Die Grundsätze zur Verschlossenheit des Teilzeit-Arbeitsmarktes gelten weiter (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. Januar 2004 – L 14 RJ 175/03 und Gürtner, in: Kasseler Kommentar, SGB VI, Stand: Mai 2021, § 43 Rn. 30). Beim Ausüben einer nicht geringfügigen selbständigen Tätigkeit liegt keine Verschlossenheit des Teilzeit-Arbeitsmarktes vor.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom 4. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Rücknahmeentscheidung hinsichtlich der Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 1. Juli 2011 bis zum 31. Oktober 2012 und der damit einhergehenden Erstattungsforderung in Höhe von 11.456,34 Euro.
Die Klägerin wurde am 1962 geboren.
Die Klägerin erlitt am 1997 einen Arbeitsunfall und erhält seit dem 1 2009 eine Unfallrente aufgrund einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 30 vom Hundert – mit einem Zahlbetrag ab Juli 2009 in Höhe von 384,25 Euro monatlich und seit Juli 2011 in Höhe von 388,06 Euro.
Seit 31. Dezember 2004 übte die Klägerin eine selbständige Tätigkeit aus. Zuletzt übte sie ab 2011 ein Gewerbe mit einer selbständigen Tätigkeit im Bereich Vermittlungen von Versicherungen und Bausparverträgen, Vermittlung des Abschlusses und Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss von Verträgen über Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte, Wohnräume, gewerbliche Räume und Darlehen aus. Dieses Gewerbe meldete sie zum 1. Mai 2012 ab.
Daneben übte die Klägerin eine abhängige Beschäftigung als Gesellschaftergeschäftsführerin bei der Firma GmbH, deren Gesellschafterin sie zu 50% ist, in der Zeit von April 2010 bis Dezember 2010 aus.
In der Zeit vom 28. Mai 2010 bis zum 4. Juni 2010 war die Klägerin in stationärer Behandlung im Klinikum S aufgrund einer Erkrankung am rechten Kniegelenk und seit dem 28. Mai 2010 war sie arbeitsunfähig erkrankt.
Mit Schreiben vom 18. Januar 2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und wiederholte ihr Begehren mit dem Antrag vom 23. Juni 2010.
Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens veranlasste die Beklagte die Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin Dr. M. Im Gutachten vom 22. November 2010 führte er aus, dass sie leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten täglich vollschichtig verrichten könne.
Darüber hinaus erfolgte die Begutachtung durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Psych. Dr. H. Er führte im Gutachten aufgrund einer Untersuchung vom 9. November 2010 aus, dass für die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestehe.
Weiterhin erfolgte die Begutachtung durch die Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. M. Sie führte im Gutachten vom 3. Dezember 2020 aus, dass die Klägerin halb- bis unter vollschichtig erwerbstätig sein könne.
Mit Bescheid vom 7. Januar 2011 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Es liege zwar seit dem 28. Mai 2010 eine Erwerbsminderung vor, jedoch seien die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 15. Januar 2011 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass die Schwindelerkrankung auf den Arbeitsunfall aus dem Jahr 1997 zurückzuführen sei.
Mit Schreiben vom 3. Februar 2011 bat die Beklagte die Klägerin um Angabe der Einkünfte aus dem Beschäftigungsverhältnis und um Angabe eines steuerrechtlichen Gewinns u.a. aufgrund von Einkünften aus einer selbständigen Tätigkeit unter Beachtung des entsprechenden Vordrucks.
Mit weiterem Schreiben vom 18. März 2011 erinnerte die Beklagte an die Erklärung zum Einkommen ab dem 1. Juni 2010, da dieses zur Feststellung der Rente notwendig sei.
Mit einem weiteren Schreiben vom 28. März 2011 bat die Beklagte erneut um Angaben zu den Einkünften der Klägerin und teilte mit, dass zu klären sei, ob ab dem 1. Juni 2010 Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit oder aus der Tätigkeit als Geschäftsführerin vorliegen würden.
