L 3 U 46/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 12 U 15/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 46/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Ob die Zurücklegung eines Weges der Aufnahme der versicherten Tätigkeit dient, ist wertend anhand der durch objektiv feststellbare Umstände gestützten Handlungstendenz des Versicherten zu entscheiden. 2. Ein grundsätzlich nicht versicherter Abweg liegt vor, wenn der Versicherte den Weg zum Ort der Tätigkeit räumlich dadurch verlängert, dass er eine Strecke wählt, die nicht mehr in Richtung auf sein versichertes Ziel führt. 3. Ein im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegter versicherter Betriebsweg liegt nur dann vor, wenn objektive Umstände Rückschlüsse auf eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit zulassen. 4. Bei privat und betrieblich gemischter Motivationslage bzw. gespaltener Handlungstendenz ist zur Feststellung eines betrieblichen Zusammenhangs zu ermitteln, ob die konkrete Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns entfallen wäre. 5. Betriebliche Unterlagen können „Arbeitsgeräte“ im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII darstellen. Die „Verwahrung“ von Arbeitsgerät umfasst als Gegenstück auch die „Entwahrung“ sowie die damit zusammenhängenden Wege und Handlungen sowohl auf dem Arbeitsplatz als auch an einer anderen Stelle. 6. Zur Begründung von Versicherungsschutz auf einer Dienstreise kommt es darauf an, ob die konkrete Verrichtung, bei der der Unfall eingetreten ist, eine rechtlich bedeutsame Beziehung zu der betrieblichen Tätigkeit am auswärtigen Dienstort aufgewiesen hat, welche die Annahme eines inneren Zusammenhangs rechtfertigt. Einen „Dienstreisebann“ gibt es nicht.

 

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 02. Februar 2018 wird zurückgewiesen.

 

Die Beteiligten haben auch für das Berufungsverfahren einander keine Kosten zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen

 

 

Tatbestand

 

 

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

 

Die im Jahr 1975 geborene Klägerin ist seit Januar 2015 selbstständig als Unternehmerin im Bereich der Altenpflege tätig. Laut den eigenen Angaben in ihrer Unfallanzeige vom 13. April 2015 erlitt die Klägerin am 12. März 2015 gegen 15:55 Uhr auf der Bundesstraße B 317 außerhalb der Ortschaft W (Baden-Württemberg) einen Unfall, als ein entgegenkommendes Fahrzeug ungebremst mit ca. 125 km/h in ihre Fahrspur fuhr, so dass es zu einer Kollision kam, wobei sie sich Prellungen und Hämatome im Bereich der Kniegelenke und der Halswirbelsäule zugezogen haben will. Die Klägerin gab an, zu diesem Zeitpunkt auf dem Weg zu einem um 16:05 Uhr beginnenden Einsatz zur Altenpflege in dem Heim Sim L Stadtteil S, J Weg, gewesen zu sein.

 

In einem Wegeunfall-Fragebogen gab die Klägerin am 13. April 2015 weiter an, bei dem Unfall in ihrem Wohnmobil unterwegs gewesen zu sein, wobei dieses bei Einsätzen ihren vorübergehenden Wohnbereich darstelle. Der Unfall habe sich während einer Arbeitspause von 10:30 bis 17:00 Uhr ereignet, wobei sie ihre Arbeit am Unfalltag gegen 6:00 Uhr aufgenommen habe. Der übliche Weg zur Arbeit betrage 12 km, wofür sie etwa 25 Minuten benötige. Ihren Weg zur Arbeit habe sie um 15:45 Uhr angetreten.

 

Laut vorläufigem Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses L vom 12. März 2015 wurde die Klägerin am Unfalltag wegen einer Hyperventilation behandelt. Im Übrigen hätten keine Verletzungszeichen bestanden. Die Klägerin sei eine Stunde lang beobachtet worden, aber in diesem Zeitraum klinisch unauffällig geblieben.

 

Am 13. März 2015 begab sich die Klägerin in Behandlung in der Gemeinschaftspraxis Dres. Bin W. In einer von dieser Praxis ausgestellten Verordnung von Krankenhausbehandlung heißt es, die Klägerin habe Schmerzen nach einem Verkehrsunfall von gestern. Differenzialdiagnostisch sei die Möglichkeit einer Fraktur eines Lendenwirbelkörpers bzw. einer Rippe zu klären. Zugleich wurde der Klägerin Arbeitsunfähigkeit bis zum 17. März 2015 attestiert.

In einem weiteren Fragebogen gab die Klägerin am 27. April 2015 an, seit dem 12.  März 2015 arbeitsunfähig zu sein und nach wie vor bei dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Z in P in Behandlung zu stehen. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen dieser Praxis bzw. der Vertretungspraxis des Facharztes für Allgemeinmedizin Diplom-Mediziner B in P liegen für den Zeitraum bis zum 20. Mai 2015 vor, wobei Dr. Z die Arbeitsunfähigkeit vor dem Hintergrund der Diagnosen eines Schleudertraumas der Halswirbelsäule und einer Kniegelenksprellung attestiert hatte.

 

Am 11. Mai 2015 teilte Diplom-Mediziner B der Beklagten mit, die Klägerin leide nach wie vor an starken Schmerzen in der rechten Schulter und im Nacken, so dass er sie zur weiteren Abklärung an einen Orthopäden überwiesen habe.

 

Am 19. Mai 2015 teilte die Beklagte der Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, einen Vorschuss von 500 € auf die Abrechnung des Verletztengeldes für den Zeitraum vom 13. März 2015 bis zum 20. Mai 2015 zu gewähren. Soweit der Vorschuss den späteren Leistungsanspruch übersteige oder der Anspruch überhaupt nicht bestehe, sei die Klägerin verpflichtet, ihn zurückzuzahlen.

 

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin übersandte am 03. Juni 2015 unter anderem einen ärztlichen Bericht über Unfallfolgen des Dr. Z vom 15. April 2015, in dem die Diagnosen eines Schleudertraumas und einer Kniegelenksprellung gestellt wurden. Weiterhin liegt ein Befund vor über eine MRT-Untersuchung der Halswirbelsäule des Facharztes für Radiologie Dr. M vom 15. Mai 2015, wobei sich kein Nachweis einer Wirbelkörperfraktur und kein Hinweis auf eine Gefäßdissektion ergeben hatten.

 

In einer ärztlichen Unfallmeldung des Diplom-Mediziners B vom 18. Mai 2015 heißt es, die Klägerin habe sich bei einem Unfall auf dem direkten Weg vom Autostellplatz in das Altenpflegeheim Sein Schleudertrauma der Halswirbelsäule sowie Prellungen der Kniegelenke, des Rückens und der Schulter zugezogen.

 

Die Beklagte erforderte weiterhin eine am 21. Mai 2015 von Dr. Z ausgestellte Krankheitsauskunft, nach der seines Erachtens ein Freizeitunfall während eines Urlaubs vorgelegen habe. Die Klägerin habe Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule sowie Hämatome an beiden Kniegelenken erlitten. Die Behandlung habe am 30. April 2015 abgeschlossen werden können.

 

Sodann gab die Beklagte bei dem Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgen Heine auf der Grundlage einer Untersuchung der Klägerin vom 15. Juli 2015 am 17. Juli 2015 erstellte fachchirurgische Stellungnahme in Auftrag. Als Unfallfolgen diagnostizierte er eine Distorsion der Halswirbelsäule und multiple Prellungen. Aktuell bestehe weiterhin Arbeitsunfähigkeit. Nach Ausschluss von weiteren Unfallverletzungsfolgen im Rahmen der wiederholten klinischen sowie zuletzt auch kernspintomografischen Untersuchungen sei das berufsgenossenschaftliche Heilverfahren abzuschließen. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit verbleibe nicht. Gegenüber dem Gutachter H hatte die Klägerin weiter angegeben, zum Unfallzeitpunkt gemeinsam mit ihrem Ehemann bzw. Lebensgefährten im Wohnmobil unterwegs gewesen zu sein, wobei dieser am Steuer gesessen habe.

 

Mit Schreiben vom 25. August 2015 teilte die Beklagte der Bevollmächtigten der Klägerin mit, bei unkomplizierten Verletzungen wie im Fall der Klägerin sei von einer Behandlungsbedürftigkeit von sechs Wochen, im Einzelfall längstens für zwölf Wochen auszugehen. Für die über den 15. Mai 2015 hinaus vorliegenden Beschwerden sei die Krankenkasse zuständig.

