L 9 AS 194/18

Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 121 AS 6990/15 WA
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 AS 194/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. November 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

 

Die Beteiligten streiten über die Höhe der für die Widerspruchsverfahren W  und W  festzusetzenden Kosten (in Höhe von insgesamt 790,16 Euro) sowie die Auszahlung des Betrags direkt an den Bevollmächtigten der Kläger.

 

Die Kläger bezogen von dem Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Der Beklagte hob mit einem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 13. September 2012 die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 30. Juni 2012 teilweise auf und setzte eine Erstattungsforderung fest. Am 27. September 2012 beauftragten die Kläger, die damals minderjährigen Kläger zu 3) und 4), vertreten durch ihre Eltern, die Kläger zu 1) und 2), den Prozessbevollmächtigten mit der Erhebung von Widerspruch gegen die o.g. Entscheidung des Beklagten. Dabei füllten sie nach eigenen Angaben auch einen Antrag auf Beratungshilfe bei dem Bevollmächtigten aus. Der Bevollmächtigte erhob am selben Tag im Namen der Kläger Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid und wandte ein, dass im Rahmen der Berechnung des Bedarfs der Kläger die Kosten der Unterkunft und Heizung nicht in tatsächlicher Höhe berücksichtigt worden seien. Der Beklagte erließ am 14. November 2012 zwei Abhilfebescheide (sowie neue Bewilligungsbescheide) im Widerspruchsverfahren der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) und hob den angefochtenen Bescheid auf. Die den Klägerin im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten werde er auf Antrag erstatten, soweit sie notwendig gewesen seien und nachgewiesen würden.

 

Mit seinen Kostenanträgen für die Kläger beantragte der Bevollmächtigte Kostenerstattung für das Widerspruchsverfahren der Klägerin zu 1) und der minderjährigen Kinder in Höhe von 480,76 Euro und für dasjenige des Klägers zu 2) in Höhe von 309,40 Euro. Die Erstattung sollte auf sein Konto erfolgen.

 

Der Beklagte teilte daraufhin unter dem 17. Januar 2013 mit, dass die beiden Widerspruchsverfahren (Az. W  und W ) eine gebührenrechtliche Einheit bildeten und bat im Übrigen zur weiteren Bearbeitung der Kostenanträge um Übersendung der von dem Bevollmächtigten unterzeichneten und den Klägern von ihm mitgeteilten Vergütung sowie um anwaltliche Versicherung, ob beim Amtsgericht für die Angelegenheit Beratungshilfe beantragt worden sei. Der Bevollmächtigte wies auf § 9 Beratungshilfegesetz (BerHG) hin und teilte mit, Beratungshilfe sei nicht gezahlt worden.

 

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 24. Januar 2013 die Kostenerstattung für beide Widerspruchsverfahren ab. Eine Kostenerstattung setze bereits begrifflich voraus, dass Mandanten die Vergütungsforderung des Rechtsanwaltes beglichen hätten. Solange diese mangels Rechnungslegung durch den Rechtsanwalt noch keine Zahlungen an diesen geleistet hätten, seien ihnen keine Kosten entstanden. Es reiche aus, wenn der Mandant einer Vergütungsforderung des Anwaltes ausgesetzt sei. Dies setze aber die Rechnungslegung durch den Rechtsanwalt voraus. Etwas anderes gelte nur dann, wenn der Bevollmächtigte selbst Inhaber des Kostenerstattungsanspruchs nach § 63 SGB X sei. Im Fall der Kläger sei weder eine Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs erfolgt noch sei durch das zuständige Amtsgericht Beratungshilfe gewährt worden. Der Vergütungsanspruch sei nicht gemäß § 9 Satz 2  BerHG auf den Bevollmächtigten übergegangen. Unabhängig davon seien die Kosten für eine Angelegenheit nur einmal zu erstatten. Den hiergegen eingelegten Widerspruch, mit denen die Kläger u.a. vortrugen, der Bevollmächtigte sei im Rahmen der Beratungshilfe tätig geworden, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. April 2013 zurück. Zuvor hatte er die Kläger erfolglos um Übersendung eines Nachweises gebeten, dass Beratungshilfe beim Amtsgericht beantragt worden sei.

