L 17 EG 4/19

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Abteilung
17
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 36 EG 8/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 17 EG 4/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Die Elterngeldstelle ist auch hinsichtlich der Art der Einkünfte an den Einkommenssteuerbescheid der Berechtigten gebunden.

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 6. März 2019 aufgehoben und die Klage abge­wiesen.

 

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand

 

Der 1972 geborene Kläger erstrebt höheres Elterngeld. Er hält die Einordnung seiner Tätigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr als selbständige Tätigkeit für rechtswidrig.

 

Der Kläger erhielt vom 8. September 2011 bis 7. November 2011 Elterngeld für seine Tochter H F L (Bescheid vom 8. November 2011). Er verdiente als Angestellter im Jahr 2012 29.532,87 Euro, davon wurden 1.817,81 Euro steuerrechtlich als „sonstige Bezüge“ behandelt. Er hatte gemäß dem Einkommens­steuerbescheid 2012 aus „anderer selbständiger Tätigkeit“ (Aufwands­entschädig­ungen von der Freiwilligen Feuerwehr) 1.051,00 Euro steuerbare Einkünfte.

 

Er ist Vater des am  2013 geborenen A R L (im Folgenden: Kind) und lebte mit den Kindern und der Mutter in einem Haushalt in Neuruppin. Er nahm vom 28. Dezember 2013 bis 27. Dezember 2014 Elternzeit.

 

Der Kläger beantragte bereits am 7. November 2013 ab dem 7. Lebensmonat des Kindes (ab 28. Dezember 2013) Elterngeld. Mit Bescheid vom 24. April 2014 gewährte der Beklagte dem Kläger unter dem Vorbehalt der Rückforderung vom 28. Dezember 2013 bis 27. August 2014 pro Lebensmonat 1.037,82 Euro Elterngeld. Der Kläger widersprach. Seine Aufwandsentschädigungen seien kein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit.

 

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 2014 als unbegründet zurück. Die Einnahmen als Einsatzkraft der Freiwilligen Feuerwehr und als ehrenamtlicher Ausbilder seien durch die Elterngeldstelle wie durch das Finanzamt einheitlich als Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit zu werten.

 

Der Kläger hat am 2. Juli 2014 zu dem Sozialgericht Neuruppin Klage erhoben. Die Aufwandsentschädigungen seien kein Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit. Es fehle an der Gewinnerzielungsabsicht. Er habe diese Tätigkeiten schon ausgeübt, als noch keine Aufwandsentschädigungen gezahlt worden seien. Zudem liege die Summe der Aufwands­ent­­schädigungen unter dem steuerfreien Betrag. Wenn überhaupt, sei sie als Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit einzuordnen. Der Bemessungs­zeitraum für das Elterngeld sei auf die Zeit vom 1. Juni 2012 bis 31. Mai 2013 festzusetzen. Der Kläger habe vom 1. Januar 2012 bis 7. März 2012 Elternzeit gehabt und sei vom 30. April 2012 bis 3. August 2012 krank gewesen. Diese Zeiten seien nicht in den Bemessungszeitraum zu ziehen.

 

Der Kläger erhielt im Bezugszeitraum insgesamt 1.391,00 Euro Aufwandsentschädigungen, was er dem Beklagten am 12. September 2014 mitteilte. Mit Bescheid vom 7. Oktober 2014 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 27. Oktober 2017 gewährte der Beklagte dem Kläger vom 28. Dezember 2013 bis 27. August 2014 pro Lebensmonat des Kindes 1.131,53 Euro Elterngeld.

 

Mit gesondertem Bescheid vom selben Datum über die Verzinsung des Elterngeldes verzinste der Beklagte die Nachzahlung in Höhe von 714,24 Euro für den Zeitraum vom 1. April 2015 bis zum 31. Oktober 2017 (31 Kalendermonate). Hiergegen legte der Kläger entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides Widerspruch ein, über den der Beklagte im Hinblick auf die Klage zur Höhe des Elterngeldes einvernehmlich bislang nicht entschieden hat.