 

Auf eine Nachfrage der Beklagten teilte das Seniorenzentrum Sin L am 25. Januar 2016 zunächst mit, die Klägerin sei dort nicht bekannt und habe dementsprechend dort auch nicht gearbeitet. Mit Schreiben vom 22. März 2016 korrigierte das Seniorenzentrum seine Auskunft dahingehend, dass die Klägerin - unter ihrem früheren Nachnamen So - dort zunächst für einen Dienst am 12.  März 2015 von 6:00 Uhr bis 10:30 Uhr und sodann als „krank“ erfasst worden sei.

 

Mit weiterem Schreiben vom 05. April 2016 teilte das Seniorenzentrum mit, dass für den 12. März 2015 ursprünglich geplant gewesen sei, dass die Klägerin – nach einer Frühschicht von 6:00 Uhr bis 10:30 Uhr – ihren Dienst um 17:00 Uhr erneut antrete. Nach Bekanntwerden des Unfalls sei für ihren Spätdienst in den Unterlagen ein „k“ für „krank“ eingetragen worden. Der der Auskunft des Seniorenheims beigefügten Einzelabrechnung lässt sich entnehmen, dass im Heim S bis Ende des Monats März 13 weitere Einsätze der Klägerin geplant waren.

 

Die Bevollmächtigte der Klägerin teilte gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 11. Mai 2016 mit, die Klägerin sei am Unfalltag gegen 15:45 Uhr losgefahren, weil sich auf der Strecke zur Arbeitsstelle eine Schranke befinde, so dass vorsorglich die verkehrsbedingte Wartezeit einzuplanen gewesen sei. Sie sei dann zwischen 16:15 und 16:30 Uhr vor der Arbeitsstelle eingetroffen, habe sich im Wohnmobil noch umgezogen und sei anschließend auf Station gegangen. Dort habe sie die Unterlagen kurz durchgesehen. Eine Viertelstunde vor Dienstbeginn erfolge immer die Einweisung durch die leitende Stationsschwester.

 

Weiterhin reichte die Klägerin ein im Auftrag der G Krankenversicherung am 25.  April 2016 durch den Diplom-Mediziner P, Facharzt für Chirurgie, erstelltes Gutachten ein. Darin wurde die Hauptdiagnose einer chronifizierten Zervikobrachialgie rechts bei Skoliose der Halswirbelsäule bzw. eines Zustandes nach Torsionstrauma im März 2015 gestellt. Als Nebendiagnose wurde eine vegetative Dysregulation genannt. Bei der durchgeführten körperlichen Untersuchung habe eine Korrelation bestanden zwischen dem Beschwerdevortrag und dem klinischen Befund. Unverändert habe eine erhebliche Einschränkung der Funktion der Halswirbelsäule bestanden. Der rechte Arm werde permanent geschont, die Kraftentfaltung rechts gegenüber links sei deutlich reduziert.

 

Die Beklagte forderte die zu dem Unfall vom 12. März 2015 geführten Ersatzakten der Staatsanwaltschaft F, Zweigestelle L, an und nahm diese auszugsweise in Kopie zu ihren Akten. Nach der durch das Polizeipräsidium F aufgenommenen Verkehrsunfallanzeige stellte sich der Unfall vom 12. März 2015 wie folgt dar: Um 15:55 Uhr befuhr der Pkw des Unfallgegners die B 317 vom Kreisverkehr Okommend in Fahrtrichtung L. Weitere Zeugen, die die Bundesstraße in entgegengesetzter Fahrtrichtung befuhren, hatten bekundet, dass der Pkw des Unfallgegners mehrfach von der rechten auf die linke Fahrbahnseite gewechselt sei. Nach der Abzweigung zur Kreisstraße K 6330 sei der Pkw des Unfallgegners nach links auf die Gegenfahrspur gekommen und sei dort mit dem ordnungsgemäß fahrenden Pkw der Klägerin kollidiert. Dieser sei ausgerollt und nach wenigen Metern auf der Fahrbahn unter einer Brücke zum Stehen gekommen. Zu dem Wohnmobil der Klägerin ist weiter dokumentiert, dass ein Seitenanprall links stattgefunden habe und die Klägerin leicht verletzt worden sei (Prellungen).

 

Der Lebensgefährte der Klägerin, der Zeuge H, hatte sich gegenüber dem vernehmenden Polizeihauptmeister N wie folgt geäußert: Er und die Klägerin seien auf dem Weg von Z nach W gewesen, um ihr Wohnmobil beim L Badeland abzustellen. Seine Freundin wäre danach zur Arbeit gegangen, was jedoch aufgrund des Unfalls nicht mehr möglich gewesen sei. Zum Unfallzeitpunkt habe er den Blinker schon betätigt gehabt und an der Einmündung nach links Richtung L Badeland abbiegen wollen. Dann sei es zur Kollision mit dem auf der linken Fahrbahn entgegenkommenden Fahrzeug des Unfallgegners gekommen. Seine Freundin habe bei dem Unfall mehrfache Prellungen am Körper erlitten. Durch den Polizeihauptmeister N wurde in dem polizeilichen Vorgang weiter angegeben, die Klägerin habe diverse Prellungen erlitten und habe nach einer Untersuchung im Kreiskrankenhaus L entlassen werden können.

 

In Anbetracht des Inhalts der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft F teilte die Bevollmächtigte der Klägerin gegenüber der Beklagten mit Schriftsatz vom 10. Juni 2016 mit, die Klägerin habe ihren Arbeitsweg um 15:45 Uhr angetreten und sei zunächst in Richtung W bzw. Parkplatz des L Badelandes gefahren, da sie dort noch wichtige dienstliche Unterlagen aus dem Pkw ihres Lebensgefährten habe holen wollen. Von dem Parkplatz aus habe sie dann zur Arbeitsstelle in L fahren wollen.

 

Die Beklagte holte daraufhin eine weitere Auskunft des Seniorenzentrums S F vom 04. Juli 2016 ein. Darin wurde mitgeteilt, dass Mitarbeiter keinerlei Unterlagen mit nach Hause nehmen müssten, die für die Pflegetätigkeit relevant seien.

 

Mit Schreiben vom 20. Juli 2016 teilte die Bevollmächtigte der Klägerin gegenüber der Beklagten mit, dass die Klägerin den Parkplatz des Badelandes mit dem Ziel angesteuert habe, die im Pkw befindlichen Unterlagen zum bevorstehenden Dienst in der Pflegeeinrichtung mitzunehmen. Bei den Unterlagen habe es sich um Aufzeichnungen zu den von der Klägerin für den nächsten Monat bestätigten Einsätze gehandelt. Sie habe diese schon geplanten Einsätze mit den Dienstplänen im Pflegeheim abstimmen und besprechen wollen, welche weiteren Dienste sie im Folgenden noch im Pflegeheim S übernehmen könne.

 

