Die Klage wird abgewiesen.
Der Klägerin werden die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens auferlegt.
Der Streitwert wird 7.352,11 € festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Vergütung einer vollstationären Krankenhausbehandlung und insofern das Vorliegen einer primären Fehlbelegung mangels Indikation der durchgeführten bariatrischen Operation streitig.
Die Klägerin betreibt ein zur medizinischen Versorgung von Mitgliedern gesetzlicher Krankenkassen zugelassenes Krankenhaus, in dem die am 00.00.0000 geborene und bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte S (im Folgenden: Versicherte) vom 10.11.2019 bis 14.11.2019 vollstationär behandelt wurde.
Planmäßig erfolgte die Aufnahme der Versicherten auf vertragsärztliche Verordnung zur bariatrischen Operation bei Adipositas III mit einem Body Mass Index (BMI) von 55 kg/m². Der intra- und postoperative Verlauf der am 11.11.2019 durchgeführten laparoskopischen Magenbypassoperation stellte sich regelrecht da. Bei reizlosen Wundverhältnissen und flüssiger Kost wurde die Versicherte am 14.11.2019 entlassen.
Die Beklagte beglich zunächst die von der Klägerin am 06.01.2020 unter Zugrundelegung der DRG K04Z (große Eingriffe bei Adipositas) in Rechnung gestellten Behandlungskosten in Höhe von 7.352,11 €, beauftragte aber nachgehend am 10.02.2020 den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Nordrhein (MDK) mit der Prüfung einer (primären) Fehlbelegung. Dieser kam unter dem 11.02.2020 (wie schon im Rahmen von Vorprüfungen auf Antrag der Versicherten im Jahr 2013 und auf Antrag der Klägerin im Jahr 2019 zu dem Ergebnis, dass die Durchführung der chirurgischen Behandlung der morbiden Adipositas „keine Not tat“, mit anderen Worten nicht indiziert gewesen sei. Denn die Versicherte mache Fehler in den Nahrungsvolumina, bei der Energiedichte der Nahrung und im Kalorienverbrauch und habe deshalb in den Monaten vor der Aufnahme weiter Gewicht zugenommen. Somit sei auch der Erfolg einer bariatrischen Maßnahme erheblich gefährdet, da die dauerhafte Gewichtsreduktion nicht allein durch die chirurgische Maßnahme zu erzielen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der „gutachterlichen Stellungnahme zu stationären Leistungen“ wird auf Bl. 20 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen.
Da zwischen den Beteiligten kein Einvernehmen herzustellen war, verrechnete die Beklagte am 18.05.2021 die Behandlungskosten mit den Forderungen aus zwei unstreitigen Behandlungsfällen.
Die Klägerin hat daraufhin am 31.05.2021 vor dem Sozialgericht Aachen Klage erhoben, mit der sie weiterhin die Auffassung vertritt, die medizinische Indikation sei nach allen Regeln der ärztlichen Kunst gestellt und die Versicherte sodann leitliniengerecht behandelt worden. Denn der bariatrische Eingriff sei im Sinne der Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften und der sozialgerichtlichen Rechtsprechung „ultima ratio“ gewesen. Oberhalb eines BMI von 50 Punkten sei die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg. Es habe eine primäre Operationsindikation im Sinne der (im Weiteren zitierten) S3-Leitlinie „Chirurgie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen„ und der aktuellen S3-Leitlinie „Prävention und Therapie der Adipositas„ bestanden. Unter Vorlage des „Gemeinsamen Statement(s) der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft Adipositas Therapie und Metabolisches Chirurgie (CAADIP) und der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (BAG) zum aktuellen Achtung Leitfaden Adipositas-Chirurgie des Medizinischer Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen e.V. (MDS – seit 01.01.2022 der Medizinische Dienst Bund) vom 06.10.2017 trägt die Klägerin vor, die Beklagte und der MDK leugneten die Existenz der