 

Die Kläger haben am 16. Mai 2013 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben. Für den Anspruch auf Zahlung der Rechtsanwaltskosten komme es nicht darauf an, ob die Kläger Zahlungen an den Bevollmächtigten geleistet hätten oder einer Zahlungsverpflichtung ausgesetzt seien, die sich aus einer Rechnung ergebe. Anwaltsgebühren entstünden, wenn bestimmte gesetzliche Gebührentatbestände erfüllt seien, ohne dass es darauf ankäme, dass diese tatsächlich in Rechnung gestellt worden seien. Für den geltend gemachten Anspruch in der beantragten Höhe der Kostenerstattung und Auszahlung an den Bevollmächtigten bedürfe es einer Rechnungslegung nach § 10 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) deshalb nicht, weil der Bevollmächtigte im Rahmen der Beratungshilfe tätig geworden sei. Ein Tätigwerden im Rahmen der Beratungshilfe schließe die Rechnungslegung gegenüber den Mandanten aus. Lägen die Voraussetzung der Beratungshilfe vor, könne der Rechtsanwalt ganz auf eine Vergütung verzichten (§ 4 Abs. 1 Satz 3 BerHG), § 9 BerHG bleibe unberührt. Danach habe der Gegner bei Erfolg die Kosten zu erstatten. Der Verweis auf § 10 RVG gehe fehl, denn es sei eine Tätigkeit im Rahmen der Beratungshilfe erfolgt. Ausweislich § 8 BerHG sei eine Vereinbarung über die Vergütung nichtig. Die Kläger hätten einen Freistellungsanspruch von den Kosten.

 

Das Sozialgericht hat das Verfahren im Hinblick auf das Verfahren B 14 AS 60/13 R beim Bundessozialgericht zum Ruhen gebracht. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 19. Mai 2015 die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Widerspruchsverfahren für notwendig erklärt und am 27. Juli 2017 im Klageverfahren erklärt, die Kläger von Vergütungsansprüchen ihres Bevollmächtigten aus den beiden Widerspruchsverfahren in Höhe von insgesamt 566,44 Euro freizustellen. Die Kläger haben das Teilanerkenntnis angenommen.

 

