L 9 KR 379/19

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 51 KR 440/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 379/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. In einer im Zuge der Rentenantragstellung erfolgte Meldung nach § 201 SGB V liegt nicht zugleich die Erklärung eines Beitritts zur freiwilligen Krankenversicherung. 2. Die Regelung in § 264 Abs. 2 Satz 1 SGB V („Quasiversicherung“) stellt einen „anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall“ im Sinne von § 188 Abs. 4 Satz 3 SGB V dar.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des

Sozialgerichts Berlin vom 19. September 2019 wird zurückgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten einschließlich der Kosten des Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

          

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten über die Weiterversicherung der Klägerin bei der beklagten Kranken- und Pflegekasse über den 30. April 2016 hinaus.

 

Die im Dezember 1950 geborene Klägerin bezog von 1. März 2008 bis zum 30. April 2016 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und war auf dieser Grundlage pflichtversichertes Mitglied der Beklagten; die maschinelle Abmeldung durch das JobCenter zum 30. April 2016 erfolgte am 4. Mai 2016.

 

Mit Bescheiden vom 21. April 2016 und vom 13. September 2016 bewilligte die Beigeladene der Klägerin und ihrem Ehemann Leistungen der Grundsicherung im Alter nach §§ 41ff Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII, Viertes Kapitel) für die Zeit ab  1. Mai 2016.

 

Am 2. März 2016 stellte die Klägerin einen Antrag auf Regelaltersrente bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg. In diesem Zusammenhang erstattete sie auf einem entsprechenden Merkblatt der Deutschen Rentenversicherung, das ausführliche Hinweise zum möglichen Krankenversicherungsschutz von Rentnern enthielt, auch eine Meldung zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) nach § 201 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), datierend vom 26. April 2016; diese Meldung ging am 29. April 2016 bei den Beklagten ein.

 

Unter dem 3. Mai 2016 teilten die Beklagten der Klägerin mit, für sie bestehe keine Versicherungspflicht in der KVdR, weil die erforderliche Vorversicherungszeit nicht erfüllt sei. Der Bescheid enthielt den Zusatz: „Sollte der Leistungsbezug durch das JobCenter enden, endet auch Ihr Versicherungsschutz. Bitte setzen Sie sich mit uns in Verbindung, damit wir Sie über Ihren weiteren Versicherungsschutz beraten können.“

 

In einem Schreiben an die Klägerin vom 25. Juni 2016 bemühten die Beklagten sich um eine Klärung des Versicherungsschutzes. Zum 30. April 2016 sei eine Abmeldung erfolgt. Ein beiliegender Fragebogen möge ausgefüllt übersandt werden. Falls keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall bestehe, werde eine obligatorische Anschlussversicherung durchgeführt. Eine freiwillige Krankenversicherung komme in Betracht, wenn die Voraussetzungen einer obligatorischen Anschlussversicherung nicht erfüllt seien; der Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung sei binnen drei Monaten nach Beendigung der Versicherungspflicht anzuzeigen. Dieses Schreiben ließ die Klägerin unbeantwortet, ebenso ein Erinnerungsschreiben der Beklagten vom 16. Juli 2016.

 

(Erst) am 11. Oktober 2016, nachdem im Zuge ärztlicher Behandlung aufgefallen war, dass keine Krankenversicherung mehr bestand, übermittelte die Klägerin den Beklagten eine Beitrittserklärung zur freiwilligen Kranken- und zur Pflegeversicherung. Eine Regelaltersrente sei mit Bescheid vom 13. August 2016 abgelehnt worden.

 

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 11. Oktober 2016 lehnten die Beklagten die Durchführung einer freiwilligen Krankenversicherung und Pflegeversicherung ab, weil der Beitritt nicht innerhalb von drei Monaten nach dem Ende der letzten Pflichtversicherung (30. April 2016) schriftlich angezeigt worden sei. Weil sie Leistungen der Grundsicherung im Alter beziehe, könne man im Auftrag des Sozialhilfeträgers Leistungen der Krankenversicherung gewähren, es bedürfe einer entsprechenden Anmeldung durch den zuständigen Träger der Sozialhilfe.

