L 9 KR 175/21 B

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 62 KR 345/18
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 175/21 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Für eine Herabsetzung des Streitwerts nach Verfahrensabschnitten besteht für die Gerichtsgebühren seit Abschaffung der Urteilsgebühr im Kostenverzeichnis zum GKG kein Raum mehr, weil Teilklagerück-nahmen oder Teilerledigungen nicht mehr zu einer Reduzierung der Gerichtsgebühren führen können.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Streitwertfestsetzung im Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. März 2021 wird zurückgewiesen.

 

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

 

Der Senat entscheidet über die Beschwerde in der Besetzung durch drei Berufsrichter/Berufsrichterinnen. Zwar bestimmt § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 6 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG), dass über die Beschwerde das Gericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter entscheidet. Diese Vorschrift ist allerdings auf solche Gerichte wie das Landessozialgericht, die eine generelle Entscheidung durch den Einzelrichter nach der jeweiligen Prozessordnung nicht kennen, nicht anwendbar (vgl. Beschluss des Senats vom 8. Juni 2020 – L 7 KA 14/20 B –, Rn. 1, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Januar 2021 – L 26 KR 394/20 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Mai 2009, L 24 KR 33/09 R; Roos/Wahrendorf/Gutzler, SGG § 197a Rn. 34; a.A. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Juli 2018, L 7 BA 1871/18 B, Rn. 15, juris; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 1. Juni 2017, L 5 KR 101/17 B; ausführlich zum Meinungsstand LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16. Februar 2015, L 9 KA 7/14 B, jeweils juris; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/B. Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 155 Rn. 9d)

 

Die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung ist zulässig. Nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG findet gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Abs. 2 Satz 1 GKG), die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 Euro übersteigt. Dabei ist nicht auf die streitige Höhe des Streitwertes abzustellen, sondern auf die sich daraus ergebende Höhendifferenz der Gerichts- und Anwaltsgebühren (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. August 2016, L 6 SB 2664/16 B, juris; Zimmermann, in: Binz/Dörndorfer /Zimmermann, GKG/FamGKG/JVEG, 5. Aufl. 2021, § 68 Rn. 6; Laube, in: BeckOK Kostenrecht, 34. Edition, Stand 1.7.2021, § 68 GKG, Rn. 70).

 

Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Ausgehend von einem Streitwert nach der Klagerücknahme von nur noch 148.195,99 Euro anstatt des vom Sozialgericht festgesetzten in Höhe von 279.945,45 Euro beträgt die einfache Gebühr nach § 13 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) 2.615 Euro (bei dem höheren Streitwert) und bei dem von der Klägerin begehrten niedrigeren Streitwert betrüge diese Gebühr 1.937,00 Euro (vgl. Anlage 2 zum RVG), so dass die Differenz mehr als 200,00 Euro beträgt. Damit ist bereits dann, wenn man nur eine einfache Gebühr nach § 13 RVG zugrunde legt, der Beschwerdewert übertroffen.

 

Die Beschwerde der Antragstellerin ist auch im Übrigen zulässig. Der erstinstanzliche Rechtsstreit ist durch das Urteil des Sozialgerichts vom 10. März 2021 abgeschlossen.

 

Das Sozialgericht hat schließlich eine ausdrückliche (negative) Abhilfeentscheidung getroffen. Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 1 GKG hat das Gericht, das den Streitwert festgesetzt hat, der Beschwerde abzuhelfen, soweit es sie für zulässig und begründet hält; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Letzteres ist hier geschehen; das Sozialgericht hat in seinem Beschluss vom 24. Juni 2021 eine begründete Nichtabhilfeentscheidung getroffen (vgl. Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG/FamGKG/JVEG, 5. Aufl. 2021, 5. Aufl. 2021, GKG § 66 Rn. 54).

 

Die Streitwertbeschwerde ist jedoch unbegründet, denn die Streitwertfestsetzung ist der Höhe nach rechtlich nicht zu beanstanden. Nach § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit - soweit wie hier nichts anderes bestimmt ist - der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Wenn der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, ist deren Höhe maßgeblich (§ 52 Abs. 3 GKG). Maßgebend für die Wertberechnung des gerichtlichen (!) Streitwerts ist der Zeitpunkt des den (jeweiligen) Streitgegenstand einleitenden Antrags, instanzeinleitend in diesem Sinne ist u.a. die Klage (Hartmann, Kostengesetze, 28. Aufl. 2008, § 40 Rn. 4). Bei unverändertem Streitgegenstand bleiben streitwerterhöhende bzw. streitwertmindernde Umstände, die erst nach diesem Zeitpunkt eintreten, unberücksichtigt (Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG/FamGKG/JVEG 5. Aufl. 2021, GKG § 40 Rn. 1). Wird die Klage teilweise zurückgenommen, hat dies auf den Wert für die Gerichtsgebühren keinen Einfluss, der Wert zu Beginn des Rechtszugs bleibt maßgeblich (Schindler in: BeckOK, Kostenrecht, 34. Edition, Stand: 01.07.2021, § 30 GKG Rn. 13; Hartmann, Kostengesetze, 28. Aufl. 2008, § 40 Rn. 5). Zwar kann eine nach den Zeitabschnitten vor und nach der Klageermäßigung differenzierende Wertfestsetzung deshalb erforderlich werden, weil die Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren auch für die Anwaltsgebühren maßgeblich ist (vgl. §§ 23 Abs. 1 S. 1, 32 Abs. 1, 33 RVG) und diese nach verschiedenen Verfahrensabschnitten und deren Wert unterscheiden (Verfahrens-, Termins-, Einigungsgebühr); gleichwohl werden (nach dem GKG) die Gerichtsgebühren nach dem höchsten verfallenen Wert während des gesamten Rechtszugs bemessen. Denn die wertabhängigen Gerichtsgebührentatbestände differenzieren gerade nicht nach einzelnen Verfahrensabschnitten innerhalb eines Rechtszugs (Schindler, aaO, § 40 GKG Rn. 13). Das Ergebnis wird bestätigt durch Ziff. 7110 und 7111 der Anlage 1 zum GKG. Bei einer Beendigung des gesamten Verfahrens durch u.a. eine Zurücknahme der Klage reduziert sich die (3-fache) Verfahrensgebühr nach Ziff. 7110 auf 1,0; diese Ermäßigung greift dagegen nicht bei einer nur teilweisen Rücknahme der Klage. Hier verbleibt es bei 3,0 Gebühren, ausgehend vom Streitwert (nach § 40 GKG). Für eine Herabsetzung des Streitwerts nach Verfahrensabschnitten besteht für die Gerichtsgebühren seit Abschaffung der Urteilsgebühr im Kostenverzeichnis zum GKG kein Raum mehr, weil Teilklagerücknahmen oder Teilerledigungen nicht mehr zu einer Reduzierung der Gerichtsgebühren führen können (KG Berlin, Beschluss vom 2.3.3018 – 26 W 62/17, juris Rn. 6 ff., auch unter Hinweis auf das Antragsrecht nach § 33 RVG; LG Frankfurt, Beschluss vom 27.4.2020 – 2-13 T 18/20, 2/13 T 18/20, juris Rn. 6/7).

 

Abzustellen ist somit im vorliegenden Fall auf die Erhebung der Klage vor dem Sozialgericht, mithin den Eingang der Klageschrift am 7. November 2018. Hieran gemessen hat das Sozialgericht den Streitwert zutreffend auf den Wert des mit der Klageschrift geltend gemachten Anspruchs, nämlich 279.945,45 Euro, festgesetzt. Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG, wonach das Verfahren gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden.

 

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
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