L 1 KR 416/20 NZB

Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 91 KR 1305/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 416/20 NZB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. September 2020 wird zurückgewiesen.

 

Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

 

 

Gründe:

 

I.

Im Streit steht die Erstattung von Kosten in Höhe von 514,76 € für Leistungen der häuslichen Krankenpflege zur Stoma-Versorgung vom 26. Januar 2017 bis 31. März 2017.

Die Klägerin ist hochgradig sehbehindert. Das linke Auge musste ihr entfernt werden. Beim rechten Auge besteht ein Sehvermögen von unter 10 %.

Im Oktober 2016 traten als Folge einer Hemikolektomie (Teil-Dickdarmentfernung) aufgrund einer perforierten Sigmadivertikulitis erhebliche Komplikationen ein, die dazu führten, dass die Klägerin mit einem Ileostoma, einem künstlichen Dünndarmausgang, versorgt werden musste. Ihr behandelnder Hausarzt verordnete am 24. Januar 2017 zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege für die Zeit bis zum 31. März 2017 in Form des Wechselns des Stomabeutels alle zwei Tage.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 8. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2017 eine Kostenübernahme für diese Leistung ab. Das Wechseln des Stoma-Beutels sei keine von der Krankenkasse zu erbringende Leistung im Sinne der Richtlinie zur Verordnung häuslicher Krankenpflege (HKP-Richtlinie, HKP-RL). Danach sei eine Behandlung von künstlich geschaffenen Ausgängen wie das Desinfizieren der Wunde, Verbandwechsel und Pflege nur bei akuten entzündlichen Veränderungen mit Läsionen der Haut verordnungsfähig (Nr. 28 der Anlage zur HKP-RL). Solche Entzündungen gingen aus der vorliegenden ärztlichen Verordnung nicht hervor.