 

Das Sozialgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 6. März 2019 unter Abänderung des Bescheides vom 24. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 2014 in der Fassung des Bescheides vom 7. Oktober 2014 und des Teilabhilfebescheides vom 27. Oktober 2017 verurteilt, dem Kläger vom 28. Dezember 2013 bis 27. August 2014 höheres Elterngeld unter Berücksichtigung des vom 1. Juni 2012 bis 31. Mai 2013 erzielten Einkommens aus Erwerbstätigkeit zu gewähren sowie die Nachzahlung zu verzinsen. Die Tätigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr sei keine Erwerbstätigkeit und könne nicht zu einer Verschiebung des Bemessungszeitraums führen.

 

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte am 5. April 2019 Berufung eingelegt. Maßgeblich sei der steuerrechtliche Einkommensbegriff. Danach seien die Aufwandsentschädigungen Einkommen aus selbständiger Tätigkeit und verschöben deshalb den Bemessungszeitraum auf das Jahr 2012.

 

Der Beklagte beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 6. März 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Der Kläger beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er verteidigt das angegriffene Urteil. Der Bemessungszeitraum sei vom 1. Juni 2012 bis zum 31. Mai 2013 anzusetzen. Dass der Steuerbescheid die Aufwandsent­schädigungen als Einkünfte aus selbständiger Arbeit ausweise, sei nicht maßgeblich.

 

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge zum Elterngeld beider Elternteile Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Beratung.

 

Entscheidungsgründe

 

1. Die Berufung des Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 143, 144, § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

 

Statthaft ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Streitgegenstand ist der Bescheid vom 7. Oktober 2014 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 27. Oktober 2017. Begehrt ist mit der Klage höheres Elterngeld vom 28. Dezember 2013 bis 27. August 2014 (Hessisches Landessozialgericht [LSG], Urteil vom 28. Februar 2020 – L 5 EG 19/16 –, Rn. 38 in juris).

 

Diese Bescheide sind gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Nach § 96 Abs. 1 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Abgeändert oder ersetzt wird ein Bescheid, wenn in seine Regelung, den Verfügungssatz, eingegriffen und damit die Beschwer des Betroffenen vermehrt oder vermindert wird (BSG, Urteil vom 14. Juli 2021 – B 6 KA 1/20 R –, Rn. 20 in juris mwN). Diese Vorschrift verfolgt die Ziele, eine schnelle, erschöpfende Entscheidung über das gesamte Streitverhältnis in einem Verfahren zu ermöglichen, divergierende Entscheidungen zu vermeiden und den Kläger vor Rechtsnachteilen zu schützen, die ihm daraus erwachsen, dass er im Vertrauen auf den eingelegten Rechtsbehelf bezüglich weiterer Verwaltungsakte rechtliche Schritte unterlässt (BSG, Urteil vom 3. September 2020 – B 14 AS 55/19 R –, Rn. 10 in juris mwN).

 

Der Bescheid vom 7. Oktober 2014 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 27. Oktober 2017 ersetzt danach den ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 24. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbe­scheides vom 19. Juni 2014. Der Beklagte gewährt die ursprünglich nur vorläufig gewährten Leistungen nunmehr endgültig. Die endgültige Gewährung tritt nicht neben die vorläufige, sondern ersetzt diese.

 

Der Bescheid vom 24. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbe­scheides vom 19. Juni 2014 über vorläufiges Elterngeld ist hingegen nicht mehr Gegenstand dieses Verfahrens. Mit der abschließenden, endgültigen Festsetzung hat sich die Regelung gemäß § 39 Abs. 2 letzte Alternative Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) auf andere Weise erledigt. Auch der vom Kläger mit Widerspruch gesondert angegriffene Verzinsungsbescheid vom 27. Oktober 2017 ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Er ändert den Verfügungssatz des Elterngeldbescheides weder ab noch ersetzt er ihn, sondern trifft eine Regelung, die es bislang noch gar nicht gab, nämlich eine zur Verzinsung.

