L 18 AL 168/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18.
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 18 AL 25/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 168/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Potsdam vom 9. Oktober 2018 und der Bescheide der Beklagten vom 5. April 2018 verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis 11. Februar 2015 zu zahlen.

 

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im gesamten Verfahren.

 

            Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

 

Die am 13. November 1952 geborene und zuletzt als Sachbearbeiterin bei der Mittelbrandenburgischen Sparkasse (MBS) beschäftigte Klägerin schloss am 28. November 2006 mit ihrer Arbeitgeberin eine Altersteilzeitvereinbarung im Blockmodell unter Umwandlung des bis dahin unbefristeten Arbeitsverhältnisses ab 1. Januar 2009 in ein bis 31. Dezember 2014 befristetes Arbeitsverhältnis, beginnend mit der Arbeitsphase und einer daran anschließenden Freistellungphase vom 1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2014.

 

Am 28. Oktober 2014 meldete sie sich mit Wirkung zum 1. Januar 2015 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Die Beklagte bewilligte mit Bewilligungsbescheid vom 27. November 2014 Alg für 720 Kalendertage ab 1. Januar 2015 und setzte den Leistungsbetrag für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis 25. März 2015 auf 0,- € sowie für die Zeit vom 26. März 2015 bis 30. Dezember 2016 auf 26,96 € täglich fest. Ferner wies sie daraufhin, dass die Zahlungen als Vorschuss geleistet würden. Mit Sperrzeitbescheid vom selben Tag verfügte sie den Eintritt einer Sperrzeit vom 1. Januar 2015 bis 25. März 2015, weil die Klägerin ihr Beschäftigungsverhältnis mit der MBS einvernehmlich gelöst habe. Sie wies darauf hin, die Sperrzeit dauere 12 Wochen und mindere den Anspruch auf Alg um 180 Tage. Mit dem Widerspruch vom 18. Dezember 2014 machte die Klägerin geltend: Sie sei wegen Mobbings in die Altersteilzeit gegangen. 2004 sei ihr damaliger Arbeitgeber, die Sparkasse Teltow-Fläming (STF), mit der MBS fusioniert worden. Der damalige Vorstandsvorsitzende der MBS W S (WS) habe ihr „die Hölle heiß gemacht“, weil sie als damalige Personalratsvorsitzende einen Sozialplan mit dem Vorstand der STF ausgehandelt hatte. WS sei der Meinung gewesen, dass der Sozialplan einen hohen Schaden verursacht hätte. Er habe sie zum Rücktritt aus dem Personal- und dem Verwaltungsrat aufgefordert und gedroht, ihr ihr Haus wegzunehmen und sie zu verklagen. Sie sei ferner mehrfach wegen angeblicher Weitergabe von Informationen abgemahnt worden, wogegen sie sich erfolgreich vor dem Arbeitsgericht gewehrt habe. Sie sei von WS in der Personalreserve geführt worden, habe monatelang keine Arbeit bekommen und habe psychologische Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Im Herbst 2008 habe sie aufgrund der gesundheitlichen Störungen eine sechswöchige medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der psychiatrischen Institutsambulanz in T absolviert. Aufgrund dieser Belastungen habe ihr Hausarzt ihr empfohlen, die Tätigkeit bei der MBS aufzugeben bzw. das Angebot der Altersteilzeit zu nutzen (Attest von Dr. St vom 5. Dezember 2014).

 

Die Beklagte wies, nachdem mit dem Änderungsbescheid vom 6. Januar 2015 die Regelungen des Bewilligungsbescheides vom 27. November 2014 für abschließend erklärt worden waren, den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2015 zurück und führte aus: Bei Lösung des Beschäftigungsverhältnisses bei der MBS zum 31. Dezember 2014 habe die Klägerin keine konkrete Aussicht auf eine unmittelbar anschließende Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber gehabt. Sie habe die Arbeitslosigkeit zumindest fahrlässig herbeigeführt. Ein wichtiger Grund sei nicht erkennbar. Soweit ein Betroffener nach durchlaufener Altersteilzeit doch nicht die mit Abschlägen verbundene Altersrente in Anspruch nehme, sondern sich erneut dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stelle, trage gerade das nicht zur Entlastung des Arbeitsmarktes bei. Durch die Inanspruchnahme von Altersteilzeit ohne unmittelbaren Übergang in die Altersrente habe die Klägerin den Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt.

