Nach dem klaren und abschließenden Wortlaut von § 47 Abs 2 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), der keine andere Auslegung zulässt, ist Grundlage für die Berechnung des Regelentgeltes dasim letzten Entgeltabrechnungszeitraum (i.d.R.: im letzten Monat) vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit erzielte Arbeitsentgelt.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des
Sozialgerichts Berlin vom 25. November 2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung höheren Krankengeldes.
Die im Jahre 1981 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie ist seit dem Jahre 2008 bei der T-P AG B abhängig beschäftigt mit einem Tätigkeitumfang von 38 Arbeitsstunden pro Woche. Im Zeitraum 1. Mai 2015 bis 30. April 2016 reduzierte sie die wöchentliche Arbeitszeit auf 30 Stunden.
Seit dem 18. April 2016 war die Klägerin arbeitsunfähig. Die Arbeitsunfähigkeit dauerte an bis zur Aussteuerung am 15. Oktober 2017.
Mit Bescheid vom 9. Juni 2016 bewilligte die Beklagte der Klägerin Krankengeld ab 30. Mai 2016 in Höhe von netto 56,82 Euro (brutto 64,84 Euro) täglich, bemessen nach dem Nettoeinkommen im März 2016.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, bezog sich auf die Regelung in § 47 Abs. 2 SGB V und verwies darauf, nur bis Ende April 2016 in Teilzeit gestanden zu haben, was schon bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit festgestanden habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Maßgeblich für die Bemessung des Krankengeldes sei nach § 47 Abs. 2 SGB V gerade das im letzten Monat vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit erzielte Arbeitsentgelt.
Zur Begründung ihrer hiergegen erhobenen Klage hat die Klägerin angeführt, gerade aufgrund der Entgeltersatzfunktion des Krankengeldes müsse das ab 30. Mai 2016 tatsächlich entgangene Arbeitsentgelt zur Bemessung herangezogen werden; ab 1. Mai 2016 habe sie aber wieder in Vollzeit gearbeitet, was schon seit Oktober 2015 absehbar und vertraglich vereinbart gewesen sei.
Die Beklagte hat errechnet, dass das Krankengeld der Klägerin im Falle der Bemessung nach dem ab Mai 2016 erzielten (vollen) Gehalt 79,39 Euro netto betragen würde. Aussteuerung sei, auch unter Berücksichtigung einer stationären Rehabilitation vom 8. August 2017 bis 25. September 2017, am 15. Oktober 2017 erreicht.
Mit Gerichtsbescheid vom 25. November 2019 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Ein Anspruch auf höheres Krankengeld für den Zeitraum 30. Mai 2016 bis 15. Oktober 2017 bestehe nicht. Zu Recht habe die Beklagte das Krankengeld nach dem im März 2016 erzielten Arbeitsentgelt bemessen. Den Referenzzeitraum bestimme § 47 Abs. 2 SGB V. Maßgeblich sei von Gesetzes wegen der letzte vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit liegende und abgerechnete Monat, hier der März 2016. Für den von der Klägerin gewünschten Rückgriff auf das ab Mai 2016 erzielte höhere Arbeitsentgelt fehle jede rechtliche Grundlage. Auf den in der Vergangenheit liegenden Abrechnungszeitraum sei auch abzustellen, wenn bereits vor oder mit Beginn der Arbeitsunfähigkeit eine Änderung des Arbeitsverhältnisses eingetreten sei, sei es zu Gunsten oder zu Ungunsten des Versicherten (Hinweis auf Bundessozialgericht, 1/3 RK 6/90). Änderungen, die nicht schon während des Bemessungszeitraums, sondern erst für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit Wirksamkeit entfalteten, blieben ohne Einfluss auf die Berechnung des Krankengeldes. Dass die Rückkehr in eine Vollzeittätigkeit im Falle der Klägerin schon lange vorher vereinbart gewesen sei, sei rechtlich unerheblich.
Gegen den ihr am 27. November 2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 27. Dezember 2019 Berufung eingelegt. Sie führt an, § 47 Abs. 2 SGB V bestimme gerade, dass dem Krankengeld eine Vollzeittätigkeit zugrunde zu legen sei. Man dürfe nicht das Referenzzeitraumprinzip anwenden, sondern müsse mit dem Lohnausfallprinzip arbeiten; anderes könne nur gelten, wenn die Vertragsparteien – anders als hier – neue vertragliche Vereinbarungen erst nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit träfen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 25. November 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr in der Zeit vom 30. Mai 2016 bis zum 15. Oktober 2017 höheres Krankengeld als 56,82 Euro netto kalendertäglich, nämlich 79,39 Euro netto kalendertäglich zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Mit Beschluss vom 27. Januar 2021 hat der Senat den Rechtsstreit dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.