 

2. Die Berufung des Beklagten ist begründet. Der Bescheid vom 7. Oktober 2014 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 27. Oktober 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

 

Dieser Bescheid ist formell rechtmäßig. Eine gesonderte Anhörung vor einer Festsetzung, die eine vorläufige durch eine endgültige ersetzt, fordert das Gesetz nicht (vgl. BSG, Urteil vom 26. März 2014 – B 10 EG 4/13 R –, Rn. 15 in juris).

 

a) Der Kläger hat dem Grunde nach Anspruch auf Elterngeld.

 

Nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit - Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG; hier in der Fassung vom 10. September 2012) hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, mit seinem Kind in einem Haushalt lebt, dieses Kind selbst betreut und erzieht und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.

 

Der Kläger hat seinen Wohnsitz und seinen gewöhnlichen Aufenthalt (siehe § 30 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - SGB I) in Deutschland. Er hat mit seinem Kind in einem Haushalt gewohnt und es selbst betreut und erzogen. Er hat während dieser Zeit keine volle Erwerbstätigkeit ausgeübt.

 

b) Die Höhe des Elterngeldes ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen. Der Beklagte hat vom 7. bis 14. Lebensmonat des Kindes zu Recht für jeden Lebensmonat 1.131,53 Euro Elterngeld gewährt.

 

Die Höhe des Elterngeldes ergibt sich aus § 2 BEEG in der Fassung vom 10. September 2012 (a. F.). Grundsätzlich ist das Elterngeld aus der Differenz des Einkommens vor und nach der Geburt zu berechnen. Es beträgt im Regelfall 67 Prozent (mindestens 65 Prozent, bei Geringverdienern maximal 100 Prozent) dieser Differenz. Für Geschwister kann es Zuschläge geben. Das Elterngeld beträgt höchstens 1.800,00 Euro, mindestens 300,00 Euro. Vom Einkommen vor der Geburt sind höchstens 2.770,00 Euro anzusetzen.

 

(1) Die Einkommensermittlung im Bemessungszeitraum ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hatte in dieser Zeit monatlich 1.740,82 Euro Einkommen.

 

Hier ist das Jahr 2012 Bemessungszeitraum. Denn der Kläger hat Einkommen aus selbständiger Tätigkeit bezogen. Der Bemessungszeitraum ist gemäß § 2b BEEG in der Fassung vom 23. Oktober 2012 (a. F.) zu ermitteln. Er ist für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 2b Abs. 1 BEEG) anders zu bestimmen als für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit (§ 2b Abs. 2 BEEG). Treffen beide Einkunftsarten zusammen, gilt der Bemessungszeitraum nach § 2b Abs. 2 BEEG (§ 2b Abs. 3 BEEG), sodass bei Einkommen aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit Bemessungs­zeitraum die Gewinnermittlungszeiträume sind, die dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes zugrunde liegen. Die Festlegung unterschiedlicher Bemessungszeiträume für das Elterngeld bei Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit einerseits und Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit sowie Mischeinkünften andererseits verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes. (BSG, Urteil vom 21. Juni 2016 – B 10 EG 8/15 R –, BSGE 121, 222-230; siehe auch BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 10 EG 18/11 R –, Rn. 28 in juris). Eine ungeschriebene Ausnahme von § 2b Abs. 3 S 1 BEEG a. F. schließen der Wortlaut und die Systematik des Gesetzes aus (dazu ausführlich BSG, Urteil vom 27. Oktober 2016 – B 10 EG 4/15 R –, Rn. 19 ff in juris). Das BEEG sieht insoweit kein Wahlrecht des Berechtigten vor und räumt auch der Behörde kein Ermessen ein (BSG, Beschluss vom 21. September 2020 – B 10 EG 1/20 B –, Rn. 8 in juris). Der Bemessungszeitraum wird anhand der steuerrechtlich determinierten Einkommensarten bestimmt. Das Elterngeld soll das wegfallende Einkommen des Elterngeldberechtigten im Bemessungszeitraum möglichst verlässlich und realitäts­getreu abbilden; weshalb seiner Berechnung die Einkünfte zugrunde zu legen sind, die während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor der Geburt den Lebensstandard des Elterngeldberechtigten geprägt haben (BSG, Urteil vom 28. März 2019 – B 10 EG 8/17 R –, Rn. 22 in juris).