 

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Potsdam hat die Klägerin, die seit 1. Dezember 2015 Altersrente für besonders langjährige Versicherte bezieht, ein Schreiben an die MBS vom 20. April 2015, mit dem sie nach Ausscheiden des WS um Wiedereinstellung u.a mit der Begründung bat, sie könne sich eine Frührente nicht leisten, einen Bericht der Landesklinik T - Institutsambulanz L - vom 12. April 2005, eine Bestätigung der Psychologischen Institutsambulanz des Asklepius Fachklinikums T - Außenstelle L - vom 13. August 2018 über eine psychiatrische und psychologische Behandlung von 2006 bis 2012, den Entlassungsbericht der Fachklinik W GmbH vom 25. April 2008 über einen Reha-Aufenthalt vom 5. März 2008 bis 16. April 2008, ein Schreiben des Ministeriums der Finanzen (MdF) vom 21. Oktober 2004 zum Antrag auf Ausschluss der Klägerin aus dem Verwaltungsrat der MBS, ein Anhörungsschreiben des MdF vom 24. März 2005 zur beabsichtigten Ablehnung des Ausschlussantrags und insgesamt 4 Protokolle aus in 2004/2005 von ihr gegen die MBS geführten Arbeitsgerichtsprozessen eingereicht. Auf die angeführten Dokumente wird Bezug genommen.

 

Auf Anregung des SG hat die Beklagte mit zwei Änderungsbescheiden vom 5. April 2018 die Dauer der Sperrzeit um sechs Wochen verkürzt, deren Eintritt vom 1. Januar 2015 bis 11. Februar 2015, das Ruhen des Anspruches auf Alg in diesem Zeitraum und die Minderung der Anspruchsdauer um 42 Tage festgestellt sowie der Klägerin Alg für 720 Tage unter Festsetzung eines täglichen Leistungsbetrags iHv 26,96 € für die Zeit vom 12. Februar 2015 bis 29. Februar 2016 bewilligt. Die Klägerin hat erklärt, sie nehme dieses Teilanerkenntnis an.

 

