Der Beschluss der Hessischen Schiedsstelle nach § 80 SGB XII vom 9. Mai 2017 wird aufgehoben.
Die Klägerin und der Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt - jetzt noch, nach Rücknahme eines Feststellungsantrags - die Aufhebung des Beschlusses der Hessischen Schiedsstelle gemäß § 80 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), mit dem die Vergütung für gesondert berechenbare Investitionskosten für eine von der Klägerin betriebene Einrichtung für die Zeit vom 1. Dezember 2016 bis zum 30. November 2017 auf einen Tagesbetrag von 16,94 €, statt, wie begehrt, auf 19,06 € festgesetzt worden ist.
Die Klägerin, die ihren Sitz in Berlin hat, betreibt die in L , M, einem Ort im Kreisgebiet des V gelegene, nicht öffentlich geförderte Pflegeeinrichtung K (im Folgenden: die Einrichtung). Diese verfügt über 86 Plätze für vollstationäre Pflege, sämtlich in Einzelzimmern. Es besteht ein Versorgungsvertrag gemäß § 72 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) für stationäre Pflege, der im Einvernehmen mit dem Beklagten geschlossen wurde. Die Einrichtung hat am 14. Oktober 2016 ihren Betrieb aufgenommen. Die Klägerin hatte und hat das Grundstück nebst Gebäude, das in Teileigentumseinheiten nach dem Wohnungseigentumsgesetz aufgeteilt worden ist, von den jeweiligen Eigentümern, diese vertreten durch die BS GmbH, gepachtet. Die Nettogrundfläche des Gebäudes beträgt ca. 4.382,43 m², also 51 m² pro Platz. Die vereinbarte Kaltpacht für alle Teileigentumseinheiten einschließlich des Gemeinschaftseigentums des Pflegeheimes betrug im hier interessierenden Zeitraum laut dem Pachtvertrag jährlich 554.661,30 €.
Mit Schreiben vom 7. September 2016 forderte die Klägerin den Beklagten zur Verhandlung von gesondert berechenbaren Investitionskosten auf. Der Tagesbetrag der gesondert berechenbaren Aufwendungen belaufe sich auf 21,11 €.
Mit Schreiben vom 5. Oktober 2016 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er nach den „Grundlagen zur Bemessung gesondert berechenbarer Investitionsaufwendungen nach § 75 (5) SGB XII in Verbindung mit § 82 SGB XI für neue und bestehende Einrichtungen“ der Hessischen Arbeitsgemeinschaft Investitionsaufwendungen (AG Invest, im Folgenden: Grundlagen AG Invest), gültig ab 1. Oktober 2015, eine entsprechende Vergleichsberechnung erstellt habe. Hierbei seien die Maximalbeträge pro Platz für eine neue Einrichtung sowie die aktuellen Zinssätze berücksichtigt worden. Nach den Grundlagen AG Invest dürfe bei gemieteten/gepachteten Einrichtungen der Tagessatz für die gesondert berechenbaren Investitionsaufwendungen nicht höher sein als 97 % der maximal möglichen Aufwendungen. Von der Kürzung habe er das Inventar und die Instandhaltungskosten ausgeklammert, da für den Pächter eine Beteiligungs- und Beseitigungspflicht bestünde. Zur Verzinsung des Fremdkapitals sei der Zinssatz nach dem von der KFW [Kreditanstalt für Wiederaufbau]-Bankengruppe veröffentlichten Wert des KFW-Programms 148 - Investitionskredit Kommunale und Soziale Unternehmen, 20/3/20, Preisklasse C, vom 1. September 2016 i.H.v. 2,47 % der Berechnung zugrunde gelegt worden. Unter Berücksichtigung einer Auslastung von 98 % ergebe sich somit ein maximaler Investitionskostensatz pro Tag von 16,54 €. Auf dieser Basis sei der Beklagte bereit, die entsprechende Vergütungsvereinbarung abzuschließen. Der Beklagte übersandte das Angebot vorab per E-Mail an die Klägerin, um bis zur Eröffnung der Einrichtung am 14. Oktober 2016 zu einem Abschluss kommen zu können.