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin (SG) mit Urteil vom 28. September 2020 den Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2017 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin die Kosten i. H. v. 513,67 € (richtig: 514,76) für Leistungen der häuslichen Krankenpflege zur Stoma Versorgung vom 26. Januar 2017 bis 31. März 2017 zu erstatten. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Erstattung der Kosten nach § 13 Abs. 3 S. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zu. Denn die Beklagte habe den Antrag auf Gewährung der Sachleistung häuslicher Krankenpflege zu Unrecht abgelehnt. Nach § 37 Abs. 2 SGB V i. V. m. der HKP- RL erhielten Versicherte unter anderen in ihrem Haushalt Behandlungspflege als häusliche Krankenpflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich sei. Der Anspruch umfasse verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen auch in den Fällen, in denen dieser Hilfebedarf auch bei der Feststellung von Pflegebedürftigkeit nach §§ 14 und 15 des Sozialgesetzbuchs Elftes Buch (SGB XI) zu berücksichtigen sei. Die Klägerin führe einen eigenen Haushalt, in welchem die häusliche Krankenpflege erbracht worden sei. Sie sei alleinstehend, sodass die Pflege nicht von einer in ihrem Haushalt lebenden Person habe geleistet werden können (§ 37 Abs. 3 SGB V). Der Stomabeutel-Wechsel sei zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung der fast blinden Klägerin erforderlich gewesen. Das Wechseln sei eine verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahme, zu deren Leistung in erster Linie die Beklagte als gesetzliche Krankenversicherung verpflichtet gewesen sei. Die Leistung sei auch in dem ärztlich verordneten und in Anspruch genommenen Umfang erforderlich gewesen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe im Urteil vom 16. Juli 2014 (B 3 KR 2/13 R) ausgeführt, dass krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen solche seien, die durch eine bestimmte Krankheit verursacht würden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet seien und dazu beitrögen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen typischerweise nicht von einem Arzt sondern von Vertretern medizinischer Heilberufe oder auch von Laien erbracht würden. Verrichtungsbezogen sein solche krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen, wenn sie untrennbarer Bestandteil einer der in § 14 Abs. 4 SGB XI aufgeführten Verrichtungen seien oder mit einer solchen Verrichtung objektiv notwendig in untrennbarem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang durchzuführen seien. Der Gesetzgeber habe für alle verrichtungsbezogenen Maßnahmen der Behandlungssicherungspflege eine doppelte Zuständigkeit von Krankenkassen und Pflegekassen geschaffen. Die Parallelität und Gleichrangigkeit der Ansprüche gegen die Krankenkasse wie der Pflegekasse komme unter anderem in § 13 Abs. 2 SGB XI zum Ausdruck, wonach die Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V unberührt blieben. Der Stomabeutel-Wechsel sei hier eine krankheitsspezifische verrichtungsbezogene Pflegemaßnahme, die im Rahmen der Behandlungssicherungspflege von der Beklagten zu leisten sei. Der künstliche Darmausgang beruhe ursächlich auf der Darmerkrankung. Er habe - zumindest anfangs geplant vorübergehend - dafür sorgen sollen, dass die Darmerkrankung der Klägerin heile. Die notwendigen Wechsel des Beutels seien untrennbarer Bestandteil der Körperpflege bzw. der Darmentleerung, welche die Klägerin aufgrund ihrer sehr eingeschränkten Sehfähigkeit nicht selbst habe durchführen habe können. Die Regelungen der HKP-RL einschließlich der das Leistungsverzeichnis beinhaltenden Anlage stehe dem nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht entgegen. Bereits § 2 Abs. 4 der HKP-RL regele, dass verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen als Behandlungspflege im Rahmen der Sicherungspflege auch dann verordnet werden könnten, wenn dieser Hilfebedarf bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit in der Pflegeversicherung bereits berücksichtigt worden sei. Auch zähle § 2 Abs. 6 HKP-RL beispielhaft einige verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen auf. Soweit in der Anlage der HKP-RL ein Leistungsverzeichnis mit den verordnungsfähigen Leistungen enthalten sei und dort Aussagen zur Dauer der Verordnung und zur Häufigkeit der Verrichtungen getroffen seien, seien dies Empfehlungen für den Regelfall, von denen in begründeten Fällen abgewichen werden könne. Die HKP-RL sei nicht so zu verstehen, dass die bei der Grundpflege aufgeführten Maßnahmen als Maßnahme der Behandlungspflege von vornherein nicht in Betracht kämen. Denn eine solche Auslegung verstieße gegen die ausdrückliche gesetzliche Bestimmung des § 37 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 SGB V, mit welcher der Gesetzgeber klargestellt habe, dass verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen vom Anspruch auf Behandlungssicherungspflege umfasst seien. Bei grundpflegerischen Maßnahmen könne es daher Überschneidungsbereiche geben, wenn diese zugleich krankheitsspezifisch seien und der Behandlungssicherung dienten. Auch stelle der HKP-RL keinen abschließenden Leistungskatalog dar (insgesamt Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 16. Juli 2014). Die Klägerin habe glaubhaft ausgeführt, dass es zur Fixierung eines Beutels am Stoma notwendig sei, die Basisplatte passgenau und möglichst steril auf die Öffnung zu kleben. Dies könne die hochgradig sehbehinderte Klägerin nicht leisten. Gleiches gelte für die Reinigung der Stellen, an welcher sich der Ausgang befinde. Zwar sei der Beklagten zuzugeben, dass es sich insoweit um Präventionsmaßnahmen handele, da Entzündungen vermieden werden sollten. Allerdings sei die Grenze zwischen Prävention und Behandlung fließend. Es könne der Klägerin nicht zugemutet werden, dass es erst zu Entzündungen kommen müsse.

 

Gegen diese ihr am 30. September 2020 zugestellte Entscheidung richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten vom 30. Oktober 2020. Zur Begründung führt sie aus, die Annahme einer Leistung der Behandlungssicherungspflege durch das SG stehe im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung der Obergerichte. Indem es auf die hochgradige Sehbehinderung der Klägerin abstelle, verkenne das SG, dass der Umfang der eigenen Ressourcen zur pflegerischen Selbstversorgung kein maßgebliches Kriterium für die Unterscheidung zwischen Behandlungs- und Grundpflege im Sinne der HKP-RL sei. Insoweit weiche das SG von der Entscheidung des BSG vom 13. Juni 2006 (B 8 KN 4/04 KR R) ab.

Dem Rechtsstreit komme auch grundsätzliche Bedeutung zu, da das SG offensichtlich davon ausgehe, dass häuslichen Krankenpflege zur Versorgung eines künstlichen Körperausgangs bereits immer dann durch die gesetzliche Krankenkasse zu leisten sei, wenn der Versicherte durch Behinderungen oder andere Einschränkungen seiner Fähigkeit zur Eigenversorgung beraubt sei. Dies betreffe eine Vielzahl von Leistungsfällen.

 

II.

 

Die gemäß § 145 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des SG vom 28. September 2020 ist unbegründet. Denn weder ist die Berufung gegen das Urteil bereits kraft Gesetzes zulässig noch sind Zulassungsgründe nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SGG gegeben.