Die Klägerin übersandte die Erklärung vom 5. April 2011 für die Tätigkeit bei der GmbH, welche sie selbst unterschrieb über das erzielte Arbeitsentgelt in Höhe von brutto 1.300,- Euro im Juni und Juli sowie von brutto 1.213,33 Euro im August 2011.
Mit Schreiben vom 12. April 2011 bat die Beklagte erneut um Angaben zum Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit und um Übersendung eines Nachweises zur Aufgabe der selbständigen Tätigkeit zum 31. Dezember 2010.
Hieraufhin teilte die Klägerin mit Schreiben vom 15. April 2011 mit, dass sie noch keine Angaben zum steuerrechtlichen Gewinn machen könne, da noch keine Steuererklärung abgegeben worden sei. Sie sei bei der GmbH als geschäftsführende Gesellschafterin angestellt gewesen und zum 28. August 2010 endete laut Anstellungsvertrag die Lohnfortzahlung bei bestehender Arbeitsunfähigkeit. Gleichzeitig übersandte sie die Gewerbe-Abmeldung für die GmbH zum 31. Dezember 2010.
Mit Schreiben vom 27. April 2011 bat die Beklagte erneut um Angabe zum Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit, auch wenn noch kein Steuerbescheid vorliegt.
Die Klägerin teilte hieraufhin mit Schreiben vom 9. Mai 2011 mit, dass ihr Einkommen aus dem Gehalt für die Geschäftsführertätigkeit bei der GmbH bestanden habe, welche zum 31. Dezember 2010 abgemeldet worden sei. Aus der Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2010 der GmbH ergab sich für die Zeit vom 1. April bis zum 31. Dezember 2010 ein Bruttoarbeitslohn von 6.413,33 Euro.
Mit Bescheid vom 9. September 2011 gewährte die Beklagte der Klägerin aufgrund eines Leistungsfalls vom 28. Mai 2010 eine Rente ab dem 1. Juni 2010 wegen teilweiser Erwerbsminderung. Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung lehnte die Beklagte ab. Den Zahlbetrag legte sie für die Zeit ab Oktober 2011 auf 379,35 Euro fest. Gleichzeitig stellte sie für den Zeitraum Juni 2010 bis September 2011 eine Nachzahlung in Höhe von 2.272,41 Euro fest. Unter Berücksichtigung der individuellen Hinzuverdienstgrenzen verfügte die Beklagte, dass die Rente für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis zum 31. März 2011 nicht zustehe.
Mit Schreiben vom 7. Oktober 2011 hielt die Klägerin ihren Widerspruch weiterhin aufrecht.
Aus dem Bescheid für 2010 über die Einkommenssteuer vom Dezember 2011 ergeben sich Einkünfte aus der nichtselbständigen Tätigkeit der Klägerin in Höhe von 6.413 Euro und aus der selbständigen Tätigkeit als Einzelunternehmer in Höhe von 3.859 Euro.
Im Rahmen der Bearbeitung des Widerspruchsverfahrens bat die Widerspruchsstelle im Ergebnis der Sitzung vom 17. Februar 2012 um Prüfung, ob ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung wegen der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes bestehe.
Zur weiteren Klärung der Voraussetzungen erkundigte sich die Beklagte am 8. März 2012 telefonisch bei der Klägerin. Die Klägerin teilte mit, dass sie im Jahre 2011 ihr Gewerbe wieder angemeldet habe und nunmehr einer geringfügigen selbständigen Tätigkeit nachgehe. Angaben zu den Einkünften könne sie nicht machen, da sie den Einkommenssteuerbescheid von 2011 noch nicht vorliegen habe.
Mit der Erklärung vom 30. April 2012 gab die Klägerin zu ihrer selbständigen Tätigkeit unter Verwendung des von der Beklagten übersandten Formulars an, dass diese im Umfang von 10 bis 15 Stunden ausgeübt werde.