 

Der Bemessungszeitraum ist nach § 2b Abs. 3 BEEG a. F. zu bestimmen, weil der Kläger Einkommen aus selbständiger Tätigkeit hatte. Denn die zu versteuernden Aufwandsentschädigungen von der Freiwilligen Feuerwehr sind solches Einkommen. Diese waren – anders als der Kläger ausführt – nicht steuerfrei. Das ergibt sich aus dem Steuerbescheid. Sie sind in Höhe von 1.051,00 Euro zu versteuernde Einkünfte des Klägers. Das elterngeldrechtliche „Einkommen aus Erwerbstätigkeit“ ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 BEEG a. F. die Summe der positiven Einkünfte gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 Einkommensteuergesetz (EStG). Bei Einkünften aus selbständiger Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 EStG handelt es sich auch elterngeldrechtlich um Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit. Das ergibt sich auch aus § 2d BEEG, hier in der Fassung vom 10. September 2012 (a. F.). Danach sind bei der Ermittlung der im Bemessungszeitraum zu berücksichtigenden Gewinneinkünfte die entsprech­enden „im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen“ Gewinne anzusetzen. Im Elterngeld­recht gilt für die Ermittlung des Elterngelds nichts anderes, wenn Bemessungsgrund­lage für das Elterngeld der steuerrechtlich ermittelte Gewinn ist (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2015 – B 10 EG 6/14 R –, Rn. 15 in juris).

 

Die steuerrechtliche Gewinnbe­rechnung ist zur Grundlage zu machen. Im BEEG wird die strenge Bindung des elterngeldrechtlichen Einkom­mensbegriffs an das Steuerrecht und die dortigen Einkunftsarten durch die immer wiederkehrenden Verweisungen auf das Einkommenssteuerrecht deutlich (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2017 – B 10 EG 7/17 R –, Rn. 33 ff in juris). Die strenge Orientierung des Einkommens im BEEG an den steuerrechtlichen Einkunftsarten entspricht dem Willen des Gesetzgebers. Bei der Berechnung des Elterngeldes soll die Verwaltung entlastet werden; die Berechnung soll einfach sein, indem an den steuerrechtlichen Einkommensbegriff angeknüpft wird und die Abzüge pauschal berücksichtigt werden (BT-Drs. 17/1221, S. 8). Die vom Gesetzgeber angestrebte Verwaltungsvereinfachung durch Rückgriff auf das Steuerrecht überschreitet das Maß des Zumutbaren für die betroffene Personengruppe aber auch im ungünstigsten Fall nicht (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2015 – B 10 EG 6/14 R –, Rn. 19 in juris). Den sich daraus ergebenden Wertungswiderspruch zum sozialrechtlichen Einkommensbe­griff, etwa im Sozial­gesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II), hat der Gesetzgeber wissentlich in Kauf genommen. In der ursprünglichen Fassung des BEEG wurde der sozialrechtlicher Einkommensbegriff zugrunde gelegt (BT Drs. 426/06, S. 4). Diesen Einkommensbegriff hat der Gesetzgeber bewusst mit dem Ziel der Verwaltungsvereinfachung verworfen und stattdessen die Orientierung am Steuerrecht gewählt. 