Mit Bescheid vom 25. August 2016 lehnte die Beklagte eine Anerkennung des Ereignisses vom 12. März 2015 als Arbeitsunfall ab. Nach dem polizeilich dokumentierten Unfallhergang sei lediglich der Unfallverursacher vom Kreisverkehr O kommend in Richtung L gefahren. Die übrigen beteiligten Pkw, auch das Wohnmobil der Klägerin, hätten die B 317 in entgegengesetzter Richtung befahren. Damit habe sich die Klägerin zum Unfallzeitpunkt nicht in Fahrtrichtung zum Seniorenzentrum in L befunden, sondern in der entgegengesetzten Richtung. Sie sei somit eindeutig nicht auf dem Weg zu ihrer Tätigkeit im Seniorenzentrum S gewesen. Aufgrund der glaubwürdigen, unmittelbar nach dem Unfallereignis aufgenommenen Aussagen zum Unfallhergang im Rahmen der polizeilichen Befragung sei davon auszugehen, dass die Klägerin und ihr Lebensgefährte zum Unfallzeitpunkt aus Z kommend auf dem Weg zum L Badeland gewesen seien. Insoweit hätten sie sich zum Unfallzeitpunkt noch nicht auf dem unmittelbaren Weg zur Tätigkeitsaufnahme im Seniorenzentrum Sin L befunden. Obgleich Erstangaben grundsätzlich glaubhafter als spätere Angaben seien, sei auch die spätere Einlassung überprüft worden. Dem Schreiben der Bevollmächtigten vom 10. Juni 2016 sei zu entnehmen, dass die Klägerin auf dem Weg zum Parkplatz des L Badelandes gewesen sei, um dort wichtige dienstliche Unterlagen aus dem Pkw ihres Lebensgefährten zu holen. Im Rahmen der polizeilichen Befragung des Lebensgefährten habe dieser zu Protokoll gegeben, dass es ausschließlich vorgesehen gewesen sei, das Wohnmobil auf diesem Parkplatz abzustellen. Von dort habe dann der weitere Arbeitsweg zu Fuß angetreten werden sollen. Von Vorbereitungshandlungen im Rahmen der versicherten Tätigkeit sei keine Rede gewesen. Auch den Angaben im Wegeunfall-Fragebogen vom 13. April 2015 sowie den Ausführungen der Klägerin vom 11. Mai 2016 und den weiteren Ausführungen in den eingeholten Akten der Staatsanwaltschaft seien keine derartigen Vorbereitungshandlungen zu entnehmen. Unabhängig von der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach vorbereitende Tätigkeiten grundsätzlich den persönlichen Umständen und nicht der versicherten Tätigkeit zuzurechnen seien, führe die Mitnahme von bereits bestätigten Dienstplänen für den nächsten Monat, um damit noch Einsätze für den Folgemonat zu besprechen, nicht zu einem Versicherungsschutz. Zudem habe das Seniorenzentrum S die Notwendigkeit einer Mitnahme von Unterlagen nach Hause verneint. Im Ergebnis könne damit das Ereignis vom 12. März 2015 nicht als Arbeitsunfall anerkannt werden.

 

Mit weiterem Bescheid vom 29. August 2016 forderte die Beklagte die Klägerin zur Erstattung des geleisteten Vorschusses auf das Verletztengeld über 500 € auf. Mit Bescheid vom 25. August 2016 sei das Ereignis vom 12. März 2015 nicht als Arbeitsunfall anerkannt worden. Ein Anspruch auf Leistungen bestehe daher nicht. Das Schreiben über die Vorschussgewährung habe den ausdrücklichen Vorbehalt bzw. Hinweis enthalten, dass für Vorschüsse eine Verpflichtung zur Rückzahlung gegeben sei, sofern diese den späteren Leistungsanspruch überstiegen oder ein Anspruch nicht bestehe.

 

Mit am 27. September 2016 bei der Beklagten vorab per Fax eingegangenen Schreiben legte die Klägerin über ihre Bevollmächtigte gegen die Bescheide vom 25. August 2016 und vom 29. August 2016 jeweils Widerspruch ein. Sie habe sich im Zeitpunkt des Unfallereignisses auf dem unmittelbaren Weg zur Arbeit befunden, aber den von ihr gewählten Umweg eingeschlagen, um dringend benötigte dienstliche Unterlagen zu besorgen. Soweit ihr Lebensgefährte bei seiner ersten polizeilichen Vernehmung angegeben haben solle, er sei zum Parkplatz des L Badelandes gefahren, um die Fahrzeuge zu tauschen, könne er sich an eine entsprechende Aussage nicht erinnern. Auf keinen Fall habe er angegeben, sie habe den weiteren Weg zur Arbeitsstelle zu Fuß zurücklegen wollen, denn die Entfernung zwischen dem Parkplatz des L Badelandes und dem Pflegeheim betrage ca. 5 km. Das Holen von wichtigen Dienstunterlagen stelle entgegen der Annahme der Beklagten keine allgemeine Vorbereitungshandlung dar, sondern sei als versicherte Tätigkeit zu werten.

 

Den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 25. August 2016 wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 2017 zurück. Zum Unfallzeitpunkt habe sich die Klägerin auf der B 317 aus Z kommend in Richtung W befunden, sei also an ihrer damaligen Arbeitsstelle in L bereits vorbeigefahren. Insofern habe es sich zunächst um eine Fahrt zum Standplatz des Wohnmobils gehandelt, die nicht unter Unfallversicherungsschutz stehe. Erst der anschließende Weg zum Seniorenzentrum S hätte sich als Arbeitsweg dargestellt. Es könne dahingestellt bleiben, ob es zutreffe, dass das L Badeland mit dem Ziel angesteuert worden sei, noch Unterlagen für den bevorstehenden Dienstantritt aus dem Pkw zu holen. Letztlich könne auch in diesem Fall kein Versicherungsschutz über eine gemischte Handlungstendenz hergeleitet werden. Wie die Klägerin selber angegeben habe und wie sich auch aus der Einzelabrechnung für den Monat März 2015 ergebe, seien ab dem 13. März 2015 mehrere weitere Einsätze für diesen Monat vorgesehen gewesen. Vor diesem Hintergrund sei nicht plausibel zu machen, dass die Fahrt an der Arbeitsstätte vorbei zum Parkplatz vor dem L Badeland wesentlich auch dem Abholen von Unterlagen gedient habe, wenn an den nächsten Tagen sowieso die Möglichkeit von Absprachen bezüglich weiterer Einsätze bestanden hätte. Der Widerspruchsausschuss habe sich nicht davon überzeugen können, dass diese Unterlagen unmittelbar für den bevorstehenden Dienst am Unfalltag benötigt worden seien und diese Absprache daher nicht nach Dienstschluss hätte nachgeholt werden können. Es sei nicht erkennbar, warum die Abstimmung über weitere Diensteinsätze im Folgemonat nur am 12. März 2015 und nicht auch noch an einem der darauffolgenden Tage im Laufe des Monats März 2015 hätte erledigt werden können. Die Fahrt zum Abstellplatz vor dem L Badeland wäre auch unternommen worden, wenn das Abholen von Unterlagen für die weitere Dienstplanung entfallen wäre. Diese Fahrt habe sich als Rückfahrt eines privaten Ausflugs dargestellt, auf dem kein Unfallversicherungsschutz bestanden habe. Dem Abholen der Unterlagen komme für die Handlungstendenz eine nur untergeordnete Bedeutung zu.

 

Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 2017 wies die Beklagte ebenfalls den Widerspruch gegen den Bescheid vom 29. August 2016 zurück. Die Klärung, ob das Ereignis vom 12. März 2015 als Arbeitsunfall anzuerkennen gewesen sei, habe längere Zeit in Anspruch genommen. Daher sei zunächst für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit vom 13. März 2015 bis zum 20. Mai 2015 ein Vorschuss auf das Verletztengeld gewährt worden. Nach Ablehnung des Bestehens eines Arbeitsunfalls sei der gewährte Verletztengeldvorschuss zu Unrecht gezahlt worden. Durch die Vorschussleistung entstehe keine Bindungswirkung im Hinblick auf die später endgültig festzusetzende Leistung, auch nicht dem Grunde nach. Wenn nach Vorschussbewilligung im Rahmen des Feststellungsverfahrens neue Erkenntnisse gewonnen würden, die dazu führten, dass ein Verletztengeldanspruch nicht bestehe, sei der Vorschuss gemäß § 42 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) vom Empfänger zu erstatten. Hierauf sei die Klägerin in der Vorschussbenachrichtigung vom 19. Mai 2015 unmissverständlich hingewiesen worden. Der Erstattungsanspruch entstehe kraft Gesetzes, soweit sich eine Überzahlung ergebe oder sich herausstelle, dass der Anspruch nicht bestehe.

 

Gegen beide Widerspruchsbescheide hat die Klägerin über ihre Bevollmächtigte am 24. Februar 2017 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Potsdam erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der von der Beklagten erhobene Einwand, die Terminabsprache hätte auch an einem anderen Tag erfolgen könne, so dass kein zwingender Grund bestanden habe, die Unterlagen gerade am 12. März 2015 aus dem Pkw zu holen, überzeuge nicht. Sie sei für den 12. März 2015 mit der zuständigen Schwester im Pflegeheim verabredet gewesen, um die Dienstpläne für den Folgemonat zu besprechen. Abwegig sei die von der Beklagten vorgenommene Bewertung der Unfallfahrt als Rückfahrt von einem privaten Ausflug. Es treffe nicht zu, dass sie die Fahrt zum Parkplatz des Badelandes auch unternommen hätte, wenn die Notwendigkeit des Abholens der Unterlagen entfallen wäre. Dieser Umweg sei wegen des sachlichen Zusammenhangs zur versicherten Tätigkeit mitversichert. Zudem bestehe Versicherungsschutz auch im Falle des Holens von Arbeitsgerät, das zur Ausübung der dienstlichen Tätigkeit benötigt werde. Für die hier benötigten Unterlagen könne nichts Abweichendes gelten.

