Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 18. Februar 2020 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren (noch) um die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) wegen des Eintritts einer dreiwöchigen Sperrzeit vom 26. Dezember 2018 bis 15. Januar 2019 und die Minderung der Dauer des Anspruchs auf Alg um 21 Tage.
Die Beklagte hatte dem Kläger Alg für die Zeit ab 14. April 2018 iHv tgl 54,25 € für 360 Kalendertage bewilligt (Bescheid vom 9. Mai 2018). Bereits für die Zeit vom 10. September bis 30. September 2018 hatte die Beklagte wegen Eintritts einer Sperrzeit die Alg-Bewilligung insoweit aufgehoben (Bescheid vom 27. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2019). Aufgrund unentschuldigten Fehlens und Nichtteilnahme des Klägers an einer daraufhin am 13. November 2018 abgebrochenen Maßnahme hatte die Beklagte zudem die Alg-Bewilligung mit Bescheiden vom 17. Dezember 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2019 wegen des Eintritts einer sechswöchigen Sperrzeit für die Zeit vom 14. November 2018 bis 25. Dezember 2018 aufgehoben. Diese Sperrzeit wurde im Verlauf eines sozialgerichtlichen Verfahrens auf die Zeit vom 14. November 2018 bis 4. Dezember 2018 (drei Wochen) verkürzt (vgl Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Juli 2020 – L 18 AL 29/20 -; rechtskräftig).
Mit Vermittlungsvorschlag vom 12. November 2018 schlug die Beklagte dem Kläger, der gelernter Dachdecker ist und zudem 1. Januar 2018 bis 16. März 2018 als Polier im Hochbau tätig war, einen Arbeitsplatz als Hochbaufacharbeiter bei der HTW Hochbau GmbH zum frühesten Eintrittstermin am 17. Dezember 2018 vor. Der Kläger möge sich dort am 22. November 2018 vorstellen. Auf den Inhalt des Vermittlungsvorschlags, die beigefügten Anlagen (Stellenbeschreibung und vom Arbeitgeber geforderte Kenntnisse und Fähigkeiten) und die Rechtsfolgenbelehrung wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen. Der Kläger erschien zu dem Vorstellungsgespräch nicht. Nach Anhörung hob die Beklagte die Alg-Bewilligung für die Zeit vom 26. Dezember 2018 bis 19. März 2019 auf wegen des Eintritts eine zwölfwöchigen Sperrzeit auf. Der Alg-Anspruch mindere sich um 84 Tage (Bescheide vom 17. Dezember 2018 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 13. Februar 2019 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2019).
Das Sozialgericht (SG) Cottbus hat den „Sperrzeitbescheid“ in der Fassung des Änderungsbescheides und in Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben (Gerichtsbescheid vom 18. Februar 2020). Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Vermittlungsvorschlag sei keine wirksame Rechtsfolgenbelehrung beigefügt gewesen. Die Belehrung sei nicht konkret gewesen, weil sie dem Kläger nicht zweifelsfrei und einzelfallbezogen erklärt habe, mit welchen Rechtsfolgen er zu rechnen habe, falls er ohne wichtigen Grund dem Vermittlungsvorschlag nicht nachkomme. Sie erschöpfe sich in der sinngemäßen Wiedergabe des Gesetzestextes. Daher sei auch eine geltungserhaltende Reduktion auf eine dreiwöchige Sperrzeit ausgeschlossen. Im Übrigen sei der Vermittlungsvorschlag auch deshalb rechtsfehlerhaft, weil das Stellenangebot nicht den Grundsätzen einer sachgerechten Arbeitsvermittlung entspreche.
Mit der Berufung wendet sich die Beklagte (nur) noch gegen die Aufhebung auch einer dreiwöchigen Sperrzeit vom 26. Dezember 2018 bis 15. Januar 2019. Der Kläger habe anhand der Rechtsfolgenbelehrung erkennen können, dass jedenfalls eine Sperrzeit von drei Wochen drohe. Das Arbeitsangebot sei auch ausreichend bestimmt gewesen.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 18. Februar 2020 aufzuheben, soweit damit der Sperrzeitbescheid vom 17. Dezember 2018 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13. Februar 2019 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2019 auch für die Zeit vom 26. Dezember 2019 bis 15. Januar 2019 aufgehoben worden ist, und die Klage insoweit abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl §§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Die Beklagte war nicht berechtigt, die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 26. Dezember 2018 bis 15. Januar 2019 aufgrund des Eintretens einer dreiwöchigen Sperrzeit aufzuheben. Der Alg-Anspruch des Klägers ruhte in dieser Zeit daher nicht und mindert sich auch nicht um 21 Tage.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind neben der Entscheidung der Vorinstanz der Bescheid vom 17. Dezember 2018 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 13. Februar 2018 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2019 (nur) noch insoweit, als die Beklagte wegen des Eintritts einer dreiwöchigen Sperrzeit die Alg-Bewilligung für die Zeit vom 26. Dezember 2018 bis 15. Januar 2019 aufgehoben und die Dauer des Anspruchs auf Alg entsprechend gemindert hat, sowie der ebenfalls am 17. Dezember 2018 ergangene Änderungsbescheid über die Leistungsberechnung unter Berücksichtigung der hier noch in Rede stehenden Sperrzeit in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13. Februar 2019, der mit den vorgenannten Bescheiden insoweit eine rechtliche Einheit darstellt (vgl Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 4. April 2017 - B 11 AL 19/16 R = SozR 4-4300 § 144 Nr 25 - Rn 15 mwN).