 

Dass die Elterngeldstelle lediglich an die Berechnung, nicht aber an die Beantwortung der Frage, welche Art von Einkommen vorliegt, gebunden sein soll, etwa bei der Frage, ob diese aus selbständiger oder unselbständiger Tätigkeit erzielt sind, findet im Gesetz keine Stütze. Auch das Sozialgericht, das diese Ansicht vertreten hat, leitet seine Auffassung nicht aus dem BEEG her. Die Elterngeldstelle soll derartige Einkünfte zweifelsfrei identifizieren und soll sich zu diesem Zweck nicht an den Einkommenssteuerbescheid unverbindlich orientieren, sondern ist an diesen gebunden (vgl. in diesem Zusammenhang BSG, Urteil vom 14. Dezember 2017 – B 10 EG 7/17 R -, in juris Rn. 25 in juris). Eine Trennung zwischen der genereller Einordnung und der Berechnung ist auch gar nicht möglich. Wäre es Aufgabe der Elterngeldstelle, die Einkünfte von Elterngeldberechtigten jeweils selbst einzuschätzen, müsste sie bei verschiedenen Einkünften und einer – im Vergleich zum Finanzamt – teilweise unterschiedlichen Einschätzung in der Folge doch eine eigene steuerrechtliche Berechnung vornehmen. Dies ist aber vom Gesetzgeber ersichtlich nicht gewollt. Im Übrigen hat der Senat keine Zweifel, dass jedenfalls die Dozententätigkeit des Klägers bei der Feuerwehr zu Einkommen aus selbständiger Tätigkeit führt, so dass der Beklagte auch bei – unterstellt – fehlender Bindung an den Bescheid der Steuerbehörde den Bemessungszeitraum zutreffend bestimmt hat.

 

Dass die Verschiebung des Bemessungszeitraums auf – nach Abzug des Freibetrages von 2.100,00 Euro – eher geringem Einkommen beruht, ändert am Ergebnis nichts (so bereits BSG, Urteil vom 5. April 2012 – B 10 EG 4/11 R –, SozR 4-7837 § 2 Nr. 13 zur Vorgängerregelung § 2 Abs. 9 BEEG). Die steuerrechtliche Einordnung der Aufwandsentschädigungen ist eindeutig und auch zwischen den Beteiligten nicht strittig. Beide halten den Steuerbescheid 2012 für rechtmäßig. Auch wenn der Kläger im Dienste der Allgemeinheit bei der Freiwilligen Feuerwehr Aufgaben gegen eine Aufwandsent­schädigung übernimmt, kann er dadurch zu versteuerndes Einkommen erzielen. Bei Zahlungen, die, wie hier, nicht nur unwesentlich höher sind als die bei der Tätigkeit entstandenen Aufwendungen, ist im Übrigen der Schluss gerechtfertigt, dass das Ehrenamt nicht nur allein aus reinem Engagement betrieben wird, sondern dass auch der finanzielle Vorteil eine Rolle spielt (vgl. zur steuerrechtlichen Behandlung eines solchen „Motivbündels“: Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. September 2018 – 4 K 4277/15 –, Juris). Der zu versteuernde finanzielle Vorteil ist deshalb elterngeldrechtlich zu berücksichtigen ist, ob zu Gunsten (wie in den meisten Fällen) oder auch zu Ungunsten des Empfängers der Zahlungen. Der Gesetzgeber hat im Steuerrecht zwar mit verhältnismäßig hohen Freibeträgen für solche Aufwandsentschädigungen den Nutzen dieser Tätigkeiten für die Allgemeinheit anerkannt. Aber gleichwohl sind sie zu versteuern, wenn sie einen bestimmten Betrag überschreiten (hier: 2.100,00 Euro). Die steuerrechtliche Einordnung ist im Elterngeldrecht nicht zu korrigieren. Weder der Wortlaut des BEEG noch Sinn und Zweck der Regelung sprechen für eine Überprüfung der steuerrechtlichen Gewinnermittlung durch die Elterngeldbehörde.