 

Aufgrund einer Anfrage der Klägerin beim Servicetelefon der Beklagten am 16. November 2016 übermittelten die Beklagten ihr ohne nähere Nachprüfung des Sachverhalts ein Schreiben vom 17. November 2016, in dem der Klägerin empfohlen wurde, der freiwilligen Krankenversicherung beizutreten, weil die Kranken- und Pflegeversicherung der Klägerin in absehbarer Zeit enden werde. Ein beiliegender Antrag möge ausgefüllt zurückgesandt werden.

 

Mit anwaltlichem Schreiben vom 7. Dezember 2016 beantragte die Klägerin nochmals ihre Aufnahme in die freiwillige Krankenversicherung und die Pflegeversicherung. Zumindest müsse eine Übernahme der Krankenbehandlung für nicht Versicherungspflichtige gegen Kostenerstattung nach § 264 SGB V erfolgen.

 

Mit Bescheid vom 12. Dezember 2016 teilten die Beklagten der Klägerin mit, nach nochmaliger Prüfung lägen die Voraussetzungen für eine freiwillige Versicherung wegen Fristversäumnis nicht vor; die obligatorische Anschlussversicherung sowie die Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V setzten voraus, dass – anders als hier – zum Zeitpunkt des Beginns kein Sozialhilfebezug bestanden habe. Beim zuständigen Bezirksamt sei eine Betreuung nach § 264 SGB V zu beantragen.

 

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wiesen die Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2017 zurück. Zwar habe ab 1. Mai 2016 die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung bestanden, doch die Klägerin habe den Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung entgegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 SGB V nicht binnen dreier Monate nach Beendigung der Pflichtversicherung am 30. April 2016 angezeigt. Diese gesetzliche Frist, bei der es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist handele, sei am 31. Juli 2016 abgelaufen. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor. Vor allem sei die Klägerin durch die Schreiben vom 25. Juni 2016 und 16. Juli 2016 auf den fehlenden Versicherungsschutz hingewiesen worden, worauf sie nicht reagiert habe. Für eine obligatorische Anschlussversicherung nach     § 188 Abs. 4 SGB V sei kein Raum, weil die Klägerin seit dem 1. Mai 2016 Sozialhilfe beziehe und daher eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall bestehe. Ebenso wenig greife § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, weil die Klägerin mit dem Bezug von Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII anderweitig gegen Krankheit abgesichert sei. Vom Träger der Sozialhilfe könne ein Betreuungsantrag nach § 264 SGB V gestellt werden, der im Ergebnis dazu führe, dass die Beklagte zu 1.  auf Kosten des Sozialhilfeträgers Leistungen in der gleichen Weise gewähre wie in der gesetzlichen Krankenversicherung.

 

Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 19. September 2019 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Einer freiwilligen Krankenversicherung ab 1. Mai 2016 stehe entgegen, dass die Klägerin ihren Beitritt erst im Oktober 2016 und damit entgegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 SGB V mehr als drei Monate nach Beendigung der Pflichtmitgliedschaft zum 30. April 2016 angezeigt habe. Die in Zusammenhang mit der Rentenantragstellung abgegebene „Meldung zur Krankenversicherung der Rentner“ könne nicht als Antrag auf freiwillige Krankenversicherung gewertet werden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht. Auch bestehe kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, denn Beratungs-    oder Aufklärungspflichten seien nicht verletzt worden. Im Gegenteil enthalte gerade das Schreiben der Beklagten vom 25. Juni 2016 einen Hinweis auf den Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung, der binnen dreier Monate zu erklären sei. Daran sei sogar noch einmal im Juli 2016 erinnert worden. Eine gesetzliche Auffangpflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bestehe wegen der Regelung in § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V und des Bezuges von Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII nicht. Ebenso wenig bestehe eine obligatorische Anschlussversicherung nach          § 188 Abs. 4 SGB V. In Anbetracht der Wertung des § 5 Abs. 8a SGB V wäre eine solche systemwidrig; der Gesetzgeber habe der Absicherung nach § 264 SGB V im Zusammenhang mit dem Bezug von Leistungen nach dem SGB XII offensichtlich den Vorrang vor einer automatisch eintretenden freiwilligen Krankenversicherung einräumen wollen. Das Aufforderungsschreiben vom 17. November 2016 schließlich entfalte keine rechtliche Bedeutung, weil ein Verwaltungsversehen nichts an der Geltung gesetzlicher Vorschriften ändere.