Der Kläger greift den Sperrzeitbescheid und den Alg-Änderungsbescheid zu Recht mit der isolierte Anfechtungsklage an (§ 54 Abs. 1, § 56 SGG). Auf Grund der zuvor mit Bescheid vom 9. Mai 2018 erfolgten bindenden Bewilligung von Alg für den hier noch streitbefangenen Zeitraum bedurfte es keiner damit verbundenen Leistungsklage hinsichtlich der Bewilligung von Alg (vgl BSG, Urteil vom 3. Mai 2018 - B 11 AL 2/17 R = SozR 4-4300 § 159 Nr 6 – Rn 10).
Die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Alg-Bewilligung für den streitigen Zeitraum misst sich an § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB) X iVm § 330 Abs. 3 SGB III, weil diese die ursprüngliche Bewilligung von Alg durch Bescheid vom 9. Mai 2018 jeweils rückwirkend für die Zeitraum der angenommenen Sperrzeit vor Bekanntgabe der Änderungsbescheide vom 13. Februar 2019 aufgehoben hat. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X iVm § 330 Abs. 3 SGB III ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Wesentlich ist jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich auf Grund oder Höhe der Leistung auswirkt. Die Beklagte ist indes unzutreffend von einer Änderung aufgrund eines Ruhens des Anspruchs auf Alg wegen des Eintritts einer dreiwöchigen Sperrzeit nach Ablehnung des Arbeitsangebots für die Zeit vom 26. Dezember 2018 bis 15. Januar 2019 ausgegangen. Die dreiwöchige Sperrzeit trat vielmehr kraft Gesetzes (schon) in der Zeit vom 5. Dezember 2018 bis 25. Dezember 2018 ein, dh nicht in dem vorliegend streitbefangenen Zeitraum.
Nach § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der ab dem 1. Februar 2012 geltenden und hier anwendbaren Fassung ruht der Anspruch auf Alg für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich ein Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt nach dem hier allein in Betracht kommenden § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III vor, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine von der Agentur für Arbeit unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht annimmt oder nicht antritt oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgesprächs, durch sein Verhalten verhindert (Sperrzeit bei Arbeitsablehnung). Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsablehnung beträgt im Falle des erstmaligen versicherungswidrigen Verhaltens dieser Art drei Wochen, im Falle des zweiten versicherungswidrigen Verhaltens dieser Art sechs Wochen und in den übrigen Fällen zwölf Wochen (§ 159 Abs. 4 Satz 1 SGB III).
Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen iS des § 48 SGB X wegen eines Ruhens des Anspruchs auf Alg aufgrund des Eintritts einer Sperrzeit von drei Wochen ist im (nur noch) streitbefangenen Zeitraum vom 26. Dezember 2018 bis 15. Januar 2019 nach Auffassung des Gerichts nicht eingetreten.
Es mangelt hinsichtlich einer dreiwöchigen Sperrzeitdauer zwar nicht an einer ausreichenden Rechtsfolgenbelehrung.
Wie die für das Arbeitsförderungsrecht zuständigen Senate des BSG bereits entschieden haben, soll die Rechtsfolgenbelehrung den Arbeitslosen über die Folgen eines versicherungswidrigen Verhaltens so informieren, dass er eine selbstverantwortliche Entscheidung treffen (vgl schon BSG, Urteil vom 10. Oktober 1978 - 7 RAr 55/77 - BSGE 47, 101, 105 = SozR 4100 § 119 Nr 5 S 29) und sich über die zulässigen Ablehnungsgründe schlüssig werden kann (BSG, Urteil vom 21. Juli 1981 - 7 RAr 2/80 - BSGE 52, 63, 66 = SozR 4100 § 119 Nr 15 S 73). Entsprechend diesem sozialen Schutzzweck hat die Rechtsfolgenbelehrung formalen Charakter und muss konkret, richtig und vollständig sein und dem Arbeitslosen in verständlicher Form zutreffend erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich für ihn im Fall einer Weigerung bzw eines Abbruchs einer Maßnahme ohne wichtigen Grund ergeben (vgl BSG, Urteil vom 10. Dezember 1981 - 7 RAr 24/81 - BSGE 53, 13, 15 = SozR 4100 § 119 Nr 18 S 87). An diesen Anforderungen hat das BSG auch nach Inkrafttreten des SGB III festgehalten und betont, eine Rechtsfolgenbelehrung iS von § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III aF müsse als Voraussetzung für ihre Wirksamkeit vor allem widerspruchsfrei sein (vgl BSG, Urteil vom 1. Juni 2006 - B 7a AL 26/05 R – Rn 15 mwN; vgl zur Rechtsfolgenbelehrung im SGB II BSG, Urteil vom 15. Dezember 2010- B 14 AS 92/09 R – juris - Rn 24).