 

Das SG Potsdam hat am 02. Februar 2018 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der der Zeuge H vernommen wurde. Dieser hat angegeben, am Unfalltag unterwegs gewesen zu sein, um das Wohnmobil zu versorgen, d. h. Frischwasser zu tanken und die Fäkalien zu entsorgen. Danach seien die Klägerin und er auf dem Weg zurück zum Parkplatz des L Badelandes gewesen, wobei es zum Unfall gekommen sei. Auf dem Parkplatz habe das Wohnmobil zum Übernachten stehen-bleiben sollen. Das Wohnmobil sei gleichsam das gemeinsame Zuhause für denjenigen Zeitraum, in dem die Klägerin, die er begleite, auswärts in einem Seniorenheim arbeite. In dem auf dem Parkplatz geparkten Pkw hätten sich Unterlagen zur Terminabsprache zwischen den unterschiedlichen Auftraggebern der Klägerin befunden. Die Fahrt zur Arbeitsstelle wäre dann wahrscheinlich mit dem Pkw fortgesetzt worden, da es in Lenge Gassen gebe und der Pkw flexibler sei.

 

Die Klägerin selbst hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG Potsdam erklärt, das Wohnmobil am Unfalltag „frisch gemacht“ zu haben, d. h. Wasser nachgetankt und die Chemietoilette versorgt zu haben. Danach seien sie und der Zeuge H gemeinsam zum Parkplatz gefahren, wobei der Unfall passiert sei. Auf dem Parkplatz hätten aus dem Auto ihres Lebensgefährten Papiere geholt werden sollen, wobei es sich um Dienstpläne, auch von anderen Seniorenzentren, gehandelt habe. Diese habe sie zur Absprache weiterer Einsätze benötigt. Im Anschluss hätte sie, wenn der Unfall nicht passiert wäre, ihr Lebensgefährte mit dem Wohnmobil zum Seniorenzentrum in L bringen sollen. Normalerweise werde, wenn das Wohnmobil auf dem Stellplatz stehe, der Pkw des Freundes genommen, da man mit diesem flexibler sei. Als Stellplatz für das Wohnmobil suche man sich regelmäßig einen solchen in der Nähe der Arbeitsstelle, da dies weniger koste. Dort verbringe man dann auch die Nacht.

 

Mit Urteil vom 02. Februar 2018 hat das SG Potsdam die Klagen abgewiesen. Das Gericht sei nicht davon überzeugt, dass sich die Klägerin zum Unfallzeitpunkt auf dem Weg zur versicherten Tätigkeit befunden habe. Im Ergebnis der gerichtlichen Ermittlungen sei davon auszugehen, dass sie am Unfalltag nach dem Ende ihrer Frühschicht auf den Parkplatz vor dem L Badeland zu dem dort als Unterkunft abgestellten Wohnmobil zurückgekehrt sei. Sodann habe sie die Freizeit genutzt, um sich gemeinsam mit dem Zeugen H um die Einsatzfähigkeit des Wohnmobils zu kümmern. Zu diesem Zweck seien die Klägerin und der Zeuge an einen Ort gefahren, an denen sie das Wohnmobil mit Frischwasser betanken und die Fäkalien entsorgen könnten. Sie hätten die Absicht gehabt, anschließend zum Parkplatz des L Badelandes zurückzukehren. Dort habe das Wohnmobil auch für die kommende Nacht als Unterkunft abgestellt werden sollen. Auf diesem Parkplatz sei auch der Pkw des Zeugen Habgestellt gewesen. In diesem Pkw hätten sich Unterlagen befunden, die die Klägerin zur Vereinbarung weiterer Dienste im Seniorenheim benötigt habe. Die im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben der Klägerin und des Zeugen Hhalte das Gericht für glaubwürdig.

Vor dem Hintergrund dieser Angaben gehe das Gericht nicht davon aus, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalls bereits auf dem Weg zur Arbeit im Seniorenzentrum in L gewesen sei. Sie habe die Landstraße in entgegengesetzter Richtung befahren, habe sich also vom Ort der versicherten Tätigkeit entfernt. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass das Wohnmobil während der Einsätze der Klägerin ihren häuslichen Bereich dargestellt habe. Der Versicherungsschutz beginne erst mit dem Verlassen des häuslichen Bereichs. Als die Klägerin verunfallt sei, habe sie sich als Beifahrerin im Wohnmobil befunden, also in ihrem häuslichen Bereich. Selbst wenn man den häuslichen Bereich der Klägerin auf den jeweiligen Stellplatz des Wohnmobils begrenzen würde, würde dies nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Die Klägerin wäre in diesem Fall nicht auf dem Weg zur versicherten Tätigkeit gewesen, sondern auf dem Weg von einem dritten Ort zurück in den häuslichen Bereich. Darüber hinaus sei die Versorgung des Wohnmobils als Unterkunft und die Suche nach einem Stellplatz nicht der versicherten Tätigkeit, sondern vielmehr dem privaten Lebensbereich der Klägerin zuzuordnen. Soweit die Klägerin vorgetragen habe, sie habe auf dem Parkplatz dienstlich benötigte Unterlagen aus dem Pkw ihres Lebensgefährten holen und sodann zum Seniorenzentrum fahren wollen, ändere dies nichts an der Einschätzung, dass ihr Weg zum Zeitpunkt des Unfalls nicht rechtlich wesentlich davon geprägt gewesen sei, sich zur versicherten Tätigkeit zu begeben. Denn auch der Pkw des Zeugen sei nicht der Ort der versicherten Tätigkeit. 

Soweit die Klägerin davon ausgehen sollte, dass sie von einem dritten Ort, dem Ort der Betankung des Wohnmobils mit Frischwasser und der Fäkalienentsorgung, auf dem Weg zum Seniorenheim gewesen sei und diesen unmittelbaren Weg für einen Umweg auf den Parkplatz des L Badelandes verlassen habe, liege darin jedenfalls kein unbeachtlicher Umweg. Durch den Umweg auf den Parkplatz des L Badelandes sei die Zielrichtung des versicherten Weges nicht beibehalten worden. Zudem habe sich der Weg deutlich verlängert.

Schließlich sei auch nicht auf der Grundlage des Vorbringens der Klägerin, die Unterlagen seien zur dienstlichen Verrichtung notwendig gewesen, von einem versicherten Weg auszugehen. Zwar sei gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 5 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) auch das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung eine versicherte Tätigkeit, wenn dies auf Veranlassung des Unternehmers erfolge. Unabhängig von der Frage, ob die Aufbewahrung der Unterlagen zur Terminabsprache im Pkw des Zeugen den Anforderungen an ein Verwahren im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII genüge, beschränke sich der Versicherungsschutz beim Verwahren eines Arbeitsgeräts auf die Verwahrungshandlung als solche und erstrecke sich nicht auf den Weg zum Verwahrungsort. Die Klägerin wäre aber im vorliegenden Fall auf dem Weg zum Verwahrungsort gewesen. Versicherungsschutz könne daher bereits aus diesem Grund nicht angenommen werden.

Vor diesem Hintergrund begegne auch der Bescheid der Beklagten, mit dem diese die Rückzahlung des gewährten Vorschusses geltend gemacht habe, keinen rechtlichen Bedenken.

