L 16 R 76/19 WA

Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 69 R 4977/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 76/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Ein vom Gericht eingesetzter Nachlasspfleger kann die Leistung von Rentennachzahlungen nicht beanspruchen, wenn der Fiskus als Erbe in Betracht kommt. Eine diesbezügliche Leistungsklage ist unzulässig. 2. Bei den Mitteilungen eines Rentenversicherungsträgers über den endgültigen Einbehalt von Rentennachzahlungen handelt es sich um Verwaltungsakte i.S.v. § 31 SGB X (Anschluss an Bayerisches LSG , LSG Rheinland-Pfalz und LSG Niedersachsen-Bremen ). 3. Trotz Eingreifen der „Verfallklausel“ des § 44 Abs. 4 SGB X kann ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Änderung von Bescheiden im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X bestehen, wenn mit diesen Bescheiden ein möglicher rechtlicher Grund für die weitere Einbehaltung bereits bewilligter Leistungen fortbesteht (Anschluss an BSG, Urteil vom 23. Februar 2017 – B 4 AS 57/15 R –).

Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 2. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

 

 

Tatbestand

 

Die unbekannten Erben nach A S (nachfolgend: Versicherte), gesetzlich vertreten durch die Nachlasspflegerin, wenden sich im Zugunstenverfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) gegen die – aufgrund von Erstattungsansprüchen erfolgte – Auszahlung von Rentennachzahlungen an das beigeladene Sozialamt.

 

Die am  1945 geborene und am  2017 verstorbene, ledig gebliebene, kinderlose Versicherte mit einem Grad der Behinderung von zuletzt 100 (Bescheide des Landesamtes für Gesundheit und Soziales vom 30. November 2000, 11. September 2001 und 8. September 2015) war nach einer zweijährigen Ausbildung als Bürolehrling zunächst als Büroangestellte beim „Hansa Krankenschutz“ und später als Telefonistin / Bürokraft im Schichtdienst bei der Bewag tätig, bevor sie sich 1981 als Marktverkäuferin – zunächst mit einem Trödel-, später mit einem Textilienstand – selbständig machte. Es bestand eine freiwillige Versicherung bei der Beigeladenen zu 2). Ab August 1998 übte die Versicherte ihre selbständige Tätigkeit nicht mehr aus und meldete ihr Gewerbe zum 1. April 1999 ab. Gleichzeitig stellte sie einen Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe, die ihr ab April 1999 bis Mai 2000 bewilligt wurde. Von Juni 2000 bis Dezember 2001 erhielt die Versicherte ergänzende Sozialhilfe. Mit Beschluss vom 27. Juni 2001 wurde eine Betreuung für sie angeordnet.

 

Im Rahmen eines vor dem Sozialgericht (SG) Berlin geführten Klageverfahrens (S 11 RA 4651/99) erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 7. Februar 2000 das Vorliegen von Berufsunfähigkeit (BU) bei der Versicherten auf der Grundlage eines Leistungsfalles vom 21. Januar 1999 an und gewährte ihr eine BU-Rente für die Zeit vom 1. August 1999 bis zum 31. Januar 2001.Die ermittelte Nachzahlung für die Zeit vom 1. August 1999 bis 31. März 2000 i.H.v. 6.095,44 DM kehrte die Beklagte an den Beigeladenen zu 1) aus. Dies teilte sie der Versicherten mit.

 

Mit Rentenbescheid vom 20. März 2000 gewährte die Beklagte der Versicherten eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) auf Zeit bis zum 31. Januar 2001. Die der Versicherten für die Zeit vom 1. Oktober 1999 bis 30. April 2000 zu gewährende Nachzahlung bezifferte sie auf 2.666,37 DM. Mit Schreiben vom 9. Mai 2000 teilte sie der Versicherten mit, dem Beigeladenen zu 1) 2.285,46 DM zur Erfüllung des Erstattungsanspruchs überwiesen zu haben.

 

Nachdem die Beklagte die Renten der Versicherten neu berechnet hatte, ergaben sich Nachzahlungsbeträge i.H.v. 115,82 DM und 781,74 DM, mithin insgesamt 897,56 DM. Von diesem Betrag kehrte die Beklagte 636,98 DM an den Beigeladenen zu 1) aus. Hierüber und über den verbleibenden Rentennachzahlungsbetrag i.H.v. 260,58 DM setzte sie die Versicherte mit Schreiben vom 23. August 2000 in Kenntnis.

