Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 17. Oktober 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger verpflichtete sich in einem am 28. Mai 2009 vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht (Az. 9 UF 190/07) geschlossenen Vergleich gegenüber seiner damaligen Ehefrau und Mutter (KM) der 1994 geborenen beigeladenen Töchter für die Beigeladenen einen monatlichen Unterhalt in Höhe von (iHv) 110 % des jeweiligen Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe, abzüglich des anrechenbaren Kindergeldanteils zu Händen der KM zu zahlen.
Ab 1. Oktober 2014 bezog der Kläger von der Beklagten Arbeitslosengeld (Alg). Mit Schreiben vom 20. Oktober 2014 beantragte der Landkreis Oberhavel (L) als Beistand für die Beigeladenen die Abzweigung eines angemessenen Teils einer laufenden Geldleistung wegen Nichterfüllung der Unterhaltspflicht und bat um Überweisung der abgezweigten Beträge auf ein Konto der KM. Mit zwei Schreiben vom 29. Oktober 2014 informierte die Beklagte den Kläger von diesem Antrag. Mit seinem „Rechtsmittel gegen die Einbehaltung der Geldleistung“ vom 15. November 2014 wies der Kläger darauf hin, dass sich sein Nettoeinkommen seit dem Vergleich vom 28. Mai 2009 real um mehr als 10 % verringert habe. Das von der Beklagten als Widerspruch behandelte „Rechtsmittel“ wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2014 als unzulässig verworfen. Auf den erneuten Abzweigungsantrag des L vom 6. Januar 2015 verfügte die Beklagte unter Hinweis auf § 48 Sozialgesetzbuch –Allgemeiner Teil – (SGB I) mit zwei Bescheiden vom 3. Februar 2015 die Auszahlung von Teilbeträgen des Alg iHv 12,47 € bzw. 12,57 € täglich (tgl) an die KM ab 1. Februar 2015 und bewilligte dem Kläger mit Änderungsbescheid vom selben Tag Alg für 419 Tage unter Festsetzung des Leistungsbetrages für die Zeit vom 1. Februar 2015 bis 29. März 2016 auf 63,57 € tgl. Der Widerspruch gegen die Abzweigungsentscheidung wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25. März 2015 zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 15. September 2015 wies L die Beklagte darauf hin, dass sich die Mindestunterhaltsbeträge gemäß § 1612a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ab 1. August 2015 und ab 1. Januar 2016 erhöhten. Ab 1. Januar 2016 ergebe sich für die Beigeladene zu 1 ein monatlicher Zahlbetrag iHv 400,- € und für die Beigeladene zu 2 iHv 397,- €. Es werde gebeten, die Unterhaltszahlungen auf die neuen Beträge umzustellen. Mit den an L gerichteten Bescheiden vom 23. September 2015, welche dem Kläger zur Kenntnisnahme übersandt wurden, teilte die Beklagte die Änderung der Auszahlungsbeträge für die Beigeladene zu 1 ab 1. August 2015 (13,07 € tgl) bzw. 1. Januar 2016 (13,33 €) sowie für die Beigeladene zu 2 (ab 1. August 2015 tgl 12,97 €, ab 1. Januar 2016 tgl 13,23 €) mit. Mit Änderungsbescheid vom 23. September 2015 setzte die Beklagte unter Angabe der angeführten Abzweigungen für die Zeit vom 1. September 2015 bis 30. März 2016 den tgl Alg-Leistungsbetrag auf 63,57 € fest. Nachdem der Kläger gegen den ihm nachrichtlich übersandten Bescheid vom 23. September 2015 Widerspruch eingelegt hatte, hob die Beklagte mit an den Kläger gerichtetem Abhilfebescheid vom 16. November 2015 „den Bescheid vom 23.09.2015“ auf und teilte mit zwei weiteren an L gerichteten Bescheiden vom selben Tag die Auszahlung von tgl 12, 57 € für die Beigeladene zu 1 und von tgl 12,47 € für die Beigeladen zu 2 ab 1. November 2015 mit. Mit Änderungsbescheid vom 17. November 2015 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg für 150 Tage und setzte den Leistungsbetrag für die Zeit vom 1. November 2015 bis 30. März 2016 auf 63,57 € tgl fest. Ferner wurde bestimmt, dass vom tgl. Leistungsbetrag Beträge iHv 12,47 € und 12,57 € abzuzweigen und an die KM auszuzahlen waren. Mit Schreiben vom 3. Dezember 2015 widersprach der Kläger den Abzweigungen und führte aus: Der Beklagte könne sich nicht auf einen Unterhaltstitel berufen, denn Inhaber des Titels sei die KM und nicht die Beigeladenen. Er habe solange Unterhalt gezahlt, bis die KM eine rechtswidrige Pfändung seines Kontos bewirkt habe mit der Folge, dass sein Konto über Monate hinweg gesperrt gewesen wäre. Während und nach dieser Zeit sei der Unterhalt unzulässig durch Abzweigungen beigetrieben worden.