 

Gegen das ihrer Bevollmächtigten am 15. Februar 2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 08. März 2018 über ihre Bevollmächtigte Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg eingelegt. Zur Begründung hat sie im Folgenden – ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen - ausgeführt, Versicherungsschutz habe bereits mit dem Durchschreiten der Außentür ihrer Wohnung in P Anfang Januar 2015, als sie sich zu ihrer ersten Einsatzstelle in M begeben habe, ununterbrochen bestanden. Seither fahre sie in ihrem Wohnmobil von Einsatzort zu Einsatzort. Die Annahme des SG Potsdam, der Unfall habe einen solchen im grundsätzlich nicht versicherten häuslichen Bereich dargestellt, da sie in dem Wohnmobil auch gewohnt habe, sei abwegig. Vielmehr stelle das Verlassen des Campingplatzgeländes quasi die „Außentür“ dar, von der aus sie sich auf den Weg zur Arbeit begeben habe. Im Übrigen habe es für das Ansteuern des Parkplatzes des Badelandes ausschließlich betriebliche Gründe gegeben. Zusammenfassend müsse den besonderen Umständen der Reisetätigkeit und den damit ständig wechselnden Arbeits- und Aufenthaltsorten angemessen Rechnung getragen werden. Ein aus dem Unfall resultierender Gesundheitsschaden ergebe sich bereits daraus, dass sie seit dem Unfallereignis fortlaufend arbeitsunfähig sei. Im Übrigen sei an dem Wohnmobil ein Totalschaden entstanden.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 02. Februar 2018 sowie die Bescheide vom 25. August 2016 und 29. August 2016, jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25. Januar 2017 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 12. März 2015 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.

 

Die Beklagte beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Sowohl aus den Angaben der Klägerin als auch des Zeugen H gehe hervor, dass geplant gewesen sei, mit dem Wohnmobil zum Parkplatz des L Badelandes zu fahren und dort das Wohnmobil für die Übernachtung abzustellen. Selbst wenn beabsichtigt gewesen sei, mit dem Wohnmobil vom Parkplatz wieder zur Arbeitsstelle in L zu fahren und erst nach Beendigung der Spätschicht mit dem Wohnmobil diesen Parkplatz erneut anzusteuern, hätte sich die Klägerin zum Unfallzeitpunkt nicht auf einem versicherten Weg befunden.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen. Die Akten lagen in der mündlichen Verhandlung und bei der Entscheidung vor.

 

Entscheidungsgründe

 

 

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das SG Potsdam hat die Klagen mit Urteil vom 02. Februar 2018 zu Recht abgewiesen.

 

Mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage kann die Feststellung des streitigen Unfalls als Arbeitsunfall begehrt werden (§ 54 Abs. 1 Satz 1, § 55 Abs. 1 Nr.  1 SGG). Soweit der Bescheid vom 29. August 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2017 betroffen ist, kann die Beschwer – die Rückforderung des erbrachten Vorschusses auf das Verletztengeld – bereits durch die bloße Anfechtung beseitigt werden.

 

Die Bescheide der Beklagten vom 25. August 2016 und 29. August 2016, jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25. Januar 2017, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Bei dem Ereignis vom 12. März 2015 hat es sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt. Demgemäß konnte die Beklagte den erbrachten Vorschuss auf das Verletztengeld zurückfordern.

 

Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt Bundessozialgericht <BSG>, Urteile vom 05. Juli 2016 – B 2 U 5/15 R – und 23.  Januar 2018 – B 2 U 8/16 R –, jeweils in Juris).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die Klägerin, die bei der Beklagten als selbständige Altenpflegerin gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII freiwillig versichert gewesen wäre, hat zwar einen Unfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erlitten, als sie am 12. März 2015 gegen 15:55 Uhr auf der Bundesstraße B 317 außerhalb der Ortschaft Win ihrem Wohnmobil mit einem entgegenkommenden Pkw seitlich kollidierte.

Dieser Unfall ist jedoch kein Arbeitsunfall. Im vorliegenden Fall fehlt es für die Feststellung eines Unfallereignisses im Sinne des § 8 SGB VII an einer der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Verrichtung der Klägerin zum Zeitpunkt des Schadenseintritts, die zu einer Einwirkung auf den Körper von außen geführt und einen Gesundheitsschaden wesentlich verursacht hat.

Der Senat erachtet es zunächst für erwiesen, dass sich die Klägerin bei dem Ereignis vom 12. März 2015 einen Gesundheitserstschaden zugezogen hat. Laut vorläufigem Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses L vom 12. März 2015 wurde die Klägerin am Unfalltag zwar lediglich wegen einer Hyperventilation behandelt. Im Übrigen hätten keine Verletzungszeichen bestanden. Die Klägerin sei eine Stunde lang beobachtet worden, aber in diesem Zeitraum klinisch unauffällig geblieben. Dieser Befund mag noch als normale körperliche Reaktion auf den wuchtigen Verkehrsunfall zu werten sein und (noch) keinen krankhaften Schockzustand darstellen. In der am Folgetag von der Gemeinschaftspraxis Dres. Bin W ausgestellten Verordnung von Krankenhausbehandlung heißt es jedoch weiter, die Klägerin leide unter Schmerzen nach einem Verkehrsunfall, so dass ihr zunächst eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 17. März 2015 attestiert worden war. Der die Klägerin nachfolgend behandelnde Allgemeinmediziner Dr. Z hat in einem ärztlichen Bericht über Unfallfolgen vom 15. April 2015 die Diagnosen eines Schleudertraumas und einer Kniegelenksprellung gestellt. Sodann hat er der Klägerin am 17. April 2015 eine weitere Arbeitsunfähigkeit vor dem Hintergrund der Diagnosen eines Schleudertraumas der Halswirbelsäule und einer Kniegelenksprellung attestiert. Unfallfolgen hat Dr. Z erneut in einer der Beklagten am 21. Mai 2015 erteilten Krankheitsauskunft bestätigt, indem er angegeben hat, die Klägerin habe bei dem Unfall Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule sowie Hämatome an beiden Kniegelenken erlitten und die Behandlung habe am 30. April 2015 abgeschlossen werden können. Auch der Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurg H hat in seiner auf der Grundlage einer Untersuchung der Klägerin vom 15. Juli 2015 am 17. Juli 2015 erstellten fachchirurgischen Stellungnahme als Unfallfolgen eine Distorsion der Halswirbelsäule und multiple Prellungen diagnostiziert. Diese ärztlichen und gutachterlichen Beurteilungen stehen in Einklang mit den Angaben in den Ersatzakten der Staatsanwaltschaft F– Zweigstelle L zur durch das Polizeipräsidium F aufgenommenen Verkehrsunfallanzeige. Dort ist dokumentiert, dass die Klägerin bei dem Seitenanprall links leicht verletzt worden sei und Prellungen erlitten habe. Der Zeuge H hatte gegenüber dem vernehmenden Polizeibeamten mitgeteilt, die Klägerin habe bei dem Unfall mehrfache Prellungen am Körper erlitten.  Durch den Polizeihauptmeister N wurde in dem polizeilichen Vorgang festgehalten, die Klägerin habe diverse Prellungen erlitten und habe nach einer Untersuchung im Kreiskrankenhaus L entlassen werden können.  Nach alledem bestehen für den Senat keine Zweifel am Vorliegen eines Gesundheitserstschadens, wobei dessen Feststellung keine schwerwiegendere Verletzung voraussetzt, sondern auch bei Bagatellschäden zu erfolgen hat.

Jedoch fehlt es vorliegend an einer der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Verrichtung der Klägerin zum Zeitpunkt des Schadenseintritts. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII zählt grundsätzlich auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit als unter dem Schutz des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII versicherte Tätigkeit im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung. Die in § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII gebrauchte Formulierung "des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit" kennzeichnet den sachlichen Zusammenhang des unfallbringenden Weges mit der versicherten Haupttätigkeit. Dieser sachliche Zusammenhang besteht, wenn die Zurücklegung des Weges der Aufnahme der versicherten Tätigkeit bzw. nach deren Beendigung dem Erreichen der Wohnung oder eines so genannten dritten Ortes dient. Ob das der Fall ist, ist wertend zu entscheiden, indem untersucht wird, ob die Verrichtung zur Zeit des Unfalls zum Weg zur oder von der versicherten Tätigkeit gehört. Maßgeblich ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten. Diese muss auf die versicherte Tätigkeit gerichtet sein und durch objektiv feststellbare Umstände gestützt werden, deren tatsächliche Grundlagen im Sinne des so genannten Vollbeweises sicher feststehen müssen. Die konkrete Verrichtung hatte ihren Grund dann in der betrieblichen Handlungstendenz, wenn sie hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn ein etwaiges eigenwirtschaftliches Interesse entfallen wäre (siehe zuletzt BSG, Urteile vom 30. Januar 2020 – B 2 U 2/18 R, B 2 U 9/18 R, B 2 U 20/18 R -, vgl. auch Urteil vom 31. August 2017 – B 2 U 2/16 R – und vom 20. Dezember 2016 – B 2 U 16/15 R -, jeweils in Juris).

