Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 9. Mai 2018 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Kosten einer Krankenhausbehandlung in Höhe von 836,54 Euro (Zusatzentgelt ZE 84.02 für die Gabe zweier Apherese-Thrombozytenkonzentrate).
Die Klägerin ist ein zugelassenes Plankrankenhaus. In der Zeit vom 13. Mai 2011 bis zum 19. Mai 2011 behandelte sie die im Jahre 1951 geborene Frau Sch., eine Versicherte der Beklagten. Die stationäre Aufnahme erfolgte wegen Gelbsucht und Leberzirrhose. Zu Behandlung der Versicherten wurden unter anderem zwei Apherese-Thrombozytenkonzentrate (ATK) transfundiert.
Am 1. Juni 2011 stellte die Klägerin der Beklagten für die stationäre Behandlung der Versicherten 6.726,18 Euro in Rechnung. Der Forderung lag neben der Fallpauschale (DRG) H41A (komplexe therapeutische ERCP [endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie] mit äußerst schweren CC [Komplikationen und Komorbiditäten] oder photodynamische Therapie) u.a. die Abrechnung des Zusatzentgelts ZE 84.02 (Gabe von zwei Apherese-Thrombozytenkonzentraten) i.H.v. 836,54 Euro zugrunde (Anlage 5 [Zusatzentgelte-Katalog] zum Fallpauschalen-Katalog 2011). Wegen der Einzelheiten der Rechnung wird auf Bl. 6 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Die Beklagte glich die Rechnung am 20. Juni 2011 vollständig aus.
Mit Schreiben vom 4. November 2015 wies die Beklagte die Klägerin auf ein Grundsatzgutachten des MDK Baden-Württemberg vom 19. Oktober 2010 hin, wonach in der Regel die Gabe von Pool-Apheresekonzentraten wirtschaftlicher sei. Die objektive Beweislast für eine medizinischen Erforderlichkeit der Gabe gerade von Apherese-Thrombozytenkonzentraten treffe das Krankenhaus. U.a. im vorliegenden Fall sei die medizinische Erforderlichkeit der Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentraten nicht belegt, weshalb man den Betrag von 836,54 Euro verrechnen werde.
Am 6. November 2015 verrechnete die Beklagte 836,54 Euro mit einer anderen, unstreitigen Forderung der Klägerin; eine gesonderte Beauftragung des MDK mit der Überprüfung des Abrechnungsverhaltens der Klägerin war vor dieser Verrechnung nicht erfolgt.
Mit ihrer am 16. März 2016 erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 836,54 Euro nebst Zinsen. Zur Begründung hat sie unter anderem angeführt, nach Ablauf der in § 275 Abs. 1c SGB V geregelten Sechs-Wochen-Frist für die Ingangsetzung einer Abrechnungsprüfung durch den MDK dürfe die Beklagte keine Einwendungen mehr gegen die Abrechnung der Klägerin erheben. Ihr sei bereits mit der Rechnung vom 1. Juni 2011 ausdrücklich mitgeteilt worden, dass bei der Versicherten Apherese-Thrombozytenkonzentrate transfundiert worden seien.
Die Beklagte hat angeführt, die Rechnung sei schon nicht fällig geworden, weil die Klägerin nach § 301 SGB V verpflichtet gewesen sei, konkrete Besonderheiten mitzuteilen, die die Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentraten gerechtfertigt hätten. Weil bereits ein Grundsatzgutachten des MDK vorgelegen habe, nachdem in der Regel die Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentraten gegenüber dem Einsatz von Poolpräparaten unwirtschaftlich sei, habe der MDK hier nicht erneut betraut werden müssen.