Mit einfacher, nicht elektronisch zertifizierter und nicht mit einer handschriftlichen Unterschrift versehenen E-Mail vom 6. Oktober 2016 teilte die Klägerin durch ihren Abteilungsleiter Pflegesatzwesen dem Beklagten Folgendes mit: „Sehr geehrter Herr L, vielen Dank für die beiden Angebote. Das Angebot für die SGB XI-Entgelte nehmen wir an und bitten um Ausstellung der Vereinbarung. Diese Entgelte sind dann auch Grundlage der Überleitung nach dem PSG II incl. der bereits beantragten Mehrpersonalisierung. Zur Verdeutlichung übersende ich beigefügt die entsprechende Excel-Datei. (…). Über die Investitionskosten hatten wir, sehr geehrter Herr L, bereits gesprochen. Hier bitte ich um Ihr Entgegenkommen hinsichtlich der Finanzierung der geleasten Anlagegüter (Preisvorschlag 16,94 €). Diesen Wert habe ich zunächst auch in das PSG II-Überleitungstool eingetragen“.
Der Beklagte korrigierte die von ihm errechneten Investitionskosten von 16,54 €/Tag auf 16,94 €/Tag, weil die Klägerin noch Leasingverträge (Heimbus, Multifunktionsdrucker, Brandmeldeanlage, Feuerwehraufschaltung) nachgereicht hatte, die bei der Berechnung zu berücksichtigen seien.
Mit (einfacher, nicht elektronisch zertifizierter) E-Mail vom 14. Oktober 2016 übersandte die Klägerin durch ihren Abteilungsleiter Pflegesatzwesen die von dem Beklagten angeforderten, noch fehlenden Kostenaufstellungen bezüglich der Leasingverträge. Gleichzeitig wurden Erläuterungen zum Pachtvertrag gegeben. Im Ergebnis errechne sich ein Investitionskostenbetrag i.H.v. 19,06 €, davon allein 18,03 € für die Pacht. Die Klägerin fügte eine „Kalkulation zum Abschluss einer Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII über Investitionskosten“ bei, die einen Tagesbetrag der gesondert berechenbaren Aufwendungen von 19,06 € ausweist.
Mit Schreiben vom 14. Oktober 2016, abgesandt am 24. Oktober 2016, sandte der Beklagte der Klägerin ein von dem Landrat unterschriebenes Exemplar einer „Vergütungsvereinbarung für betriebsnotwendige Investitionsaufwendungen gemäß § 82 SGB XI i.V.m. § 75 SGB XII“ zu, in dem in § 1 Abs. 1 das Entgelt für betriebsnotwendige Investitionsaufwendungen von täglich 16,94 € für 86 Plätze anerkannt wurde. Diese Vereinbarung hat die Klägerin zu keinem Zeitpunkt unterschrieben.
Mit E-Mail vom 11. November 2016 nahm die Klägerin Bezug auf das Angebot des Beklagten vom 14. Oktober 2016/24. Oktober 2016 und teilte mit, dass mit dem Betrag von 16,94 € täglich die an den Eigentümer der Immobilie zu zahlende Pacht nicht gedeckt werde; auch die weiteren Kosten könnten damit nicht refinanziert werden. Die Pacht allein betrage umgerechnet 18,03 € pro Tag. Sie habe ihre Kostenkalkulation überarbeitet und komme im Ergebnis auf einen Betrag von 19,06 € pro Tag, den sie zur Refinanzierung der betriebsnotwendigen Kosten benötige. Sie bat um Prüfung, ob der Abschluss einer Vereinbarung nach § 75 SGB XII mit einer Vergütung i.H.v. 19,06 € pro Tag möglich sei.