Das Sozialgericht (SG) Potsdam hat die Klage mit Urteil vom 9. Oktober 2018 „über das angenommene Teilanerkenntnis hinaus“ abgewiesen und es abgelehnt, der Klägerin deren außergerichtliche Kosten zu erstatten. Zur Begründung ist ausgeführt: Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und 4 Sozialgesetzbuch (SGG) sei zulässig, jedoch über das Teilanerkenntnis der Beklagten hinaus unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf vollständige Aufhebung der Sperrzeit und des Beginns der Auszahlung des Alg ab 1. Januar 2015. Gegenstand des Rechtsstreits sei nicht nur der Sperrzeitbescheid, sondern auch der Bewilligungsbescheid der Beklagten, soweit sie darin den Beginn der Auszahlung von Alg ab 1. Januar 2015 abgelehnt habe. Dieser Bescheid bilde mit dem Sperrzeitbescheid eine rechtliche Einheit. Gemäß § 159 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) ruhe der Anspruch auf Alg für die Dauer einer Sperrzeit, wenn der Arbeitnehmer, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, sich versicherungswidrig verhalten habe. Ein versicherungswidriges Verhalten liege nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III unter anderem vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt habe. Die Sperrzeit beginne nach § 149 Abs. 2 SGB III mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründe, also in Anwendung des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 mit dem ersten Tag der Beschäftigungslosigkeit, mithin hier am 1. Januar 2015. Nach § 159 Abs. 3 SGB III betrage in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 die Dauer der Sperrzeit 12 Wochen (Regelsperrzeit); sie verkürze sich nach § 159 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 b SGB III auf 6 Wochen, wenn eine Sperrzeit von 12 Wochen nach dem für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde. Dies habe die Beklagte mit den zum Gegenstand der Klage gewordenen Änderungsbescheiden vom 5. April 2018 anerkannt und die Beweggründe, die gesundheitlichen Aspekte, die die Klägerin bewogen hätten, das unbefristete Arbeitsverhältnis in ein befristetes Arbeitsverhältnis umzuwandeln, mit Anerkenntnis der Härtefallregelung berücksichtigt. Eine weitergehende Verkürzung oder Aufhebung der Sperrzeit komme jedoch nicht in Betracht. Die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis gelöst und sich damit versicherungswidrig verhalten, indem sie durch Vereinbarung mit der früheren Arbeitgeberin ihr unbefristetes Arbeitsverhältnis im Rahmen einer Altersteilzeitvereinbarung in ein befristetes umgewandelt habe, ohne die Absicht zu haben, im Anschluss an die Freistellungsphase ab 1. Januar 2015 in den Ruhestand mit Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu gehen. Durch diese Altersteilzeitvereinbarung habe die Klägerin selbst entscheidend dazu beigetragen, dass sie nach dem Ende der Freistellungsphase beschäftigungslos geworden sei. Nach eigenem Vorbringen und dem Inhalt der Verwaltungsakte habe sie diese Beschäftigungslosigkeit vorsätzlich herbeigeführt. Es sei erwiesen, dass sie zum Zeitpunkt der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses für ihr Verhalten keinen wichtigen Grund im Sinne der Sperrzeitregelung von § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB III gehabt habe. Zu berücksichtigen sei insoweit, dass der Klägerin keine betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung zum 31. Dezember 2014 für den Fall gedroht habe, dass sie im Jahr 2006 die Altersteilzeitvereinbarung nicht unterschrieben hätte. Die bloße Inanspruchnahme von Altersteilzeit als solche stelle keinen wichtigen Grund dar im Sinne der Sperrzeitvorschrift. Zweck des Altersteilzeitgesetzes sei die Entlastung des Arbeitsmarktes. Dies wäre nach Sinn und Zweck des Altersteilzeitgesetzes nur dann festzustellen, wenn die Klägerin nahtlos von der Altersteilzeit in den Rentenbezug hätte wechseln wollen und davon auch prognostisch auszugehen gewesen wäre. Die Sachlage stelle sich hier aber nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin so dar, dass sie zu keinem Zeitpunkt die Absicht hatte, im Anschluss an die Altersteilzeit eine Rente zu beantragen. Ein wichtiger Grund im Sinne der Sperrzeitregelung sei daher auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12. September 2017 (– B 11 AL 25/16 R –, juris) nicht ersichtlich, denn anders als hier habe dem vom BSG entschiedenen Fall als Grund für die Abkehr von der ursprünglichen Absicht, eine Altersrente mit Abschlägen zu beziehen, eine Gesetzesänderung zugrunde gelegen. Vorliegend sei jedoch von gar keiner Rentenabsicht auszugehen gewesen. Die Beklagte habe demnach zutreffend den Eintritt einer Sperrzeit ab dem Ende der Altersteilzeit, hier beginnend ab 1. Januar 2015, festgestellt. Diese Sperrzeit führe zum Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs für noch sechs Wochen bis 11. Februar 2015 mit der Folge der festgestellten Minderung der Anspruchsdauer. Auch das Vorbringen der Klägerin, sie habe den Altersteilzeitvertrag aus gesundheitlichen Gründen wegen Mobbing unterzeichnet, könne zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn zum einen stehe fest, dass Mobbing kein wichtiger Grund für den Abschluss des Altersteilzeitvertrages, sondern nur das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben nach dem Altersteilzeitgesetz sein könne. Ferner sei zu berücksichtigen, dass Mobbing zwar einen wichtigen Grund für die Auflösung eines Beschäftigungsverhältnisses darstellen könne, aber nach den medizinischen Unterlagen lägen hierfür Anhaltspunkte für eine hinreichende Wahrscheinlichkeit im erforderlichen Ausmaß zur Überzeugung der Kammer nicht vor. Wie der Bericht der Landesklinik T vom 12. April 2005 belege, sei lediglich die Verdachtsdiagnose Anpassungsstörung in beruflicher Belastungssituation gestellt worden. Der Heilentlassungsbericht der Fachkliniken W GmbH vom 25. April 2008 habe die Klägerin bei vollschichtigem Leistungsvermögen ohne wesentliche qualitative Einschränkungen für arbeitsfähig in der letzten beruflichen Tätigkeit als Sparkassenfrau gehalten. Das Rehabilitationsergebnis habe zusammenfassend dahingehend gelautet: „Besonders die verbitterte Grundhaltung der Patientin und das permanente Misstrauen anderen Menschen, einschließlich gegenüber den Therapeuten, trat im Team im Verlauf der Therapie in den Vordergrund.“