Mit Änderungsbescheid vom 20. Januar 2016 kürzte die Beklagte den Alg-Leistungsbetrag ab 1. Januar 2016 auf 53,58 € tgl und erhöhte die Abzweigungsbeträge auf tgl 12,97 € bzw. 13,07 €. Mit – dem Kläger nachrichtlich übersandten – Bescheiden vom 20. Januar 2016 teilte die Beklagte L die geänderten Auszahlungsbeträge mit. Mit Bescheid vom 3. Februar 2016 erkannte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2016 bis 30. März 2016 wiederum unter Beibehaltung der Abzweigungsbeträge einen tgl. Alg-Leistungsbetrag iHv 63,57 € (monatlicher Zahlbetrag: 1.125,90 €) zu.
Mit Bescheid vom 4. Februar 2016 bewilligte die Beklagte dem Kläger dann ab 1. Februar 2016 Alg für 60 Tage und setzte den Leistungsbetrag für die Zeit vom 1. Februar 2016 bis 30. März 2016 auf 63,57 € tgl (monatlicher Zahlbetrag: 1.907,10 €) fest. Mit zwei Schreiben vom selben Tag wies die Beklagte den Kläger ferner darauf hin, dass möglicherweise weiterhin entsprechend einem Antrag von L Abzweigungen zugunsten der Beigeladenen vorzunehmen seien. Sie gab dem Kläger Gelegenheit, sich bis 15. Februar 2016 zur von L beantragten Auszahlung eines Teils des Alg für die Beigeladene zu 1 iHv 13,07 € und für die Beigeladene zu 2 iHv 12,97 € Stellung zu nehmen und sich zu einer fehlenden Bedürftigkeit der Beigeladenen, dem Vorhandensein von Belastungen bzw. dem eventuellen Eintreten von Hilfebedürftigkeit seinerseits durch die allfälligen Abzweigungen zu äußern.