 

Hiergegen hat der Beigeladene am 15. Oktober 2019 Berufung eingelegt. Er meint, ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch sei begründet, weil Beratungspflichten gegenüber der Klägerin verletzt worden seien. Auch könne nicht davon die Rede sein, dass die Absicherung nach § 264 SGB V Vorrang gegenüber der automatisch eintretenden gesetzlichen Versicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V habe; die so genannte Quasiversicherung stelle kein Versicherungsverhältnis dar, sondern greife ausschließlich während des Bezugs von Leistungen nach dem SGB XII; ein reguläres Krankenversicherungsverhältnis sei vorrangig.

 

Die Klägerin hat gegen das ihr am 8. Oktober 2019 zugestellte Urteil am 1. November 2019 Berufung eingelegt. Sie führt an, schon die Meldung zur KVdR sei als Anzeige im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB V zu werten. So habe das Merkblatt der Deutschen Rentenversicherung unter Punkt 7. auch auf die freiwillige Krankenversicherung hingewiesen. Die Meldung nach § 201 SGB V diene auch der Klärung des Krankenversicherungsverhältnisses. Unabhängig davon greife die obligatorische Anschlussversicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V gerade deshalb, weil die Klägerin nach dem Ende ihrer Versicherungspflicht eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall nicht nachgewiesen habe. Unabhängig davon sei sie unrichtig beraten worden. Denn ihr sei Anfang Mai 2016 nicht hinlänglich verdeutlicht worden, über keinen Krankenversicherungsschutz mehr zu verfügen. Nach dem Wortlaut des Schreibens vom 25. Juni 2016 habe sie davon ausgehen dürfen, dass eine obligatorische Anschlussversicherung bestehe, für die keine Antragsfrist gelte.

 

Die Klägerin und der Beigeladene beantragen,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. September 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2017 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin über den 30. April 2016 hinaus bei den Beklagten kranken- und pflegeversichert ist.

 

Die Beklagten beantragen,

 

            die Berufungen zurückzuweisen.

 

Es verbiete sich, die obligatorische Meldung zur KVdR nach § 201 SGB V als Anzeige zum Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung zu interpretieren, denn diese Meldung solle nur die ordnungsgemäße Durchführung der Pflichtversicherung in der KVdR sicherstellen. Die Beitrittsanzeige nach § 9 Abs. 2 SGB V dagegen ziele auf die freiwillige Krankenversicherung. Dieselbe Erklärung könne nicht der Herbeiführung zweier unterschiedlicher und einander ausschließender Ziele dienen. Im Hinblick auf den Nichteintritt der obligatorischen Anschlussversicherung teilten die Beklagten die Auffassung des Sozialgerichts in der angefochtenen Entscheidung.

 

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, weil die Prozessordnung dies im Falle eines entsprechenden Hinweises in der Ladung vorsieht (§ 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). 

 

Die zulässigen Berufungen der Klägerin und des Beigeladenen bleiben ohne Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Denn unter keinem denkbaren Gesichtspunkt bestand für die Klägerin nach dem 30. April 2016 ein Krankenversicherungsverhältnis nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), damit ebenso wenig ein Pflegeversicherungsverhältnis nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI, dort § 20 Abs. 3).

 

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG). Zu ergänzen und zu betonen bleibt:

 

1. Ein wirksamer Beitritt in die freiwillige Krankenversicherung ist nicht erfolgt, denn die insoweit maßgebliche Erklärung der Klägerin vom 11. Oktober 2016 wurde mehr als drei Monate nach dem Ende der auf § 5 Abs. 1 Nr. 2a beruhenden Pflichtversicherung (30. April 2016) abgegeben, mithin unter Verstoß gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 SGB V.

