sei trotzdem weitergezahlt worden. Im Übrigen hätte er durch den vorzeitigen Weggang des B finanzielle Einbußen durch die Nichtfertigstellung zugesagter Aufträge gehabt. Auch habe er B neu eingekleidet und diverse Arbeitsmaterialien vorfinanziert. Er sei davon ausgegangen, dass B zu 100% einsetzbar gewesen sei, dies sei aber nicht der Fall gewesen, da B eine Behinderung gehabt habe, welche man ihm nicht mitgeteilt habe, und er seine Arbeit nicht normal habe erfüllen können. Er sei davon ausgegangen, dass die Fortzahlung seine Entschädigung darstelle. Auch hätte ihm die Beklagte mit Schreiben vom 4. Januar 2018 die Möglichkeit gegeben, sich bis zum 26. Januar 2018 zum Sachverhalt zu äußern. Dies sei ihm nicht gewährt worden, da am 24. Januar 2018 bereits die Forderung zur Zahlung der Überzahlung eingegangen sei. 

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. April 2018  wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Entscheidung über die Aufhebung der Bewilligung des Eingliederungszuschusses ab 1. November 2016 und das Erstattungsbegehren über 2.970 Euro seien rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die Aufhebung sei § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X. Der Eingliederungszuschuss sei immer an die tatsächliche Beschäftigung und Zahlung von Arbeitsentgelt gebunden. Der Kläger habe daher wissen müssen oder zumindest leicht erkennen können, dass der Leistungsanspruch weggefallen sei. Die Erstattungspflicht ergebe sich aus § 50 Abs. 1 SGB X.

 

Dagegen hat der Kläger Klage erhoben, mit der er sein Begehren unter Verweis  auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren weiterverfolgt und ergänzend vorgetragen hat: Er sei davon ausgegangen, die Weiterzahlung des Eingliederungszuschusses nach dem Weggang des B habe seine Richtigkeit, da der  Beklagten alle Informationen zur Kündigung des B vorgelegen hätten.

 

Mit Urteil vom 11. März 2019 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der angefochtene Bescheid der Beklagten sei rechtmäßig. Die Beklagte sei berechtigt und verpflichtet gewesen, die Bewilligung des Eingliederungszuschusses für B rückwirkend für die Zeit ab 1. November 2016 wegen der Beendigung des geförderten Beschäftigungsverhältnisses aufzuheben und die Erstattung der für die Monate November 2016 bis Januar 2017 überzahlten Leistungen zu verlangen, denn der Kläger habe schuldhaft vom Wegfall des Anspruchs für die streitige Zeit keine Kenntnis gehabt.

 

Gegen das ihm am 13. April 2019 zugegangene Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 29. April 2019 beim Sozialgericht Berlin erhobenen Berufung, mit der er sein Begehren unter Verweis auf sein bisheriges Vorbringen weiterverfolgt.

 

Der Kläger beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. März 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2018 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsvorgänge der Beklagten.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Über die Berufung konnte trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten in der ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese gemäß §§ 153 Abs. 1, 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bestehende Möglichkeit hingewiesen worden waren.

 

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 11. März 2019 ist zulässig, aber nicht begründet. Das Urteil und der Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2018 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Urteils oder der Bescheide.

 

Die Aufhebungsentscheidung der Beklagten ist zu Recht ergangen. Rechtsgrundlage sind § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III.

 

§§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X ( i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III) ist vorliegend anwendbar. Die Anwendung ist nicht durch § 92 Abs. 2 SGB III als lex specialis zu dieser Vorschrift ausgeschlossen. § 92 Abs. 2 Satz 1 SGB III bestimmt, dass der Eingliederungszuschuss – von bestimmten Ausnahmen (Satz 2 Nrn. 1 bis 5) abgesehen – teilweise zurückzuzahlen ist, wenn das Beschäftigungsverhältnis während des Förderungszeitraums oder einer Nachbeschäftigungszeit beendet wird. Zwar stellt § 92 Abs. 2 SGB III gegenüber den Vorschriften der §§ 45 ff. SGB X i.V.m. § 330 SGB III eine Sonderregelung dar – allerdings nur bezüglich der Rückzahlung des Förderbetrages für die Zeit vor der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses. Für die Rückzahlung des Förderbetrages für die Zeit – wie hier – nach der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses muss es daher bei der Anwendbarkeit der §§ 45 ff. SGB X i.V.m. § 330 SGB X bleiben (zur Vorgängerreglung des § 223 Abs. 2 SGB III: Sächsisches Landessozialgericht – LSG –, Urteil vom 15. Januar 2004 – L 3 AL 289/02 –, juris Rn. 34; zu § 92 Abs. 2 SGB III: vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23. November 2018 – L 21 AS 801/17 –, juris Rn. 26; Schneil, in Gagel, SGB II / SGB III, 78. EL Mai 2020, § 92 SGB III, Rn. 27).