 

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt vor: Entgegen ihrer unzutreffenden Äußerung habe sie durchaus beabsichtigt, nach der zeitlichen Beendigung des Altersteilzeitvertrages eine Rente mit Abschlägen in Anspruch zu nehmen und nicht die Leistungen der Beklagten. Eine Sperrzeit für noch sechs Wochen sei auch wegen der gesundheitlichen Verfassung bei Abschluss des Altersteilzeitvertrages nicht gerechtfertigt. Sie sei seit Oktober 2010 in psychotherapeutischer Behandlung in der Asklepios Fachklinik T gewesen, wobei die Arbeitsprobleme mit der weitergehenden Behandlung auch eine Rolle gespielt hätten. Der sie seit 2013 behandelnde Facharzt für Neurologie und Psychiatrie H könne bestätigen, dass ihre psychische Erkrankung auch auf die Arbeitssituation zurückzuführen sei. Sie habe sich bei Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung vom Personalrat beraten lassen, welcher als Zeuge in Betracht käme, um die damalige Ausgangslage nachzuvollziehen.

 

 

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 9. Oktober 2018 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 5. April 2018 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis 11. Februar 2015 zu zahlen.

 

 

 

Die Beklagte beantragt,

 

                  die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie verteidigt das angegriffene Urteil und trägt vor: Das Vorbringen der Klägerin zu ihrer Absicht, nach Beendigung der Teilzeitphase vorgezogene Altersrente zu beantragen, sei unglaubhaft. Das SG habe mit Schriftsatz vom 18. Januar 2018 der Klägerin aufgegeben, insoweit Nachweise vorzulegen. Mit Schriftsatz vom 6. Februar 2018 habe die Klägerin geantwortet, sie habe das Beschäftigungsverhältnis wegen des massiven Mobbings aufgegeben. In dem von ihr selbst eingereichten Schreiben vom 20. April 2015 an die MBS habe sie geschrieben, dass sie sich eine Frührente nicht leisten könne.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen verwiesen.

 

 

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Senat den früheren Personalratsvorsitzenden der MBS, A L, als Zeugen vernommen. Auf die Sitzungsniederschrift vom 23. Juni 2021 wird verwiesen.

 

Die Gerichtsakten und ein Ausdruck der e-Akte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.

 

Gegenstand des Verfahrens sind neben dem angegriffenen Urteil nur noch die während des erstinstanzlichen Verfahrens ergangenen und eine Bescheideinheit bildenden Änderungsbescheide vom 5. April 2018, soweit mit diesen die Beklagte eine Sperrzeit unter Nullfestsetzung der Leistungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis 11. Februar 2015 festgestellt hat. Die Änderungsbescheide vom 5. April 2018 haben den an die Stelle des vorläufigen Bewilligungsbescheides vom 27. November 2014 getretenen Änderungsbescheid vom 6. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2015 ersetzt und sind im angeführten Umfang gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Gegenstand des Verfahrens geworden.

 

Gemäß § 159 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (§ SGB III) ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit, wenn die Arbeitnehmerin sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben (Satz 1). Versicherungswidriges Verhalten liegt nach Satz 2 Nr. 1 vor, wenn die Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe).

 

Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Änderungsbescheide vom 5. April 2018 sind insoweit rechtswidrig und waren aufzuheben, als sie den Eintritt einer Sperrzeit und das Ruhen des Anspruchs feststellen. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung des Alg für den streitgegenständlichen Zeitraum, denn ihr sich aus §§ 136 ff. SGB III ergebender Anspruch ruht nicht wegen des Eintritts einer Sperrzeit. Ebenso wenig kommt es zu einer Minderung der Alg-Anspruchsdauer.