 

Auch zur Überzeugung des Senats kann die im Zuge der Rentenantragstellung erfolgte Meldung nach § 201 SGB V nicht zugleich als Erklärung eines Beitritts zur freiwilligen Krankenversicherung der Beklagten zu 1. gewertet werden. Eine Auslegung der maschinell übermittelten Meldung (vgl. § 201 Abs. 6 SGB V) nach dem Empfängerhorizont musste diese ausschließlich in Bezug zur gegebenenfalls durchzuführenden KVdR stellen.

 

Der Versäumung der Dreimonatsfrist aus § 9 Abs. 2 Nr. 1 SGB V ist auch nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch beizukommen, denn die Beklagten haben ihre aus § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) resultierende Beratungspflicht nicht verletzt. Die Sachlage ist vielmehr dadurch gekennzeichnet, dass die Klägerin ihre Angelegenheiten bis in den Herbst 2016 hinein trotz mehrfacher zutreffender Belehrungen bzw. Beratungsangebote durch die Beklagten nicht hinreichend wahrnahm. So ging zwar der Bescheid vom 3. Mai 2016 aufgrund der erst einen Tag später erfolgten Abmeldung durch das JobCenter irrig noch von einem Bezug von Leistungen nach dem SGB II aus. Dies musste der Klägerin als Adressatin des Schreibens aber aufgrund der zeitlichen Nähe des Schreibens zum Ende des Leistungsbezug nach dem SGB II auch klar sein; zugleich hat der Bescheid zudem ausdrücklich und auch für den Laien verständlich erklärt, dass der Versicherungsschutz ende, sofern der Leistungsbezug durch das JobCenter ende; die Klägerin wurde für diesen Fall aufgefordert, sich mit den Beklagten in Verbindung zu setzen, damit eine Beratung über den weiteren Versicherungsschutz erfolgen könne. Dem ist die Klägerin nicht nachgekommen. Weiter hat die Klägerin das Schreiben der Beklagten vom 25. Juni 2016 nebst Erinnerung vom 16. Juli 2016 unbeantwortet gelassen. Dort wurde ihr mitgeteilt, dass nach der Abmeldung zum 30. April 2016 bislang keine neue Anmeldung erfolgt sei. Der beigefügte „Fragebogen zur Klärung des Versicherungsschutzes ab 1. Mai 2016“ möge ausgefüllt und mit entsprechenden Nachweisen zurückgesandt werden. Das hat die Klägerin unterlassen. Die von der Klägerin im Berufungsverfahren sinngemäß behauptete Zusicherung der Durchführung einer obligatorischen Anschlussversicherung enthielt dieses Schreiben nicht. Vielmehr stand der Hinweis auf § 188 Abs. 4 SGB V unter dem Vorbehalt, dass „keine Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. eine anderweitige Absicherung für den Krankheitsfall“ nachgewiesen werde. Die beigefügten „Informationen zur obligatorischen Anschlussversicherung“ haben zutreffend Ausschlusstatbestände aufgeführt, darunter auch den Nachweis einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall.

 

2. Ein anderer Pflichtversicherungstatbestand nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 12 SGB V bestand ab 1. Mai 2016 nicht. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V greift – wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat – wegen der klaren Regelung in § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V nicht; der mit dem Bezug von Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII geltende § 264 Abs. 2 SGB V (Übernahme der Krankenbehandlung durch die Krankenkasse) ist spezieller und sperrt den Rückgriff auf die Auffangpflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Alle anderen gesetzlichen Ansprüche auf Leistungen im Krankheitsfall sind gegenüber der Auffangpflichtversicherung vorrangig (vgl. Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. Juni 2018, L 5 KR 76/15 zitiert nach juris, dort Rdnr. 47).

 

3. Eine obligatorische Anschlussversicherung auf der Grundlage von § 188 Abs. 4 SGB V ist zur Überzeugung des Senats mit Ablauf des 30. April 2016 ebenfalls nicht eingetreten. Hierfür ist maßgeblich, dass die Klägerin, nahtlos an den Bezug von Leistungen nach dem SGB II bis zum 30. April 2016 anschließend, ab 1. Mai 2016 Leistungen der Grundsicherung im Alter nach §§ 41ff. SGB XII bezog und damit anderweitig gegen Krankheit abgesichert war.