Die Beteiligten haben schriftlich ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des Verwaltungsvorgans der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat über die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Besetzung durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter entschieden, weil das Sozialgericht über die Klage durch Gerichtsbescheid entschieden und der Senat durch Beschluss vom 27. Januar 2021 die Berufung dem Berichterstatter zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen hat. Im erklärten Einverständnis der Beteiligten durfte die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden und erschöpfenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG), denen die Berufung nichts Entscheidendes entgegen gesetzt hat. Zu ergänzen und zu betonen bleibt: Nach dem klaren und abschließenden Wortlaut von § 47 Abs. 2 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), der keine andere Auslegung zulässt, ist Grundlage für die Berechnung des Regelentgeltes das im letzten Entgeltabrechnungszeitraum vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit (hier: 18. April 2016) erzielte Arbeitsentgelt, hier also bezogen auf März 2016. Auf die Verhältnisse vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit ist abzustellen, damit möglichst schnell und mit möglichst wenig Verwaltungsaufwand eine Entscheidung über die Höhe des zeitlich nur begrenzt zu gewährenden Krankengeldes getroffen werden kann. Käme es dagegen auf das dem Versicherten während der Arbeitsunfähigkeit entgehende Arbeitsentgelt an, wäre dies sehr viel schwieriger festzustellen. Es müssten hypothetische Berechnungen und gegebenenfalls Nachberechnungen angestellt werden (vgl. Bohlken in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., Stand: 15. Juni 2020, Rdnr. 30 zu § 47 SGB V). Das den Regelungen der Lohnfortzahlung zugrunde liegende Lohnausfallprinzip, wonach auch die nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit eintretenden Änderungen zugunsten wie zuungunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind, kann auf die Berechnung des Krankengeldes nicht übertragen werden, auch wenn die Lohnfortzahlung an die Stelle eines sonst zu gewährenden Krankengeldes tritt; der Gesetzgeber hat der Berechnung des Krankengeldes die Bezugs- bzw. Referenzmethode zugrunde gelegt, die - im Gegensatz zum Lohnausfallprinzip - unberücksichtigt lässt, wie sich die Lohnverhältnisse außerhalb des Bezugs- bzw. des Bemessungszeitraums, insbesondere nach Eintritt des Leistungsfalles, entwickeln (Bundessozialgericht, Urteil vom 25. Juni 1991, 1/3 RK 6/90, zitiert nach juris, dort Rdnrn. 13 und 19 zur vergleichbaren Vorgängerregelung in § 182 Abs. 5 Satz 3 RVO). Abgesehen davon soll das Krankengeld nur den wirtschaftlichen Status des Versicherten sichern, der zuletzt vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit tatsächlich bestanden hat (Bohlken, a.a.O.; Bundessozialgericht, Urteil vom 5. Juli 2005, B 1 KR 7/04 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 16).
Aus dem von der Klägerin im Berufungsverfahren angeführten Urteil des Bundessozialgerichts vom 30. Mai 2006, B 1 KR 19/05 R, ergibt sich nichts anderes, denn dieser Entscheidung liegt ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde (Leitsatz: „Werden Versicherte vor Ablauf des Bemessungszeitraums in ihrem entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis arbeitsunfähig, bemisst sich ihr Krankengeldanspruch nach einer vorrangig die individuellen Verhältnisse berücksichtigenden Schätzung.“). Für eine Schätzung des relevanten Arbeitsentgelts der Klägerin bestand vorliegend kein Anlass, denn die Klägerin, die sich in einem langjährigen Arbeitsverhältnis befand, ist nicht vor Ablauf des Bemessungszeitraums arbeitsunfähig geworden. In Rdnr. 18 dieser Entscheidung betont das Bundessozialgericht die Regel, dass – was sich aus § 47 Abs. 2 Satz 1 SGB V ergibt – für die Krankengeldberechnung das vom Versicherten im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Zeitraum erzielte Arbeitsentgelt für die Bemessung maßgeblich ist. Der Fall der Klägerin bietet keinen Anlass, von dieser Regel abzuweichen; er bietet im Gegenteil genau die Konstellation, die von § 47 Abs. 2 SGB V erfasst ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits. Die Revision ist nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.