L 1 AS 702/19

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 18 AS 1575/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 AS 702/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 

Im Streit ist der Sache nach noch ein Anspruch auf Übernahme von Kosten für Unterkunft und Heizung.

 

Der Kläger bewohnt seit Anfang 2013 eine ca. 100 qm große Wohnung im Obergeschoss im Haus seiner Eltern B F und M F in der Estraße in H N. Er reichte zunächst eine Mietbescheinigung datiert auf den 15. Januar 2013 beim Beklagten ein, wonach er eine monatliche Gesamtmiete in Höhe von 250,-- € an seine Eltern zu zahlen habe, ferner eine von seinen Eltern erstellte Übersicht über die Nebenkosten des Hauses ein, wonach sich für den Kläger anteilig ein Gesamtbetrag von gerundet 253,-- € ergebe. Später reichte er einen Mietvertrag vom 15. September 2014 ein, wonach sich ebenfalls eine monatliche Gesamtmiete in Höhe von 250,-- € ergibt.

Der Kläger stellte am 28. Dezember 2015 beim Beklagten einen Antrag auf Fortzahlung der Leistungen zur Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB Il).

Dieser bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 08. Februar 2016 Arbeitslosengeld Il für den Zeitraum Januar 2016 bis Juni 2016. Hierbei berücksichtigte der Beklagte lediglich den Regelbedarf.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 23. Februar 2016 Widerspruch ein.

Mit Bescheid vom 13. April 2016 änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung für den Zeitraum März 2016 bis Juni 2016 ab und forderte die Erstattung von Leistungen in Höhe von 480,-- € für die Monate März 2016 und April 2016. Hierbei berücksichtigte er wiederum lediglich den Regelbedarf und nunmehr Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung des Klägers.

Auch hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.

Mit Bescheid vom 20. Juni 2016 änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung für den Monat Juni 2016 wiederum ab. Der Kläger erhob erneut Widerspruch.

Der Beklagte half dem Widerspruch vom 23. Februar 2016 mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2016 teilweise ab und gewährte dem Kläger für den Monat April 2016 weitere Leistungen. Zugleich hob er die Leistungsgewährung für den Monat Mai 2016 (Bescheid vom 08.Februar 2016 in der Fassung des Bescheids vom 13. April 2016) ganz und für den Monat Juni 2016 (Bescheid vom 20. Juni 2016) teilweise auf. Im Übrigen (Monate Januar 2016 bis März 2016) wies er den Widerspruch des Klägers zurück.

Mit weiteren Bescheiden vom 26. Juli 2016 forderte der Beklagte die Erstattung von Überzahlungen auf, konkret 404,-- € für Mai 2016 und Juni 2016 sowie 105,19 € für Mai 2016.

 

Der Kläger hat am 25. August 2016 Klage beim Sozialgericht Neuruppin (SG) erhoben.

Er hat vorgebracht, es gebe ein wirksam vereinbartes Mietverhältnis mit seinen Eltern, das auch gelebt worden sei. Er sei damals in die Wohnung eingezogen, weil er aus seiner vorherigen Wohnung habe ausziehen müssen. Er wäre ansonsten obdachlos geworden. Zuvor habe seine Schwester in der Wohnung gewohnt, welche ebenfalls Miete gezahlt habe. Soweit ihm dies finanziell möglich gewesen sei, habe er die Miete gezahlt. Die Miete habe in etwa die Kosten für die Wohnung abdecken sollen. Die Mietvereinbarung sei zunächst mündlich getroffen worden und auf Verlangen des Beklagten dann schriftlich. Da er die Miete nur unregelmäßig zahlen könne, gebe es erhebliche Spannungen mit seinen Eltern.

Der Beklagte hat vorgebracht, weiterhin davon auszugehen, dass ein wirksam vereinbarter und tatsächlich gelebter Mietvertrag nicht vorliege. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Eltern dem Kläger bislang nicht gekündigt hätten. Auch habe der Kläger nur sehr selten die vereinbarte Miete gezahlt. Dies gelte insbesondere für die Zeit vor dem Leistungsbezug. Die Ausführungen zu dem behaupteten Mietvertrag seien insgesamt nicht nachvollziehbar.

 

Das SG hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 21. Februar 2019 persönlich angehört und seine Eltern als Zeugen vernommen. Auf das Protokoll der Verhandlung wird verwiesen.

Mit Urteil vom 21. Februar 2019 hat es den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 08. Februar 2016 in der Fassung der Bescheide vom 13. April 2016 und 20. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juli 2016 sowie Aufhebung der Erstattungsbescheide vom 26. Juli 2016 verpflichtet, dem Kläger für den Zeitraum Januar 2016 bis Juni 2016 Leistungen zur Grundsicherung unter den Maßgaben zu gewähren, dass als Kosten für Unterkunft und Heizung monatlich 250,-- € sowie im Monat Mai 2016 ein bereinigtes Einkommen von 240,-- € und für Juni 2016 kein Einkommen angesetzt wird.

Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, dem Kläger, der im gesamten streitigen Zeitraum dem Grunde nach leistungsberechtigt gewesen sei, stehe ein Anspruch auf weitere Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum Januar 2016 bis Juni 2016 zu.

So seien die geltend gemachten Mietkosten in Höhe von monatlich 250,00 € als Kosten für Unterkunft und Heizung bei der Leistungsberechnung zu berücksichtigen Die Einkommensberechnung sei neu durchzuführen.

Anders als der Beklagte meine, sei ein Bedarf für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 250,-- € nach § 22 Abs. 1 SGB Il zu berücksichtigen. Danach seien Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anzuerkennen, soweit diese angemessen seien. Aus dem Gesetzeswortlaut des § 22 SGB Il ergebe sich, dass der Grundsicherungsträger nur solche Kosten zu übernehmen habe, die dem Hilfebedürftigen tatsächlich entstünden und für deren Deckung ein Bedarf bestehe. Hierzu sei erforderlich und ausreichend, dass der Leistungsberechtigte einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt sei. Ausgangspunkt für die Frage, ob eine wirksame Mietzinsverpflichtung vorliege, sei primär der Mietvertrag, mit dem der geschuldete Mietzins vertraglich vereinbart worden sei. Entscheidend sei ein entsprechend rechtlicher Bindungswille der beteiligten Vertragsparteien. So sei ein Mietverhältnis auch dann anzunehmen, wenn nur eine geringfügige Gefälligkeitsmiete vereinbart sei oder wenn der Mieter lediglich die Betriebskosten oder sonstige Lasten zu tragen habe. Die Umstände des behaupteten Mietverhältnisses seien dabei im Einzelnen zu ermitteln und zu würdigen. Bei dieser Gesamtwürdigung und bei der Auslegung der Vereinbarungen müsse die tatsächliche Übung der Parteien, der tatsächliche Vollzug des Vertragsinhalts, berücksichtigt werden (Bezugnahme auf LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 09.03.2017 - L 4 AS 818/13).

In diesem Sinne liege eine wirksame Mietzinsverpflichtung vor.

Der Kläger habe sowohl in einem Erörterungstermin im Parallelverfahren (Az. S 18 AS 1942/15) vom 25. August 2016 als auch in der mündlichen Verhandlung vom 21. Februar 2019 glaubhaft vorgetragen, dass er mit seinen Eltern eine Mietvereinbarung bzw. eine Unkostenvereinbarung hinsichtlich der streitigen Wohnung in Höhe von monatlich 250,-- € abgeschlossen habe. Er habe angegeben, dass er nur deswegen in das elterliche Haus zurückgezogen sei, weil er sich nach Kündigung der vorherigen Wohnung in einer Notlage befunden und keine Möglichkeit gehabt habe, eine andere Wohnung anzumieten. Er habe eigentlich nicht zu seinen Eltern zurückziehen wollen, weil das Verhältnis sehr belastet gewesen sei. Es sei daher vereinbart worden, dass er sich an den Kosten für die Wohnung beteilige und den Anteil als Miete/Unkostenbeitrag zahle, der für die Wohnung in etwa anfalle. Dabei sei es seinen Eltern wichtig gewesen, dass er in etwa das gleiche zahle wie seine Schwester, die zuvor in der Wohnung gewohnt habe.

Die Eltern des Klägers hätten dieses Vorbringen in der mündlichen Verhandlung bestätigt und kundgetan, eine Rückkehr des Klägers in ihr Haus eigentlich nicht gewollt zu haben. Nur aufgrund seiner Notlage hätten sie ihm die Wohnung für eine Übergangszeit angeboten. Sie seien dabei davon ausgegangen, dass es sich um einen vorübergehenden Zustand handele. Die Eltern hätten zudem über das belastete Verhältnis berichtet. Ihre Verbitterung und der Umstand, dass die Problematik der Kostenbeteiligung und deren Nichtzahlung durch den Kläger –das schwarze Schaf der Familie, das keiner Vollzeittätigkeit nachgehe- ein schwieriges und andauerndes Thema zwischen den Beteiligten sei, seien deutlich geworden. Die Eltern hätten glaubhaft dargelegt, wie enttäuscht sie von ihrem Sohn seien, der trotz aller Versprechen bisher nur sehr vereinzelt in der Lage gewesen sei, die vereinbarte Miete zu zahlen.

