L 9 KR 180/21 B ER

Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 82 KR 2287/20 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 180/21 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 31. März 2021 wird aus den zutreffenden Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung zurückgewiesen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

 

Soweit die Antragstellerin ihren Antrag auch in der Beschwerde auf das Bestehen einer aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs bzw. ihrer Klage gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 9. November 2020 und vom 21. Dezember 2020 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2021) stützt und mit einem eigenständigen Feststellungsantrag weiterverfolgt, bleibt das ohne Erfolg. Aus der (Feststellung der) aufschiebenden Wirkung folgt kein Anspruch auf Auszahlung von Krankengeld. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die angefochtenen Bescheide einen zuvor (ggf. unbefristet) bewilligten Krankengeldanspruch entziehen. Davon ist aber nicht auszugehen. Die Klägerin begehrt vielmehr die erstmalige Auszahlung von Krankengeld unter Berufung auf ihre ab dem 5. Oktober 2020 bestehende Arbeitsunfähigkeit ab dem 15. Dezember 2020. Diesen Anspruch hat die Antragsgegnerin mit dem Hinweis auf das Ende einer Höchstfrist für die Gewährung von Krankengeld wegen derselben Erkrankung abgelehnt (so zunächst Bescheid vom 9. November 2020, aufgehoben und ersetzt mit Bescheiden vom 21. Dezember 2020).

 

Für eine einstweilige Anordnung auf Gewährung von Krankengeld hat die Antragstellerin für die Zeit vor der Entscheidung durch den Senat keinen Anordnungsgrund und für den Zeitraum ab der Entscheidung keinen Anordnungsanspruch nach § 86b Abs. 2 Sätze 2 bis 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht.

 

1. Für Ansprüche für die Vergangenheit, konkret ab dem 15. Dezember 2020, fehlt es bis zum heutigen Zeitpunkt an der Eilbedürftigkeit und damit an einem Anordnungsgrund. Vorläufige Leistungen wären nur ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des Senates zu gewähren, da regelmäßig nur für die Befriedigung des gegenwärtigen und zukünftigen Bedarfes die besondere Dringlichkeit einer vorläufigen Entscheidung gegeben ist („Gegenwärtigkeitsprinzip“; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 30. Januar 2008, L 9 B 600/07 KR ER, und vom 30. August 2016, L 9 KR 543/15 B ER, Rn. 4 - 5, juris).

 

2. Die Voraussetzungen für einen aktuell bestehenden Krankengeldanspruch sind nicht glaubhaft gemacht. Sie scheitern daran, dass die Antragstellerin nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert ist. Sie war zwar zu Beginn ihrer Erkrankung am 5. Oktober 2020 in einem Beschäftigungsverhältnis und mit Anspruch auf Krankengeld versichert. Nach dem Ende der Entgeltfortzahlung zum 15. November 2020 blieb diese Versicherung über den 15. Dezember 2020 hinaus nicht aufrechterhalten. Eine Aufrechterhaltung nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) über den 15. November 2020 hinaus hätte vorausgesetzt, dass die Antragstellerin entweder Leistungen in Gestalt von Krankengeld bezogen hat, was nicht der Fall war (vgl. die diesbezüglichen Bescheide der Antragsgegnerin) oder zumindest einen (nahtlosen) Anspruch auf Krankengeld hatte. Dieser scheitert aber daran, dass er nach §  48 Abs. 1 SGB V bereits zum 25. Februar 2020 erschöpft war. Die Antragstellerin war insoweit ab Oktober 2020 wegen derselben Krankheit erkrankt, wegen der sie bereits 78 Wochen Krankengeld bezogen hatte. Die Beurteilung des medizinischen Zusammenhangs der Erkrankungen durch die Antragsgegnerin und das Sozialgericht als „dieselbe Krankheit“ sind zutreffend. Auch die zuletzt mitbescheinigten Z-Diagnosen gehören in diesen Zusammenhang. Sie bieten die Möglichkeit – gerade in psychischer Hinsicht –, auf dem Kontinuum zwischen „Krankheit“ und „gesunden Leidenszuständen“ eine für Patienten bedeutsame klinische  Situation zu beschreiben, ohne zu pathologisieren (vgl. Gensichen/Linden, DÄBl. 2013, A 70/72).

 

Mit dem Ende der sich ab dem 15. November bis zum 15. Dezember 2020 anschließenden einmonatigen (nachgehenden) Beschäftigtenversicherung nach § 7 Abs. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) endete die Beschäftigtenversicherung mit Anspruch auf Krankengeld. Leistungen wie die des Krankengeldes (§ 7 Abs. 3 Satz 3 SGB V) oder der Arbeitsförderung bezog die Antragstellerin anschließend nicht. Allein ein möglicher Anspruch auf solche Leistungen reicht im Unterschied zu § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V nicht aus. Eine mögliche Familienversicherung oder freiwillige Versicherung beinhalten keinen Versicherungsschutz mit Krankengeldanspruch.

 

Wegen dieser ab dem 15. Dezember 2020 bestehenden Versicherungslücke konnte auch nach dem 19. Februar 2021, dem Beginn des neuen Dreijahreszeitraumes, kein Krankengeldanspruch nach § 48 Abs. 2 SGB V neu entstehen, obwohl dessen Voraussetzungen erfüllt scheinen. So muss die neue Arbeitsunfähigkeit zwar nicht im neuen Dreijahreszeitraum liegen, sondern kann, wie im Fall der Antragstellerin, noch in einem vorherigen eintreten (KassKomm/Schifferdecker, 113. EL März 2021, SGB V § 48 Rn. 41). § 48 Abs. 2 SGB V lässt es (nach seinem Wortlaut) ausreichen, dass zu Beginn dieser neuen Arbeitsunfähigkeit noch eine Versicherung mit Krankengeldanspruch besteht. Das wäre hier am 5. Oktober 2020 noch der Fall. § 48 Abs. 2 SGB V stellt aber insoweit nur zusätzliche Voraussetzungen dafür auf, dass trotz des Bestehens derselben Erkrankung und Ausschöpfung des Höchstanspruchs ein Krankengeldanspruch in einem neuen Dreijahreszeitraum wiederaufleben kann. Mit Beginn eines neuen Dreijahreszeitraums haben Versicherte aber nach der allgemeinen Regelung (§ 44 SGB V) nur dann wieder einen Krankengeldanspruch, sofern sie auch zu diesem Zeitpunkt noch mit Anspruch auf Krankengeld versichert sind. Das Bestehen einer Mitgliedschaft in der GKV allein – ohne Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld – genügt dagegen nicht (Krauskopf/Rieke, 110. EL März 2021, SGB V § 48 Rn. 11; etwas verkürzt dargestellt bei: KassKomm/Schifferdecker, 113. EL März 2021, SGB V § 48 Rn. 40). Dies unterscheidet den vorliegenden Fall auch von demjenigen des Hessischen Landessozialgerichts, Urteil vom 23. Juli 2020, in dem der Beginn der neuen Arbeitsunfähigkeit und des Dreijahreszeitraums nahtlos an einen Krankengeldanspruch anknüpfen (L 1 KR 638/18 –, Rn. 21, juris).

 

Auf das Fehlen von ärztlichen Bescheinigungen der Arbeitsunfähigkeit ab dem 27. Mai 2021 kommt es nicht an.

Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten (§ 193 SGG).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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