 

Die Klägerin hatte zwar mit der Vereinbarung der Altersteilzeit ihr vormals unbefristetes Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Endes der Freistellungsphase versicherungswidrig gelöst (vgl. BSG, Urteil vom 21. Juli 2009 - B 7 AL 6/08 - R - juris Rn. 18 zur „funktionsdifferenten Auslegung“ des Begriffs Beschäftigungslosigkeit bei Altersteilzeit im Blockmodell). Der Anspruch auf Alg ruht aber für die Dauer einer Sperrzeit nur dann, wenn sich die Arbeitnehmerin versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben (§ 159 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Dabei trifft die beklagte Bundesagentur für Arbeit die Feststellungslast dafür, dass kein wichtiger Grund vorliegt (BSGE 71, 256, 261 = SozR 3-4100 § 119 Nr. 7; Schmitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl., § 159 SGB III [Stand: 30.Dezember 2020], Rn. 99)

 

Versicherungswidriges Verhalten liegt ua vor, wenn die Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (§ 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III; Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe). So liegt es hier. Die Klägerin hat durch den Abschluss des Änderungsvertrages vom 28. November 2006 das Beschäftigungsverhältnis mit Ablauf der Freistellungsphase zum 31. Dezember 2014 gelöst und dadurch bewusst die Arbeitslosigkeit herbeigeführt, weil sie im Zeitpunkt des Abschlusses des Änderungsvertrages kein Anschlussarbeitsverhältnis in Aussicht hatte. Insofern hat sie die für den Eintritt der Sperrzeit maßgebliche Beschäftigungslosigkeit jedenfalls grob fahrlässig herbeigeführt (vgl. BSG, Urteil vom 2. Mai 2012 - B 11 AL 6/11 R -, juris Rn. 15; Urteil vom 21. Juli 2009, aaO, Rn 11, 19 mwN).

 

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens kann der Senat indes nicht feststellen, dass kein wichtiger Grund für die vorzeitige Lösung des Beschäftigungsverhältnisses vorlag. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, die der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, ist über das Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Berücksichtigung des Ziels der Sperrzeitregelung zu entscheiden (BSG, Urteil vom 17. Oktober 2007 - B 11a AL 51/06 R – juris, Rn. 35 mwN). Diese soll die Versichertengemeinschaft vor Risikofällen schützen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat; eine Sperrzeit soll nur eintreten, wenn dem Versicherten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann. Dies ist nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Arbeitslosen zu beurteilen, sondern ein wichtiger Grund im Sinne des Sperrzeitrechts muss objektiv gegeben sein (BSG, aaO; ferner Urteil vom 2. Mai 2012, aaO Rn. 17 mwN; Karmanski in Brand, SGB III, 8. Auflage, 2018, § 159 Rn. 122). Ausschlaggebend sind allein die objektiven Umstände, wie sie sich einem neutralen Beobachter im Zeitpunkt der Auflösung des früheren Beschäftigungsverhältnisses darstellen (vgl. BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 7 AL 98/03 R -, juris Rn. 20). Für die Beurteilung ist mithin allein auf den Zeitpunkt des Lösungstatbestandes abzustellen, hier also auf den Abschluss des Änderungsvertrages vom 28. November 2006, in dessen § 10 die Beteiligten geregelt haben, dass das Arbeitsverhältnis am 31. Dezember 2014 enden würde.

 