Nachdem die Beklagte - ohne eine Abzweigungsregelung zu treffen - mit Änderungsbescheid vom 11. Februar 2016 den tgl Leistungsbetrag iHv 37,53 € (monatlicher Zahlbetrag: 1.125,90 €) für die Zeit vom 1. Februar 2016 bis 30. März 2016 festgelegt hatte, bewilligte sie mit Änderungsbescheid vom 24. Februar 2016 für die Zeit vom 1. Februar 2016 bis 30. März 2016 Alg zu einem tgl Leistungsbetrag iHv 63,57 €, wovon Beträge iHv 12,97 € tgl bzw. 13,07 € tgl für die Beigeladenen zur Auszahlung an die KM bestimmt wurden (monatlicher Zahlbetrag für den Kläger: 1.125,90 €). Der Widerspruch vom 2. März 2016 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 5. April 2016 zurückgewiesen. Bei der Ermessensentscheidung sei berücksichtigt worden, dass eine wesentliche Unterhaltspflichtverletzung vorliege. Aufgrund des vorliegenden rechtskräftigen Unterhaltstitels sei von einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung des Klägers auszugehen. Die Beigeladenen seien nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu decken. Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers sei nicht auf die Werte der Düsseldorfer Tabelle zurückzugreifen. Bei Vorliegen eines vollstreckbaren Unterhaltstitels bemesse sich die Leistungsfähigkeit nach § 850d Zivilprozessordnung (ZPO), wobei zur Berechnung des Selbstbehalts die Regelungen des Sozialgesetzbuchs – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) heranzuziehen seien. Neben dem Regelbedarf von 404,- € seien die Kosten der Unterkunft (KdU) zu berücksichtigen. Da der Kläger trotz Aufforderung zu den KdU keine Angaben gemacht habe, seien diese fiktiv zu bestimmen. Der dem Kläger nach Abzug der abgezweigten Beträge verbleibende Betrag iHv 1.113,10 € reiche für eine Miete iHv 709,- €. Zwar habe der Kläger eine wesentliche Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse geltend gemacht, insoweit sei ihm aber zuzumuten, beim zuständigen Gericht eine Abänderung des Unterhaltstitels zu erwirken.
Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen: Es fehle an den notwendigen gesetzlichen Grundlagen für die Abzweigungen. Er habe keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Abzweigungen gehabt. In den 12 Monaten „vor dem Bescheid“ habe die KM regelmäßig über eine Unterhaltszahlung für die Kinder verfügt. Die Beigeladenen verfügten auch nicht über eine rechtskräftigen Titel. Titelinhaberin des Vergleichs vom 28. Mai 2009 sei die KM. Es liege auch für den hier streitigen Zeitraum kein Abzweigungsantrag vor. Nachdem ihm mit Bescheid vom 4. Februar 2016 Alg ohne Abzweigung bewilligt worden sei, könne nicht – wie mit den Anhörungsschreiben vom 4. Februar 2016 suggeriert werde - bereits am selben Tag ein neuer Abzweigungsantrag gestellt worden sein, da L die Bewilligung ohne Abzweigung noch nicht habe kennen können. Der Bescheid vom 11. Februar 2016 sei zudem vor dem Fristablauf am 15. Februar 2016 ergangen. Unterhaltszahlungen an seine (dritte) Tochter Franziska seien im Februar und März 2016 nicht erfolgt, auch seien keine Beiträge zur Altersvorsorge angefallen. Seine monatliche Miete betrage 500,- €.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17. Oktober 2017 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei unbegründet. Der Kläger habe für die Zeit vom 1. Februar 2016 bis 30. März 2016 keinen Anspruch auf Auszahlung des bewilligten Leistungsbetrages ohne Abzweigungen. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB I lägen vor. Bei dem dem Kläger gewährten Alg handele es sich um eine laufende Geldleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Sinne dieser Norm. Nach § 48 Abs. 1 Satz SGB I komme eine Abzweigung in Betracht, wenn der Leistungsberechtigte – wie hier - einer gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber seinen Kindern nicht nachkomme. Die Beklagte habe im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung die Leistungsfähigkeit des Klägers zutreffend bestimmt. Die Düsseldorfer Tabelle sei hierfür nicht maßgebend; es komme vielmehr für den dem erwerbsfähigen Kläger zu belassenden Betrag auf den notwendigen Bedarf nach den §§ 19ff. SGB II an, welcher monatlich 904,- € (Regelleistung 404,- € plus KdU iHv 500,- €) betrage. Weitere monatliche Belastungen seien nicht nachgewiesen. Dem Kläger hätten zur Existenzsicherung monatlich 1.125,90 € zur Verfügung gestanden.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und trägt ergänzend vor, die Beklagte sei nicht berechtigt, den materiellen Bedarf der unterhaltsberechtigten Kinder festzulegen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Berlin vom 17. Oktober 2017 den Änderungsbescheid vom 24. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. April 2016 insoweit aufzuheben, als Abzweigungen vom Arbeitslosengeld in Höhe eines Betrags von täglich 26,04 € an die Beigeladenen bestimmt worden sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und trägt ergänzend vor, der Kläger verkenne, dass der titulierte Unterhaltsanspruch seiner Kinder nicht von ihr zu überprüfen sei.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Gerichtsakten und Ausdrucke der E-Akten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Der Senat hat die Berufung gemäß 135 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit Beschluss vom 18. April 2018 dem Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG statthaft und zulässig, aber unbegründet.