 

Aufgrund der Neuberechnung der EU-Rente der Versicherten ab 1. Juli 2000 ergab sich ein Nachzahlungsbetrag i.H.v. 6.185,40 DM (Bescheid vom 22. Mai 2001). Mit Schreiben vom 11. Juni 2001 machte der Beigeladene zu 1) Erstattungsansprüche i.H.v. 1.575,83 DM (Krankenversicherungsbeiträge für die Monate Juli bis Dezember 2000 sowie Weihnachts- und Krankenhilfe im Dezember 2000) sowie i.H.v. 7.729,18 DM (Hilfe zum Lebensunterhalt und Krankenversicherungsbeiträge für die Zeit von Januar bis Juni 2001), mithin insgesamt 9.305,01 DM, geltend. Die Beklagte teilte der Versicherten mit Schreiben vom 11. Juli 2001 mit, dass sie zur Erfüllung des geltend gemachten Erstattungsanspruchs 6.185,40 DM an den Beigeladenen zu 1) überwiesen habe.

 

Am 17. Januar 2002 erkannte die Beklagte einen Anspruch der Versicherten auf EU-Rente auf unbestimmte Zeit auf der Grundlage eines Leistungsfalles vom 31. März 1999 ab 1. April 1999 an (Rentenbescheid vom 25. Januar 2002). Die Nachzahlung für die Zeit vom 1. April 1999 bis 31. März 2002 betrug 2.847,82 €. Auf der Grundlage eines Leistungsfalles vom 21. Januar 1999 erkannte die Beklagte sodann am 22. April 2002 einen Anspruch auf EU-Rente auf unbestimmte Zeit ab 1. Februar 1999 an. Der Beigeladene zu 1) machte mit Schreiben vom 22. Mai 2002 einen Erstattungsanspruch i.H.v. 15.109,35 DM für geleistete Sozialhilfe in der Zeit von April 1999 bis Dezember 2001 geltend. Die Beklagte informierte die Versicherte mit Schreiben vom 27. Mai 2002 darüber, dass sie an den Beigeladenen zu 1) zur Erfüllung geltend gemachter Erstattungsansprüche für die Zeit bis 31. Dezember 2001 5.439,40 DM und für die Zeit ab 1. Januar 2002 53,20 € überwiesen habe, und bezifferte die verbleibende Rentennachzahlung (13,50 €).

 

Im Juni 2002 wandte sich die Versicherte an die Beklagte mit dem Vorbringen, das Erstattungsbegehren des Beigeladenen zu 1) sei zu hoch.

 

Mit Rentenbescheid vom 12. Juli 2002 wurde festgestellt, dass die Versicherte eine BU-Rente vom 1. Februar 1999 bis zum 31. März 1999 erhalte. Die Nachzahlung betrage 928,55 €. Zudem ergab sich aufgrund einer Neuberechnung der EU-Rente eine Nachzahlung i.H.v. 175,62 €.

 

Am 27. Dezember 2002 bat die Versicherte anlässlich einer Vorsprache bei der Beklagten um eine Aufstellung über die Erstattungsansprüche des Beigeladenen zu 1). Zur Begründung führte sie an: Sie vermute, dass dieser in fehlerhafter Weise auch Leistungen für Krankenkasse, Wohngeld etc. berechnet habe. Mit Schreiben vom 13. Januar 2003 übersandte die Beklagte der Versicherten die entsprechende Aufstellung. Zudem bat sie den Beigeladenen zu 1) um Überprüfung der Höhe der Erstattungsansprüche (Schreiben vom 17. Januar 2003). Des Weiteren übersandte sie der Versicherten Kopien der Schreiben des Beigeladenen zu 1) vom 21. Februar 2000, 11. Juni 2001 und 22. Mai 2002, mit dem dieser Erstattungsansprüche geltend gemacht hatte. Nach weiteren Eingaben der Versicherten übersandte ihr die Beklagte mit Schreiben vom 14. Februar 2003 eine Übersicht betr. den Zeitraum Februar 1999 bis lfd. über den Zahlbetrag der Rente, die Höhe des Erstattungsanspruchs des Beigeladenen zu 1), die an den Beigeladenen zu 1) tatsächlich gezahlten Beträge und die an die Versicherte ausgekehrten Rentenbeträge. Hieraus ergab sich, dass ein Betrag i.H.v. 20.643,92 DM an den Beigeladenen zu 1) erstattet worden war; dem standen geltend gemachte Erstattungsbeträge i.H.v. 28.686,52 DM gegenüber.

 

Nachdem die Versicherte weiter insistierte, bat die Beklagte den Beigeladenen zu 1) mit Schreiben vom 28. Februar 2003 um Mitteilung, ob er in der Zeit der freiwilligen Versicherung der Versicherten in der Kranken- und Pflegeversicherung (KV und PV) vom 1. Februar 1999 bis 31. März 2002 entsprechende Beiträge – und wenn ja, in welcher Höhe – übernommen habe. Der Beigeladene zu 1) übersandte mit Schreiben vom 9. Juli 2003 eine entsprechende Aufstellung über gezahlte KV- und PV-Beiträge für die Zeit von Mai 1999 bis Dezember 2001 (danach waren monatliche Zahlungen in unterschiedlicher Höhe mit Ausnahme des Monats September 2001 erfolgt).