 

§ 188 Abs. 4 Satz 1 SGB V bestimmt: „Für Personen, deren Versicherungspflicht oder Familienversicherung endet, setzt sich die Versicherung mit dem Tag nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht oder mit dem Tag nach dem Ende der Familienversicherung als freiwillige Mitgliedschaft fort, es sei denn, das Mitglied erklärt innerhalb von zwei Wochen nach Hinweis der Krankenkasse über die Austrittsmöglichkeiten seinen Austritt.“ Hieran gemessen stellt sich die Frage der obligatorischen Anschlussversicherung, denn die Versicherungspflicht der Klägerin endete zum 1. Mai 2016; einen Austritt hat die Klägerin nicht erklärt.

 

Allerdings greift § 188 Abs. 4 Satz 3 SGB V als Ausschlusstatbestand. Danach gilt Satz 1 „nicht für Personen, deren Versicherungspflicht endet, wenn die übrigen Voraussetzungen für eine Familienversicherung erfüllt sind oder ein Anspruch auf Leistungen nach § 19 Absatz 2 besteht, sofern im Anschluss daran das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachgewiesen wird“. Dieser Ausschlusstatbestand will die Nachrangigkeit der obligatorischen Anschlussversicherung sicherstellen (vgl. Felix, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., Stand 16.09.2020, Rdnr. 35 bis 37 zu § 188 SGB V).

 

§ 19 Abs. 2 SGB V griff ab dem 1. Mai 2016 grundsätzlich zugunsten der Klägerin: Bei Beendigung der Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger besteht danach Anspruch auf Leistungen für längstens einen Monat nach dem Ende der Versicherungspflicht, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird.

 

Im Anschluss daran war das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachweisbar, denn § 264 Abs. 2 SGB V stellt einen solchen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall dar. Der Begriff des anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall ist gesetzlich nicht definiert, er deckt sich aber inhaltlich mit der in § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V verwandten Formulierung. Sie umfasst alle Absicherungen innerhalb und außerhalb der GKV, deren Leistungsinhalte der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen. Als anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall ist auch der Bezug von laufenden Leistungen nach dem 3., 4., 6. und 7. Kapitel des SGB XII oder nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes (vgl. § 5 Abs. 8a SGB V) sowie der dem Grunde nach bestehende Anspruch auf Leistungen nach § 4 AsylbLG (vgl. § 5 Abs. 11 SGB V) anzusehen (vgl. Gerlach, in: Hauck/Noftz, SGB, Rdnr. 29f  zu § 188 SGB V). 

 

Die obligatorische Anschlussversicherung nach § 188 Abs. 4 Satz 1 SGB V wird (wie die Auffangversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V) als Versicherungsverhältnis von jedem Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall ausgeschlossen, während der Anspruch nach § 264 Abs. 2 SGB V nur ausgeschlossen ist, wenn ein echtes Krankenversicherungsverhältnis besteht (vgl. hierzu Sozialgericht Mainz, Urteil vom 8. Januar 2019m S 14 KR 455/17, zitiert nach juris, dort Rdnr. 34). Bei der Auslegung des Begriffs der „anderweitigen Absicherung“ kann der Rechtsgedanke des § 5 Abs. 8a SGB V herangezogen werden: Eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13     SGB V besteht nicht für Personen, die in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versicherungspflichtig, freiwilliges Mitglied oder familienversichert sind (§ 5 Abs. 8a S. 1 SGB V). Entsprechendes gilt für Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des SGB XII sowie für Empfänger laufender Leistungen nach § 2 AsylbLG (§ 5 Abs. 8a S. 2 SGB V). Laut Begründung des Gesetzesentwurfs sollte mit der letztgenannten Vorschrift erreicht werden, dass der Sozialhilfeträger weiterhin für die Krankenbehandlung von Empfängern von Leistungen nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches zuständig bleibt (siehe BT-Drs. 16/3100, S. 95). Hieraus folgt: Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass Leistungsempfänger nach dem Vierten Buch des SGB XII in die obligatorische Anschlussversicherung nach § 188 Abs. 4 Satz 1 SGB V übernommen würden, hätte er eine entsprechende gesetzliche Regelung treffen müssen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 160 Abs. 2 SGG.

 

 

Rechtskraft
Aus
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