Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. März 2020 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 28. Dezember 2017 bis 27. März 2018.
Die Beklagte hatte der Klägerin, die seit 2009 als Flugbegleiterin bei der mittlerweile insolventen Air B KG beschäftigt war, nach deren Arbeitslosmeldung am 1. November 2017 ab diesem Zeitpunkt Alg „bis auf weiteres“ bewilligt (Bescheid vom 15. November 2017).
Ab dem 28. Dezember 2017 nahm die Klägerin an einer Flugbegleiterschulung der Deutschen Lufthansa AG (LH) teil, deren Präsenzanteil in F stattfand; auf den Schulungsvertrag vom 29. September 2017 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen. Nach Hinweis auf eine nach Auffassung der Beklagten fehlende Verfügbarkeit während der Schulung (Schreiben vom 1. Dezember 2017) hob die Beklagte die Bewilligung von Alg mWv 28. Dezember 2017 wegen „Aufnahme einer Beschäftigung“ auf (Bescheid vom 21. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2018). Nach Beendigung des Lehrgangs am 26. März 2018 war die Klägerin ab 27. März 2018 bei der LH beschäftigt.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat auf die Klage den Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2018 aufgehoben (Urteil vom 6. März 2020). Die Klägerin habe auch während der Schulungsmaßnahme ein Alg-Anspruch unter Berücksichtigung von § 139 Abs. 3 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) gehabt.
Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil. Sie trägt vor: Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 139 Abs. 3 SGB III seien nicht erfüllt. Die Klägerin habe seinerzeit eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen. Sie sei ab 28. Dezember 2017 nicht mehr arbeitslos gewesen. Es fehle zudem an einer Vereinbarung zwischen der LH und der Klägerin zu einem Abbruch der Maßnahme bei einer Vermittlung in eine neue Beschäftigung. Diese habe an der Maßnahme ausschließlich deshalb teilgenommen, um anschließend die Arbeit bei der LH aufzunehmen. Die Klägerin sei auch ortsabwesend gewesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. März 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl §§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das SG hat den angefochtenen Bescheid vom 21. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2018 zu recht aufgehoben. Durch die Aufnahme der Schulungsmaßnahme bei der LH am 28. Dezember 2017 sind die Voraussetzungen für die Gewährung von Alg bis zum 26. März 2018 nicht entfallen.
In der Sache ist der angefochtene Bescheid aufzuheben, denn er ist materiell rechtswidrig. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob er auch formell rechtmäßig war, wogegen spricht, dass eine ordnungsgemäße Anhörung der Klägerin (vgl § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) vor Aufhebung der Alg-Bewilligung nicht erfolgte.
Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung ist § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X iVm § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, um den es sich bei der Bewilligung von Alg handelt, mWv Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich auf Grund oder Höhe der Leistung auswirkt (vgl nur Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 21. März 1996 - 11 RAr 101/94 - BSGE 78, 109, 111 = SozR 3-1300 § 48 Nr 48 S 111 mwN). Eine solche Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die der Alg-Bewilligung zugrunde lagen, ist vorliegend nicht eingetreten. Für die Zeit ab 28. Dezember 2017 bestand weiterhin ein Alg-Anspruch.
Nach § 136 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 137 Abs. 1 SGB III in den ab 1. April 2012 geltenden und vorliegend anwendbaren Fassungen hat Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit, wer arbeitslos ist (Nr 1), sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet hat (Nr 2) und die Anwartschaftszeit erfüllt (Nr 3).
Die Klägerin nahm im Streitzeitraum an einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung teil, die auf ihrer Tätigkeit als Flugbegleiterin aufbaute und auf die speziellen beruflichen Anfordernisse bei der LH ausgerichtet war (vgl zur Abgrenzung von einer Ausbildung BSG, Urteil vom 30. August 2010 – B 4 AS 97/09 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 19 – Rn 23 mwN aus der Rspr). Es handelte sich insoweit bei einer Gesamtbetrachtung nicht um versicherungspflichtige Beschäftigung, sondern um einen Lehrgang mit Gewährung einer mtl Aufwandsentschädigung. Die Klägerin hatte sich am 1. November 2017 arbeitslos gemeldet und erfüllte die Anwartschaftszeit. Die Klägerin hatte sich auch unmissverständlich und uneingeschränkt der Arbeitsvermittlung, auch im streitbefangenen Zeitraum (vgl schon Vermerk vom 7. Dezember 2017; Widerspruch vom 8. Januar 2018), zur Verfügung gestellt und war damit subjektiv verfügbar (vgl § 138 Abs. 5 Nrn 1, 3 und 4 SGB III).