 

Mit Schreiben vom 18. Juli 2003 teilte die Beklagte der Versicherten mit, dass der Erstattungsanspruch des Beigeladenen zu 1) im Rahmen des § 104 SGB X ordnungsgemäß abgerechnet worden sei. Die mit Bescheid vom 22. Mai 2001 festgestellten Zuschüsse zur KV / PV seien vom Beigeladenen zu 1) zu beanspruchen gewesen, da er die entsprechende Beitragslast im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt übernommen habe. Zur eventuellen weiteren Abklärung des Sachverhalts möge sich die Versicherte ausschließlich an das Bezirksamt wenden. Weitere Eingaben der Versicherten erfolgten danach nicht mehr. Erst im Dezember 2006 meldete sie sich wieder mit dem Begehren, ihre Rentenhöhe im Hinblick auf die Rechtsprechung (Rspr.) des Bundessozialgerichts (BSG) zur Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,0 bei der Berechnung einer EM-Rente zu überprüfen.

Mit Schreiben vom 31. Oktober 2008 – eingegangen bei der Beklagten am 6. November 2008 – bat die Versicherte um „Überprüfung / Berichtigung / umgehende Erstattung“ ihrer „überzahlten KV-Beiträge“ aus dem „Verrechnungsanspruch“ des Beigeladenen zu 1). Dieser stimme nicht mit den an sie überbrachten Leistungen überein; ihr zustehende Wohngeldnachzahlungen, Krankenbeihilfen, Weihnachtsgeld und Bekleidungsbeihilfen seien fehlerhaft in die Verrechnung einbezogen worden. Mit Schreiben vom 14. November 2008 und 8. Januar 2009 teilte die Beklagte der Versicherten unter Bezugnahme auf ihr Schreiben vom 18. Juli 2003 mit, eine Überprüfung der Sach- und Rechtslage habe keine neuen Gesichtspunkte ergeben. Zur weiteren Abklärung des Sachverhalts möge sich die Versicherte an den Beigeladenen zu 1) wenden.

 

Auf das entsprechende, am 23. Januar 2009 gestellte schriftliche Ersuchen der Versicherten teilte ihr die Beklagte mit, ihrem Antrag auf Rücknahme der Bescheide vom 23. August 2000, 11. Juli 2001 und 27. Mai 2002 könne nicht entsprochen werden (Bescheid vom 29. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2009). Bei der Abrechnung der Rentennachzahlungen seien die geltend gemachten Erstattungsansprüche des Beigeladenen zu 1) zu berücksichtigen gewesen. Für eine fehlerhafte Abrechnung der Rentennachzahlung ergäben sich keine Anhaltspunkte. Eine Überprüfung habe ergeben, dass die Rente jeweils in zutreffender Höhe festgestellt worden sei.

 

Im nachfolgenden Klageverfahren hat das SG Berlin die Klage mit Gerichtsbescheid vom 2. Oktober 2012 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Versicherte habe gegen die Beklagte im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X keinen Anspruch auf Änderung der Bescheide vom 23. August 2000, 11. Juli 2001 und 27. Mai 2002 und Nachzahlung von Rente, da die "Verfallklausel" des § 44 Abs. 4 SGB X eingreife. Die Verwaltung habe eine Rücknahmeentscheidung nach § 44 Abs. 1 SGB X nicht mehr zu treffen, wenn die rechtsverbindliche, grundsätzlich zurückzunehmende Entscheidung ausschließlich Leistungen für eine Zeit betreffe, die außerhalb der durch den Rücknahmeantrag bestimmten Verfallfrist liege. Vorliegend habe die Versicherte frühestens mit Schreiben vom 31. Oktober 2008 einen Antrag auf Erteilung eines sog. Zugunstenbescheides gestellt, weshalb eine Rückwirkung nur bis zum 1. Januar 2004 möglich sei. Die zur Überprüfung gestellten Bescheide stammten jedoch aus den Jahren 2000 bis 2002. Soweit die Versicherte vortrage, dass zwischen den Jahren 2003 und 2008 über die Rechtmäßigkeit der zur Überprüfung gestellten Bescheide gestritten worden sei, treffe dies nicht zu. Vielmehr habe die Beklagte zuletzt mit Schreiben vom 18. Juli 2003 der Versicherten mitgeteilt, dass der Erstattungsanspruch des Beigeladenen zu 1) ordnungsgemäß abgerechnet worden sei. Danach habe sich die Versicherte bei der Beklagten erst wieder im Oktober 2008 gemeldet.