Mit Urteil vom 23. November 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Kläger seien für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch nicht aktivlegitimiert. Zwar stehe grundsätzlich der Anspruch auf Erstattung der Kosten des (isolierten) Widerspruchsverfahrens nur den jeweiligen Widerspruchsführern zu. Vorliegend je jedoch der Anspruch der Kläger auf Kostenerstattung gemäß § 9 Satz 2 BerHG auf ihren Bevollmächtigten qua Gesetz übergegangen, denn dieser sei im Rahmen der Beratungshilfe tätig geworden. Von der Bestimmung würden auch Kostenerstattungsansprüche für die Vertretung in einem sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren erfasst. Die Kläger hätten der Kammer gegenüber unbestritten dargelegt, dass sie bei Mandatserteilung die notwendigen Unterlagen zur Beantragung von Beratungshilfe und zur Offenlegung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse ausgefüllt hätten. Der Bevollmächtigte habe ihnen gegenüber dann versichert, dass ihnen keinerlei Kosten entstehen würden. Damit habe er den Klägern Beratungshilfe im Wege des Direktzugangs nach § 7 i.V.m. § 3 BerHG gewährt. Dem Bevollmächtigten habe es freigestanden zu entscheiden, ob er zunächst für den Rechtssuchenden direkt beim Amtsgericht einen Antrag stellte und die Beratung erst später durchführte, oder sogleich berate und den Antrag nachträglich stelle, sofern ein Kostenschuldner nicht zur Verfügung stehe. Vorliegend sei der Bevollmächtigte unmittelbar am Tag der Mandatierung mit der Widerspruchseinlegung für die Kläger tätig geworden. Da in der Folge bereits am 14. November 2012 ein Abhilfebescheid nebst positiver Kostengrundentscheidung seitens des Beklagten ergangen sei, habe der Beklagte aufgrund seiner Erfahrungen aus anderen Verfahren auf die nachträgliche Stellung eines Beratungshilfeantrags beim Amtsgericht verzichten dürfen. Aufgrund der positiven Kostenentscheidung sei eine nachträgliche Stellung eines Beratungshilfeantrags überflüssig, zumal die Beratungshilfegebühren niedriger seien als die vom Beklagten zu erstattenden Gebühren. Hinsichtlich des Forderungsüberganges enthalte das Gesetz keine Festlegung, wann dieser eintrete. Ausgehend vom Zweck, den Rechtsanwalt bei einem erfolgreichen Vorgehen vor der Gewährung von lediglich reduzierten Beratungshilfegebühren zu schützen, sei ein Forderungsübergang direkt bei Gewährung der Beratungshilfe anzunehmen, sofern die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlägen. Der Rechtsanwalt sei schließlich verpflichtet, ein Beratungshilfemandat zu übernehmen und bei einem solchen Tätigwerden ohne Beratungshilfeschein unzureichend geschützt. In diesem Fall habe er gegenüber dem rechtssuchenden Mandanten keinen Anspruch auf die Rechtsanwaltsgebühren. Im Fall der Kläger, die damals Grundsicherung bezogen hätten, hätten die Voraussetzungen für die Gewährung der Beratungshilfe (§§ 1, 2 BerHG) vorgelegen. Auf die Stellung eines nachträglichen Antrags beim Amtsgericht habe es angesichts der zeitnahen (positiven) Kostengrundentscheidung des Beklagten nicht mehr ankommen können. Dies hätte eine bloße Förmelei dargestellt, zumal der nachträgliche Antrag auf Beratungshilfe zwar zeitlich unbegrenzt gestellt werden könne, ein Beratungshilfeschein aber wegen der Erledigung des Begehrens ausscheide. Beratungshilfegebühren wären aufgrund der positiven Kostengrundentscheidung des Beklagten nicht mehr festgesetzt worden. Auch wäre ohne den unmittelbaren Forderungsübergang die Frage, wer Anspruchsinhaber bei einer nachträglichen Antragstellung nach dem BerHG sei, allein von der Schnelligkeit der Bearbeitung des Beklagten abhängig. Selbst wenn man den Forderungsübergang erst ab Antragstellung bei Gericht annähme, hätte die Klage keinen Erfolg. Aus den Angaben der Kläger und des Bevollmächtigten sei deutlich geworden, dass eine Vertretung nur im Rahmen der für die Kläger kostenlosen Beratungshilfe erwünscht gewesen sei. Bei einer anwaltlichen Tätigkeit ohne die Erteilung eines Beratungshilfescheines habe der Rechtsanwalt gegenüber den rechtssuchenden Klägern keinen Anspruch auf die Regelgebühren. Dies bewirke, dass die Kläger mangels entsprechender Verpflichtung zur Vergütung auch keinen Kostenerstattungsanspruch gegen den Beklagten hätten.

 

Die Kläger haben gegen das ihnen am 2. Januar 2018 zugestellte Urteil am 2. Februar 2018 Berufung eingelegt. Sie verweisen auf die Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg im Verfahren L 10 AS 717/17. In der Folge habe die Beklagte bereits in dem genannten Verfahren eine Zahlung an die Bevollmächtigten geleistet. Ein Anspruchsübergang sei nicht erfolgt. Das Amtsgericht habe keine Beratungshilfe bewilligt. Auf die Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg vom 15. August 2013       (L 34 AS 53/12) werde verwiesen. Das den Anspruchsübergang auslösende Ereignis sei im BerHG nicht ausdrücklich geregelt. Allerdings genüge die Anhängigkeit eines Antrags auf Bewilligung von Beratungshilfe nicht. Auch die Gesetzesbegründung (zum BerHG) gehe insoweit davon aus, dass der Ersatzanspruch nicht vor Bewilligung der Beratungshilfe übergehe. Grundsätzlich sei umstritten, ob bei einer nachträglichen Beratungshilfe – wie im Fall der Kläger – ein Berechtigungsschein ausgestellt werden müsse. Allerdings müsse jeder Vergütungsfestsetzung eine Bewilligung vorangehen. Dabei könne die Bewilligung auch in Form eines Aktenvermerks erfolgen, der Ausstellung eines Berechtigungsscheines bedürfe es nicht. In der Vergütungsfestsetzung liege die nach außen dokumentierte Erklärung, dass Beratungshilfe bewilligt worden sei. Das zum Anspruchsübergang führende Ereignis bestehe spätestens in der Auszahlung der Beratungshilfevergütung. Im Fall der Kläger sei noch nicht einmal ein Antrag auf Bewilligung von Beratungshilfe beim Amtsgericht gestellt. In dem Fall, dass der Senat einen Anspruchsübergang bejahe, liege eine abweichende Auffassung zu derjenigen des 34. Senates des LSG Berlin-Brandenburg vor, was die Zulassung der Revision rechtfertige.