Streitgegenstand ist neben dem angegriffenen Gerichtsbescheid vom 17. Oktober 2017 lediglich der Änderungsbescheid der Beklagten vom 24. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. April 2016, und zwar nur insoweit, als dieser Bescheid für die Monate Februar und März 2016 erstmals eine Entscheidung über eine Abzweigung bewilligten Alg im Wege der teilweisen Auszahlung des Alg iHv insgesamt 26,04 € tgl an die Beigeladenen enthält. Mit dem Bescheid vom 4. Februar 2016 hat die Beklagte dem Kläger zwar für diesen Zeitraum dem Kläger Alg iHv 63,57 € tgl unter Hinweis darauf bewilligt, dass vom tgl. Leistungsbetrag 0,- € an andere Leistungsberechtigte zu zahlen seien und der Kläger damit rechnen könne, dass das Alg am ersten Arbeitstag des Folgemonats zur Verfügung stehe. Aufgrund der Hinweisschreiben vom selben Tag, mit denen dem Kläger indes mitgeteilt worden war, dass möglicherweise (auch weiterhin) Abzweigungen in Form von Auszahlungen an die Beigeladenen vorzunehmen seien, wurde dem Kläger mit hinreichender Klarheit verdeutlicht, dass mit dem Bescheid vom 4. Februar 2016 ungeachtet der in diesem Bescheid enthaltenen missverständlichen Satzbausteine gerade keine (positive oder negative) Entscheidung über die „volle“ Auszahlung des bewilligten Alg getroffen werden sollte. Vielmehr sollte die Entscheidung über die Fortsetzung der Abzweigungen in den Monaten Februar und März 2016 erst nach dem 15. Februar 2016 unter Berücksichtigung allfälliger Einwendungen des Klägers erfolgen. Auch der Bescheid vom 11. Februar 2016, mit dem lediglich eine – mit dem hier streitgegenständlichen Änderungsbescheid vom 24. April 2016 wieder zurückgenommene - „sonstige Kürzung des Leistungssatzes“ um 26,04 € verfügt worden war, enthält keine Entscheidung über eine Abzweigung an die Beigeladenen.
Die gegen die Abzweigungsentscheidungen im Änderungsbescheid vom 24. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. April 2016 gerichtete isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGG) ist zulässig. Eine Verurteilung der Beklagten zur Arbeitslosengeldbewilligung ist nicht notwendig und wäre auch nicht zulässig (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Juni 2013 – L 11 R 3828/11 -), da das Alg dem Kläger für die streitbefangenen Monate bereits in vollem Umfang bewilligt worden ist. Mit der Auszahlung der abgezweigten Beträge an die KM wurde der Anspruch auf Alg nur auf andere Weise erfüllt (vgl. BSG, Urteil vom 13. Mai 1987 - 7 RAr 13/86 = SozR 1200 § 48 Nr. 11).