primären (an einen Body Mass Index von über 50 Punkten anknüpfenden) Operationsindikation. Damit verlasse der MDK und der MDS „den Pfad evidenzbasierter Medizin“. Ihre Auffassung, wonach auch Patienten mit einem Gewicht von 50 Punkten unter einer konservativen Therapie signifikant und nachhaltig abnehmen könnten, vermische „Wunschdenken mit Kaffeesatzleserei“. Es existiere weltweit keine einzige Studie, welche den Erfolg nicht-chirurgischer Adipositastherapien in dieser Patientengruppe belege, während der Erfolg chirurgischer Interventionen evidenzbasiert nachgewiesen worden sei.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.352,11 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.05.2021 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Unter Vorlage einer weiteren Stellungnahme des MDK vom 19.10.2021, wegen derer Einzelheiten auf Bl. 47 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen wird, bleibt Beklagte dabei, dass im streitgegenständlichen Behandlungsfall keine Indikation zur Durchführung der bariatrischen Operation bestanden habe. Ein fachärztlich-diabetologisches Attest oder ein interdisziplinärer Beschluss zur Durchführung der Operation sei den Unterlagen nicht zu entnehmen. Auch schwerwiegende Komorbiditäten, Immobilität oder ein mit Insulin nicht einstellbarer Diabetes mellitus lägen dem MDK zufolge nicht vor. Die – nach Grundsatzurteilen des Bundessozialgerichts (BSG) erforderliche – Ausschöpfung sämtlicher konservativer Behandlungsmethoden vor einem (bariatrischen) operativen Eingriff in ein gesundes Organ dürfe nicht vorschnell angenommen werden. Zu diesen Methoden gehörten insbesondere Formen von ärztlich angeleiteter und begleiteter Ernährungs-, Bewegungs- und Psychotherapie. Ergäben sich dabei etwa aufgrund der konkreten Krankheitsgeschichte Zweifel an der nachhaltigen Fähigkeit eines Patienten, ärztliche Vorgaben für das eigene Ernährungsverhalten hinreichend zu beachten, obwohl ihm dies möglich und zumutbar wäre, begründe dies ggf. zugleich Zweifel an der Motivation des Patienten zur Einhaltung solcher Vorgaben auch nach Durchführung eines operativen Eingriffs.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird in Inhalt der Gerichtakte und der von der Klägerin beigezogenen Patientenakte Bezug genommen. Ihre Inhalte waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Bei einer auf Zahlung der Vergütung wegen der Behandlung eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhauses gegen eine Krankenkasse geht es um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (ständige Rechtsprechung, u.v.a. BSG, Urteile vom 17.06.2000 – B 3 KR 33/99 R, vom 23.07.2002 – B 3 KR 64/01 R und vom 14.10.2014 – B 1 KR 27/13 R). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen und die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten.
Die Klage ist indes unbegründet.
Gegenstand der Klageforderung ist nicht der Vergütungsanspruch der Klägerin aus der Behandlung der Versicherten. Denn dieser ist durch die Zahlung der Beklagten in vollem Umfang erfüllt. Gegenstand der Klageforderung ist vielmehr der Anspruch auf (vollständige) Vergütung der stationären Behandlungen zwei anderer, bei der Beklagten versicherter Patienten, aus denen die Klägerin - dies ist unstreitig - Anspruch auf die in Rechnung gestellten Forderungen hatte.
Die (Rest-) Forderung der Klägerin aus diesen Behandlungen ist in Höhe der Klageforderung unbegründet, da die Beklagte dagegen mit ihrer vermeintlichen Rückforderung aus dem Behandlungsfall der Versicherten mit Erfolg aufrechnen konnte. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung der für die stationäre Behandlung der Versicherten in Rechnung gestellten stationären Behandlung. Es liegt nach Auffassung des Gerichts insbesondere ein Fall primärer Fehlbelegung vor.