Zum Abschluss eines Altersteilzeitvertrages im Blockmodell hat das BSG bereits ausgeführt (vgl. BSG, Urteil vom 21. Juli 2009, aaO Rn. 13), dass der Gesetzgeber mit der Einführung der Altersteilzeit das Ziel verfolgt hat, die Praxis der Frühverrentung durch eine neue sozialverträgliche Möglichkeit eines gleitenden Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand (Altersteilzeitarbeit) abzulösen (BR-Drucks 208/96, S. 1, 22). Insoweit war das erklärte Ziel des Gesetzgebers, die Sozialversicherung und insbesondere die Bundesagentur für Arbeit durch die Einführung der Altersteilzeit zu entlasten. Bei dieser Sachlage kann aber einem Arbeitnehmer, der sich entsprechend dieser Gesetzesintention verhält und nach der Altersteilzeit nahtlos in den Rentenbezug wechseln wollte, der Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung nicht vorgeworfen werden, wenn hiervon prognostisch auszugehen war (BSG, aaO., Rn 12 ff; vgl. in diesem Sinne auch BSG, Urteil vom 12. Juli 2006 - B 11a AL 55/05 R - juris Rn. 20). Im Falle der Klägerin lag ein solcher, die vorzeitige Lösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigender Grund, indes nicht vor, denn diese hatte nicht die Absicht, nach Ablauf der Altersteilzeitvereinbarung nahtlos in die Rente zu wechseln. So gab sie selbst mit Schreiben vom 20. April 2015 an, sie habe eigentlich weiterarbeiten wollen, weil sie sich eine „Frührente“ nicht leisten könne.

 

Als wichtige Gründe für den Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung und die damit bedingte Verkürzung des Arbeitsverhältnisses kommt hier allerdings zum einen das Vorliegen eine Krankheitszustandes iS eines regelwidrigen Körper- und/oder Geisteszustandes, der vom Leitbild des gesunden Menschen so abweicht, dass der Betroffene zur Ausübung der normalen psychischen/physischen Funktionen nicht mehr in der Lage ist, und zum anderen eine Konstellation in Betracht, in der der Betroffene am Arbeitsplatz einem psychischen Druck (Mobbing) ausgesetzt ist. Mobbing kann allerdings nur dann einen „wichtigen Grund“ iSd § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB III zur Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses darstellen, wenn es auf einem unrechtmäßigen oder nicht sozialadäquaten Verhalten des Vorgesetzten beruht. (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 21. Oktober 2003 – B 7 AL 92/02 R -, juris Rn. 18f.)

 

Schließt der Arbeitnehmer, der aus einem dieser Gründe zur sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses berechtigt wäre, gleichwohl nur eine Altersteilzeitvereinbarung, um die Belastungen durch das Mobbing bzw. die Gesundheitsstörung erträglicher zu gestalten, so kann ihm dies entgegen der von der Beklagten vertretenen und vom SG übernommenen Auffassung nicht mit Erfolg entgegengehalten werden. Für die Versichertengemeinschaft, deren Schutz die Regelung des § 159 SGB III bezweckt, ist es nämlich von geringerem Nachteil, wenn ein Arbeitnehmer es für ausreichend und – und was hier aufgrund der von der Klägerin angeführten wirtschaftlichen Situation naheliegt – für vorzugswürdig hält, auf eine gegebene Belastungssituation durch Krankheit und/oder Mobbing – statt mit einer gerechtfertigten Kündigung und der möglichen Folge einer angesichts des Alters der Klägerin nicht von vorne herein als unwahrscheinlich zu bezeichnenden Dauerarbeitslosigkeit – nur mit einem allmählichen „Auslaufen“ bzw. „Ausharren“ durch Abschluss eines befristeten Alterszeitvertrags zu reagieren; in der Hoffnung, durch die damit verbundene Perspektive entlastet zu werden und so zumindest noch für eine gewisse Zeit Einkommen aus dem laufenden Arbeitsverhältnis erzielen zu können.

 

Hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Krankheitsgründe ergeben sich aus diesen jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt (vgl. BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 7 AL 98/03 R – juris, Rn. 20; BSG, Urteil vom 12. September 2017 – B 11 AL 25/16 R-, juris Rn. 22; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. November 2016 – L 18 AL 96/16 R -, juris Rn. 19) des Abschlusses der Vereinbarung am 28. November 2006 keine hinreichenden Anhaltpunkte dafür, dass die Gesundheit der Klägerin so „angeschlagen“ gewesen sein könnte, dass ihr die unbefristete Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar gewesen war. Im Bericht der Landesklinik T vom 12. April 2005 wird lediglich der Verdacht auf eine Anpassungsstörung in beruflicher Belastungssituation mitgeteilt. Dass es sich bei den damaligen Beschwerden der Klägerin nur um eine leichtere Gesundheitsstörung mit geringem Leidensdruck handelte, wird auch dadurch deutlich, dass sie eine medikamentöse Behandlung abgelehnt hatte.