 

Mit ihrer Berufung vom 1. November 2012 hat die Versicherte ihr Begehren auf Änderung der Bescheide vom 23. August 2000, 11. Juli 2001 und 27. Mai 2002 und Nachzahlung von Rente – nunmehr im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs – weiter verfolgt. Das zwischenzeitlich nach Versterben der Versicherten mit Beschluss vom 4. Oktober 2017 ausgesetzte Berufungsverfahren ist im Februar 2019 wieder aufgenommen worden.

 

Die Kläger beantragen sinngemäß,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 2. Oktober 2012 und den Bescheid vom 29. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 23. August 2000, 11. Juli 2001 und 27. Mai 2002 zu einer Rentennachzahlung zu verpflichten.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

 

Der Beigeladene zu 1) beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er trägt vor: Auch wenn nicht vollständig aufgeklärt werden könne, ob die Erstattungsbeiträge in zutreffender Höhe geltend gemacht worden seien, sei im Ergebnis doch festzustellen, dass die der Versicherten gewährte Sozialhilfe höher gewesen sei als die vereinnahmten Erstattungsbeträge. Eine doppelte Leistung von an die Beigeladene zu 2) geleisteten Krankenversicherungsbeiträgen lasse sich den Unterlagen – anders als von der Versicherten vermutet – nicht entnehmen.

 

Die Beigeladene zu 2) stellt keinen Antrag.

 

Sie hält den Gerichtsbescheid für zutreffend.

 

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der die Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Entscheidung geworden sind.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit zuvor einverstanden erklärt hatten, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

 

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Die Klage auf Leistung von Rentennachzahlungen ist bereits unzulässig; die weiteren Klagen sind unbegründet.

 

Mit dem Tod der Versicherten im Berufungsverfahren hat auf der Klägerseite ein Betei-ligtenwechsel kraft Gesetzes stattgefunden. Sonderrechtsnachfolger i.S.d. § 56 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) sind nicht vorhanden; ein natürlicher Erbe wurde nach Auskunft der Kläger bisher nicht ermittelt. Mit der Bestellung der Nachlasspflegerin durch das Nachlassgericht ist diese als gesetzliche Vertreterin der endgültigen Erben aktiv prozessführungsbefugt; die Bestellung erfolgt für denjenigen, der Erbe wird (vgl. § 1960 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]; BGH, Urteil vom 8. Dezember 2004 – IV ZR 199/03 – juris Rn. 16 f.). In dieser Eigenschaft und nicht etwa als Vertreter des Nachlasses bzw. treuhänderische Amtsperson hat sie nach herrschender Auffassung ihrer Hauptaufgabe, der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses, für den wirklichen Erben nachzukommen mit nach außen grundsätzlich unbeschränkter Vertretungsmacht und Verfügungsbefugnis (BGH, a.a.O. Rn. 17). Dementsprechend begehrt sie mit der noch von der Versicherten erhobenen, nunmehr fortgeführten Klage unter Aufhebung des Bescheides vom 29. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2009 und Änderung der Bescheide vom 23. August 2000, 11. Juli 2001 und 27. Mai 2002 die Nachzahlung von Rente durch die Beklagte.

 