Die Beklagte hat rechtmäßig entschieden, dass von dem für die Monate Februar und März 2016 bewilligten Alg des Klägers ein Betrag iHv tgl 13,07 € für die Beigeladene zu 1 und ein Betrag iHv tgl 12,97 € für die Beigeladene zu 2 an die empfangsberechtigte KM ausgezahlt und so der Anspruch des Klägers durch Zahlung an die Beigeladenen erfüllt worden ist.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB I können laufende Geldleistungen, die der Sicherung des Lebensunterhalts zu dienen bestimmt sind, in angemessener Höhe an den Ehegatten oder die Kinder des Leistungsberechtigten ausgezahlt werden, wenn er ihnen gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor, weil der Kläger seiner Unterhaltspflicht gegenüber der Beigeladenen nicht nachgekommen ist. Der Kläger war im streitbefangenen Zeitraum aufgrund des Vergleichs vom 28. Mai 2009 zur Zahlung von Unterhalt für die Beigeladenen zu Händen der KM verpflichtet. Dieser Titel bindet den Kläger und ist auch vom Senat zu beachten. Insofern ist es unerheblich, dass – worauf der Kläger mehrfach hingewiesen hat – die Beigeladenen als an diesem Vergleich nicht beteiligte Parteien nicht als Vollstreckungsgläubiger die Vollstreckung aus diesem Vergleich betreiben können (vgl. dazu Geimer in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 794 Rn. 6). Entscheidend ist vielmehr, dass die Parteien des Vergleichs - hier der Kläger und die KM - für ihre damals minderjährigen Zwillingstöchter einen Unterhaltsanspruch durch einen Vertrag zugunsten Dritter begründet (§ 328 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB -) haben und sich die KM lediglich das Recht hat einräumen lassen, die Leistung selbst fordern zu können (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 7. September 1995 - 4 UF 314/94 -, juris). Die hieraus sich ergebende Unterhaltspflicht hat der Kläger verletzt, in dem er – wie er selbst einräumt – vor dem hier streitbefangenen Zeitraum keinen Unterhalt (mehr) gezahlt hatte. Soweit er darauf hinweist, dass die Nichtzahlung des Unterhalts auf einer von der Kindesmutter veranlassten Kontosperrung beruht habe, ist darauf hinzuweisen, dass es auf ein Verschulden des Unterhaltspflichtigen nicht ankommt (vgl. Gutzler, in: BeckOK Sozialrecht, Stand: 1. Dezember 2021, § 48 SGB I Rn. 6). Daher war die Beklagte gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB I berechtigt, Teile des dem Kläger zustehenden monatlichen Alg in angemessener Höhe zugunsten der Beigeladenen abzuzweigen und an diesen auszubezahlen. Da L den Unterhaltsanspruch der Beigeladenen im Rahmen der ihm übertragenen Beistandschaft gemäß § 1712 BGB geltend macht, handelt es sich vorliegend um eine Abzweigung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB I und nicht um eine solche nach § 48 Abs. 1 Satz 4 SGB I. Entgegen der Auffassung des Klägers lag auch ein Abzweigungsantrag des L vor, denn L hatte mit den an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 15. September 2015 deutlich gemacht, dass weiterhin Leistungsbeträge abgezweigt werden sollten und die Beklagte auf die ab Januar 2016 maßgebliche Erhöhung der Mindestunterhaltsbeträge hingewiesen.
Bei der Anwendung des § 48 Abs. 1 SGB I ist zu unterscheiden, ob der Unterhaltsanspruch tituliert ist oder nicht. Liegt kein Titel vor, muss der Leistungsträger nach den Maßstäben des Zivilrechts eigenständig prüfen, ob eine konkrete Pflicht zur Zahlung von Unterhalt an den Angehörigen besteht. Das Bestehen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht setzt Unterhaltsfähigkeit nach den Vorschriften des BGB voraus; unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außer Stande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren (§ 1603 Abs. 1 BGB). Bei der Prüfung der Unterhaltsfähigkeit hat das BSG in Fällen, in denen kein Unterhaltstitel vorliegt, jedenfalls in den sog alten Bundesländern die Praxis gebilligt, die Düsseldorfer Tabelle als allgemein geeigneten Maßstab für die Berechnung des Selbstbehalts des Leistungsberechtigten zugrunde zu legen (BSG, Urteil vom 8. März 2009 - B 11 AL 30/08 R = SozR 4-1200 § 48 Nr. 4; ebenso LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. Februar 2012 - L 9 AS 764/11 - juris). In diesem Fall gehört die Frage, wie hoch der Selbstbehalt ist zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 48 SGB I. Liegt dagegen - wie hier - ein Unterhaltstitel vor, steht das Bestehen einer Unterhaltspflicht und deren Höhe fest. Der Feststellung einer Unterhaltspflicht und der Leistungsfähigkeit des Leistungsempfängers durch den Leistungsträger bedarf es in diesen Fällen nicht mehr, so dass auch die Frage des angemessenen Selbstbehalts für den Unterhaltsschuldner nur im Rahmen der Ermessenserwägungen der Beklagten eine Rolle spielen kann (BSG, Urteil vom 17. März 2009 - B 14 AS 34/07 R = SozR 4-1200 § 48 Nr. 3).
Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen vor, steht die Abzweigung im Ermessen des Leistungsträgers. Dem Leistungsträger steht grundsätzlich die Wahl zwischen mehreren rechtlich möglichen Verhaltensweisen zu, erforderlich ist lediglich, dass er sich für sein Verhalten auf sachgerechte Gründe berufen kann und beruft. Er kann, auch wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben sind, von einer Abzweigung absehen, wenn sie ihm nach den Umständen des Einzelfalles nicht angezeigt erscheint. Dabei besteht auch Ermessen hinsichtlich des zeitlichen Beginns der Abzweigung und der Höhe des ausgezahlten Betrages. Eine Ermessensreduzierung auf Null kommt in Betracht, wenn entweder keine andere Entscheidung als eine vollständige Abzweigung oder eine Ablehnung hätte getroffen werden können Ermessensfehler sind vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Beklagte – wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat - die Höhe des dem Kläger zustehenden Selbstbehalts in einer den Kläger nicht benachteiligenden Weise bestimmt. In den Fällen, in denen ein Unterhaltstitel vorliegt, ist die Höhe des angemessenen Selbstbehalts im Rahmen der Ermessensausübung zu ermitteln. Da eine materiell-rechtliche Prüfung des Unterhaltsanspruchs in diesem Fall nicht stattfindet, sind Maßstab nicht die für das Erkenntnisverfahren, sondern die für das Vollstreckungsverfahren maßgeblichen Vorschriften. Ansonsten würden in systemwidriger Weise Elemente des Erkenntnis- und des Vollstreckungsverfahrens miteinander vermengt. Bei feststehenden Unterhaltsforderungen ist die Entscheidung über die Abzweigung vollstreckungsähnlicher Natur. Es besteht in einem solchen Fall in aller Regel auch kein Grund, den Unterhaltsverpflichteten im Rahmen des § 48 Abs. 1 SGB I besser zu stellen als in der Vollstreckung. Andererseits wird durch die Anwendung des § 850d ZPO sichergestellt, dass nicht mehr abgezweigt wird als gepfändet werden kann. Einen ihn über Gebühr belastenden Titel muss der Unterhaltsschuldner im dafür vorgesehenen Verfahren, etwa nach § 323 ZPO ändern lassen. Dieses Verfahren soll und kann durch § 48 Abs. 1 SGB I nicht ersetzt werden. Der unpfändbare notwendige Unterhalt des Schuldners im Sinne des § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO entspricht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2010 - VII ZB 17/09, VII ZB 18/09-, FamRZ 2010, 1798), grundsätzlich dem notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des 3. und 11. Kapitels des Sozialgesetzbuches – Sozialhilfe - (SGB XII). Erhebliche Gesichtspunkte, die der Abzweigung entgegenstehen könnten, hat der Kläger, dem mit den Schreiben vom 4. Februar 2016 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war, nicht aufgezeigt. Soweit er die Höhe des angesetzten Unterhaltsbetrags wegen veränderter Umstände bemängelt, ist er auf das gerichtliche Verfahren zur Abänderung des Unterhaltstitels vom 28. Mai 2009 zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.