Das Vorbringen des Klägers und die Aussagen seiner Eltern werde durch den Akteninhalt bestätigt. So werde bereits in einem Aktenvermerk des Beklagten aus dem Jahr 2010 von dem schwierigen Verhältnis des Klägers zu seinen Eltern berichtet. Insbesondere heiße es dort, dass ein Zusammenleben des Klägers mit seinen Eltern (eigentlich) nicht mehr möglich sei, da es oft Streit (insbesondere) mit der Mutter gebe. Ebenso werde darin berichtet, dass die Schwester des Klägers mit ihrer Familie in der oberen Wohnung des Wohnhauses wohne und an die Eltern Miete zahle. Auch die übrigen Unterlagen und Schreiben des Klägers deckten sich im Wesentlichen mit dem hier Behaupteten.

Das Haus der Eltern befinde sich in einer guten Wohnlage mit Berlin-Anbindung. Entsprechend könnte die Wohnung auf dem freien Markt zu einem deutlich höheren Preis vermietet werden. Die Eltern des Klägers hätten angegeben, dies in der Vergangenheit auch schon getan zu haben. Es sei auch daher nachvollziehbar, dass die Eltern des Klägers die Wohnung nicht kostenfrei zur Verfügung stellen wollten, sondern zumindest eine Kostenbeteiligung verlangt hätten. Die vereinbarten 250,-- € lägen dabei deutlich unter der vom Beklagten festgelegten Angemessenheitsgrenze für einen Einpersonenhaushalt, welche der Beklagte festgelegt habe. Die Eltern des Klägers hätten auch nachvollziehbar darlegen können, wie sich die vereinbarte Miete/Unkostenbeteiligung errechne. Sie hätten eine Übersicht über die angefallenen Kosten für das Haus im Jahr 2013 eingereicht mit den entsprechenden Rechnungsbelegen. Danach ergab sich eine Summe von gerundet 253,-- € monatlich an Hausaufwendungen.

Es sei auch nicht bereits aus dem Umstand, dass die Eltern dem Kläger trotz der ausbleibenden Mietzahlungen nicht gekündigt hätten, auf eine fehlende Verpflichtung des Klägers zu schließen. Denn die familiären Bindungen müssten berücksichtigt werden. Es sei nachvollziehbar, dass eine Mutter ihr Kind, welches augenscheinlich psychisch angeschlagen sei, nicht einfach auf die Straße setze. Das Zutrauen der Eltern in die Fähigkeit ihres Sohnes, sich eine neue Wohnung zu suchen, sei begrenzt. Auch hätten die Eltern des Klägers glaubhaft versichert, dass sie auf einen Ausgleich der noch offenen Mietzahlungen bestünden. Die Mutter habe eine Übersicht vorzeigen können, welche die Zahlungen und die Ausstände genau darstelle. Es sei daher nicht zu erkennen, dass das Mietverhältnis zwischen dem Kläger und seinen Eltern lediglich zum Schein abgeschlossen worden sei, um zusätzliche Leistungen von dem Beklagten zu erhalten.

Soweit der Kläger die Miete nur sporadisch gezahlt habe, reiche dies vorliegend angesichts dieser Umstände ebenfalls nicht aus, um ein gelebtes Mietverhältnis zu verneinen.

 

Gegen diese am 25. März 2019 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung des Beklagten vom 24. April 2019.

 

Zur Berufungsbegründung führt der Beklagte aus, der Kläger sei in den letzten sechs Jahren keiner wirksamen Mietforderung ausgesetzt, zumindest sei diese dauerhaft gestundet. Zunächst habe kein schriftlicher Mietvertrag bestanden. Erstmals am 3. November 2014 sei ein solcher beim Beklagten eingereicht worden. Mietzahlungen des Klägers an seine Eltern seien nicht aktenkundig. Im Gegenteil hätten diese auch Abschläge für Strom übernommen. Es sei deshalb nicht davon auszugehen, dass das behauptete Mietverhältnis vollzogen werde bzw. tatsächlich wechselseitige Rechten und Pflichten bestünden. Obwohl der Kläger nunmehr regelmäßig seit sechs Jahren Miete schuldig bleibe, leiteten seine Eltern in ihrer Rolle als Vermieter keine rechtlichen Schritte gegen ihn ein. Bei einer dauerhaften Nichtzahlung und erheblichen Mietrückständen sei eine Reaktion des Vermieters auch bei familiäre Bindungen zu erwarten. Es sei zwar nicht in Abrede zu stellen, dass die Eltern des Klägers auf einen Ausgleich der Mietrückstände hofften. Es könne allerdings nicht sein, dass die Steuergemeinschaft hierfür aufkomme, solange ein ernsthafter Vollzug des Mietverhältnisses weder belegt noch ansonsten schlüssig nachvollzogen werden könne. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger nur dann Miete zahlen solle, wenn er die Kosten vom Beklagten erstattet bekomme. Der Kläger habe im Übrigen auch in den Zeiten, in denen er Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit gehabt habe, keine Miete bezahlt, obwohl zumindest 160,-- € anrechnungsfrei geblieben seien.