 

Die Kläger beantragen,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. November 2017 wird aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 24. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2013 in der Fassung des Bescheides vom 19. Mai 2015 und des Teilanerkenntnisses vom 27. Juli 2017 verpflichtet, für die Kläger die Kosten für die Widerspruchsverfahren W  und W  in Höhe von insgesamt 790,16 Euro festzusetzen und den Betrag an den Kläger-Bevollmächtigten auszuzahlen.

 

Der Beklagte stellt keinen Antrag. Das Urteil des 10. Senates des LSG Berlin-Brandenburg, auf welches die Kläger sich bezögen, sei ihm bekannt, allerdings seien die Verfahren nicht vergleichbar.

 

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

 

II.

 

Der Senat konnte die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet sowie eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält und die Beteiligten vorher angehört worden sind.

 

Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat nach eigener Sachprüfung Bezug auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG). Das Sozialgericht hat sein Urteil, mit dem es die Klage abgewiesen hat, zutreffend und überzeugend begründet.

 

Unter Berücksichtigung des Vortrags in der Berufung bleibt zu ergänzen:

 

Streitig ist im vorliegenden Verfahren allein, ob die Kläger einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe der Gebühren und Auslagen ihres Bevollmächtigten haben und wenn ja, in welcher Höhe. Einen Kostenerstattungsanspruch dem Grunde nach sowie die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten hat die Beklagte dagegen (bestandskräftig) anerkannt.

 

Der Beklagte ist gemäß § 63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) grundsätzlich verpflichtet, die Gebühren und Auslagen des für die Kläger tätigen Rechtsanwaltes zu erstatten. Zu den erstattungsfähigen Kosten des Vorverfahrens gehören nach § 63 Abs. 2 SGB X die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts. Das gilt auch dann, wenn Rechtssuchende in einem sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren Beratungshilfe nach dem Beratungshilfegesetz (BerHG) in Anspruch genommen haben. Das BerHG vom 18. Juni 1980 in der hier bis zum 31. Dezember 2013 anwendbaren Fassung vom 5. Mai 2004 erfasst auch sozialrechtliche Streitigkeiten. Es bestimmt in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BerHG, dass Beratungshilfe nach dem BerHG in Angelegenheiten des Sozialrechts in Gestalt von Beratung und Vertretung bestehen kann.

 

Das BerHG entlastet insoweit die gegnerische Behörde nicht. Nach § 9 Satz 1 BerHG hat der Gegner von Rechtssuchenden, so er verpflichtet ist, diesen die Kosten der Wahrnehmung ihrer Rechte zu ersetzen, für die anwaltliche Tätigkeiten die Vergütung nach den allgemeinen Vorschriften zu zahlen. Die Bestimmung ändert den Grundsatz des § 8 BerHG für den Fall der Kostenerstattungspflicht des Gegners ab, wonach sich bei Beratungshilfegewährung die Vergütung der Beratungsperson nach den für die Beratungshilfe geltenden Sondervorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes richten, konkret nur die Gebühren gemäß Nr. 2500 ff VV RVG berechnet werden dürfen. Der Gegner schuldet die volle gesetzliche Vergütung (Köpf, Beratungshilfegesetz, 2. Auf. 2013, §  9 Rn. 1 und 4).

 

Allerdings ist zwischen den Beteiligten streitig, ob der Anspruch gerade den Klägern zusteht oder ob er bereits auf den Bevollmächtigten übergegangen ist. Denn ein Anspruch nach § 9 Satz 1 BerHG geht nach § 9 Satz 2 BerHG auf die Beratungsperson über. Inhalt des gesetzlichen Anspruchsübergangs nach § 9 Satz 2 BerHG ist auch der Ersatzanspruch des § 9 Satz 1 BerHG. Zu diesem gehört der Kostenerstattungsanspruch aus § 63 SGB X. Der dortige Anspruch ist eine Ersatzpflicht i.S. von § 9 Satz 1 BerHG (näher BSG, Urteil vom 20. Februar 2020 – B 14 AS 3/19 R Rn. 16 ff. juris). § 9 Satz 2 BerHG bewirkt einen gesetzlichen Forderungsübergang, d. h. ohne Zutun der Beteiligten (cessio legis). Im Fall der Kläger wären diese nicht mehr Anspruchsinhaber, wenn ein solcher Forderungsübergang stattgefunden hat. Davon ist das Sozialgericht überzeugt und das erweist sich als zutreffend.