Die Klägerin befand sich am 12. März 2015 zum Unfallzeitpunkt bereits nicht auf dem direkten Weg zu ihrer damaligen Arbeitsstätte in dem Altenpflegeheim Sim L Stadtteil S, J Weg. Dabei ist unerheblich, ob insoweit als Ausgangspunkt für die Fahrt zur Arbeitsstelle auf den Stellplatz des Wohnmobils auf dem Parkplatz des L Badelandes oder auf die in der Mittagspause im Rahmen eines Ausfluges und zum Auftanken des Wohnmobils angesteuerte Ortschaft Z als sogenannter „dritter Ort“, an dem der Aufenthalt länger als zwei Stunden gedauert hat (vgl. hierzu etwa BSG, Urteil vom 30. Januar 2020 – B 2 U 20/18 R -, Juris), abzustellen ist. Denn die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt aus Z kommend am L Stadtteil Sin dem sich das Altenpflegeheim befand, bereits vorbeigefahren und befuhr die B 317 weiter in entgegengesetzter Richtung zum L Badeland, so dass die Annahme, sie habe sich zum Unfallzeitpunkt auf dem unmittelbaren Weg zur Arbeitsstelle – entweder vom festen Stellplatz des Wohnmobils oder von einem „dritten Ort“ kommend –  befunden, von vornherein ausscheidet. Dieser Umstand ergibt sich bereits anhand von Kartenmaterial bzw. Routenplanern – etwa Google maps - aus der geographischen Betrachtung des Unfallortes im Verhältnis zum Arbeitsort, zum L Badeland und zur Ortschaft Z. Dieser sich bereits aus der Belegenheit der jeweiligen Örtlichkeiten und der Unfallstelle sowie aus den Akten der Staatsanwaltschaft F ergebende Sachverhalt entspricht im Übrigen nicht demjenigen, was sowohl die Klägerin als auch ihre Bevollmächtigte im Verlauf des Verfahrens zunächst angegeben, später dann aber unter dem Eindruck der weiteren Ermittlungen selbst revidiert hatten. Laut den eigenen Angaben der Klägerin in ihrer Unfallanzeige vom 13. April 2015 will sie zum Unfallzeitpunkt um 15:55 Uhr zu einem um 16:05 Uhr beginnenden Einsatz zur Altenpflege in dem Heim Sim L Stadtteil S gewesen sein. Diese Angabe ist zum einen widerlegt durch die entgegengesetzte Fahrtrichtung, in der sich das Wohnmobil der Klägerin zum Unfallzeitpunkt befand, zum anderen durch die von der Beklagten eingeholte Auskunft des Altenpflegeheims S vom 05. April 2016, wonach für den 12. März 2015 ein Wiederantritt der Arbeit für 17 Uhr – und nicht für 16:05 Uhr - geplant war. Weiter unzutreffend sind die Angaben der Klägerin in dem Wegeunfall-Fragebogen vom 13. April 2015. Dort hatte sie mitgeteilt, der übliche Weg von dem Parkplatz des L Badelandes zum Altenpflegeheim im J in L betrage 12 km, wofür sie 25 Minuten benötige. Aus einer Recherche des Routenplaners Google maps ergibt sich indes eine Fahrstrecke über die Bundesstraße 317 von 5,2 km mit einer Dauer von 10 – 12 Minuten. Diese Angabe dürfte im Zusammenhang stehen mit weiteren Versuchen, den erheblichen zeitlichen Abstand zwischen dem Unfallzeitpunkt und der Arbeitsaufnahme im Altenpflegeheim, das von der Unfallstelle nur wenige Fahrtminuten entfernt lag, zu verschleiern. So hatte die Bevollmächtigte der Klägerin gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 11. Mai 2016 mitgeteilt, die Klägerin sei am Unfalltag gegen 15:45 Uhr losgefahren, weil sich auf der Strecke zur Arbeitsstelle eine Schranke befinde, so dass vorsorglich die verkehrsbedingte Wartezeit einzuplanen gewesen sei. In Anbetracht der in den Akten der Staatsanwaltschaft F festgestellten Ermittlungsergebnisse wurde der Vortrag dann in seinem Wesenskern vollständig abgeändert. Erstmals mit Schreiben vom 10. Juni 2016 – also fast 15 Monate nach dem Unfallgeschehen - teilte die Bevollmächtigte der Klägerin gegenüber der Beklagten mit, dass die Klägerin den Parkplatz des Badelandes mit dem Ziel angesteuert habe, die im Pkw befindlichen Unterlagen zum bevorstehenden Dienst in der Pflegeeinrichtung mitzunehmen. Bei den Unterlagen habe es sich um Aufzeichnungen zu den von der Klägerin für den nächsten Monat bestätigten Einsätze gehandelt. Sie habe diese schon geplanten Einsätze mit den Dienstplänen im Pflegeheim abstimmen und besprechen wollen, welche weiteren Dienste sie im Folgenden noch im Pflegeheim S übernehmen könne.

 

Ohne dass es in Anbetracht des mehrfach wechselnden und daher nicht glaubhaften Vorbringens der Klägerin noch darauf ankäme, spricht gegen diese letzte Version auch die der Beklagten durch das Seniorenwohnheim mit Schreiben vom 05. April 2016 übersandte Einzelabrechnung. Aus dieser ergibt sich, dass bis Ende des Monats März 2015 noch 13 weitere Einsätze der Klägerin in dem Seniorenheim geplant waren, an denen zwanglos eine Absprache weiterer Dienstzeiten hätte erfolgen können. Für den Senat ist nicht plausibel, dass diese – im Übrigen grundsätzlich auch telefonisch oder per E-Mail mögliche - Absprache gerade in einem persönlichen Gespräch am 12. März 2015 erfolgen musste.

 

In Anbetracht des mehrfach wechselnden und in sich nicht stimmigen Vorbringens der Klägerin konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass die erstmals rund 15  Monate nach dem Unfallgeschehen abgegebene Schilderung zutrifft und sie zum Unfallzeitpunkt tatsächlich den Parkplatz des L Badelandes ansteuerte, um dienstlich benötigte Unterlagen aus dem dort abgestellten Pkw zu holen und diese sodann an ihre Arbeitsstelle mitzunehmen, um dort erforderliche Absprachen zu Diensteinsätzen zu tätigen. Vielmehr spricht die durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigte Handlungstendenz der Klägerin eher dafür, dass sie sich zum Unfallzeitpunkt auf einem nicht versicherten, durch eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit bedingten Weg bzw. Abweg befunden hat, und zwar auf der Rückfahrt von dem privat veranlassten Aufenthalt in Z zum bisherigen Stellplatz des Wohnmobils auf dem Parkplatz des L Badelandes, um – ggf. nach einer Pause - erst von dort aus wieder in entgegengesetzter Richtung den Weg zu ihrer Arbeitsstelle anzutreten, sei es ebenfalls in dem Wohnmobil, in dem Pkw oder zu Fuß.  Ein solcher Abweg liegt vor, wenn der Versicherte den Weg zum Ort der Tätigkeit räumlich dadurch verlängert, dass er eine Strecke wählt, die nicht mehr in Richtung auf sein versichertes Ziel führt (BSG, Urteile vom 30. Januar 2020 – B 2 U 19/18 R – und 20. Dezember 2016 – B 2 U 16/15 R -, jeweils in Juris). Die Nichterweislichkeit der für das Einschlagen der entgegengesetzten Fahrtrichtung maßgebenden Umstände geht nach den Grundsätzen der "objektiven" Beweislastverteilung zu Lasten der Klägerin. Den Nachteil aus der tatsächlichen Unaufklärbarkeit anspruchsbegründender Tatsachen hat nach den Regeln der objektiven Beweislast der sich auf deren Vorliegen berufende Versicherte zu tragen (BSG, Urteil vom 20. Dezember 2016 – B 2 U 16/15 R -, Juris).

 

Selbst wenn der Senat den von der Klägerin und von dem Zeugen Hin der mündlichen Verhandlung vor dem SG Potsdam zuletzt mitgeteilten Sachverhalt, wonach sie aus dem auf dem Parkplatz des Badelandes abgestellten Pkw dienstlich benötigte Unterlagen habe holen wollen, zugrunde legte, würde dies nicht dazu führen, dass sie sich zum Unfallzeitpunkt unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung befunden hätte.