Die insofern erhobene kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 und 4 i.V.m. § 56 SGG) ist zwar statthaft, aber in Bezug auf die Leistungsklage unzulässig. Denn die Nachlasspflegerin als gesetzliche Vertreterin der noch unbekannten Erben kann die Zahlungsansprüche zum gegenwärtigen Zeitpunkt, in dem nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist, nicht mit Erfolg geltend machen. Der Nachlasspflegerin fehlt für die Leistungsklage das Rechtsschutzinteresse. Denn solange – mangels Sonderrechtsnachfolger – nur die abstrakte Möglichkeit besteht, dass ein natürlicher Erbe vorhanden ist und noch ermittelt wird, hat dieser, wie sich aus Sinn und Zweck der Regelung in § 58 Satz 2 SGB I ergibt, kein schützenswertes Interesse, den Zahlungsanspruch gegenüber der Beklagten durchzusetzen. Zwar sind die von der Nachlasspflegerin geltend gemachten Ansprüche auf Geldleistungen wegen des anhängigen Rechtsstreits nicht mit dem Tod der Versicherten erloschen (vgl. § 59 Satz 2 SGB I). Ob vorliegend der Fiskus als Erbe in Betracht kommt oder eine natürliche Person, steht nicht bindend fest, weil eine Feststellung des Nachlassgerichts nach § 1964 Abs. 1 BGB, dass ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist, bisher nicht getroffen worden ist. Dies kann indes dahinstehen. Denn für diese Fallgestaltung ist bereits höchstrichterlich entschieden (vgl. BSG, Urteil vom 25. November 1982 – 5b RJ 46/81 – juris Rn. 10 f. sowie Urteil vom 13. September 1994 – 5 RJ 44/93 – juris Rn. 12, worauf der Senat die Beteiligten am 3. Februar 2021 schriftlich hingewiesen hat), dass ein vom Gericht eingesetzter Nachlasspfleger – wie hier – die Auszahlung der Rente nicht beanspruchen kann, wenn der Fiskus im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge (vgl. §§ 1922 ff., 1964 BGB) als Erbe in Betracht kommt. Denn solange dies, wie hier, der Fall ist, besteht die Möglichkeit, dass die Ansprüche nach § 58 Satz 2 SGB I nicht geltend gemacht werden können, die Erfüllung der vom Nachlassverwalter geltend gemachten Forderung mithin endgültig nicht verlangt werden kann. Nach dieser Vorschrift kann der Fiskus als gesetzlicher Erbe fällige Ansprüche auf Geldleistungen, die nicht nach den §§ 56 und 57 SGB I einem Sonderrechtsnachfolger zustehen, nicht geltend machen. Zwar besteht, wie in den vom BSG entschiedenen Revisionsverfahren (a.a.O.), auch hier noch die – abstrakte – Möglichkeit, dass ein bisher nicht ermittelter natürlicher Erbe vorhanden ist, demgegenüber die Erfüllung der Leistung seitens der Beklagten nicht verweigert werden könnte. Diese bloße Möglichkeit genügt indes nach aus Sicht des Senats gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung (a.a.O.), der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. bereits Urteil des Senats vom 18. September 2019 – L 16 R 74/18 –, juris), nicht, um dem Nachlasspfleger das Recht zuzubilligen, die fälligen höheren Rentenansprüche zum gegenwärtigen Zeitpunkt gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Denn die Einreden, die gegen ein Zahlungsverlangen des Erben – ggf. gegenüber dem Fiskus – bestünden, bestehen auch gegenüber dem Nachlassverwalter. Insofern hat der Gesetzgeber den Fiskus als Erben aber generell von der Geltendmachung rückständiger Rentenansprüche ausgeschlossen. Bei dieser Sachlage kann das begehrte Urteil die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung eines Erben gegenwärtig nicht verbessern, so dass es für die Rechtsverfolgung für die noch unbekannten Erben, wie ausgeführt, in Bezug auf die erhobene Leistungsklage am Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Dies gilt auch, soweit die Kläger die geltend gemachten Zahlungsansprüche unmittelbar auf die Rentenbewilligungsentscheidungen stützen.

 

Dagegen ist die zugleich (kombiniert) erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig (zum fehlenden Rechtsschutzinteresse bei isolierter Anfechtungsklage vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2012 – B 2 U 15/11 – juris Rn. 6), weil die Nachlasspflegerin als gesetzliche Vertreterin der unbekannten Erben allein hiermit verhindern kann, dass der zunächst von der Versicherten und nach deren Ableben während des anhängigen Rechtstreits nunmehr für die unbekannten Erben geltend gemachte Anspruch auf Geldleistungen gegenüber der Beklagten, nämlich der Gewährung ungeschmälerter Rentennachzahlungen, untergeht. Diese Klagen sind jedoch nicht begründet.

 

Die Kläger haben gegen die Beklagte im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X keinen Anspruch auf Änderung der Bescheide vom 23. August 2000, 11. Juli 2001 und 27. Mai 2002 und auf Auszahlung der seitens der Beklagten zur Erfüllung der Erstattungsansprüche des Beigeladenen zu 1) einbehaltenen Rentennachzahlungen.

 

Bei den Mitteilungen der Beklagten vom 23. August 2000, 11. Juli 2001 und 27. Mai 2002 über den endgültigen Einbehalt der Rentennachzahlungen der Versicherten aufgrund der Erstattungsansprüche des Beigeladenen zu 1) handelt es sich nach Auffassung des Senats um Verwaltungsakte im Sinne von § 31 SGB X.

 

Gemäß § 31 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung und andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Ob die Erklärung einer Behörde als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, richtet sich danach, wie ein (objektiver) Empfänger diese Erklärung bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls zu deuten hatte (objektiver Empfängerhorizont). Maßgebend ist die im Verfügungssatz getroffene Regelung, die darin abgegebene Erklärung und der aus dem Inhalt ersichtliche Erklärungswille, wobei der Verfügungssatz nicht in der Art einer Entscheidungsformel der Begründung vorangestellt sein muss, sondern auch in der Begründung des Verwaltungsaktes enthalten sein kann.