 

Soweit dagegen eingewandt wird, die Rückzahlungspflicht nach § 92 Abs. 2 SGB III erstrecke sich auch auf Zeiten, in denen der Eingliederungszuschuss trotz der vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses weitergezahlt worden sei, da sich ansonsten – wären diese Zeiten nach §§ 45 ff. SGB X i.V.m. § 330 SGB III zu beurteilen – das widersprüchliche Ergebnis ergäbe, dass die Zeiten der Nichtbeschäftigung nach vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen höheren Vertrauensschutz als Zeiten der tatsächlichen Beschäftigung genössen (Voelzke, in Hauck/Noftz, SGB III, 3/19, § 92 Rn. 29; vgl. ferner Kuhnke, in Schlegel/Voelzke, SGB III, 2. Aufl. 2019, § 92 [Stand: 15.01.2019] Rn. 22 und 45), überzeugt dies nicht. Diese Auffassung hätte für den vorliegenden Fall zur Folge, dass der Kläger aufgrund der Kündigung des B gemäß § 92 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III nichts zurückzahlen müsste, obwohl er den fehlenden Rechtsgrund für die Leistungen kannte bzw. hätte kennen müssen. Zwar sind nach §§ 45 ff. SGB X i.V.m. § 330 SGB III Vertrauensschutzgesichtspunkte zu berücksichtigen. Allerdings muss der Leistungsempfänger bei Anwendung der §§ 45 ff. SGB X i.V.m. § 330 SGB III – anders als bei § 92 Abs. 2 SGB X – auch die gesamten (und nicht nur die teilweisen) Leistungen zurückzahlen. Er wird daher bei Anwendung der §§ 45 ff. SGB X i.V.m. § 330 SGB III nicht besser gestellt, sondern anders. Auch der Wortlaut des § 92 Abs. 2 Satz 3 SGB III – wonach die Rückzahlung auf die Hälfte des geleisteten Förderbetrages begrenzt ist und den in den letzten zwölf Monaten vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses geleisteten Förderbetrag nicht überschreiten darf – spricht dafür, § 92 Abs. 2 SGB III nur für Zeiten vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses als lex specialis gegenüber §§ 45 ff. SGB X i.V.m. § 330 SGB III anzusehen. Denn mit der Bezugnahme auf den „vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses geleisteten Förderbetrag“ wird der in zeitlicher Hinsicht – nämlich auf die Zeit „vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses“ – eingeschränkte Regelungsbereich des § 92 Abs. 2 SGB III deutlich. Dass derjenige, der den Eingliederungszuschuss trotz Beendigung des Beschäftigungsverhältnis weiterbezieht, hinsichtlich seiner Rückzahlungsverpflichtung anders behandelt wird als derjenige, der erhaltene Leistungen für einen Zeitraum zurückzahlen muss, in dem das Beschäftigungsverhältnis noch bestand, entspricht zudem Sinn und Zweck der in § 92 Abs. 2 SGB III normierten Rückzahlungsverpflichtung. Denn es ist kein einleuchtender Grund dafür ersichtlich, weshalb derjenige, der einen Eingliederungszuschuss für Zeiten nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses weiterbezieht, den Eingliederungszuschuss für diese Zeiten auch nur teilweise behalten dürfen soll. Auch die Gesetzesbegründung zur Vorvorgängerregelung des § 221 Abs. 2 SGB III (BR-Drs. 550/96, S. 193) äußert sich hierzu nicht. Dort heißt es lediglich, „Absatz 2 [d.h. die Rückzahlungsverpflichtung] dient der Sicherstellung des Förderungsziels. Wenn das Förderungsziel der dauerhaften Eingliederung in den Arbeitsmarkt nicht erreicht wird, der Arbeitgeber also seiner Verpflichtung, die er mit der Annahme des Lohnkostenzuschusses eingeht, den Arbeitnehmer über den Förderzeitraum und die Weiterbeschäftigungszeit hinaus zu beschäftigen, nicht erfüllt, ist der Lohnkostenzuschuss zurückzuzahlen. Die gilt nach Satz 2 dann nicht, wenn der Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht auf den Arbeitgeber zurückzuführen ist.“ Bereits hieraus wird deutlich, dass § 92 Abs. 2 SGB III nur die Rückzahlung von Leistungen regelt, die als „Lohnkostenzuschuss“ gezahlt worden sind. Nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses kann ein dennoch weitergezahlter Eingliederungszuschuss bereits denklogisch kein „Lohnkostenzuschuss“ mehr sein. Im Übrigen sprechen der Wortlaut des § 92 SGB III ebenso wie die Gesetzesbegründung durchgängig von „Arbeitgeber“, „Arbeitnehmer“ und „Arbeitsverhältnis“. Der Leistungsempfänger eines Eingliederungszuschusses ist jedoch nur, solange das Arbeitsverhältnis noch besteht, Arbeitgeber im Sinne des § 92 SGB III. Nur für die Zeiten des Arbeitsverhältnisses genießt der Empfänger des Eingliederungszuschusses dementsprechend den Schutz des § 92 Abs. 2 SGB III, d.h. er muss die Leistungen nur teilweise (und nicht vollständig) zurückzahlen. Im Übrigen dürfte der Einwand des bei §§ 45 ff. SGB X i.V.m. § 330 SGB III (anders als bei § 92 SGB X) zu berücksichtigenden Vertrauensschutzes eher theoretischer Natur sein. Denn derjenige, der einen Eingliederungszuschuss trotz beendeter Beschäftigung weiterbezieht, dürfte – von Ausnahmefällen abgesehen – in der Regel wissen (bzw. grob fahrlässig nicht wissen), dass er hierauf keinen Anspruch hat.