Mit Schreiben vom 24. November 2016 antwortete der Beklagte, es sei der Klägerin unter Berücksichtigung der Maximalbeträge pro Platz für eine neue Einrichtung sowie die aktuellen Zinssätze und unter Berücksichtigung einer Auslastung von 98 %, der Investitionskostensatz pro Tag von 16,54 € mit Schreiben vom 5. Oktober 2016 angeboten worden. Die Grundlagen AG Invest seien vom Landesverband bpa [Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V.] mitunterzeichnet worden. Er gehe daher davon aus, dass der Klägerin die Berechnungsgrundlagen bekannt seien. Den Wunsch der Klägerin in der E-Mail vom 6. Oktober 2016 auf ein Entgegenkommen hinsichtlich der Finanzierung der geleasten Anlagegüter habe der Beklagte berücksichtigt und den von der Klägerin vorgeschlagenen Investitionskostensatz i.H.v. 16,94 € akzeptiert und die entsprechende Vergütungsvereinbarung zur Gegenzeichnung übersandt. Diesen Wert habe die Klägerin auch in das PSG II-Überleitungstool eingetragen und dies sei von dem Beklagten als Einigung gewertet worden. Ein Finanzierungsplan bzw. eine Abstimmung mit dem örtlichen Sozialhilfeträger, wie er in den Grundlagen AG Invest vorgesehen sei, sei nicht durchgeführt worden. Der Beklagte sehe daher keine Möglichkeit, einen Investitionskostensatz i.H.v. 19,06 € zu vereinbaren.
Mit Schreiben vom 29. November 2016 hat die Klägerin bei der Hessischen Schiedsstelle nach § 80 SGB XII die Einleitung eines Schiedsstellenverfahrens beantragt. Der Beklagte habe auch nach Ablauf der 6-Wochenfrist kein Angebot unterbreitet, welches die betriebsnotwendigen Investitionskosten der Klägerin refinanzierten. Die Vereinbarungen mit den Sozialhilfeträgern müssten den Pflegeeinrichtungen im Einklang mit der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) eine rechtliche Grundlage für die Refinanzierung der gesamten nicht durch öffentliche Förderung abgedeckten betriebsnotwendigen Investitionskosten geben. Pflegeeinrichtungen, die nicht nach Landesrecht gefördert würden, müssten die Möglichkeit haben, ihre anfallenden Gestehungskosten zu refinanzieren. Das Bundessozialgericht (BSG) habe mit Urteilen vom 8. September 2011 entschieden, dass jedenfalls gewerbliche Träger an einer angemessenen Refinanzierung ihrer mit den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung im Einklang stehenden Betriebskosten nicht dauerhaft behindert werden dürften (Hinweis auf das Urteil des BSG vom 8. September 2011, Az. B 3 P 6/10 R). Es ergebe sich eindeutig, dass das BSG bei der Berechnung der „betriebsnotwendigen Investitionskosten“ nach § 82 Abs. 4 SGB XI ausschließlich die tatsächlichen Gestehungskosten zugrunde lege, anders als ein „externer Vergleich“, welcher der Ermittlung der Angemessenheit einer geforderten Vergütungshöhe, d.h. als Verfahren der Ermittlung einer „leistungsgerechten“ Vergütung diene. Der Klägerin entstünden jährliche betriebsnotwendige Investitionskosten i.H.v. 586.306,34 €. Hiervon entfielen 554.661,30 € pro Jahr auf die zu zahlende Pacht. Einwände gegen die Betriebsnotwendigkeit der Investitionskosten habe der Beklagte nicht vorgetragen. Ohne diese Kosten wäre das Betriebsgebäude ebenso wie das Betriebsgrundstück für die Klägerin nicht nutzbar und somit der Versorgungsauftrag für die Pflegebedürftigen nicht zu erfüllen. Im Rahmen der betriebsnotwendigen Investitionskosten müsse der Klägerin die Refinanzierung durch die Umlage dieser Kosten auf die Heimbewohner bzw. den Sozialhilfeträger möglich sein. Anderenfalls wäre eine wirtschaftliche Betriebsführung zur Erfüllung des Versorgungsvertrages nicht möglich.