 

Weder § 9 BerHG noch andere Bestimmungen des BerHG legen fest, unter welchen (weiteren) Voraussetzungen und zu welchem Zeitpunkt ein Forderungsübergang erfolgt (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. August 2013 – L 34 AS 53/12 Rn. 27). § 9 Satz 1 BerHG verpflichtet den Gegner, so er Rechtssuchenden die Kosten der Wahrnehmung ihrer Rechte zu ersetzen hat, dies nach den allgemeinen vergütungsrechtlichen Bestimmungen zu tun. Der Gegner soll nicht dadurch kostenrechtlich begünstigt werden, dass die Rechtssuchenden Hilfe nach dem BerHG erhalten. § 9 Satz 3 BerHG ordnet an, dass der Anspruchsübergang nicht zum Nachteil der Rechtssuchenden geltend gemacht werden kann. Er steht in Übereinstimmung mit den allgemeinen (zivilrechtlichen) Regelungen für den Forderungsübergang, auch wenn dieser kraft Gesetzes erfolgt (§§ 412, 404, 406 und § 407 BGB). Gemäß § 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 BerHG entscheidet das Amtsgericht über einen schriftlich oder mündlich zu stellenden Antrag auf Beratungshilfe und Rechtssuchende haben deshalb Angaben zu ihrem persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse glaubhaft zu machen. Die Gewährung der Beratungshilfe selbst war bis 31. Dezember 2013 allein Rechtsanwälten oder Rechtsbeiständen (§ 3 Abs. 1 BerHG a.F.) oder dem Amtsgericht (§ 3 Abs. 2 BerHG a.F.) vorbehalten. Das genannte Bewilligungsverfahren nach § 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 BerHG ist allerdings nicht stets Voraussetzung für die Übernahme eines Beratungshilfemandats durch den Rechtsanwalt. Nach § 7 BerHG (in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung, nunmehr § 6 Abs. 2 BerHG) können Rechtssuchende auch direkt einen Rechtsanwalt aufsuchen und haben dort ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse glaubhaft zu machen und gleichzeitig zu versichern, dass in derselben Angelegenheit Beratungshilfe bisher weder gewährt noch durch das Amtsgericht versagt worden sind. Wählen Rechtssuchende diesen Weg, sich wegen Beratungshilfe unmittelbar an einen Rechtsanwalt zu wenden, kann der Antrag auf Bewilligung von Beratungshilfe an das Amtsgericht noch nachträglich gestellt werden. Bis zum 31. Dezember 2013 war dies sogar möglich, ohne dass hierfür eine Ausschlussfrist galt (§  4 Abs. 2 Satz 4 BerHG in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung). Ab dem 1. Januar 2014 gilt das nur, wenn der Antrag spätestens vier Wochen nach Beginn der Beratungshilfetätigkeit gestellt wird (§ 6 Abs. 2 BerHG in der ab dem 1. Januar 2014 geltenden Fassung). Für den Übergang der Forderung nach § 9 Satz 2 BerHG ist das Bewilligungsverfahren durch das Amtsgericht weder erforderlich noch konstitutiv. Das ergibt sich aus der Systematik sowie Sinn und Zweck des gesetzlichen Forderungsüberganges. So führt bereits die Übernahme des Beratungshilfemandats im Wege des Direktmandats durch den Rechtsanwalt, wenn also Rechtssuchende unmittelbar dem Rechtsanwalt gegenüber ihre Bedürftigkeit nach § 7 BerHG (a.F.) glaubhaft machen, dazu, dass Rechtsanwälte, wenn sie tätig werden, gegenüber den Rechtssuchenden anstatt des üblichen Gebührenanspruchs lediglich Anspruch auf Zahlung der Beratungshilfegebühr haben (§ 44 Satz 2 RVG i. V. m. Nr. 2500 VV RVG in der seit dem 31. Dezember 2006 unveränderten Fassung; vgl. zur Verpflichtung von Rechtsanwälten, die im BerHG vorgesehene Beratungshilfe zu übernehmen § 49a Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO -). Gegenüber der Staatskasse haben Rechtsanwälte allerdings nur nach entsprechender Beantragung und Bewilligung  die Gebührenansprüche nach § 44 RVG i. V. m. Nr. 2501 ff VV RVG.