Mit der nunmehr vorhandenen Ausdifferenzierung der Sperrzeitdauern in der Weise, dass die Sperrzeitdauer nunmehr entsprechend der Anzahl der Verstöße abgestuft ist, soll der Eingliederungsdruck auf den Arbeitslosen in Abhängigkeit von seiner Mitwirkungsbereitschaft stetig erhöht werden. Dieser Vermittlungsansatz findet Ausdruck auch in einer Individualisierung der Sperrzeitfolgen. Entsprechend muss auch die Rechtsfolgenbelehrung auf die individuelle leistungsrechtliche Situation abgestimmt sein. Dies dient zugleich dem Ziel der Verhaltenssteuerung (vgl BSG, Urteil vom 3. Mai 2018 - B 11 AL 2/17 R - SozR 4-4300 § 159 Nr 6 – Rn 27 mwN). Davon ausgehend war nicht mehr zu entscheiden, ob die Zuweisung zu der Maßnahme vorliegend eine ausreichende Rechtsfolgenbelehrung für eine zwölfwöchige Sperrzeit enthielt. Offenbleiben kann damit auch, ob der Hinweis auf eine Sperrzeit von "längstens" zwölf Wochen auf einen tatsächlich nicht bestehenden Ermessensspielraum hindeutet, wie das SG meint, da es aus den vom SG genannten Gründen schon an einer ausreichenden Rechtsfolgenbelehrung für den Zeitraum einer drei Wochen überschreitenden Sperrzeit fehlt (vgl insoweit auch BSG, Urteil vom 27. Juni 2019 – B 11 AL 14/18 R = SozR 4-4300 § 159 Nr 7 – Rn 21).
Allerdings ist von einer ausreichenden Rechtsfolgenbelehrung auszugehen, soweit jeweils ein erstes versicherungswidriges Verhalten und die daran anknüpfende Rechtsfolge einer dreiwöchigen Sperrzeit betroffen ist. Insoweit lässt die Rechtsfolgenbelehrung für einen verständigen Arbeitslosen erkennen, dass im Fall einer Verhinderung des Zustandekommens des angebotenen Vorstellungsgesprächs jedenfalls eine Sperrzeitdauer von drei Wochen droht. Es liegt auch keine widersprüchliche Belehrung vor, was in Betracht käme, wenn der Eintritt miteinander im Widerspruch stehender Rechtsfolgen offen und im Ergebnis unklar bliebe, ob überhaupt eine Rechtsfolge eintritt. Auch wenn die dem Vermittlungsvorschlag beigefügte Belehrung hinsichtlich des Eintritts einer sechs- und zwölfwöchigen Sperrzeit bei Abbruch der Maßnahme nicht ordnungsgemäß erteilt wurde, kann ihr entnommen werden, dass zumindest eine dreiwöchige Sperrzeit bei Arbeitsablehnung eintreten werde (vgl hierzu schon BSG aaO Rn 22).
Die weiteren Voraussetzungen für den Eintritt der dreiwöchigen Sperrzeit vom 26. Dezember 2018 bis 15. Januar 2019 lagen jedoch nicht vor, und zwar ungeachtet dessen, ob der Kläger durch die unentschuldigte Nichtteilnahme an dem Vorstellungsgespräch vom 22. November 2018 dessen Zustandekommen verhindert hat, ohne hierfür einen wichtigen Grund gehabt zu haben. Denn die Sperrzeit bei Arbeitsablehnung beginnt kraft Gesetzes mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet (das wäre hier der Tag nach dem Vorstellungstermin am 22. November 2018), oder, wenn – wie hier – dieser Tag in eine Sperrzeit fällt (hier die Sperrzeit wegen Maßnahmeabbruchs vom 14. November 2018 bis 4. Dezember 2018, vgl rechtskräftiges Urteil des erkennenden Gerichts vom 28. Juli 2020 – L 18 AL 29/20 -), mit dem Ende dieser Sperrzeit (vgl § 159 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Die Sperrzeit hätte daher bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen im Übrigen nur – kalendermäßig - vom 5. Dezember 2018 bis einschließlich 25. Dezember 2018 eintreten können, nicht aber – und allein dieser Zeitraum ist vorliegend streitbefangen - vom 26. Dezember 2018 bis 15. Januar 2019. Eine Aufhebung der Alg-Bewilligung für den vorgenannten Zeitraum kommt daher auf der Grundlage von § 48 SGB X nicht in Betracht, ebenso wenig eine Minderung des Alg-Anspruchs und dessen Ruhen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.