Mit der Gewerbe-Abmeldung vom 14. April 2012 meldete die Klägerin ihr Gewerbe aus gesundheitlichen Gründen zum 1. Mai 2012 ab. In der Zeit von Januar 2012 bis April 2012 erzielte die Klägerin aus der gewerblichen Tätigkeit einen Gewinn in Höhe von 27.553,- Euro. Wegen der Einzelheiten zu den Einnahmen wird auf die Kontoauszüge für den Zeitraum auf Blatt 148 bis 165 der Gerichtsakte verwiesen. Hieraus ergeben sich u.a. die folgenden Zahlungseingänge:
2012 5.355,- Euro
2012 5.355,- Euro
2012 801,25 Euro
2012 13.566,- Euro
2012 1.428,- Euro
2012 2.731,05 Euro
2012 1.625,- Euro
2012 1.023,78 Euro
2012 3.070,20 Euro
Ab Mai 2012 nahm die Klägerin eine Tätigkeit bei Immobilien als Verwalterin mit einem Arbeitseinkommen in Höhe von 400,- Euro auf.
Mit Schreiben vom 19. Mai 2012 bat die Klägerin um Berechnung ihrer Hinzuverdienstgrenzen.
Unter Berücksichtigung der Geringfügigkeit der selbständigen Tätigkeit der Klägerin gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 25. Mai 2012 der Klägerin eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Juli 2011. Den Zahlbetrag legte die Beklagte für die Zeit ab Juli 2012 auf 649,65 Euro fest und verfügte für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis zum 30. Juni 2012 eine Nachzahlung in Höhe von 4.362,43 Euro. Sie führte zur Begründung aus, dass die Anspruchsvoraussetzungen ab dem 31. Dezember 2010 erfüllt seien und die Rente ab dem 7. Kalendermonat geleistet werde.
Auf Nachfrage der Beklagten übersandte die Klägerin mit Schreiben vom 2. Juli 2013 den Bescheid für 2011 über Einkommenssteuer vom April 2012. Hieraus ergeben sich Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer in Höhe von 15.086,- Euro.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2014 berechnete die Beklagte die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Juni 2010 neu und stellte eine Überzahlung in Höhe von 1.126,86 Euro fest für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis zum 30. Juni 2011 fest. Hiergegen legte die Klägerin keinen Widerspruch ein.
Mit Schreiben vom 14. Mai 2014 hörte die Beklagte die Klägerin hinsichtlich der Aufhebung des Bescheides vom 25. Mai 2012 mit Wirkung vom 1. Juli 2011 bis zum 31. Oktober 2012 nach § 45 des Zehnten Buches – Sozialgesetzbuch (SGB X) und einer sich hieraus ergebenden Überzahlung in Höhe von 11.456,34 Euro an. Sie führte zur Begründung aus, dass die Klägerin bis zum 30. April 2012 eine mehr als geringfügige Tätigkeit ausgeübt habe und daher kein Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung eingetreten sei. Die Fehlerhaftigkeit der Entscheidung habe die Klägerin erkennen können, weil der Rentenbescheid vom 25. Mai 2012 den Hinweis enthalten habe, dass die Rente wegen voller Erwerbsminderung entfallen könne, wenn eine selbständige Tätigkeit aufgenommen oder ausgeübt werde.
Im Rahmen der Anhörung führte die Klägerin mit Schreiben vom 5. Juni 2014 aus, dass die Fehlerhaftigkeit für sie nicht erkennbar gewesen sei, da der Steuerbescheid für 2012 erst im Dezember 2013 erstellt worden sei. In der Zeit vom 28. Mai 2010 bis zum 3. April 2011 sei sie arbeitsunfähig gewesen. Danach sei sie zwischen 10 und 15 Stunden tätig gewesen. Die Einnahmen im Jahre 2012 seien auf Provisionszahlungen für Verkäufe Ende 2011 zurückzuführen. Hieraus ergebe sich ein höheres Einkommen für den Zeitraum Januar 2012 bis April 2012. Weiterhin seien durch die Nachzahlungen steuerliche Nachteile entstanden.