 

Vor diesem Hintergrund rechtfertigt bereits die Übernahme des Direktmandats der Beratungshilfe durch einen Rechtsanwalt nach § 7 BerHG (a.F.) einen Ausgleich in der Gestalt des Forderungsübergang nach § 9 Satz 2 BerHG. Der Übergang des Kostenerstattungsanspruchs gegen den Gegner dient als Ausgleich für die Beschränkung des Gebührenanspruchs (gegenüber dem Mandanten, vgl. LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 13. Mai 2014 – L 11 AS 1360/12 NZB). Insoweit erscheint auch die Regelung des § 9 Satz 1 BerHG stimmig, wonach der kostenverpflichtete Gegner – auch in diesem Fall – nicht von der Übernahme des Direktmandats durch den Rechtsanwalt profitieren darf. Der Gegner schuldet in jedem Fall die (vollen) Gebühren nach allgemeinen Vorschriften (konkret Nr. 2501 ff VV RVG). Auf die Frage, ob und zu welchem Zeitpunkt (noch) eine Bewilligung von Beratungshilfe durch das Amtsgericht erfolgt, kommt es demgemäß für den Zeitpunkt und den Umfang des Forderungsübergang nach § 9 Satz 2 BerHG nicht an. Lediglich hinsichtlich eines etwaigen Anspruchs gegenüber der Staatskasse auf Zahlung der Gebühren bedarf es – wie bei der Prozesskostenhilfe – noch einer gerichtlichen Entscheidung (a.A. möglicherweise Köpf, Beratungshilfegesetz, BerHG, 2. Aufl. 2013, § 9 Rn. 7, beck-online, „Anspruchsübergang wird nicht vor der Bewilligung sein“).

Die Gesetzesbegründung zur Vorgängerbestimmung des heutigen § 9 BerHG, dem §  12 BerHG, führt zu keiner anderen Bewertung. Mitnichten geht diese in BT-Drs. 8/3311 (S. 15 – Zu § 12) davon aus, dass der Ersatzanspruch nicht vor der Bewilligung übergehen kann. Die Begründung zum damals sachlich schmaleren Tätigwerden ohne Berechtigungsschein (heute: Direktmandat) in § 10 BerHG (a.F) spricht vielmehr dafür, dass die anwaltliche Tätigkeit im Direktmandat auch ohne Antrag nach § 4 BerHG aufgenommen werden darf und nur bei weiterem Tätigwerden ein solcher Antrag nach § 4 BerHG erforderlich sein sollte (BT-Drs. 8/3311 S. 15 (Zu § 10).

 

Das Ergebnis ist auch bei Berücksichtigung der anwaltlichen (Vergütungs-)Interessen sachgerecht. Zwar trägt er bei der Übernahme eines Beratungshilfemandats im Wege des sog. Direktzugangs das Risiko, wenn die Voraussetzungen eines Beratungshilfeanspruchs nicht vorliegen und dementsprechend ein Vergütungsanspruch gegen die Landeskasse nicht entsteht. Diese finanziellen Folgen eines unterlassenen nachträglichen Antrags auf Beratungshilfe beim Amtsgericht berühren aber nicht das zwischen dem Rechtsuchenden und dem Bevollmächtigten bestehende Grundverhältnis (Beratungshilfemandat). Denn bereits die Übernahme des Beratungshilfemandats führt zur Begrenzung des Gebührenanspruchs auf die Gebührensätze nach Nr. 2500 ff VV RVG und demgemäß auch zum Forderungsübergang nach § 9 Satz 2 BerHG (LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 13. Mai 2014 – L 11 AS 1360/12 NZB, BeckRS 2014, 70032, beck-online; Gierke, SGb 2012, 141 f).

 

Das Sozialgericht ist unter Anwendung dieser Grundsätze zutreffend davon ausgegangen, dass der Bevollmächtigte im Fall der Kläger mit der Erhebung der Widersprüche ein Direktmandat nach § 7 BerHG a.F. übernommen hat. Die Kläger haben sich an den Bevollmächtigten zwecks Rechtsberatung gewandt, dieser hat namens und in Vollmacht der Kläger das Widerspruchsverfahren zu den beiden Aktenzeichen W 7254/12 und W 7255/12 geführt. Der Bevollmächtigte hat den Klägern gegenüber keine Rechnung erstellt, sondern im Rahmen der Beratungshilfe agiert. Das hat er selbst mehrfach auch gegenüber dem Beklagten angegeben. Es ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den Angaben der Klägerin zu 1) im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht.