 

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 € nicht übersteigt. Dies gilt nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Im Streit ist hier der Sache nach eine Kostenerstattung in Höhe von nur 514,76 €. Die Berufung ist damit nach dem Gesetz grundsätzlich ausgeschlossen.

 

Die Berufung ist auch nicht nach § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

 

Die Berufung ist nicht wegen einer Abweichung von der Rechtsprechung eines Obergerichts zuzulassen (Zulassungsgrund nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG). Dieser Zulassungsgrund setzt nach der Rechtsprechung des BSG voraus, dass einerseits ein abstrakter Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung und andererseits ein der Entscheidung eines Obergerichts zu entnehmender abstrakter Rechtssatz nicht übereinstimmen. Dabei muss das abweichende Gericht den mit der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht übereinstimmenden Rechtssatz seiner Entscheidung zugrunde gelegt, insoweit eine die Entscheidung tragende Rechtsansicht entwickelt und damit der obergerichtlichen Rechtsprechung im Grundsätzlichen widersprochen haben (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 160 Rdnr. 13-14 m. w. Nachw.).

Eine Abweichung in diesem Sinne liegt nicht vor. Das SG hat nicht die Differenzierung zwischen Grundpflege und Behandlungspflege verkannt. Es folgt vielmehr der Rechtsprechung des BSG. Danach gibt es für krankheitsspezifische verrichtungsbezogene Pflegemaßnahmen eine Doppelzuständigkeit von Krankenkassen und Pflegekassen (BSG, Urteil vom 16. Juli 2014 - B 3 KR 2/13 R - Rdnr. 20), obwohl bei diesen Maßnahmen der Grundpflege zuzuordnende Leistungen erforderlich sind. In dem vom BSG entschiedenen Fall des An- und Ablegens eines Verbandes betrifft dies das damit notwendig verbundene An- und Ausziehen der Kleidung (vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 4 SGB XI; BSG, a. a. O Rdnr. 22f), hier die Beachtung der notwendigen Hygiene und konkret der Umgang mit Stoma.

Das angefochtene Urteil weicht auch nicht von der Entscheidung des BSG vom 13. Juni 2006 (B 8 KN 4/4 KR R) ab. Zur Definition einer Behandlungspflege übernimmt das SG vielmehr die entsprechenden Passagen aus dem Urteil des BSG vom 16. Juli 2014 (a. a. O. Rdnr. 18), welche im Kern mit den Ausführungen im Urteil vom 13. Juni 2006 (a. a. O. Juris-Rdnr. 17) übereinstimmen.

Das SG hat auch ausgeführt, dass es hier um eine Maßnahme zur Linderung von Krankheitsbeschwerden bzw. der Verhinderung einer Verschlimmerung der Krankheit gehe, auch wenn (dazu) präventiv Entzündungen vermieden werden sollten.

Selbst wenn das Sozialgericht unzutreffend subsumiert haben sollte, läge darin noch keine Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vor.

 

Abweichungen von einer Entscheidung des hiesigen Gerichts trägt die Beklagte nicht vor und sind auch nicht ersichtlich.

 

Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung.

Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtsache nur zu, wenn von der Entscheidung der Rechtssache erwartet werden kann, dass sie zur Erhaltung und Sicherung der Rechtseinheit und zur Fortbildung des Rechts beitragen wird. Dies wiederum ist nur dann der Fall, wenn es in einem Rechtsstreit um eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage geht, deren Entscheidung über den Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Klärungsfähigkeit in diesem Sinne ist gegeben, wenn es auf die als grundsätzlich angesehene Rechtsfrage im konkreten Rechtsfall ankommt, sie also für den zu entscheidenden Streitfall rechtserheblich ist. Nicht klärungsbedürftig ist die Rechtsfrage, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, weil sie sich beispielsweise unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder sie bereits höchstrichterlich entschieden ist.

Es ergibt sich bereits aus der HKP-RL, dass oftmals gerade nur aufgrund von Behinderungen ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege bestehen kann, beispielsweise bei der Blutzuckermessung, dem Richten von Injektionen oder der Medikamentengabe, Nr. 11, 19 und 26 der Anlage zur HKP-RL.