Mit Bescheid vom 25. Juni 2014 hob die Beklagte den Rentenbescheid vom 25. Mai 2012 hinsichtlich des Rentenanspruchs mit Wirkung vom 1. Juli 2011 nach § 45 SGB X auf und forderte nach § 50 SGB X eine Erstattung für den Zeitraum Juli 2011 bis Oktober 2012 in Höhe von 11.456,34 Euro. Sie führte zur Begründung aus, dass die Voraussetzungen für eine Rücknahme für die Vergangenheit gegeben seien. Ein Vertrauensschutz der Klägerin bestehe nicht, da mit dem Bescheid vom 25. Mai 2012 die Klägerin darüber informiert worden sein, dass die Rente wegen voller Erwerbsminderung entfallen könne, wenn eine Beschäftigung ausgeübt oder aufgenommen werde. Eine solche Beschäftigung der Klägerin liege seit Januar 2011 bis zum Mai 2012 vor, da die selbständige Tätigkeit der Klägerin ein Einkommen von 400,- Euro im Monat übersteige. Dagegen habe die Klägerin mehrmals mitgeteilt, dass ihre selbständige Tätigkeit nur geringfügig sei.
Auch im Rahmen des Ermessens sei zu berücksichtigen, dass keine Gründe gegen eine Aufhebung vorliegen würden, insbesondere da die Beklagte kein Verschulden an der Überzahlung trage. Erst mit dem Eingang der Einkommenssteuerbescheide sei erkennbar gewesen, dass eine mehr als geringfügige selbständige Tätigkeit über den 31. Dezember 2011 ausgeübt werde.
Mit Bescheid vom 2. Juli 2014 gewährte die Beklagte der Klägerin eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für die Zeit Mai 2012 bis Oktober 2012 und eine Nachzahlung in Höhe von 1.934,64 Euro. Einen Zahlungsanspruch verneinte die Beklagte für die Zeit Juli 2011 bis April 2012. Eine Auszahlung erfolgte vorerst nicht.
Gegen den Bescheid vom 25. Juni 2014 legte die Klägerin mit Schreiben vom 15. Juli 2014 Widerspruch ein. Sie führte zur Begründung aus, dass ein Vertrauensschutz bestehe und die gewährten Leistungen im guten Glauben verbraucht seien. Es würden zu keiner Zeit falsche oder unrichtige Angaben vorliegen. Es sei nicht erkennbar gewesen, in welcher Höhe Gewinne und ob überhaupt Gewinne erzielt werden würden. Das Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze sei für sie nicht erkennbar gewesen. Erst im Juni 2014 habe sie definitiv die Höhe ihrer Einnahmen gekannt. Darüber hinaus sei die Frist von 2 Jahren hinsichtlich der Aufhebung des Bescheides vom 25. Mai 2012 abgelaufen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte zur Begründung aus, dass der aufgehobene Bescheid vom 25. Mai 2012 auf in wesentlicher Beziehung unrichtigen oder unvollständigen Angaben beruhe und die Klägerin die Fehlerhaftigkeit des Bescheides hätte erkennen können. Zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung sei der Klägerin das Einkommen aus ihrer selbständigen Tätigkeit für den Zeitraum bis zum 30. April 2012 bekannt gewesen und somit habe sie die Fehlerhaftigkeit des Bescheides gekannt, da das Einkommen über 400,- Euro im Monat gelegen habe. Mit dem aufzuhebenden Bescheid habe die Beklagte die folgenden Hinweise erteilt:
„Ihre Rente wegen voller Erwerbsminderung
Sie haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit. Der Rentenanspruch ist zeitlich begrenzt, weil die volle Erwerbsminderung nicht ausschließlich auf Ihrem Gesundheitszustand, sondern auch auf den Verhältnissen des Arbeitsmarktes beruht. Die Anspruchsvoraussetzungen sind ab 31. Dezember 2010 erfüllt.
(…)
Bitte teilen Sie uns unverzüglich mit, wenn Sie eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit aufnehmen oder ausüben. Ihre Rente wegen voller Erwerbsminderung kann dann wegfallen. Dies gilt selbst dann, wenn Sie nichts verdienen oder sogar Verluste erwirtschaften.“
Unter Beachtung dieser Umstände habe für die Klägerin kein Vertrauensschutz bestanden und eine Frist von 2 Jahren komme nicht zur Anwendung. Dagegen liege die Rücknahmefrist nach § 45 Abs. 3 SGB X bei 10 Jahren. Auch im Rahmen des Ermessens sei nicht von der Bescheidrücknahme abzusehen. Allein die wirtschaftliche Härte könne noch nicht dazu führen, von der Aufhebung und Rückforderung abzusehen.