 

Dies gilt zum einen unter dem Gesichtspunkt eines Betriebsweges im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Ein Betriebsweg unterscheidet sich von anderen Wegen dadurch, dass er im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wird und nicht - wie Wege nach und von dem Ort der Tätigkeit im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII - der versicherten Tätigkeit lediglich vorausgeht oder sich ihr anschließt (BSG, Urteile vom 12. Januar 2010 – B 2 U 35/08 R –, Rn. 16, und vom 09. November 2010 – B 2 U 14/10 R -, Rn. 20, jeweils zitiert nach Juris). Entscheidend für die Beurteilung, ob ein Weg im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wird und deswegen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, ist die objektivierte Handlungstendenz des Versicherten, ob also der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG, Urteil vom 10. Oktober 2006 – B 2 U 20/05 R -, Rn. 14, zitiert nach Juris). Als objektive Umstände, die Rückschlüsse auf die Handlungstendenz zulassen, ist beim Zurücklegen von Wegen insbesondere von Bedeutung, ob und inwieweit Ausgangspunkt, Ziel, Streckenführung und gegebenenfalls das gewählte Verkehrsmittel durch betriebliche Vorgaben geprägt werden (BSG, Urteil vom 09. November 2010 – B 2 U 14/10 R -, Rn. 20 zitiert nach Juris).

 

Die Klägerin befand sich zum Unfallzeitpunkt um 15:55 Uhr nur wenige Fahrtminuten vom Parkplatz des L Badelandes entfernt, wo sie nach ihren hier hypothetisch als wahr unterstellten eigenen Angaben aus dem Pkw ihres Lebensgefährten dienstliche Unterlagen holen wollte, um diese zu ihrem um 17 Uhr beginnenden Dienst im rund 5 km und rund 10 Fahrtminuten entfernten Pflegeheim im J Weg in L mitzubringen. Bei lebensnaher Betrachtung dürfte das Herausholen der Unterlagen aus dem – über einen räumlich nur sehr begrenzten Innenraum verfügenden – Pkw nicht mit einer längeren Suche verbunden gewesen sein, sondern lediglich mit einem wenige Sekunden dauernden Handgriff, keinesfalls aber länger als nur wenige Minuten dauern. Zieht man vor diesem Hintergrund – bei bereits großzügiger Betrachtungsweise – insgesamt 20 Minuten für die beiden noch zurückzulegenden Fahrtwege und für das Herausholen der Unterlagen aus dem Pkw von der Zeitspanne zwischen 15:55 Uhr und dem geplanten Dienstbeginn um 17:00 Uhr ab, so verbleibt ein Zeitfenster von 45 Minuten, das der Klägerin für rein private bzw. eigenwirtschaftliche Verrichtungen zur Verfügung stand. Es hätte sich bei der unfallbringenden Fahrt mithin um eine Verrichtung mit einer gespaltenen Handlungstendenz bzw. einer gemischten Motivationslage gehandelt (vgl. hierzu BSG, Urteile vom 30. Januar 2020 – B 2 U 2/18 R -, Rn. 29, vom 09. November 2010 – B 2 U 14/10 R -, Rn. 23, und vom 12. Mai 2009 – B 2 U 12/08 R -, Rn. 16, alle zitiert nach Juris), denn sie erfolgte sowohl mit privatwirtschaftlicher als auch mit betrieblicher Handlungstendenz. Eine betriebliche, den sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit begründende Handlungstendenz des Beschäftigten liegt vor, wenn er den Willen hat, durch die Verrichtung eine seiner Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen oder die Erfüllung von Vor- und Nachbereitungshandlungen, die das Gesetz versichert, zu ermöglichen, zu fördern oder zu sichern (BSG, Urteil vom 18. Juni 2013 – B 2 U 7/12 R -, Rn. 14 zitiert nach Juris). Danach mag zwar im Holen der dienstlich benötigten Unterlagen eine betriebliche Handlungstendenz liegen. Diese trat hier aber neben die privatwirtschaftliche Handlungstendenz, die darin lag, die bis zur Fahrt zum Dienstantritt verbleibenden 45 Minuten mit eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten zu füllen und sich durch das Abstellen des Wohnmobils auf dem Parkplatz des L Badelandes den Stellplatz für die kommende Nacht zu sichern.

 

Eine solche Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz steht dann im inneren bzw. sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn die konkrete Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns entfallen wäre (BSG, Urteil vom 12. Mai 2009 – B 2 U 12/08 R -, Rn 16 zitiert nach Juris), wenn also die Verrichtung nach den objektiven Umständen in ihrer konkreten, tatsächlichen Ausgestaltung ihren Grund in der betrieblichen Handlungstendenz findet. Insoweit ist nicht auf Vermutungen über hypothetische Geschehensabläufe außerhalb der konkreten Verrichtung und der objektivierten Handlungstendenzen, sondern nur auf die konkrete Verrichtung selbst abzustellen. Es ist zu fragen, ob die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen lässt (BSG, Urteil vom 18. Juni 2013 – B 2 U 7/12 R -, Rn. 15 zitiert nach Juris).

 

Nach den objektiven Umständen steht die Fahrt der Klägerin von kommend zum avisierten Stellplatz des Wohnmobils auf dem Parkplatz des L Badelandes in W in keinem erkennbaren sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, hier dem Holen der dienstlichen Unterlagen aus dem Pkw ihres Lebensgefährten. Der betriebliche Zweck, Dienstpläne zur Koordinierung weiterer Einsätze zu holen, vermag nach den objektiven Umständen nicht zu erklären, dass die unfallbringende Fahrt in Z beginnt und zum Parkplatz des L Badelandes führt. Vielmehr wurde vorliegend der Zielort – der Parkplatz des L Badelandes - zuvörderst zu dem Zweck angesteuert, die weitere verbleibende Zeit bis zur Fahrt zum Dienstantritt um 17:00 Uhr zu verbringen sowie einen Stellplatz für das Wohnmobil für die kommende Nacht zu sichern. Mithin fand die Fahrt ihren hauptsächlichen Motivationsgrund in den privaten Bedürfnissen der Klägerin. Betriebliche Erfordernisse, die die unfallbringende Fahrt notwendig gemacht hätten, sind nicht ersichtlich. Damit hat sich die Klägerin nicht auf einem versicherten Betriebsweg befunden, weil der von ihr eingeschlagene Weg seinen Grund vorrangig in der Erfüllung privater Bedürfnisse hatte.

 

Weiterhin bestand zum Zeitpunkt des Unfalls auch kein Versicherungsschutz gemäß der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII. Danach sind versicherte Tätigkeiten auch ein mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängendes Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgerätes oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt. Der Begriff des Arbeitsgerätes ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Er ist daher dem Sinn und Zweck der Vorschrift zu entnehmen. Außer „klassischen“ Werkzeugen können auch betriebliche Unterlagen Arbeitsgeräte darstellen (vgl. BSG, Urteil vom 11. August 1998 – B 2 U 17/97 R -, Rn. 28 zitiert nach Juris, vgl. zur Vorgängervorschrift des § 549 Reichsversicherungsordnung <RVO> BSG, Urteil vom 17.  Dezember 1975 – 2 RU 77/75 -, Rn. 17 zitiert nach Juris). Anders als im Rahmen des zivilrechtlichen Dauerschuldverhältnisses der Verwahrung beschränkt sich die unfallversicherungsrechtliche Verwahrungshandlung auf den einmaligen Akt der Unterbringung des Arbeitsgerätes an einem bestimmten Ort oder deren Beendigung (Entwahrung) und die damit zusammenhängenden Wege und Handlungen sowohl auf dem Arbeitsplatz als auch an einer anderen Stelle (so zur Vorgängervorschrift des § 549 RVO: BSG, Urteil vom 06. Mai 2003 – B 2 U 33/02 R -, Rn. 18 zitiert nach Juris).