Die dargestellte Rechtsprechung des BSG hat im Übrigen bereits geklärt, dass Maßnahmen nicht als solche der Behandlungspflege von vornherein ausscheiden, weil sie in der HKP-RL unter der Grundpflege aufgeführt sind (BSG, a. a. O, Rdnr. 25). Zudem stellen die HKP-RL keinen abschließenden Leistungskatalog über die zu erbringenden Leistungen im Rahmen der häuslichen Krankenpflege dar. Denn der Gemeinsame Bundesausschuss hat keine Ermächtigung zur Ausgrenzung notwendiger Leistungen aus dem Versorgungsauftrag der Krankenkassen (BSG, a. a. O. Rdnr 27, vgl. auch BSG, B. v. 15. März 2018 -B 3 KR 62/17 B- Rdnr. 10).

 

Speziell für die Stomapflege reduziert die HKP-RL im Übrigen die Verordnungsfähigkeit gar nicht auf die Erschwernis akuter entzündlicher Veränderungen mit Läsionen der Haut (Nr. 28 der Anlage zur HKP-RL). Bestandteil der Nr. 28 ist nämlich auch die Bemerkung „siehe Katheter, Versorgung eines suprapubischen (Nr. 22)“.

In der Spalte Bemerkung findet sich dort folgende ergänzende Regelung:

 

„Die Abdeckung oder der Wechsel der Abdeckung ist auch ohne Entzündungen mit Läsionen der Haut verordnungsfähig, wenn damit insbesondere durch erhebliche Schädigungen mentaler Funktionen (z.B. Kognition, Gedächtnis, Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Orientierung, psychomotorische Unruhe) bedingte gesundheitsgefährdende Handlungen des Patienten an der Katheteraustrittsstelle oder dem Katheter wirksam verhindert werden können. Dies muss aus der Verordnung hervorgehen.“

 

Diese Ausnahme vom Tatbestand der akuten entzündlichen Veränderung mit Hautläsionen soll aufgrund des Verweises auch für die Stomabehandlung gelten.

Abgesehen davon regelt § 1 Abs. 4 HKP-RL, dass die verordnungsfähigen Maßnahmen zwar grundsätzlich dem als Anlage beigefügten Leistungsverzeichnis zu entnehmen sind und dort nicht aufgeführte Maßnahmen grundsätzlich nicht verordnungs- und genehmigungsfähig sind. Letztere sind jedoch dann in medizinisch zu begründenden Ausnahmefällen verordnungs- und genehmigungsfähig, wenn sie Bestandteil des ärztlichen Behandlungsplans sind, im Einzelfall erforderlich und wirtschaftlich sind und von geeigneten Pflegekräften erbracht werden sollen.

 

Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass eine grundsätzliche Bedeutung im konkreten Fall auch ausscheidet, weil es gar nicht darauf ankommt, ob es sich hier um Behandlungs- oder Grundpflege gehandelt hat. Denn nach Aktenlage war die Beklagte zur Leistung jedenfalls nach § 37 Abs. 1a SGB V verpflichtet. Nach dieser seit Januar 2016 geltenden Vorschrift erhalten Versicherte nach schwerer Krankheit, (auch) die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung, soweit keine Pflegebedürftigkeit mit Pflegegrad 2 bis 5 nach dem SGB XI vorliegt.

Bei der Darmerkrankung der Klägerin handelt es sich um eine schwere Krankheit. Pflegebedürftigkeit ist nach Aktenlage vom MDK verneint worden.

 

Schließlich ist die Berufung auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (Zulassungsgrund § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG) zuzulassen. Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Der geltend gemachte Mangel muss sich auf das Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil und nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils beziehen. Der Verfahrensmangel muss wesentlich sein, d. h. das angefochtene Urteil muss auf diesem Mangel beruhen können. Dies ist schon dann der Fall, wenn die Möglichkeit besteht, dass der Verfahrensmangel das Urteil beeinflusst hat, das Gericht also ohne diesen Verfahrensmangel zu einem für den Kläger günstigeren Urteil gekommen wäre. Dabei ist bei der Prüfung, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, von der Rechtsauffassung des Gerichts auszugehen, dem der Verfahrensmangel unterstellt wird. Ein solcher möglicherweise erheblicher Verfahrensmangel auf dem Weg zum Urteil liegt hier aber nicht vor. Die Beklagte hat weder solche Gründe geltend gemacht noch sind Anhaltspunkte für deren Vorliegen auch nur im Ansatz ersichtlich.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Dieser Beschluss kann gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden. Nach § 145 Abs. 4 Satz 5 SGG wird das Urteil des Sozialgerichts mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Landessozialgericht rechtskräftig.

 

 

Rechtskraft
Aus
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