Die Erhebung von Kosten für fehlende Abschriften kann vor dem Hintergrund des elektronischen Rechtsverkehrs unbillig sein.
Auf die Erinnerung der Klägerin vom 6. November 2020 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15. Oktober 2020 aufgehoben.
Gründe:
Die zulässige Erinnerung der Klägerin (§ 178 SGG i.V.m. § 66 Gerichtskostengesetz-GKG) ist begründet. Zu Unrecht wurden von der Klägerin Kosten für fehlende Abschriften ihrer Schriftsätze nach § 93 Satz 3 SGG angefordert.
Sind wie vorliegend einem Schriftsatz die für die Beteiligten erforderlichen Abschriften nicht beigefügt, so kann das Gericht diese nachfordern oder sogleich selbst anfertigen. Das Gesetz kennt insoweit kein Vorrang-Nachrang-Verhältnis (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, Kommentar, 13. Auflage, § 93 Rn 3).
Nach § 93 Satz 3 SGG können die Kosten für die Anfertigung vom Kläger eingezogen werden. Aus Billigkeitsgründen kann vom Einzug abgesehen werden (a.a.O § 93 Rn. 3).
Vorliegend erscheint der Einzug deshalb unbillig, weil die vom Gericht gefertigten Kopien keinen messbaren Mehraufwand verursacht haben. Das Gesetz sieht einen Kostenersatz letztlich deshalb vor, weil es nicht Aufgabe des Gerichts ist, als „Schreibbüro“ der Beteiligten die Abschriften für deren Schriftsätze zu fertigen. Dies rechtfertigt die Kostentragungspflicht der Beteiligten für vom Gericht anzufertigende Kopien der Schriftsätze für die übrigen Beteiligten.
Nach § 65a Abs. 5 Satz 3 SGG gelten die Vorschriften über die Beifügung von Abschriften (hier § 93 SGG) dann nicht, wenn der Schriftsatz als elektronisches Dokument eingegangen ist. Dahinter verbirgt sich zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs der Gedanke, dass das Dokument ohne Fertigung von Kopien auf Papier an die Beteiligten weitergeleitet werden kann und so weitere Arbeit für die Geschäftsstelle durch die (dann überflüssige) Fertigung von Abschriften nicht anfallen kann. Dies überzeugt im Grundsatz.
Beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg besteht derzeit aber nicht die Möglichkeit, als elektronische Dokumente eingegangene Schriftsätze an die übrigen Beteiligten weiterzuleiten. Mit anderen Worten: Diese elektronischen Dokumente werden ausgedruckt, für die Beteiligten vervielfältigt und per Post versandt. Kosten können bei den Beteiligten dafür nicht geltend gemacht werden, wie sich aus § 65a Abs. 5 Satz 3 SGG eindeutig ergibt.
Hätte sich die Klägerin also eines Rechtsanwalts bedient, der den elektronischen Rechtsverkehr nutzt, wäre bei Gericht dieselbe Arbeit für die Geschäftsstelle angefallen wie bei Übersendung der (einfachen) Schriftsätze durch die Klägerin persönlich. Kosten nach § 93 SGG hätten dann aber nicht erhoben werden dürfen. Dies lässt die Anforderung von solchen Kosten jedenfalls in den Fällen, in denen es um den Bezug von Grundsicherungsleistungen – also um arme Menschen- geht, als unbillig erscheinen.
Durch den Verzicht auf die Mandatierung eines Rechtsanwalts, der in vielen Fällen auch noch Prozesskostenhilfe für seine Mandantschaft beanspruchen könnte, kann ein Kläger nicht schlechter stehen, zumal auch die vorrangig Grundsicherungssachen bearbeitenden Anwälte immer häufiger den elektronischen Rechtsverkehr nutzen.
Ob wegen § 65a Abs. 5 Satz 3 SGG aus Gründen der Gleichbehandlung überhaupt auf den Einzug von Kosten für Abschriften verzichtet werden sollte (Vgl. a.a.O. § 93 Rn. 3 mit weiteren Fundstellen zum Meinungsstand), war nicht zu entscheiden, auch wenn einiges dafür spricht, zumindest dann so zu verfahren, wenn elektronisch eingegangene Dokumente, die nach dem Gesetzeszweck zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs erwünscht sind, ohnehin ausgedruckt und kopiert werden müssen.
Der Antrag der Klägerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat sich damit erledigt.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 178 Satz 1 SGG).