Rechtsgrundlage des geltenden gemachten Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) i.V.m. dem aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V folgenden Krankenhausbehandlungsanspruch der Versicherten. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch die Versicherten (ständige Rechtsprechung, u.v.a. BSG, Urteile vom 13.12.2001 - B 3 KR 11/01 R – vom 23.07.2002 - B 3 KR 64/01 R und vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R). Daher ist es ohne rechtlichen Belang, dass die Beklagte sich bereits auf der Grundlage zweier Stellungnahmen des MDK vor Aufnahme der Versicherten gegen die Kostenübernahme ausgesprochen hatte. Selbst, wenn die Krankenkasse im Versicherungsverhältnis eine Genehmigung des durchgeführten adipositaschirurgischen Eingriffs bestandskräftig - wegen aus ihrer Sicht fehlender Notwendigkeit - abgelehnt hätte, hätte dies auf den Vergütungsanspruch des Krankenhauses keinen Einfluss, solange die Behandlung - im Ergebnis - medizinisch notwendig war (vgl. BSG Urteil vom 11.04.2002 – B 3 KR 24/01 R). Dementsprechend und folgerichtig hat die Beklagte nachgehend unter dem 13.12.2019 – ausweislich ihrer Verwaltungsvorgänge (Bl. 23 der Gerichtsakte) – die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie „die Kosten der medizinisch notwendigen Krankenhausbehandlung gemäß § 39 SGB V unter Vorbehalt der Prüfung durch den MDK nach § 275 SGB V, sofern ein gültiges Versicherungsverhältnis während der Dauer der Behandlung besteht“, übernimmt.
Die näheren Einzelheiten über Aufnahme und Entlassung von Versicherten, Kostenübernahme, Abrechnung der Entgelte sowie die Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung ist in den zwischen der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen einerseits und verschiedenen Krankenkassen sowie Landesverbänden der Krankenkasse andererseits geschlossenen Verträge nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB V geregelt. Es sind dies der Vertrag über allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung (KBV) und der Vertrag zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung (KÜV).
Es bestand indes kein Anspruch der Versicherten auf Krankenhausbehandlung zu Lasten der Krankenkasse und damit korrespondierend kein entsprechender Zahlungsanspruch der Klägerin, weil die Krankenhausbehandlung der Versicherten, wie sie die Klägerin in der Zeit vom 10.11.2019 bis 14.11.2019 durchgeführt hat, nicht indiziert war.
Versicherte haben nach § 27 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Zum Zeitpunkt der Aufnahme zur stationären Behandlung bestand bei der Versicherten ein erhebliches Übergewicht im Sinne einer Adipositas Grad III mit einem Body-Mass-Index (BMI) von 55. In der Medizin besteht Einigkeit darüber, dass bei starkem Übergewicht (im Allgemeinen bereits ab einen BMI größer als 30) eine Behandlung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion erforderlich ist, weil anderenfalls ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Begleit- und Folgeerkrankungen besteht (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 R). Diese Auffassung teilt der Gesetzgeber offensichtlich wie sich der Beauftragung des Gemeinsamen Bundesausschusses mit der Ausgestaltung eines neuen strukturierten Behandlungsprogramm zur Verbesserung der Versorgung der Versicherten mit krankhaftem Übergewicht gemäß § 137f Abs. 1 Satz 3 SGB V in der Fassung des Gesetzes zu Weiterentwicklung der Gesundheitsvorsorgung vom 11.06.2021 ergibt, so dass an dem Krankheitswert eines Übergewichts in diesem Ausmaß kein Zweifel besteht.
Die Leistungspflicht der Krankenversicherung für eine chirurgische Therapie der Adipositas kann daher nicht mit der Erwägung verneint werden, dass für das Übergewicht das krankhafte Essverhalten der Patientin und nicht eine Funktionsstörung des Magens verantwortlich ist. Es trifft zwar zu, dass die operative Verkleinerung des Magens keine kausale Behandlung darstellt, sondern die Verhaltensstörung der Klägerin durch eine zwangsweise Begrenzung der Nahrungsmenge lediglich indirekt beeinflussen soll. Eine solche mittelbare Therapie wird jedoch vom Leistungsanspruch grundsätzlich mit umfasst, wenn sie ansonsten die in § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 12 Abs. 1 SGB V aufgestellten Anforderungen erfüllt sind, sie also ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist sowie dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht (BSG a.a.O.).