 

Der Beklagte beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 21. Februar 2019 aufzuheben, soweit der Beklagte verurteilt wurde, dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für Unterkunft und Heizung in Höhe von 250,-- € monatlich (Zeitraum 01/2016 bis 06/2016) zu gewähren.

 

Der Kläger beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Er erklärt ergänzend, er habe die Miete gezahlt, soweit ihm dies möglich gewesen sei, ca. jeden zweiten oder dritten Monat.

 

Er hat eine Excel-Tabelle mit einer Aufstellung seiner Mietzahlungen zur Akte eingereicht. Danach hat er für die Monate Februar und März 2016, Mai und Juni 2016 Miete gezahlt, für die Monate Januar 2016 und im April 2016 nicht.

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

Es konnte im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter alleine entschieden werden, §§ 155 Abs. 3, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Beide Beteiligten haben sich mit einer solchen Vorgehensweise im Erörterungstermin am 2. August 2021 einverstanden erklärt. Gründe, von der Ermächtigung kein Gebrauch zu machen, liegen nicht vor.

 

Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Das SG hat den Beklagten in Abänderung der streitgegenständlichen Bescheide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2016 zu Recht verurteilt, für die hier streitgegenständlichen Monate Grundsicherungsleistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 250,-- € monatlich zu gewähren. Auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angegriffenen Urteil wird zur Vermeidung bloßer Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG verwiesen.

Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass der Kläger für die streitgegenständliche Zeit seinen Eltern gegenüber als Vermietern rechtliche bindend verpflichtet gewesen ist, 250,-- € monatlich Miete zu zahlen.

Es besteht zwar kein Verstoß gegen Artikel 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Artikel 3 Abs. 1 GG, wenn Vertragsverhältnisse zwischen Familienangehörigen einem Fremdvergleich unterzogen werde (vgl. Bundesverfassungsgericht – BVerfG, Beschluss vom 7. September 2000 – 1 BvR 444/00 – juris-Rdnr. 8 mit weiteren Nachweisen).

Für die Annahme tatsächlicher Aufwendungen für Unterkunft und Heizung reicht es aber allgemein aus, dass der Hilfebedürftige im jeweiligen Leistungszeitraum einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietforderung ausgesetzt ist (BSG, Urteile vom 5. Juni 2014 – B 4 AS 32/13 R – juris-Rdnr. 36, vom 7. Mai 2009 -B 14 AS 31/07 R- Rdnr. 16 mit Bezugnahme auf Urteil vom 3. März 2009 – B 4 AS 37/08 R).

Der Kläger ist einem ernsthaften Zahlungsbegehren in diesem Sinne ausgesetzt. Hierfür sprechen nicht nur die vom SG im Einzelnen überzeugend dargelegten Erwägungen, sondern zudem der Umstand, dass der Kläger gerade im streitgegenständlichen Zeitraum die Miete nur in zwei Monaten nicht gezahlt hat.

Letztlich wirft der Beklagte dem Kläger und seinen Eltern ein strafbares Verhalten vor. Dafür reichen die unstreitigen Indizien, die teilweise Nichtzahlung der Miete und der Umstand, dass die Eltern ihren Sohn nicht auf die Straße setzen wollten und wollen, auch zur Überzeugung des Senats nicht aus.

Außer diesen gibt es keine weiteren Indizien, die auf eine fehlende Ernsthaftigkeit der vertraglichen Beziehung zwischen dem Kläger und seinen Eltern hindeuten könnten bzw. auf eine dauerhafte und endgültige Stundung. Solche Indizien können beispielsweise mietvertragliche Regelungen sein, nach denen die Miete auf eine Absenkungsanforderung des Jobcenters hin ohne Weiteres um erhebliche Beträge herabgesetzt wird, den tatsächlichen Verhältnissen widersprechende Regelungen zu den Betriebs- und Nebenkosten oder unterschiedliche Quadratmeter-Angaben sein (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 25. Mai 2020 – L 11 AS 228/20 B ER – juris-Rdnr. 21, 23, 25).

Es gibt auch keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass in Mietverhältnissen Zahlungsrückstände immer zu Zahlungs- und/oder Räumungsklagen führen und Mietzahlungsrückstände nicht dauerhaft entstehen. An anderer Stelle geht vielmehr sogar das Gesetz von geradezu zwangsläufig immer auflaufenden Mietzahlungsausfällen aus. Im sozialen Wohnungsbau ist nämlich nach der Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz (Zweite Berechnungsverordnung-II. BV) von Gesetzes wegen ein Mietausfallwagnis von bis zu zwei Prozent der Erträge in die laufenden Aufwendungen und Erträge zur Mietberechnung einzustellen.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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