Entgegen der Auffassung der Beklagten war eine (objektive) Verfügbarkeit (vgl § 138 Abs. 1 Nr 3 iVm Abs. 5 Nrn 1 und 2 SGB III) und deshalb auch eine Erreichbarkeit (vgl § 138 Abs. 5 Nr 2 SGB III) der Klägerin indes nicht zu fordern. Dies gilt sowohl für geförderte Maßnahmen nach § 81 SGB III als auch – in eingeschränktem Umfang - für Maßnahmen iSv § 139 Abs. 3 SGB III (vgl hierzu grundlegend Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 10. Dezember 2019 – B 11 AL 4/19 R = SozR 4-4300 § 144 Nr 28 – Rn 16 ff).
Nimmt eine leistungsberechtigte Person an einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung teil, für die die Voraussetzungen nach § 81 SGB III – wie hier im Streitzeitraum bei der Klägerin - nicht erfüllt sind, schließt dies die Verfügbarkeit nicht aus, wenn (1.) die Agentur für Arbeit der Teilnahme zustimmt und (2.) die leistungsberechtigte Person ihre Bereitschaft erklärt, die Maßnahme abzubrechen, sobald eine berufliche Eingliederung in Betracht kommt, und zu diesem Zweck die Möglichkeit zum Abbruch mit dem Träger der Maßnahme vereinbart hat. Die genannten tatbestandlichen Voraussetzungen sind erfüllt. Auf die zutreffende Begründung des SG (S 4 letzter Absatz Zeile 1 bis S 6 erster Absatz letzte Zeile) nimmt das Berufungsgericht insoweit Bezug und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Begründung ab, vgl § 153 Abs. 2 SGG. Die Klägerin hätte die Schulung bei Aufnahme einer von der Beklagten vermittelten Beschäftigung jederzeit und fristlos kündigen können (vgl Nr. 2 <4> des Schulungsvertrags). Weshalb – wie die Beklagte meint – die Aufnahme einer anderweitigen Beschäftigung keinen solchen wichtigen Kündigungsgrund darstellen sollte, bleibt unerfindlich. Die fehlende Zustimmung der Beklagten zu der Schulungsmaßnahme kann indes – anders als die „Abbruchvereinbarung“ (vgl insoweit BSG, Urteil vom 27. Juni 2016 – B 11 AL 8/18 R = SozR 4-4300 § 144 Nr 27 – Rn 21) - aus den Gründen des angefochtenen Urteils im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden (aaO Rn 41). Denn die Klägerin hatte einen Anspruch auf Zustimmung der Beklagten zur Teilnahme an der LH-Schulung. Die Beklagte war mit der Schulungsmaßnahme eingehend befasst. Die Klägerin hat ihr die Absicht, daran teilzunehmen, bereits am 17. Oktober 2017 und anlässlich der Arbeitslosmeldung am 1. November 2017 mitgeteilt. Diese stellte sich nach der Vorbildung der Klägerin und der konkret absehbaren (und dann auch nach Beendigung des Lehrgangs unmittelbar am 27. März 2018 erfolgten) Einstellung auch in Anbetracht dessen, dass ansonsten Vermittlungsbemühungen der Beklagten in Bezug auf andere Berufs- bzw Tätigkeitsfelder gar nicht erfolgten, als erfolgversprechendste und zeitnahe Eingliederungsmöglichkeit dar. Dies erhellt auch daraus, dass die Beklagte selbst in dem Schreiben vom 1. Dezember 2017 zur „fehlenden Verfügbarkeit“ während des Lehrgangs lediglich die aus ihrer Sicht fehlende Abbruchvereinbarung iSv § 139 Abs. 3 Nr. 2 SGB III gerügt hatte, nicht aber die Eignung bzw Erforderlichkeit der Maßnahme zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.