 

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes hat die Beklagte mit den Mitteilungen über den Einbehalt von Rentennachzahlungen in den Schreiben vom 23. August 2000, 11. Juli 2001 und 27. Mai 2002 endgültige Entscheidungen zur jeweiligen Regelung eines Einzelfalls, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist, getroffen. Denn damit wurde der Verbleib der gemäß den Rentenbescheiden vom 20. März 2000, 22. Mai 2001 und 25. Januar 2002 zunächst nicht ausgezahlten Nachzahlungen geregelt (so auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Oktober 2018 – L 6 R 453/15 –juris Rn. 39; Bayerisches LSG, Urteile vom 27. Juni 2017 – L 13 R 171/15 – juris Rn. 26, 29; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. Juli 2020 – L 12 R 143/19 – juris Rn. 29 f. <Revision anhängig: B 13 R 15/20 R>). Die Erklärungen der Beklagten in den Schreiben vom 23. August 2000, 11. Juli 2001 und 27. Mai 2002 über die einbehaltenen Rentennachzahlungen stellen aus Sicht eines verständigen Empfängers eine Regelung dar, zu deren Begründung jeweils die (teilweise) Erfüllung der vom Beigeladenen zu 1) geltend gemachten Erstattungsansprüche angeführt wurde. Bei den vorgenannten Schreiben handelt es sich nach Auffassung des Senats jeweils um sog. feststellende Verwaltungsakte, die im Einzelfall die Rechtslage für die Beteiligten verbindlich feststellen. Ist eine Erklärung darauf gerichtet, die im Verhältnis von Staat und Bürger bestehenden Unsicherheiten zu beseitigen, indem sie die generelle und abstrakte Regelung verbindlich konkretisiert und individualisiert, so legt die Behörde mit Außenwirkung fest, was im Einzelfall rechtens sein soll und trifft damit eine Regelung (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen im o.a. Urteil vom 23. Juli 2020, a.a.O., Rn. 30 m.w.N.). Dies geschieht vorliegend jedenfalls dadurch, dass die Beklagte das Vorliegen der Voraussetzungen für den Eintritt der Erfüllungsfiktion nach § 107 SGB X und den entsprechenden Einbehalt der Rentennachzahlung der Versicherten gegenüber dem Grunde und der Höhe nach festgestellt hat. Gerade die Feststellung der Erfüllungswirkung verlangt die Abklärung und Feststellung der jeweiligen, mitunter auch durchaus komplexen tatbestandlichen Voraussetzungen der maßgeblichen normativen Vorgaben (vgl. Bayerisches LSG im o.a. Urteil vom 27. Juni 2017, dort Rn. 29). Die Versicherte durfte davon ausgehen, dass die Beklagte mit den Mitteilungen in den Schreiben vom 23. August 2000, 11. Juli 2001 und 27. Mai 2002 ihr gegenüber endgültig eine Entscheidung hinsichtlich der Rentennachzahlungen getroffen und jeweils einen (Teil-)Auszahlungsanspruch abgelehnt hatte. Die Beklagte selbst ging davon aus, Bescheide erlassen zu haben (vgl. den angefochtenen Bescheid vom 29. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2009; hier ist jeweils von den „Bescheiden vom 23. August 2000, 11. Juli 2001 und 27. Mai 2002“ die Rede).

 

Für die Annahme eines Verwaltungsaktes spricht zudem die Systematik des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI; vgl. hierzu die vorgenannten Urteile des LSG Rheinland-Pfalz und des Bayerischen LSG, a.a.O., Rn. 41 / 31). § 117 SGB VI verlangt ausdrücklich eine "Entscheidung", d.h. eine verbindliche Regelung, über die beantragten Leistungen. Dies bedeutet, dass (Aus-) Zahlungsansprüche (auch für vergangene Zeiträume) in Form eines Verwaltungsakts festzustellen sind. Die Rentenversicherungsträger müssen nach § 117 SGB VI i. V. m. § 37 Satz 1 SGB I über einen (jeden) Anspruch auf Leistung, der gegen sie durch einen Antrag erhoben wird, schriftlich entscheiden, also einen schriftlichen Verwaltungsakt erlassen (BSG, Urteil vom 18. Oktober 2005 - B 4 RA 21/05 R - juris Rn. 18). Dieser gesetzlichen Verpflichtung entsprechend hat die Beklagte mit den Schreiben vom 23. August 2000, 11. Juli 2001 und 27. Mai 2002 verbindlich über die jeweiligen Auszahlungsansprüche der Versicherten entschieden.

 