 

Gemäß § 9 Satz 2 BerHG ist damit der Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X im Moment seines Entstehens auf den Bevollmächtigten übergangen (vgl. zur Notwendigkeit, einen konstitutiven Verwaltungsakt über die Kostenerstattung zu erlassen, um ein subjektives öffentliches Recht des Widerspruchsführers auf Aufwendungsersatz nach § 63 Abs. 1 Satz 1 bis 3 SGB X zu begründen, LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 29. Juli 2014 – L 15 AS 281/10 Rn. 24, juris).

 

Der Senat weicht mit dieser Auffassung nicht von den Urteilen des 34. Senats oder des 10. Senats des LSG Berlin-Brandenburg ab. Im Fall des 10. Senats (Urteil vom 21. August 2020 (L 10 AS 717/17) haben die dortigen Kläger keine Beratungshilfe nach dem BerHG in Anspruch genommen (vgl. die Feststellung im Tatbestand der genannten Entscheidung auf S. 2). Soweit der 34. Senat in seinem Urteil darauf abhebt, dass die bloße Anhängigkeit eines Antrags auf Bewilligung von Beratungshilfe nicht ausreichen soll, um einen Anspruchsübergang nach § 9 Satz 2 BerHG auszulösen, bezieht sich das gerade nicht auf die Fälle eines bloßen Direktmandats, sondern den Fall, dass ein Rechtsanwalt einen Bewilligungsantrag (nachträglich) beim Amtsgericht gestellt hat. So bezieht sich der 34. Senat auch auf die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Beratungshilfegesetzes aus dem Jahr 1979. Dieser Entwurf sah in § 10 BerHG-E nur einzelne eng begrenzt gehaltene Fälle vor, in denen der Rechtsanwalt überhaupt ohne Beratungsschein tätig werden durfte (dazu bereits oben). Darüber hinaus hält auch der 34. Senat fest, das zum Anspruchsübergang führende Ereignis bestehe spätestens in der Auszahlung der Beratungshilfevergütung (durch das Amtsgericht, Urteil vom 15. August 2013, L 34 AS 53/12 Rn. 27). Ein früherer Anspruchsübergang ist damit auch nach Auffassung des 34. Senats nicht ausgeschlossen.

 

Die Kläger haben schließlich den Anspruch des Bevollmächtigten auch nicht hilfsweise in Prozessstandschaft geltend gemacht. Nur hilfsweise weist der Senat daher darauf hin, dass sie für eine gewillkürte Prozessstandschaft nicht prozessführungsbefugt wären, denn sie haben sich nicht auf eine Ermächtigung des Bevollmächtigten berufen oder eine solche vorgelegt. Außerdem mangelte es ihnen an dem erforderlichen schützenswerten Interesse, das Verfahren in eigenem Namen zu führen. Sie haben kein erkennbares rechtliches oder wirtschaftliches Interesse daran, dass ihr Bevollmächtigter seinen Vergütungsanspruch gegen die erstattungspflichtige Behörde durchsetzen kann. Aufgrund von § 44 RVG, § 9 Satz 3 BerHG wären sie selbst dann nicht verpflichtet, eine Vergütung an Bevollmächtigten zu leisten, wenn dieser von anderen Stellen keine Vergütung erhielte (dazu LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. Mai 2015 – L 6 AS 34/15 –, Rn. 24, juris).

 

Mangels Aktivlegitimation der Kläger war die Höhe der geltend gemachten Ansprüche auf Kostenersatz nicht mehr zu prüfen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG). Soweit der 34. Senat in der o.g. Entscheidung L 34 AS 53/12 die Auffassung vertritt, ein Anspruch nach § 9 Satz 2 BerHG könne auch bei nachträglicher Beratungshilfe nicht vor der Bewilligung von Beratungshilfe übergehen, so ist diese Auffassung im dortigen Fall jedenfalls nicht tragend gewesen, denn es lag im dortigen Fall eine Auszahlung der Beratungshilfe vor. Es kam mithin auf diese Rechtsansicht nicht an.

 

Rechtskraft
Aus
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