Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 4. August 2021 aufgehoben und den Klägern Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für das Verfahren S 206 AS 8761/20 unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten bewilligt.
Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die fristgerecht erhobene Beschwerde (vgl. § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hätte den Klägern auf ihren Antrag Prozesskostenhilfe bewilligen müssen, denn die Voraussetzungen liegen vor.
1. Die Kläger haben mit ihrer am 10. Dezember 2020 erhobenen Klage ursprünglich die Erteilung einer Zusicherung zum Wohnungstausch mit der Familie des gemeinsamen Sohnes (größere 3-Zimmer-Wohnung der Kläger gegen kleinere 2-Zimmer-Wohnung der Familie des Sohnes) sowie Umzugskosten und die Übernahme einer Mietkaution beantragt. Der Beklagte hatte auf ihren Antrag auf Bewilligung einer Zusicherung und Gewährung von Umzugskosten vom Oktober 2020 die Zusicherung mit Bescheid vom 23. Oktober 2020 und Widerspruchsbescheid vom 20. November 2020 abgelehnt. Die neue Wohnung mit einer monatlichen Gesamtmiete von 584,71 Euro sei nach den Vorgaben der AV-Wohnen unangemessen i.S. von § 22 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Auf eine e-mail-Anfrage der Kläger vom 1. Dezember 2020, mit dem diese (erneut) die Bewilligung von Umzugskosten und einer Mietkaution beantragten, hatte der Beklagte mit formlosen Schreiben vom 3. Dezember 2020 auf den Bescheid vom 23. Oktober 2020 verwiesen und mitgeteilt, es liege „nach Prüfung“ auch kein Härtefall vor. Den dagegen erhobenen Widerspruch hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2020 als unzulässig verworfen, da kein anfechtbarer Bescheid vorliege. Mit Änderungsbescheid vom 23. Dezember 2020 bewilligte der Beklagte ab 1. Januar 2020 nach dem am 6. Dezember 2020 durch die Kläger erfolgten Umzug in die neue Wohnung im Wege der Abhilfeentscheidung deren tatsächliche Kosten in voller Höhe, indem er einen Zuschlag in Höhe von 10 % auf die Werte der AV-Wohnen wegen der Behinderung der Klägerin zu 2) berücksichtigte (GdB in Höhe von 20 %). Mit Bescheid vom 15. März 2021 hat der Beklagte zunächst, bezugnehmend auf den „Antrag vom 1. Dezember 2020“, die Bewilligung von Umzugskosten und Mietkaution abgelehnt, auf den Widerspruch der Kläger am 20. August 2021 dann aber die Mietkaution bewilligt. Den Widerspruch betreffend die Umzugskosten haben die Kläger anschließend für erledigt erklärt. Die Kläger haben am 4. Juni 2021 die am 10. Dezember 2020 erhobene Klage auf Bewilligung von Umzugskostenhilfe und Gewährung eines Darlehens für die Mietkaution zurückgenommen und begehren noch die Feststellung, dass die Zusicherung zu Unrecht abgelehnt worden sei. Der Beklagte habe die Ablehnung der Mietkaution (15. März 2021) auch mit der fehlenden Zusicherung gerechtfertigt. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgewiesen, denn die Klage auf Erteilung einer Zusicherung habe sich vor Klageerhebung bereits erledigt (Hinweis auf BSG, Urteil vom 6. April 2011 – B 4 AS 5/10 R). Sie habe zu keinem Zeitpunkt Aussicht auf Erfolg gehabt. Hinsichtlich des weiteren Klagebegehrens (Umzugskosten/Mietkaution) hätten die Kläger die Klage zurückgenommen.
2. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG gelten für die Gewährung von Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Danach ist einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf seinen Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 ZPO). Dabei hat das angerufene Gericht die Erfolgsaussicht regelmäßig ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffes zu beurteilen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) soll die Prüfung der Erfolgsaussicht im Rahmen des § 114 ZPO nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern. Dieses darf nicht an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten, weil das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz fordert, nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen soll. Im Hinblick auf die fehlende Aussicht einer Klage auf Erfolg darf Prozesskostenhilfe nur verweigert werden, wenn die Klage (bei summarischer Prüfung) völlig aussichtslos ist oder ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine Entfernte ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. Juli 2005, 1 BvR 175/05 zitiert nach juris, dort Rdnr. 10 [BVerfGE 81, 347, 357]; Kammerbeschluss vom 19. Februar 2008, 1 BvR 1807/07, zitiert nach juris, dort Rdnr. 20 bis 23). Erledigt sich ein Verfahren, bevor über den Antrag auf Gewährung der Prozesskostenhilfe entschieden wurde, ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Erfolgsaussicht der Zeitpunkt der Bewilligungsreife. Dem liefe es zuwider, wenn im Fall des bewilligungsreifen Prozesskostenhilfeantrags bei der Prüfung der Erfolgsaussicht eine Erledigung ohne Weiteres zulasten der Antragsteller berücksichtigt würde. Auf die Möglichkeit von Kostenerstattungsansprüchen dürfen Unbemittelte dabei wegen der Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht verwiesen werden (BVerfG, Beschluss vom 16. April 2019 – 1 BvR 2111/17, zitiert nach juris, dort Rdnr. 25 ff.).
3. Ausgehend davon war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe der Kläger bereits vor der Entscheidung des Sozialgerichts bewilligungsreif und dürfen spätere Änderungen nicht ohne Weiteres zu ihren Lasten berücksichtigt werden. Die Kläger hatten mit ihrer Klage bereits den notwendigen Vordruck zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eingereicht und die Klage war mit ihrem Eingang begründet worden. Auf die Frage, welche (Abhilfe-)Entscheidungen der Beklagte im Jahr 2021 getroffen hat und ob die Klage zurückgenommen wurde, kommt es danach grundsätzlich nicht an. Zwar waren die Kläger bereits vor Klageerhebung, nämlich schon am 6. Dezember 2020 umgezogen und war damit bereits bei Erhebung der Klage die Frage zu stellen, ob entsprechend der Grundsätze des BSG, wonach sich mit dem Umzug die Zusicherung nach § 22 Abs. 6 SGB II auf andere Weise erledigt, sich auch das Begehren in der Sache bereits erledigt hatte. Die Klage wäre dann zulässigerweise allein auf Übernahme der Umzugskosten (ggf. der Mietkaution) zu richten gewesen (so Luik in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl. 2021, § 22 Rdnr. 298 unter Berufung auf das BSG). Das gilt aber nur dann, wenn die fehlende Zusicherung sich wirklich mit dem Umzug erledigte, also keinerlei Rechts- und Regelungswirkungen mehr zeitigte (vgl. Roos/Blüggel in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 39 Rdnr. 14). Im Fall der Kläger bestanden daran Zweifel. So war zu berücksichtigen, dass sich der Beklagte auch noch nach dem Umzug auf die fehlende Zusicherung berufen hat. Er hat noch am 15. März 2021 die Ablehnung der Übernahme der Kaution u.a. auf eine fehlende vorherige Zusicherung gestützt. Ausgehend von seinem eigenen Beurteilungszeitpunkt am 4. August 2021 hätte das Sozialgericht mithin prüfen müssen, ob bereits deshalb die aufrechterhaltene Feststellungsklage Aussicht auf Erfolg bot. Die Kläger begehrten – anders als das Sozialgericht ihr Begehren ausgelegt hat – seit dem 4. Juni 2021 nicht mehr „die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der Zusicherung“, sondern zuletzt noch, gerade im Hinblick auf die Entscheidung des Beklagten zur Mietkaution, die Feststellung, dass die Ablehnung der Zusicherung rechtswidrig war. Eine Prüfung des für die Erfolgsaussicht maßgeblichen Fortsetzungsfeststellungsinteresses hat das Sozialgericht aber überhaupt nicht vorgenommen.