Mit Schreiben vom 12. Februar 2015 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Neuruppin Klage erhoben. Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 4. Dezember 2017 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin in der Zeit von Juli 2011 bis Oktober 2012 keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gehabt habe, da der vorliegende Leistungsfall der teilweisen Erwerbsminderung nicht wegen der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes in eine volle Erwerbsminderung umgeschlagen sei. Die Klägerin habe bis April 2012 eine nicht geringfügige selbständige Tätigkeit ausgeübt, da aus ihrem Gewerbebetrieb im Jahr 2011 im Schnitt ein monatliches Einkommen von 1.257,11 Euro und im Zeitraum Januar bis April 2012 ein Gewinn von 27.553,00 Euro erzielt worden sei. Daher sei die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung mit Bescheid vom 25. Mai 2012 von Anfang an rechtswidrig gewesen. Die Voraussetzungen von § 45 SGB X würden vorliegen. Im Ergebnis sei die Aufhebung und die Rückforderung der Rentenzahlung rechtmäßig erfolgt.
Gegen den ihr am 20. Dezember 2017 zugestellten Gerichtsbescheid legt die Klägerin mit Schreiben vom 16. Januar 2018 Berufung ein. Sie führt zur Begründung aus, dass der Gewinn im Frühjahr 2012 auf Provisionen für Verkaufsaufträge aus Januar, Februar und April 2011 beruhe. Dagegen sei eine Tätigkeit im streitigen Zeitraum von mehr als 12 Stunden pro Woche ihr nicht möglich gewesen. Sie habe die Rentenzahlungen im guten Glauben entgegengenommen und verbraucht, da die Einhaltung der Hinzuverdienstgrenze ihr nicht möglich gewesen sei. Weiterhin habe sie die gesamten Rentenzahlungen für das Jahr 2012 versteuern müssen und die Veranlagung sei nunmehr bestandskräftig. Die geforderte Rückzahlung würde daher einen erheblichen steuerlichen Schaden begründen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom 4. Dezember 2017 aufzuheben und den Bescheid vom 25. Juni 2014 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom 4. Dezember 2017 zurückzuweisen.
Sie führt zur Begründung aus, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum eine nicht geringfügige Tätigkeit ausgeübt habe und daher die Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht vorliegen würden. Mit der Aufgabe der selbständigen Tätigkeit zum 1. Mai 2012 komme eine Zahlung der Rente wegen voller Erwerbsminderung erst ab 1. November 2012 wieder in Betracht nach § 101 Abs. 1 des Sechsten Buches – Sozialgesetzbuch (SGB VI). Dieser Umstand sei der Klägerin bereits bei der Bescheiderteilung bewusst gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Rechtsausführungen und der Sachdarstellung wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten (Az: 65 080262H519) und auf den der Gerichtsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Zutreffend hat das Sozialgericht die Klage gegen den Bescheid vom 25. Juni 2014 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2015 abgewiesen. Die isolierte Anfechtungsklage ist zwar zulässig aber unbegründet, da der angegriffene Bescheid rechtmäßig ist und die Klägerin nicht beschwert nach § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Ermächtigungsgrundlage für den angegriffenen Bescheid ist § 45 Abs. 1 und 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X. Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden. § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X bestimmt, dass ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden darf, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte u.a. nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X) oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Dabei liegt grobe Fahrlässigkeit vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X).
Diese Voraussetzungen liegen vor, wobei keine Gesichtspunkte für eine formelle Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheides erkennbar sind. Die Beklagte führte mit dem Schreiben vom 14. Mai 2014 die Anhörung der Klägerin durch und wies hierin auf die wesentlichen Umstände für eine Aufhebung nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X hin. Die Umstände für eine Aufhebung nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X waren für die Klägerin aus dem Bescheid vom 25. Juni 2014 erkennbar, so liegt insoweit eine Heilung des möglichen Anhörungsmangels nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X vor.