Schließlich spricht auch die Rechtsprechung des BSG zu vergleichbaren Fallgestaltungen für eine Verwaltungsaktqualität der Schreiben vom 23. August 2000, 11. Juli 2001 und 27. Mai 2002 (vgl. hierzu Bayerisches LSG, a.a.O. Rn. 32). Das BSG misst Mitteilungen der Rentenversicherungsträger, wonach etwa die Rente aus der deutschen Rentenversicherung nicht in der grundsätzlich festgestellten Höhe, sondern nur um eine ausländische Leistung gemindert zu zahlen ist (BSG, Urteil vom 11. Mai 2011 - B 5 R 8/10 R -, BSGE 108, 152-158, SozR 4-5050 § 31 Nr. 1, SozR 4-6050 Art. 44 Nr. 1) oder Mitteilungen über das Ausmaß einer sog. Abschmelzung eines Auffüllbetrags (BSG, Urteil vom 20. Juli 2005 - B 13 RJ 17/04 R -, SozR 4-2600 § 315a Nr. 2) einen Regelungsgehalt im Sinne des § 31 SGB X zu. Auch für den Fall einer Abtretung einer Sozialleistung hat das BSG entschieden, dass der Sozialleistungsträger im Verhältnis zum Sozialleistungsberechtigten (Versicherten) die Höhe des diesem (noch) auszuzahlenden Betrags durch Verwaltungsakt zu regeln hat (vgl. BSG, Urteil vom 24. Oktober 2013 – B 13 R 31/12 R –, juris Rn. 16). Auch ein rechtswegübergreifender Blick bestätigt das vorliegende Ergebnis. So hat z.B. der Bundesfinanzhof (BFH) in der Konstellation des Erstattungsanspruchs des Sozialleistungsträgers beim Bezug von Leistungen nach dem SGB II durch den Kindergeldberechtigten dem Abrechnungsbescheid ebenfalls Verwaltungsaktqualität zugesprochen (vgl. BFH, Urteil vom 22.11.2012 - III R 24/11 -, juris Rn. 20; Beschluss vom 1. April 2014 - XI B 145/13 -, juris Rn. 12).

 

Die demnach vorliegenden Verwaltungsakte vom 23. August 2000, 11. Juli 2001 und 27. Mai 2002 sind (bei vorliegend - wegen fehlender Rechtsbehelfsbelehrung - geltender Jahresfrist, vgl. § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG) nicht fristgerecht angefochten und daher bestandskräftig geworden (vgl. § 77 SGG). Die Versicherte hat aber einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X gestellt, den die Beklagte mit Bescheid vom 29. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2009 abgelehnt hat.

 

Für die von den Klägern begehrte Änderung der Bescheide vom 23. August 2000, 11. Juli 2001 und 27. Mai 2002 fehlt es nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis. Die Erledigung eines Verwaltungsaktes i.S. des § 39 Abs. 2 SGB X tritt erst ein, wenn dieser nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist (BSG, Urteil vom 14. März 2013 - B 13 R 5/11 R - juris Rn. 20 m.w.N.). Die Kläger können (weiterhin) geltend machen, dass die Bescheide vom 23. August 2000, 11. Juli 2001 und 27. Mai 2002 eine rechtsgestaltende Wirkung haben, weil mit ihnen ein möglicher rechtlicher Grund für die weitere Einbehaltung bereits bewilligter Leistungen fortbesteht (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 23. Februar 2017 – B 4 AS 57/15 R – juris Rn. 17; anders offenbar BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 16/08 R - juris Rn. 22). Von Amts wegen zu beachtende Verfahrenshindernisse stehen demnach einer Sachentscheidung über den Überprüfungsantrag nicht entgegen.

 

Nach dem Wortlaut des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile des SGB längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme eines Verwaltungsaktes erbracht, wenn der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist. Der Zeitraum der Rücknahme wird von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (Abs. 4 Satz 2). Für die Berechnung tritt nach Satz 3 an die Stelle der Rücknahme der Antrag, wenn dieser zur Rücknahme führt.

 

Zu der hier geltend gemachten Änderung der in den Bescheiden vom 23. August 2000, 11. Juli 2001 und 27. Mai 2002 gegenüber der Versicherten verlautbarten Verwaltungsentscheidungen ist die Beklagte ungeachtet der Frage, ob diese – bestandskräftigen – Bescheide insoweit rechtswidrig waren, somit schon deshalb nicht verpflichtet, weil die rückwirkende Gewährung von Rentenleistungen für den Zeitraum 1999 bis 2001 im Hinblick auf den erst am 6. November 2008 bei der Beklagten gestellten Überprüfungsantrag nach § 44 Abs. 4 SGB X ausgeschlossen ist. Das BSG, dessen Rspr. der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, hat die Regelung des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X über ihren engen Wortlaut hinaus dahin ausgelegt, dass bereits die Rücknahme des belastenden Verwaltungsaktes bei Eingreifen der "Verfallklausel" des § 44 Abs. 4 SGB X "schlechthin" ausgeschlossen ist (vgl. die vom SG zitierte Rspr., ferner BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 1; BSG SozR 3-6610 Art 5 Nr. 1; bestätigt durch BSG, Urteil vom 13. Februar 2014 – B 4 AS 19/13 R = SozR 4-1300 § 44 Nr. 29). Die Verwaltung hat dementsprechend schon eine Rücknahmeentscheidung nach § 44 Abs. 1 SGB X nicht mehr zu treffen, wenn die rechtsverbindliche, grundsätzlich zurückzunehmende Entscheidung ausschließlich Leistungen für eine Zeit betrifft, die außerhalb der durch den Rücknahmeantrag bestimmten Verfallfrist liegen. Die zwingend anzuwendende Vollzugsregelung des § 44 Abs. 4 SGB X steht folglich für länger zurückliegende Zeiten bereits dem Erlass eines Rücknahme- und Ersetzungsaktes entgegen. In diesem Falle darf die Verwaltung einen den Anspruch nach § 44 SGB X vollziehenden Verwaltungsakt nicht erlassen (BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 1 S. 3), denn bereits die Rücknahme steht unter dem Vorbehalt, dass Leistungen nach § 44 Abs. 4 SGB X noch zu erbringen sind (so etwa BSG, Urteil vom 28. Februar 2013 - B 8 SO 4/12 R - juris).