Da das Behandlungsziel auf verschiedenen Wegen erreicht werden kann, ist zunächst zu prüfen, ob eine vollstationäre chirurgische Behandlung unter Berücksichtigung der Behandlungsalternativen (diätetische Therapie, Bewegungstherapie, medikamentöse Therapie, Psychotherapie) im Sinn einer (wegen der mittelbaren Behandlung durch Eingriff in ein gesundes Organ erforderlichen) ultima ratio notwendig und wirtschaftlich ist. Dies ist im Fall bariatrischer Operationen grundsätzlich zu bejahen, wenn nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion aus medizinischer Sicht die Voraussetzungen für eine chirurgische Intervention gegeben sind.
Nach der insofern einschlägigen Leitlinie der Fachgesellschaften "Prävention und Therapie der Adipositas" in der zum Zeitpunkt der Behandlung bereits geltenden Version 2.0 von April 2018 (AWMF-Register Nr. 050-001), die mit der Klassifizierung S3 die höchste Qualitätsstufe der Entwicklungsmethodik aufweist, besteht zwischen Fachleuten nach Ziff. 5.42 und 5.43 Konsens darüber, dass bei Patienten mit extremer Adipositas ein chirurgischer Eingriff erwogen (Empfehlung 5.42) werden soll bzw. nach einem Sondervotum der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V. sollte. Eine solche „extreme Adipositas“ liegt gemäß Empfehlung 5.44 vor bei
Adipositas Grad III (BMI = 40 kg/m2) oder
- Adipositas Grad II (BMI = 35 und < 40 kg/m2) mit erheblichen
Komorbiditäten (z. B. T2DM) oder
- Adipositas Grad I (BMI >30 und <35 kg/m2) bei Patienten mit T2D
(Sonderfälle).
Diese Voraussetzung ist nach Aktenlage erfüllt und wird auch von der Beklagten – aus weislich der vorgelegten Stellungnahmen des MDK nicht in Frage gestellt. Die Versicherte hatte bei Aufnahme in die Klinik der Klägerin einen BMI von 55. Entgegen der Ansicht des MDK bestanden – wie der Inhalt der Patientenakte belegt – erhebliche Komorbiditäten, wie u.a. eine adipositasbedingte Bewegungseinschränkung mit Notwendigkeit zur Nutzung eines Rollators und Zustand nach Einsatz eines künstlichen Kniegelenks , maskenpflichtige Schlafapnoe und allgemeine Dyspnoe, insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ II, Fettleber und arteriellen Hypertonus, ohne dass es aber nach der obigen Definition bei Adipositas III darauf ankommt.
Nach Ziff. 5.45 der o.a. Leitlinie besteht zudem starker Konsens, dass die Indikation zu einem chirurgischen Eingriff interdisziplinär gestellt werden soll. Dies bedeutet unter Zugrundelegung von Empfehlung 3.7. der einschlägigen S3-Leitlinie "Chirurgie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen“ in der einschlägigen Version 2.3 von Februar 2018 (AWMF-Register Nr. 088-001) die Feststellung durch ein interdisziplinäre Team zur Behandlung von Patienten mit Adipositas („prä- und perioperative Betreuung, Indikationsstellung zum adipositaschirurgischen oder metabolischen Eingriff, postoperative Nachsorge“), das aus folgenden Mitgliedern bestehen soll:
a. in adipositaschirurgischen bzw. metabolischen Eingriffen kompetenter Chirurg
b. in adipositaschirurgischen bzw. metabolischen Eingriffen kompetenter Internist
/Hausarzt /Ernährungsmediziner
c. Mental Health Professional (s. 3.1.4) mit adipositaschirurgischer Erfahrung
d. Ernährungsfachkraft oder Ernährungsmediziner (s. 3.1.5) mit adipositaschirur-
gischer Erfahrung und ein
e. in der Diabetologie versierter Arzt (Diabetologe), wenn Eingriffe im Sinne der
metabolischen Chirurgie wegen eines vorbestehenden Typ 2 Diabetes geplant
sind.