Der von der Beklagten aufgehobene Bescheid vom 25. Mai 2012 über die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung war zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig – von Anfang an – und somit ist der Anwendungsbereich von § 45 Abs. 1 SGB X eröffnet. Die Klägerin hatte zu diesem Zeitpunkt keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB VI, da zu diesem Zeitpunkt ein entsprechender Leistungsfall nicht vorgelegen hat. Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Satz 2 SGB VI ist voll erwerbsgemindert, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Im Ergebnis der sozialmedizinischen Ermittlungen ist der Senat der Überzeugung, dass die Klägerin unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest in der Zeit vom 1. Juli 2011 bis zum 31. Oktober 2012 in der Lage war, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, wobei die Beklagte bereits von einem Leistungsfall hinsichtlich dieser Einschränkung mit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin zum 28. Mai 2010 ausgeht. Der Senat folgt mit seiner Einschätzung den Ergebnissen der sozialmedizinischen Ermittlungen der Beklagten im Verwaltungsverfahren und den Ausführungen in den zum Leistungsvermögen der Klägerin eingeholten Gutachten, wobei eine quantitative Leistungseinschränkung sich nur aus der Begutachtung durch die Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. M ergab, welche ausführte, dass die Klägerin halb- bis unter vollschichtig erwerbstätig sein könne. Anhaltspunkte für eine weitere Einschränkung des Leistungsvermögens können den medizinischen Ermittlungen nicht entnommen werden, zumal die weiteren Sachverständigen, nämlich der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. und Dipl.-Psych. H und Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin Dr. M, in ihren Gutachten zu keiner Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens der Klägerin kamen.
Die teilweise Erwerbsminderung schlug nicht aufgrund der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes im streitigen Zeitraum in einen Fall der vollen Erwerbsminderung um.
Die Grundsätze zur Verschlossenheit des Teilzeit-Arbeitsmarktes gelten weiter (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. Januar 2004 – L 14 RJ 175/03 und Gürtner, in: Kasseler Kommentar, SGB VI, Stand: Mai 2021, § 43 Rn. 30). Dies bedeutet, dass über den Wortlaut der gesetzlichen Vorschriften hinaus ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung dann besteht, wenn das Restleistungsvermögen des Versicherten nur noch 3 bis unter 6 Stunden täglich beträgt. Nach wie vor ist nämlich davon auszugehen, dass der entsprechende Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen ist (hierzu BSG Großer Senat, Beschluss vom 11. Dezember 1969 - GS 4/69 und Beschluss vom 10. Dezember 1976 - GS 2/75 sowie Beschluss vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95). Da nämlich für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ein Rentenartfaktor von 0,5 maßgeblich ist (vgl. § 67 Nr. 2 SGB VI), beträgt diese Rente nur 50 v.H. der Vollrente. Diese Rente setzt damit von ihrer Grundkonzeption her gesehen voraus, dass der Versicherte zur Deckung seines Lebensunterhalts - durch die Ausübung einer entsprechenden Teilzeitarbeit - weiteres Einkommen erzielen müsste oder andere Sozialleistungen bezieht. Daher ist die sogenannte konkrete Betrachtungsweise geboten, d.h. die Verhältnisse des Arbeitsmarktes sind zu beachten. Der Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente wird also nicht allein vom Gesundheitszustand abhängig gemacht (sog. abstrakte Betrachtungsweise), sondern auch davon, ob der Versicherte in der Lage ist, bei der konkreten Situation des Teilzeitarbeitsmarktes die ihm verbliebene Erwerbsfähigkeit zur Erzielung eines Erwerbseinkommens einzusetzen. Das hat zur Folge, dass bei einem festgestellten Leistungsvermögen von über 3 bis unter 6 Stunden und zum Beispiel gleichzeitiger Arbeitslosigkeit der Anspruch in einen solchen auf volle Erwerbsminderungsrente umschlägt.