 

Danach könnte ein von der Klägerin eingeschlagener Weg, um die für eine dienstliche Besprechung benötigten Unterlagen zu „entwahren“ und an ihre Arbeitsstelle mitzubringen, grundsätzlich den Tatbestand eines mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden „Entwahrens“ (als gleichermaßen versichertes Gegenstück zum Verwahren) darstellen. Allerdings gilt auch hier, dass der unfallbringende Weg mit gespaltener Handlungstendenz zurückgelegt wurde, wobei das Zurücklegen dieses Weges nach seinen objektiven Umständen zuvörderst motiviert war, die privaten Bedürfnisse der Klägerin zu erfüllen, namentlich das Verbringen der Pause vor der Fahrt zum erneuten Dienstantritt sowie die Sicherung des Stellplatzes für das Wohnmobil für die kommende Nacht. Versicherungsschutz scheidet damit auch nach der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII aus, soweit der – bereits nicht erwiesene – diesbezügliche Vortrag der Klägerin als wahr unterstellt wird.

 

Schließlich bestand für die Klägerin zum Unfallzeitpunkt auch kein Versicherungsschutz unter dem Gesichtspunkt einer Dienstreise. Zwar wird die Ausübung einer dem (Beschäftigungs-)Unternehmen dienenden Tätigkeit bzw. die Annahme objektiver Umstände des Einzelfalles, die eine entsprechende Handlungstendenz bestätigen, während einer Dienst- und Geschäftsreise am Ort der auswärtigen Beschäftigung oftmals eher anzunehmen sein als am Wohn- oder Arbeitsort. Ein lückenloser Versicherungsschutz auf derartigen Reisen mit der Erwägung, dass der Reisende gezwungen sei, sich an einem fremden Ort in einer fremden Umgebung aufzuhalten, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung aber regelmäßig abgelehnt worden. Vielmehr kommt es auch insoweit darauf an, dass die konkrete Verrichtung, bei der der Unfall eingetreten ist, eine rechtlich bedeutsame Beziehung zu der betrieblichen Tätigkeit am auswärtigen Dienstort aufgewiesen hat, welche die Annahme eines inneren Zusammenhangs rechtfertigt. Grundsätzlich entfällt daher der Unfallversicherungsschutz selbst auf Dienst- und Geschäftsreisen, solange sich der Versicherte dort rein persönlichen, von seinen betrieblichen Aufgaben nicht mehr wesentlich beeinflussten Belangen widmet (vgl. BSG, Urteil vom 08. März 2008 – B 2 U 13/07 R –, Rn. 15 ff. zitiert nach Juris, m. w. N.).

 

Deshalb vermag - entgegen der Auffassung der Klägerin - allein der Umstand, dass sie bereits im Januar 2015 ihre Wohnung in P verlassen hatte, sich seitdem an wechselnden Einsatzorten im Rahmen ihrer Altenpflegetätigkeit befand und dabei in ihrem Wohnmobil übernachtete, die Annahme eines Arbeitsunfalls allein nicht zu rechtfertigen. Einen derartigen "Dienstreisebann" gibt es in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht. Vorliegend besteht zwar insofern eine Verbindung zwischen dem Unfallgeschehen vom 12. März 2015 und der versicherten Tätigkeit der Klägerin als freiberuflich tätige Altenpflegerin, als die Altenpflegetätigkeit im Heim SGrund ihres Aufenthaltes im Raum Lund des Standortes ihres Wohnmobils auf dem Parkplatz des L Badelandes war. Das alleine reicht jedoch für die Annahme des erforderlichen sachlichen Zusammenhangs nicht aus, weil sich aus diesem Umstand nicht herleiten lässt, ob die konkrete Verrichtung, die sie als grundsätzlich freiwillig Versicherte im Rahmen ihrer selbständigen Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt tatsächlich ausgeübt hat, im Betriebsinteresse gelegen hat oder ob es sich stattdessen um eine (den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung regelmäßig unterbrechende) eigenwirtschaftliche Tätigkeit gehandelt hat, für die ein sachlicher Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nicht mehr angenommen werden kann.

 

Nach diesen Maßgaben kann die eigenwirtschaftliche Fahrt der Klägerin zum Unfallzeitpunkt nur als eine nicht versicherte Tätigkeit angesehen werden, weil es sich dabei um eine höchstpersönliche Verrichtung gehandelt und sich in der Unfallfahrt außerdem keine der versicherten Tätigkeit mehr zuzurechnende spezifische Gefahr verwirklicht hat. Zwar kann auf einer Dienst- und Geschäftsreise ein rechtlich wesentlicher innerer Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit ausnahmsweise auch dadurch begründet werden, dass der Versicherte während der Reise gezwungen ist, sich bei seiner privaten Lebensgestaltung am Aufenthaltsort Risiken auszusetzen, die an seinem üblichen Wohn- oder Beschäftigungsort nicht bestehen. Eine derartige Gefahrenquelle kann der versicherten Tätigkeit allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen zugerechnet werden. Erforderlich ist zum einen, dass sie sich bei solchen privaten Verrichtungen des täglichen Lebens auswirkt, die auch während einer Dienst- oder Geschäftsreise zwangsläufig anfallen, mit der Folge, dass sich der Versicherte der Gefährdung nicht entziehen kann. Ein betrieblicher Bezug ist deshalb gegeben, wenn besondere gefahrbringende Umstände am Ort des Dienstgeschäfts Unfälle beispielsweise bei der Nachtruhe, der Körperreinigung oder der Nahrungsaufnahme einschließlich der damit zusammenhängenden Wege verursacht haben. Erforderlich ist für die Annahme eines betrieblichen Zusammenhangs zum anderen, dass es sich dabei um eine Gefahrenquelle handeln muss, die in ihrer besonderen Eigenart dem Versicherten am Wohn- oder Arbeitsort nicht begegnet wäre (BSG, Urteile vom 08. März 2008 – B 2 U 13/07 R –, Rn. 17, und 26. Januar 1983 – 9b/8 RU 38/81 -, Rn. 12, Hessisches LSG, Urteil vom 13. August 2019 – L 3 U 198/17 -, Rn. 31, jeweils zitiert nach Juris).

 

Vorliegend hat jedoch weder ein besonderer gefahrbringender Umstand das Unfallereignis verursacht noch ist zu erkennen, dass es sich bei dem Zusammenstoß auf der Bundesstraße 317 um eine Gefahrenquelle gehandelt hat, die in ihrer besonderen Eigenart der Klägerin an ihrem eigentlichen Wohnort in P nicht hätte begegnen können. Die mit einer Autofahrt verbunden Gefahren stellen erkennbar ein allgemeines Lebensrisiko dar, dem die Klägerin grundsätzlich an jedem Ort in Deutschland ausgesetzt sein kann.

Schließlich erweist sich auch die durch Bescheid vom 29. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2017 ausgesprochene Rückforderung des Vorschusses von 500 € auf die Abrechnung des Verletztengeldes für den Zeitraum vom 13. März 2015 bis zum 20. Mai 2015 als rechtmäßig. Wenn nach Vorschussbewilligung im Rahmen des Feststellungsverfahrens neue Erkenntnisse gewonnen werden, die zu der Erkenntnis führen, dass ein Verletztengeldanspruch doch nicht besteht, ist dieser gemäß § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I vom Empfänger zu erstatten. Hierauf ist die Klägerin in der Vorschussbenachrichtigung vom 19. Mai 2015 ausdrücklich hingewiesen worden. Der Erstattungsanspruch nach § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I entsteht kraft Gesetzes, sobald sich eine Überzahlung ergibt oder sich herausstellt, dass der Anspruch nicht besteht (Rolfs, in: Hauck/Noftz, SGB I Kommentar, Stand Dezember 2019, § 42 Rn. 45 m. w. N.). Mangels feststellungsfähigen Arbeitsunfalls bestand bzw. besteht vorliegend kein Anspruch auf eine Erbringung von Verletztengeld, so dass die Beklagte den hierauf geleisteten Vorschuss zurückfordern durfte. Kraft der Verweisung in § 42 Abs. 2 Satz 3 SGB I gilt die Regelung des § 50 Abs. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) über die Verjährung des Anspruchs auf Rückerstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen entsprechend. Danach verjährt ein Erstattungsanspruch in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt, der die zu erstattende Leistung feststellt, unanfechtbar geworden ist. Demnach lag zum Zeitpunkt der Rückforderung des aufgrund der Benachrichtigung vom 19. Mai 2015 erbrachten Vorschusses mit Bescheid vom 29. August 2016 auch noch keine Verjährung vor. 

 

Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

 

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG vorliegt.

 

Rechtskraft
Aus
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