 

Es liegt auf der Hand, dass die Orientierung am steuerrechtlichen Einkommensbegriff zu Spannungen führt, weil dieser Einkommensbegriff völlig andere Ziele verfolgt. Allerdings erhöhen diese Aufwandsentschädigungen nicht das Elterngeld, soweit sie – anders als hier – geringer als der Freibetrag sind (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 9. Juni 2011 – L 17 EG 20/10 –, Juris) . Man kann nicht unterstellen, dass der Gesetzgeber dieses Spannungsverhältnis übersehen hat, er hat es zugunsten der für die Verwaltung leicht handhabbaren Übernahme der Ergebnisse der steuerrechtlichen Prüfung aufgelöst.

 

Eine Verschiebung des Bemessungszeitraums auf das Jahr 2011 ist nicht möglich. Die Voraussetzungen von § 2b Abs. 1 Satz 2 BEEG a. F. liegen nicht vor. Um Monate, die nicht den wirtschaftlichen Dauerzustand vor der Geburt abbilden, nicht in den Bemessungszeitraum einzube­ziehen, hat der Gesetzgeber über § 2b Abs. 1 Satz 2 BEEG a. F. solche Zeiten ausgeschlossen. Keine der dort geregelten Ausnahmen liegt hier vor. Insbesondere hat der Kläger im Jahr 2012 kein Elterngeld bezogen. Die Bezugszeit für die ältere Tochter endete am 7. November 2011. Auch fehlt es insoweit am Antrag des Klägers. Die vom ihm begehrte Verschiebung auf die 12 Monate unmittelbar vor der Geburt ist auf diesem Weg ohnehin nicht zu erreichen (BSG, Beschluss vom 21. September 2020 – B 10 EG 1/20 B –, Rn. 8 in juris).

 

Das maßgebliche monatliche Einkommen im Bemessungszeitraum, dem Jahr 2012, beträgt 1.740,82 Euro. Der Senat verweist gemäß § 153 Abs. 1, § 136 Abs. 3 SGG auf die Anlage 1 zum Bescheid vom 7. Oktober 2014, der er nach eigener Prüfung folgt. Auszugehen ist gemäß § 2d Abs. 1 BEEG a. F. von 1.051,00 Euro Gewinn aus selbständiger Tätigkeit, wie sie sich aus dem Einkommens­steuerbescheid 2012 ergeben, und gemäß § 2c BEEG in der Fassung vom 10. September 2012 von 29.532,87 Euro Gehalt, die der Kläger als Angestellter im Jahr 2012 verdient hat. Von dem Gehalt bleiben gemäß § 2c Abs. 1 Satz 2 jedoch 1.817,81 Euro unberücksichtigt, weil dieser Teil im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt wurde. Der auf den Monat umgerechnete Betrag ist um ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags und um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach den §§ 2e und 2f BEEG zu vermindern.

 

(2) Der Elterngeldanspruch beträgt 1.131,53 Euro, das sind 65 Prozent von 1.740,82 Euro. In der Bezugszeit hatte der Kläger kein Einkommen. Die in dieser Zeit erzielten insgesamt 1.391,00 Euro Aufwandsentschädigungen sind geringer als der steuerrechtliche Freibetrag und deswegen nicht als Einkommen zu berücksichtigen.

 

Der maßgebliche Prozentsatz (65 Prozent) ergibt sich aus § 2 Abs. 2 Satz 2 BEEG. Danach beträgt er ab einem Einkommen aus Erwerbstätigkeit im Bemessungs­zeitraum von 1.240,00 Euro 65 Prozent. Der Prozentsatz sinkt von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die das den Betrag von 1.200,00 Euro überschreitet, auf bis zu 65 Prozent.

 

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
Saved