Eine Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes ist in folgenden Fällen anzunehmen:
- Arbeitslosigkeit (z.B. nach Aufgabe eines nicht leistungsgerechten Arbeitsplatzes),
- dauernde (tatsächlich oder voraussichtlich mehr als sechs Monate) Arbeitsunfähigkeit bei einem nur aus formalen Gründen bestehenden Arbeitsverhältnis,
ein geringfügiges (§ 8 SGB IV) oder kein Beschäftigungsverhältnis (vgl. Kreikebohm, SGB VI, 5. Auflage 2017, § 43 Rn. 28 und zur Geringfügigkeit: BSG Großer Senat, Beschluss vom 10. Dezember 1976 – GS 2/75, GS 4/75, GS 3/6).Die Klägerin übte im streitigen Zeitraum aufgrund ihrer selbständigen Tätigkeit jedoch keine geringfügige Tätigkeit aus. Bei selbstständig Tätigen ist nämlich zu prüfen, ob sie ihre selbstständige Tätigkeit noch ausüben oder diese nur noch formal angemeldet haben und in welchem Umfang sie ggf. auch auf Kosten der Gesundheit ausgeübt wird. Eine Vermutung dergestalt, dass sie, solange sie selbstständig sind, auch eine leistungsgerechte Erwerbstätigkeit ausüben, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen und würde zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung dieser Personengruppe führen (Kamprad, in: Hauck/Noftz, SGB, Stand: 12/14, § 43 SGB VI Rn. 95 und Kreikebohm, SGB VI, 5. Auflage 2017, § 43 Rn. 28). Nach einer für Beschäftigte vergleichbaren Prüfung ist bei Selbständigen zu klären, ob eine geringfügige Beschäftigung im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV – mit der entsprechenden Geltung für selbständig Tätige nach Abs. 3 Satz 1 – mit einem geringfügigen Einkommen (weniger als 400,- Euro im streitigen Zeitraum nach § 8 SGB IV in der Fassung vom 5. August 2010) vorliegt.
Die Klägerin übte in dieser Zeit keine geringfügige Tätigkeit, da sie laut dem Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2011 Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer in Höhe von 15.086,- Euro und aus ihrer gewerblichen Tätigkeit im Zeitraum Januar bis April 2012 (Aufgabe der selbständigen Tätigkeit) einen Gewinn in Höhe von 27.553,- Euro erzielte. Hieraus ergibt sich ein Betrag der deutlich über dem Grenzwert von 400,- Euro im Monat für eine geringfügige Beschäftigung liegt.
Der sozialrechtliche Begriff des bei einer selbständigen Tätigkeit maßgeblichen Arbeitseinkommens ist in § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV definiert. Danach ist Arbeitseinkommen "der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit". Diese Vorschrift nimmt also schon ihrem Wortlaut nach Bezug auf das EStG und verweist auf den Gewinn, wie er nach dem Einkommenssteuergesetz (§ 2 Abs. 2 Nr. 1, §§ 4 bis 7k EStG) ermittelt wird. Der Begriff des Arbeitseinkommens aus einer selbstständigen Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV umfasst alle typischerweise mit persönlichem Einsatz verbundenen Einkunftsarten.
Die Einkünfte der Klägerin für das Jahr 2011 ergeben sich aus dem vorliegenden Steuerbescheid und hinsichtlich der Einkünfte für das Jahr 2012 kann auf die Bescheinigung des Steuerberaters der Klägerin zurückgegriffen werden, wobei bei Betriebsaufgabe während des laufenden Kalenderjahres ein Rumpfwirtschaftsjahr mit der Folge entsteht, dass zur Feststellung des maßgeblichen Arbeitseinkommens der für die Zeit vom Jahresanfang bis zum Monat der Betriebsaufgabe ermittelte steuerliche Gewinn durch die Anzahl der in diesem Zeitraum zurückgelegten Monate zu teilen ist (BSG, Urteil vom 22. September 1999 – B 5 RJ 54/98 R).
Frühestens zum 1. Mai 2012 mit der Aufgabe der selbständigen Tätigkeit und Beginn einer geringfügigen Beschäftigung trat der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung durch Umschlagen der teilweisen Erwerbsminderung in eine volle Erwerbsminderung aufgrund der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes ein. Unter Beachtung der Regelung in § 101 Abs. 1 SGB VI kommt somit eine Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab November 2012 in Betracht.