Mit Urteil vom 9. Mai 2018 hat das Sozialgericht Frankfurt (Oder) der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 836,54 Euro nebst Zinsen i.H.v. 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit dem 7. November 2015 verurteilt. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt: Mit ihrer Argumentation, die Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentraten sei in der Regel unwirtschaftlich, könne die Beklagte nicht durchdringen. Zwar ergebe sich dies aus dem Grundsatzgutachten des MDK vom 19. Oktober 2010. Die Klägerin sei aber nach Ablauf der Prüffristen des (bis Ende 2019 geltenden) § 275 Abs. 1c SGB V weder darlegungs- noch beweisbelastet hinsichtlich der Frage, ob vorliegend ein Ausnahmefall vorgelegen habe. Vielmehr obliege es der Beklagten, die hier einen Erstattungsanspruch geltend mache (Hinweis auf Bundessozialgericht, Urteil vom 14. Oktober 2014, B 1 KR 27/13 R, Rdnr. 18 bei juris), darzulegen und nachzuweisen, dass sie das Zusatzentgelt ohne Rechtsgrund erbracht habe (Hinweis auf Sozialgericht Bayreuth, Gerichtsbescheid vom 29. März 2018, S 8 KR 220/17). Eine Umkehr der Beweislast zulasten der Klägerin bestehe nicht. Insbesondere habe die Klägerin ihre gesetzlichen Informationspflichten aus § 301 SGB V bei der Abrechnung der erbrachten Leistungen vollständig erfüllt. Datum und Art der durchgeführten Operationen und sonstigen Prozeduren (§ 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SGB V) seien mitgeteilt worden. So habe sie ausdrücklich angegeben, dass Apherese-Thrombozytenkonzentrate transfundiert worden seien. Im Gegensatz zur Erforderlichkeit der Aufnahme in eine stationäre Behandlung, über die nach § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V der „Grund der Aufnahme“ zu informieren sei, fordere § 301 SGB V hinsichtlich der Operationen und Prozeduren gerade keine Angaben zu deren Grund oder deren medizinischer Erforderlichkeit, sondern nur die Angabe von „Datum und Art“. Soweit die Beklagte bereits zum Zeitpunkt der Rechnungstellung, ausgehend von dem seinerzeit bereits bekannten Grundsatzgutachten des MDK, Zweifel an der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung gehabt hätte, wäre es ihr ohne weiteres möglich gewesen, die Wirtschaftlichkeit zu prüfen und hierzu auf der Grundlage des § 276 Abs. 2 SGB V weitere Informationen von der Klägerin abzufordern. Eine Abrechnungsprüfung nach §§ 275, 275 SGB V sei aber gerade nicht durchgeführt worden. Abweichend etwa von dem der Entscheidung B 1 KR 27/13 R zugrundeliegenden Sachverhalt habe hier zwischen der Klägerin und der Beklagten kein Informationsgefälle bestanden, das eine Umkehr der Beweislast rechtfertige. Denn wenn schon im Zusammenhang mit der Abrechnung des Behandlungsfalles keine weitergehende Informationspflicht bestehe, könne eine solche auch nicht außerhalb des regulären Prüfverfahrens gemäß § 275 Abs. 1c SGB V entstehen. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Klägerin nun auch nicht mehr verpflichtet, weitere Auskünfte zu erteilen oder Sozialdaten zu übermitteln. Denn im Zusammenhang mit einer Krankenhausbehandlung sei eine Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zeitnah durchzuführen, gemäß § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den medizinischen Dienst dem Krankenhaus anzuzeigen. Handele es sich - wie hier - um eine einzelfallbezogene Auffälligkeitsprüfung, resultiere aus dem ungenutzten Ablauf der Sechs-Wochen-Frist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V zwar kein Einwendungsausschluss. Allerdings führe der Fristablauf dazu, dass die Krankenkasse und der MDK auf die Daten beschränkt seien, die das Krankenhaus der Krankenkasse im Rahmen seiner Informationsobliegenheiten bei der Krankenhausaufnahme und zur Abrechnung jeweils zur Verfügung gestellt habe (Hinweis auf Bundessozialgericht, Urteil vom 19. April 2016, B 1 KR 33/15 R, Rdnr. 21 bei juris).
Gegen das ihr am 15. Juni 2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19. Juni 2018 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen an: Es sei gerade zu berücksichtigen, dass ein Verstreichenlassen der 6-Wochen-Frist aus § 275 Abs. 1c SGB V keinen Einwendungsausschluss nach sich ziehe. Die Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentraten müsse stets dem Wirtschaftlichkeitsgebot genügen (Hinweis auf Bundessozialgericht, B 1 KR 2/15 R). Eine Ausnahmekonstellation, die die Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentraten gerechtfertigt hätte, habe im Falle der Versicherten Sch. ausweislich der Daten nach § 301 SGB V nicht vorgelegen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgericht Frankfurt (Oder) vom 9. Mai 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und führt ergänzend an: Im Unterschied zu der im Verfahren B 1 KR 2/15 R gegebenen Konstellation habe die Beklagte hier die Rechnung nicht unter Vorbehalt beglichen und auch kein Prüfverfahren nach §§ 275, 276 SGB V eingeleitet. Die Beklagte habe es hier trotz des bekannten Grundsatzgutachtens des MDK aus dem Jahre 2010 unterlassen, in eine Auffälligkeitsprüfung nach Abrechnung des Zusatzentgelts ZE 84.02 einzutreten. Nach Ablauf der 6-Wochen-Frist aus § 275 Abs. 1c SGB V unterliege die Beklagte einem Einwendungsausschluss. Auch aus § 242 BGB ergebe sich eine zeitliche Grenze für nachträgliche Einwendungen. Die Frage, ob bei der Versicherten Sch. medizinische Besonderheiten bestanden hätten, könne dahinstehen, weil die Klägerin Behandlungsunterlagen nach Ablauf einer so langen Zeit nicht herausgeben müsse. Zudem müsse der Beklagten § 814 BGB entgegen gehalten werden, denn sie hätte – ihr eigenes Vorbringen als richtig unterstellt – bei Bezahlung der Rechnung erkennen können, dass sie nicht zur Leistung verpflichtet gewesen sei.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht sie zur Zahlung von 836,54 Euro nebst Zinsen verurteilt. Der Zahlungsanspruch der Klägerin ist begründet und nicht durch Aufrechnung erloschen. Denn die Beklagte hat keinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch in Höhe des streitigen Betrages; sie hat diesen Betrag im Jahre 2011 nicht ohne Rechtsgrund gezahlt.