 

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ergeben sich indes erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin im Zeitpunkt des Abschlusses der Altersteilzeitvereinbarung durch unrechtmäßiges oder zumindest nicht sozialadäquates Verhalten ihres Vorgesetzten WS einer Mobbingsituation ausgesetzt gewesen war, welche als wichtiger Grund eine Beschäftigungsaufgabe bzw. -modifikation gerechtfertigt hätte. So hatte die Klägerin schon gegenüber der Landesklinik T anlässlich ihrer Vorstellung im April 2005 geäußert, Vorstand und Chef der MBS wollten sie wegen ihrer vorherigen Tätigkeit im Personalrat der STF loswerden und hätten sie deshalb in ein Archiv in P versetzt, wo sie „weg vom Fenster“ sei. Im Widerspruchsverfahren hat die Klägerin dann auch gegenüber der Beklagten ausführlich und anschaulich ihre berufliche Situation bei der MBS geschildert und auf den vom damaligen Vorstandsvorsitzenden der MBS ausgeübten Druck hingewiesen, welchem sie aufgrund der ihr vorgeworfenen Indiskretionen sowie ihrer Tätigkeit in der Personalvertretung ausgesetzt gewesen war. Diesen Hinweisen ist die Beklagte nicht nachgegangen und hat sich damit auch nicht im Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2015 auseinandergesetzt. Nicht nur das nachvollziehbare Vorbringen der Klägerin im Widerspruchs- und Klageverfahren, sondern auch die von ihr im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen zu den Arbeitsgerichtsverfahren wegen diverser und immer dasselbe angebliche Fehlverhalten betreffenden Abmahnungen der Klägerin sowie zu dem gegen die Klägerin angestrengten Ausschlussverfahren aus dem Verwaltungsrat der MBS belegen, dass die als Personalratsvorsitzende exponierte Klägerin an ihrem Arbeitsplatz über einen längeren Zeitraum einem erheblichen Druck von Seiten ihrer Arbeitgeberin ausgesetzt gewesen war. Auch der zurückhaltend auftretende und ohne jegliche Belastungstendenz aussagende Zeuge L, an dessen Glaubwürdigkeit der Senat nicht zweifelt, hat ausgesagt, dass es „damals schon knackig“ zugegangen sei und der Vorgesetzte WS einen autoritären Führungsstil gepflegt habe („Er tritt einen vors Schienbein, um sich hinterher dann zu entschuldigen, als ob nichts gewesen sei“). Der Personalrat sollte klein gehalten werden und loyal sein. Im Übrigen hat er nochmals bestätigt, dass der gegen die Klägerin erhobene Vorwurf einer unberechtigten Informationsweitergabe, der sich bereits in den Arbeitsgerichtsprozessen und im Ausschlussverfahren nicht hatte erhärten lassen, nicht zugetroffen habe. Der Senat verkennt nicht, dass möglicherweise auch die Klägerin, die vom Zeugen L als „engagierte kämpferische Person“, die „auch austeilen konnte“, bezeichnet worden ist, nicht unerheblich zu den Spannungen und Auseinandersetzungen mit ihrem Vorgesetzten beigetragen haben könnte. Er kann deshalb zwar nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass das von der Klägerin geschilderte Mobbing auf ein unrechtmäßiges oder nicht sozialadäquates Verhalten der Geschäftsleitung der MBS und insbesondere des Vorstandsvorsitzenden WS zurückzuführen war. Umgekehrt erkennt der Senat aber – wie dargelegt – durchaus gewichtige Indizien dafür, dass die Klägerin wegen ihrer Personalratstätigkeit und insbesondere wegen des Vorwurfs von Indiskretionen zumindest einem nicht sozialadäquaten Druck von Seiten ihrer Arbeitgeberin ausgesetzt gewesen war. Dementsprechend musste die Berufung wegen der die Beklagte treffenden Feststellungslast für das Nichtvorliegen eines wichtigen Grundes Erfolg haben.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

 

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