 

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger seine Mitteilungspflichten verletzt hat und somit auch die Voraussetzungen des §§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III vorliegen. Denn jedenfalls sind die Voraussetzungen von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X  i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III zu bejahen.

 

Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III hat die Behörde einen begünstigenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vom Zeitpunkt einer wesentlichen Änderung der für seinen Erlass maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse aufzuheben, wenn der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

 

Auf dieser Grundlage ist die streitige Aufhebungsentscheidung zu Recht ergangen.

 

Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 4. Januar 2018 in ausreichender Weise gemäß § 24 Abs. 1 SGB X angehört. Sie hat ihm Gelegenheit gegeben, sich zu den maßgebenden tatsächlichen Gesichtspunkten zu äußern. Nicht zu beanstanden ist insbesondere, dass die Beklagte die Aufhebungsentscheidung vor Ablauf der im Schreiben vom 4. Januar 2018 genannten Äußerungsfrist erlassen hat. Denn der Kläger hatte der Beklagten am 23. Januar 2018 telefonisch mitgeteilt, er wolle sich auf das Schreiben vom 4. Januar 2018 nicht weiter äußern.

 

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X liegen vor. Der Bewilligungsbescheid vom 13. September 2016 ist ein begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Oktober 2016 und der damit verbundenen Nichtzahlung des Arbeitsentgeltes ist der Anspruch auf Gewährung eines Eingliederungszuschusses weggefallen. Darin liegt eine wesentliche Änderung der für die Bewilligung des Eingliederungszuschusses maßgeblichen Verhältnisse (vgl. Bundessozialgericht – BSG –, Urteil vom 17. März 2016 – B 4 AS 18/15 R –, juris Rn. 32; Hessisches LSG, Urteil vom 20. Juni 2011 – L 7 AL 202/08 –, juris Rn. 43 ff.).

 

Der Kläger wusste auch, dass der Eingliederungszuschuss für die Einstellung von B erfolgt. Dies hatte ihm die Beklagte bereits mit Schreiben vom 12. August 2016 mitgeteilt. Auch dem Bewilligungsbescheid vom 13. September 2016 ist dies unmissverständlich zu entnehmen. Bereits im ersten Satz heißt es dort: „[F]ür die Einstellung von Herrn B bewillige ich Ihnen … einen Eingliederungszuschuss …“ Der Bewilligungsbescheid war mit Auflagen verbunden, was dem Kläger im zweiten Satz des Bescheides mitgeteilt wurde. Unter „Auflagen“ ist ausgeführt, mit dem Eingliederungszuschuss werde das Ziel verfolgt, die betroffene Person dauerhaft beruflich einzugliedern; der Eingliederungszuschuss werde als Zuschuss zum sozialversicherungspflichten Arbeitsentgelt und zu den Sozialversicherungsbeiträgen, die für B zu entrichten seien, gezahlt. Eine fast wortgleiche Formulierung hatte bereits das mit Schreiben vom 12. August 2016 übersandte Hinweisblatt zum Eingliederungszuschuss enthalten.