Ein solcher interdisziplinärer Beschluss zur Durchführung der Operation ist der Patientenakte indes – worauf der MDK und die Beklagte zutreffend hinweist – der Patientenakte nicht zu entnehmen und kann auch durch das (an den die Versicherte behandelnden Arzt gerichtete) „Indikationsattest“ des Leiters der Klinik der Klägerin für Adipositaschirurgie, Chefarzt E vom 01.10.2019 nicht ersetzt werden, zumal in Anbetracht des Alters der Versicherten (66 Jahre zum Zeitpunkt der Operation) ein generell erhöhtes Operationsrisiko bestand (vgl. Ziff. 4.2.5 der o.a. Leitlinie "Chirurgie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen“) bestand. Für diese Patientengruppe wird ausdrücklich verlangt, dass die Indikationsstellung für eine adipositaschirurgische oder metabolische Operation im höheren Alter „immer individuell und interdisziplinär erfolgen sollte“, wenngleich ein Eingriff nicht aufgrund des Alters allein verweigert werden sollte. Die Indikationsstellung erfolgt als interdisziplinäre individuelle Einzelfallentscheidung (Empfehlung 4.14 der o.a. Leitlinie "Chirurgie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen“).
Zwar sieht Empfehlung 5.45 der Leitlinie "Prävention und Therapie der Adipositas“ vor, dass eine chirurgische Therapie (entgegen des in Empfehlung 5.44 abgebildeten Regelfalls) auch primär ohne eine präoperative konservative Therapie durchgeführt werden kann, wenn die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg ist oder der Gesundheitszustand des Patienten keinen Aufschub eines operativen Eingriffs zur Besserung durch Gewichtsreduktion erlaubt. (wird weiter ausgeführt). Auch dann bedarf es nach Auffassung der Kammer einer interdisziplinären Feststellung der Indikation, insbesondere auch zur Prüfung, ob – wie den weiteren Ausfürhungen zu entnehmen ist – ggf. „persönliche psychosoziale Umstände (in der Person der Versicherten vorliegen), die keinen Erfolg einer Lebensstiländerung in Aussicht stellen“. Für diese Beurteilung ist die Kompetenz eines sog. „Mental Health Professional“ als Angehöriger des interdisziplinären Teams (vgl. Empfehlung 3.7.), d.h. eines Facharztes für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie oder eines Psychologischen Psychotherapeuten (vgl. Empfehlung 3.8. mit weiteren Ausführungen) zwingend erforderlich. Insbesondere (auch) diese Fachkompetenz wurde zur Indikationsstellung nicht genutzt.
Für die Beurteilung ist es ohne Belang, dass nach der fachärztlichen Stellungnahme der Klägerin vom 04.12.2020 die Versicherte infolge des operativen Eingriffs innerhalb eines Jahres 40 kg. abgenommen hat, die Insulintherapie und die nächtliche Maskenbeatmung eingestellt, die antidiabetische Medikation halbiert und u.a auch die Medikamente zur Kontrolle des Bluthochdrucks reduziert werden konnten. Die Berechtigung der Krankenhausbehandlung ist nicht rückschauend aus der späteren Sicht des Krankenhausarztes oder eines Gutachters zu beurteilen, sondern es kommt darauf an, ob sich die stationäre Aufnahme oder Weiterbehandlung bei Zugrundelegung der für den Krankenhausarzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Kenntnisse und Informationen zu Recht als medizinisch notwendig dargestellt hat (BSG, Urteil vom 16.12.2008 -B 1 KN 3/08 KR R).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung und folgt dem Ausgang des Verfahrens.
Der Streitwert bestimmt sich nach § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG), wonach bei einem Antrag, der eine bezifferte Geldleistung betrifft, deren Höhe maßgebend ist.