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden und gründlichen Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Zu ergänzen und zu betonen bleibt:
Auf Aspekte wie Verwirkung oder § 814 BGB kommt es nicht an, denn der Zahlungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus „einfachen“ sozialrechtlichen Regelungen; zugleich ist der Einwand der Beklagten, die der Abrechnung des Zusatzentgelts ZU 84.02 zugrunde liegende Gabe zweier Apherese-Thrombozytenkonzentrate sei unwirtschaftlich gewesen, nicht belegt.
Wie das Sozialgericht sorgfältig dargelegt hat, entsprach die Rechnungslegung der Klägerin für die im Mai 2011 erfolgte stationäre Behandlung der versicherten Sch. vollständig den Vorgaben in § 301 SGB V. Zu Recht hat das Sozialgericht betont, dass die Gabe der Apherese-Thrombozytenkonzentrate nicht medizinisch begründet werden musste, weil § 301 Abs. 1 Nr. 6 SGB V nur vorsieht, Datum und Art der im Krankenhaus durchgeführten Operationen und Prozeduren zu übermitteln. Angesichts des Grundsatzgutachtens des MDK Baden-Württemberg vom 19. Oktober 2010 konnte und musste es der Beklagten im Juni 2011 bekannt sein, dass die Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentraten problematisch sein könnte; insofern hätte möglicherweise eine Prüfung der Abrechnung durch den MDK auf der Grundlage der §§ 275, 276 SGB V angezeigt sein können, wovon die Beklagte aber keinen Gebrauch machte. Das bleibt für die Geltendmachung späterer Einwände gegen die Abrechnung des Zusatzentgelts nicht ohne Bedeutung:
Krankenkassen sind jederzeit berechtigt, die sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung von Krankenhausvergütung mit Blick auf Leistungsverweigerungsrechte oder nicht verjährte Erstattungsforderungen zu überprüfen (vgl. hierzu und zum Folgenden: Bundessozialgericht, Urteil vom 19. April 2016 - B 1 KR 33/15 R -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 11). § 275 Abs. 1c SGB V (in Kraft vom 1. April 2007 bis zum 31. Dezember 2019) steht dem nicht entgegen. Nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V ist bei Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V eine Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten. Der ungenutzte Ablauf der Sechs-Wochen-Frist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V bewirkt im Gegensatz zu der Auffassung der Klägerin keinen Einwendungsausschluss. Er führt aber dazu, dass Krankenkasse und MDK bei einzelfallbezogenen Auffälligkeitsprüfungen nach Ablauf der Frist auf die Daten beschränkt sind, die das Krankenhaus der Krankenkasse im Rahmen seiner Informationsobliegenheiten bei der Krankenhausaufnahme und zur Abrechnung - deren vollständige Erfüllung vorausgesetzt - jeweils zur Verfügung gestellt hat; nach Ablauf der Sechs-Wochen-Frist ist das Krankenhaus nicht mehr verpflichtet, Auskünfte zu erteilen oder Patientenakten vorzulegen (Bundessozialgericht, a.a.O., Rdnr. 21) Das Recht der Krankenkasse, für die Prüfung andere (zulässige) Informationsquellen zu nutzen, bleibt unberührt.
Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten geben die von der Klägerin vollständig übermittelten Abrechnungsdaten nach § 301 SGB V, auf die sich die Beklagte allein stützt, gerade nichts für die Annahme her, die Gabe zweier Apherese-Thrombozytenkonzentrate sei unwirtschaftlich gewesen. Diese Annahme basiert nur auf einer Vermutung, ausgehend von den Ausführungen des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 10. März 2015 (B 1 KR 2/15 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 24). Denn die schlichten Abrechnungsdaten, wie sie auch Bl. 1 bis 3 des Verwaltungsvorgangs der Beklagten entnommen werden können, lassen eine Beantwortung der komplexen medizinischen Frage, ob für die Behandlung der Versicherten Sch. gerade die Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentraten indiziert war, nicht zu. Feststellbar wäre dies nur im Rahmen einer Fallprüfung durch den MDK nach §§ 275, 276 SGB V gewesen, in deren Rahmen die Klägerin sich zur Notwendigkeit der Gabe der (teureren) Apherese-Thrombozytenkonzentrate hätte erklären müssen. Im Ergebnis ist daher nicht nachgewiesen, dass die Gabe der Apherese-Thrombozytenkonzentrate im Falle der Versicherten Sch. medizinisch nicht erforderlich war. Das geht zu Lasten der Beklagten, der es obliegt, die rechtsgrundlose Zahlung des Zusatzentgelts 84.02 darzulegen und nachzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 160 Abs. 2 SGG.