 

Dem Kläger musste daher klar sein, dass der Zuschuss an das Bestehen des Arbeitsverhältnisses mit B geknüpft war. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kam daher schon aus logischen Gründen keine Zuschussgewährung für dieses Arbeitsverhältnis mehr in Betracht. Dies musste der Kläger auch wissen, weil er andernfalls die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hätte.

 

Auch soweit sich der Kläger darauf beruft, er sei davon ausgegangen, der Eingliederungszuschuss sei als Schadensersatz weitergezahlt worden, führt dies zu keiner anderen Betrachtungsweise. Denn dem Bewilligungsbescheid vom 13. September 2016 ist klar zu entnehmen, dass die Gewährung des Eingliederungszuschusses an die Beschäftigung und die Zahlung des Arbeitsentgeltes geknüpft ist. In dem Bewilligungsbescheid vom 13. September 2016 findet sich keine Formulierung, die den Kläger dazu hätte veranlassen können, davon auszugehen, der Eingliederungszuschuss werde nach Beendigung der Beschäftigung als Schadensersatz weitergezahlt. Im Übrigen würde ein solcher Schadensersatzanspruch einen Schaden voraussetzen, den der Kläger zu keinem Zeitpunkt konkret dargetan hat. Schon deswegen konnte der Kläger nicht – ohne die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße zu verletzen –

annehmen, die Beklagte zahle den Eingliederungszuschuss als Schadensersatz weiter.

 

Ermessen hatte die Beklagte bei ihrer Aufhebungsentscheidung nicht auszuüben; denn § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III zwingt abweichend von § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X bindend zur Rücknahme, schließt also eine Ermessungsbetätigung zu Gunsten des Betroffenen aus (Schütze, in Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 48 Rn. 47).

 

Die Aufhebungsentscheidung ist schließlich auch im Übrigen rechtmäßig ergangen. Sie ist hinreichend bestimmt (§ 33 SGB X) und benennt den aufzuhebenden Bescheid. Die Aufhebungsfristen aus § 48 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 45 Abs. 3 Sätze 3 bis 5 und Abs. 4 S. 2 SGB X hat die Beklagte gewahrt. Insbesondere hat sie die einjährige Frist nach Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen (§ 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X) eingehalten.

 

Die Jahresfrist begann vorliegend im Januar 2018 zu laufen. Insbesondere wenn es auf subjektive Umstände wie – so auch hier – die Bösgläubigkeit ankommt, kann die Jahresfrist regelmäßig erst nach erfolgter Anhörung des Betroffenen beginnen (BSG, Urteil vom 27. Juli 2000 – B 7 AL 88/99 R –  juris Rn. 24, und Urteil vom 8. Februar 1996 – 13 RJ 35/94 –, juris Rn. 33; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 5. Juni 2008 – L 9 AL 157/06 –, juris Rn. 35; Merten, in Hauck/Noftz, SGB X, 04/18, § 45 Rn. 152; Padé, in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 45 [Stand: 16.11.2020] Rn. 112). Die Beklagte hat den Kläger im Januar 2018 zu der beabsichtigten Aufhebung der Bewilligungsentscheidung betreffend die Monate November 2016 bis Januar 2017 angehört. Der angegriffene Aufhebungsbescheid erging ebenfalls noch im Januar 2018.