Auf Vertrauen kann sich die Klägerin nicht berufen, da die Tatbestände von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und darüber hinaus von Nr. 3 SGB X erfüllt sind.
Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Die Klägerin tätigte im Rahmen des Verwaltungsverfahrens unvollständige Angaben über ihre Einkünfte und verschwieg die Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit. Zwar informierte sie umfangreich über die Tätigkeit bei der GmbH aber nicht über ihre weitere selbständige Tätigkeit, obwohl hieraus erhebliche Einnahmen zuflossen. Zwar waren die Angaben zum Einkommen zutreffend aber jedoch unvollständig. Das Verschweigen erfolgte zumindest grob fahrlässig, da die Beklagte die Klägerin in vielen Schreiben darum bat, das Einkommen aus ihrer selbständigen Tätigkeit darzulegen und die Klägerin hierzu nur auf die Einnahmen aus einer Tätigkeit bei der HOKRA Immobilien GmbH verwies.
Die Auskunft, dass ihr die Einkommenshöhe aus der selbständigen Tätigkeit erst nach der Erteilung eines Einkommenssteuerbescheides bekannt sei, ist nicht überzeugend. Die Klägerin war seit dem 31. Dezember 2004 selbständig tätig und konnte daher aufgrund der vorhandenen Erfahrungen abschätzen, in welcher Höhe aus der Tätigkeit ein Gewinn erzielt wird. Es hätte sich ihr aufdrängen müssen, dass es sich hierbei um Beträge handelt, die die Geringfügigkeitsschwelle von 400,- Euro deutlich übersteigt. Aufgrund der Ausübung einer geringfügigen Tätigkeit mit einem Entgelt von 400,- Euro ab Mai 2012 hätte der Klägerin der Grenzbetrag zumindest bekannt sein müssen.
Auf Vertrauen kann sich ebenfalls der Begünstigte nicht berufen, soweit der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 1 SGB X). Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Bereits mit Bescheid vom 9. September 2011 und erneut mit dem Bescheid vom 25. Mai 2012 hat die Beklagte ausdrücklich auf die Mitteilungspflichten, insbesondere bei Aufnahme oder dem Fortführen einer Erwerbstätigkeit, hingewiesen. Der Klägerin als Immobilienmaklerin und Versicherungsvermittlerin war es zuzumuten, Bewilligungsbescheide über Rentenleistungen zur Kenntnis zu nehmen und umfassend zu lesen. Es hätte ihr einleuchten müssen, dass der gleichzeitige Zufluss von ganz erheblichen Einkommen zu einem Wegfall der Rente wegen voller Erwerbsminderung führen kann und sie dieses Einkommen der Beklagten hätte mitteilen müssen.
Die Rücknahmefrist ist gewahrt nach § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1, Abs. 4 Satz 2 SGB X. Maßgeblich ist hiernach eine Frist von 10 Jahren, welche die Beklagte wahrte. Darüber hinaus hatte die Beklagte erst mit der Übersendung des Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2011 mit Schreiben der Klägerin im Juli 2013 Kenntnis über erster Anhaltspunkte für die Rücknahme des Rentenbescheides vom 25. Mai 2012. Mit der angegriffenen Entscheidung vom 25. Juni 2014 wahrte die Beklagte die Jahresfrist, wobei der konkrete Beginn offenbleiben kann.
Die Beklagte hat im angegriffenen Bescheid auch das ihr gesetzlich eingeräumte Ermessen ausgeübt. Anhaltspunkte für einen Ermessensnicht- bzw. Ermessensfehlgebrauch liegen nicht vor.
Die Klägerin ist demzufolge gemäß § 50 Abs. 1 S. 1 SGB X verpflichtet, die überzahlten Leistungen i.H.v. 11.456,34 Euro, soweit die Beklagte den Rentenbescheid vom 25. Mai 2012 aufgehoben hat, zu erstatten. Die Regelung in § 50 Abs. 3 Satz 2 SGB X enthält eine „Soll“-Regelung zur Verbindung der Entscheidung über die Erstattung mit dem Rücknahmebescheid.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.