 

Soweit die Versicherte vorgetragen hat, auf die von ihr bereits ab Dezember 2002 erbetene Überprüfung der Erstattungsansprüche des Beigeladenen zu 1) sei nie eine „abschließende und rechtsmittelfähige Entscheidung“ getroffen worden, trifft dies nicht zu. Die Beklagte hat sich intensiv um Aufklärung des Sachverhalts bemüht, indem sie der Versicherten diverse Aufstellungen und Unterlagen bzgl. der vom Beigeladenen zu 1) geltend gemachten Erstattungsansprüche übersandte und diesen auch um Mitwirkung bat. In Zusammenfassung ihrer Bemühungen um Aufklärung des von der Versicherten zur Überprüfung gestellten Sachverhalts hat die Beklagte der Versicherten mit Schreiben vom 18. Juli 2003 schließlich mitgeteilt, dass die Erstattungsansprüche des Beigeladenen zu 1) im Rahmen des § 104 SGB X ordnungsgemäß abgerechnet worden seien. Die mit Bescheid vom 22. Mai 2001 festgestellten Zuschüsse zur KV / PV seien vom Beigeladenen zu 1) zu beanspruchen gewesen, da er die entsprechende Beitragslast im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt übernommen habe. Dass damit aus Sicht der Beklagten das Begehren der Versicherten abschließend beschieden sein sollte, ergibt sich auch aus dem letzten Satz ihres Schreibens, wonach die Versicherte „zur eventuellen weiteren Abklärung des Sachverhalts“ ausschließlich an das Bezirksamt verwiesen wurde. Anhaltspunkte dafür, dass die Versicherte davon ausging, ihr Überprüfungsbegehren sei hiermit noch nicht abschließend beschieden, sind nicht ansatzweise ersichtlich. Zwischen den Jahren 2003 und 2008 meldete sie sich nur einmal, und zwar im Dezember 2006, mit einem anderen Anliegen bei der Beklagten. Damals beantragte sie, ihre Rente im Hinblick auf die Rspr. des BSG zur Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,0 bei der Berechnung einer EM-Rente zu „überprüfen“. Erst im Oktober 2008 – und damit außerhalb der durch diesen Rücknahmeantrag bestimmten Verfallfrist – meldete sie sich mit dem Begehren, erneut zu prüfen, ob ihr aufgrund fehlerhafter Erstattungsverlangen des Beigeladenen zu 1) höhere Rentennachzahlungen zugestanden hätten.

 

Die genannte Vier-Jahres-Frist des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X ist entsprechend auch auf Ansprüche anzuwenden, die sich aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ergeben. Selbst wenn die Versäumung der Frist des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X auf einem Fehlverhalten der Behörde beruht, kann ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch nicht zu einer mehr als vier Jahre rückwirkenden nachträglichen Leistungspflicht führen (vgl. BSG vom 24. April 2014 - B 13 R 23/13 R = UV-Recht Aktuell 2014, 721; BSG, Beschluss vom 4. Juli 2017 – B 10 EG 20/16 B –, bei juris Rn. 16). Dem von der Versicherten mit Einlegung der Berufung geltend gemachten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch war daher nicht weiter nachzugehen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor. Auf die Klärung der Frage, ob es sich bei den Mitteilungen der Beklagten vom 23. August 2000, 11. Juli 2001 und 27. Mai 2002 über den endgültigen Einbehalt der Rentennachzahlungen der Versicherten um Verwaltungsakte im Sinne von § 31 SGB X handelt, kommt es im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich an. Denn die Berufung hätte auch dann keinen Erfolg, wenn – anders als vom Senat entschieden – den Mitteilungen der Beklagten vom 23. August 2000, 11. Juli 2001 und 27. Mai 2002 keine Verwaltungsaktqualität beizumessen sein sollte. In diesem Fall fehlte ihnen nämlich die rechtsgestaltende Wirkung und damit den Klägern das Rechtsschutzbedürfnis für eine Rücknahme dieser Mitteilungen im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X.

 

Rechtskraft
Aus
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