 

Das grundsätzliche Abstellen auf das Anhörungsverfahren darf allerdings nicht dazu führen, dass die Behörde durch Verzögern der Anhörung den Beginn der Jahresfrist hinausschieben kann (LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 19. November 2013 – L 7 R 3/11 –, juris Rn. 37; Merten, in Hauck/Noftz, SGB X, 04/18, § 45 Rn. 153). Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 SGB X bezweckt die hinreichende Gewährleistung von Rechtssicherheit auch bezogen auf rechtswidrig begünstigende Verwaltungsakte trotz genereller Möglichkeit zur Abänderung dieser Verwaltungsakte mit Wirkung für die Vergangenheit. Dies kann nur erreicht werden, wenn die Behörde gehalten ist, die (weiteren) Voraussetzungen für eine Rücknahme- bzw. Aufhebungsentscheidung zeitnah zu ermitteln, soweit sie Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Ausgangsentscheidung hat. Die Behörde ist daher gehalten, sobald sie die Tatsachen kennt, die objektiv die Rechtswidrigkeit des Ursprungsverwaltungsaktes begründen, zeitnah und zügig die weiteren Voraussetzungen für eine Rücknahme bzw. Aufhebung des entsprechenden Verwaltungsakts, insbesondere das Bestehen oder Nichtbestehen von Vertrauensschutz und die für eine Ermessensentscheidung notwendigen Tatsachen, zu ermitteln. Unterlässt es die Behörde länger als ein Jahr, die subjektiven Voraussetzungen für eine Rücknahme- bzw. Aufhebungsentscheidung zu ermitteln bzw. mit diesen Ermittlungen zumindest zu beginnen und eine Anhörung des Betroffenen durchzuführen, obwohl sie die Tatsachen, die die Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Verwaltungsaktes begründen, kennt, so ist eine spätere Aufhebung des ursprünglichen Verwaltungsaktes durch § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X (i.V.m. § 48 Abs. 4 SGB X) gehindert (Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 19. November 2013 – L 7 R 3/11 –, juris Rn. 37, und Urteil vom 11. Juni 1998 –  L 5 Kn 2/97 –, juris Rn. 29 f.; vgl. ferner Lang, in Diering/Timme/Stähler, LPK-SGB X, 5. Aufl. 2019, § 45 Rn. 118). Dementsprechend geht das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 20. Dezember 1999 – 7 C 42/98 –, juris Rn. 27) von einer Verwirkung –  als Ausprägung des allgemeinen Rechtsprinzips von Treu und Glauben – der Rücknahmebefugnis aus, wenn der die Rechtswidrigkeit kennende Begünstigte berechtigterweise den Schluss ziehen durfte, der Verwaltungsakt werde nicht mehr zurückgenommen, obwohl die Behörde dessen Rücknehmbarkeit erkannt hat, der Begünstigte ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass die Rücknahmebefugnis nicht mehr ausgeübt werde und dieses Vertrauen in einer Weise betätigt hat, dass ihm mit der sodann gleichwohl erfolgten Rücknahme ein unzumutbarer Nachteil entstünde.

 

Die Beklagte hat vorliegend erst im Januar 2018 damit begonnen, die subjektiven Voraussetzungen für die Aufhebungsentscheidung zu ermitteln. Geht man davon aus, dass die Beklagte aufgrund des Anrufs des Klägers am 29. September 2016 bereits 2016 die Tatsachen kannte, die objektiv die Rechtswidrigkeit des (Eingliederungs-)Bewilligungsbescheides – zumindest bezüglich der Monate Dezember 2016 und Januar 2017 – begründet haben, hätte es die Beklagte länger als ein Jahr unterlassen, die subjektiven Voraussetzungen der Rechtswidrigkeit zu ermitteln. Selbst wenn man jedoch unterstellt, dass die Beklagte bereits 2016 Kenntnis von der objektiven Rechtswidrigkeit hatte, wäre dem Kläger der Einwand der Verwirkung verwehrt. Denn er hat sich, indem er die Schlusserklärung zu spät eingereicht hat, selbst treuwidrig verhalten. Hinzu kommt, dass die am 29. September 2016 telefonisch abgegebene Erklärung in Hinblick auf den Beendigungszeitpunkt nicht einmal eindeutig war. Auch diesbezüglich gäbe es keinen Grund, dies der Beklagten anzulasten.

 

Auch die Erstattungsentscheidung der Beklagten ist zu Recht ergangen. Da die Bewilligung des Eingliederungszuschusses für die Zeit ab 1. November 2016 gegenüber dem Kläger zu Recht aufgehoben wurde, ist er gemäß § 50 Abs. 1 Satz SGB X zur Erstattung der für die Monate November 2016 bis Januar 2017 ohne Rechtsgrund erlangten Leistungen in Höhe von insgesamt 2.970 Euro verpflichtet.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache.

 

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.

 

 

 

 

 

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