Selbst wenn streng auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife abgestellt wird – hier nach Eingang der Erwiderung des Beklagten also auf den Zeitpunkt Januar 2021 – so waren die Erfolgsaussichten der Klage im Hinblick auf das ursprünglich weitere Klagebegehren der Gewährung der Umzugskosten offen. Jedenfalls gab die Bescheidungspraxis des Beklagten Veranlassung, die Klage hinsichtlich dieser Kosten zu erheben. Die Kläger haben im Oktober 2020 vor allem die Bewilligung von Umzugshilfe bei dem Beklagten beantragt. Dies haben sie per e-mail mitgeteilt und dazu mehrere Angebote von Umzugsunternehmen übersandt. Der Beklagte hat demgegenüber in dem angefochtenen Bescheid vom 23. Oktober 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids nicht klar erklärt, ob er allein über die Zusicherung entschieden hat oder auch die Umzugskosten. Im Bescheid vom 23. Oktober 2020 werden diese gar nicht erwähnt, im Widerspruchsbescheid werden die Umzugskosten wie auch der entsprechende Antrag der Kläger zwar benannt, aber im weiteren explizit nur erläutert, warum kein Anspruch auf die Zusicherung bestehe. Es wird weder klargestellt, ob bereits wegen des aus Sicht des Beklagten fehlenden Anspruchs auf Zusicherung auch keine Umzugskosten gewährt werden könnten oder insoweit noch ein weiterer Bescheid ergehe. Es erfolgte nach Aktenlage auch diesbezüglich keine Zwischennachricht, aus der unmissverständlich hervorgegangen wäre, dass der Beklagte noch über dieses Begehren entscheiden würde. Die Kläger hatten daher zwischen dem Erlass des Widerspruchsbescheides (vom 20. November 2020) und der Erhebung der Klage noch am 1. Dezember 2020 weitere Unterlagen per e-mail bei dem Beklagten eingereicht und neben den Umzugskosten erstmals konkret auch die Bewilligung der Mietkaution begehrt. Es ist im Verfahren der Prozesskostenhilfe nicht zu prüfen, ob in dieser Nachricht ein weiterer Antrag nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB II lag (zur Nichtförmlichkeit bei Eröffnung eines e-mail-Zugangs i.S.v. § 36a Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I, Silbermann in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl. 2021, § 37 Rdnr. 29). Jedenfalls hat der Beklagte am 3. Dezember 2021 fernmündlich eine Übernahme u.a. der Umzugskosten abgelehnt und am selben Tag – bezugnehmend auf die obige Anfrage der Kläger vom 1. Dezember 2020 – für die Zusicherung zum einen auf den Bescheid vom 23. Oktober 2020 verwiesen, zum anderen aber eine Notwendigkeit des Umzugs nach eigener Aussage auch „nach Prüfung“ der zusätzlich vorgetragenen Gründe abgelehnt. Sowohl für die fernmündliche Aussage wie für das ergänzende Schreiben ist jeweils zu prüfen, ob damit für die Zusicherung eine wiederholende Verfügung oder ein Zweitbescheid vorlag und für die Umzugskosten erstmals ein ablehnender Verwaltungsakt – fernmündlich – ergangen war. Es wäre schließlich je nach Ergebnis zu prüfen gewesen, ob §§ 86, 96 Sozialgerichtsgesetz im Hinblick auf den noch nicht bestandskräftigen Widerspruchsbescheid zur Anwendung gelangten. Soweit der Beklagte erst am 15. März 2021 unter Bezugnahme auf die Anfrage der Kläger vom 1. Dezember 2020 die Bewilligung von Leistungen für die Mietkaution explizit abgelehnt und dann auf Widerspruch Anfang August 2021 schließlich bewilligt hat, dürfte erst damit für die Kläger hinreichend klar erkennbar geworden sein, dass der Beklagte eine Entscheidung auf den Antrag vom 1. Dezember 2020 zur Kaution traf. Ob noch eine Entscheidung über den Antrag vom 19. Oktober 2020 zu den Umzugskosten erfolgen würde, war aber auch nach dem März 2021 weiter offen. Allein diese durch den Beklagten herbeigeführte recht unübersichtliche Bescheid- und Auskunftslage rechtfertigte die Erhebung der Anfechtungs- und Leistungsklage jedenfalls für die Bewilligung der Umzugskosten. Dass die Kläger die Klage insoweit später zurückgenommen haben, ist unschädlich. Das Bundesverfassungsgericht hat darauf hingewiesen, dass Unbemittelte im Rahmen der Prozesskostenhilfe nicht auf die Kostenerstattung nach § 193 SGG verwiesen werden dürfen (dazu oben).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).