Soweit die Hessische Schiedsstelle die Nennung von mindestens drei Vergleichseinrichtungen erbeten habe, könnten solche mangels Wissen nicht genannt werden. Soweit die Schiedsstelle der Auffassung der Klägerin nicht zu folgen vermöge, wonach es zur Feststellung von betriebsnotwendigen und angemessen Investitionskosten nicht mehr auf die Durchführung eines externen Vergleichs ankomme, sei auf das Urteil des BSG vom 29. Januar 2009, Az. B 3 P 6/08 R, hinzuweisen, wonach das BSG entschieden habe, dass die Regelungen des externen Vergleichs nicht zu einer Vergütungsspirale nach unten führen dürften. Gegebenenfalls sei der Beklagte aufzufordern, eine Liste vergleichbarer Einrichtungen vorzulegen.
Soweit sich der Beklagte auf die Grundlagen AG Invest beziehe, so seien selbst nach diesen die von dem Beklagten unterstellten Anschaffungs- und Herstellungskosten i.H.v. 80.000 € pro Platz für das Gebäude zu niedrig. Es sei zu beachten, dass in den Grundlagen der AG Invest verschiedene Alternativen zur Bemessung des Investitionsbedarfs aufgeführt würden. Neben der Vergleichsberechnung sei der Vergleich mit der ortsüblichen Miete anderer Pflegeeinrichtungen gleichberechtigt genannt. Weiter sei festgelegt, dass die angenommenen Anschaffungs- und Herstellungskosten angepasst werden sollten, falls der Baupreisindex für Wohngebäude um mehr als 3,0 % steige (Anmerkung 2 der Grundlagen). Diese Schwelle sei schon im Februar 2016 überschritten worden. Gegenüber Februar 2014 habe sich eine Steigerung um 3,26 % ergeben. Dies entspreche den Daten des Statistischen Landesamtes, die die Klägerin als Anlage 2 beifügte.
Der Beklagte hat vorgetragen, nach seiner Auffassung sei der Betrag von 16,94 € geeint worden.
Die Ermittlung der Investitionskosten sei auf den Grundlagen der AG Invest vorgenommen worden. Die Grundlagen seien von den Spitzenverbänden der Kostenträger (Hessischer Landkreistag, Hessischer Städtetag) sowie der Leistungserbringer (Liga der freien Wohlfahrtspflege in Hessen, bpa Landesverband Hessen, VDAB [Verband deutscher Alten und Behindertenhilfe e. V.] Landesverband Hessen) unterzeichnet worden. Das Hessische Landessozialgericht (LSG) habe mit Urteil vom 19. Dezember 2012, Az. L 4 SO 157/11 KL, einen Rückgriff auf die Empfehlungen der AG Invest ausdrücklich für zulässig erklärt. Nach den Grundlagen der AG Invest errechne sich ein Investitionskostensatz von kalendertäglich 16,54 €. Unter Berücksichtigung des Einzelfalls seien zugunsten der Klägerin darüber hinaus nachgewiesene Leasingkosten in Höhe von kalendertäglich 0,40 € berücksichtigt worden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Schiedsstelle am 9. Mai 2017 haben die Beteiligten ihre Auffassungen im Wesentlichen wiederholt und vertieft. Der Beklagte hat unter anderem vorgetragen, dass sich eine ortsübliche Vergleichsmiete aus dem aus der Siedlungsstruktur des Landkreises resultierenden Mietniveau nicht ableiten lasse; im gesamten Vogelsbergkreis gebe es lediglich 20 Pflegeheime mit völlig unterschiedlichen Vergleichsparametern.
Auf Nachfrage der Schiedsstelle hat der Vertreter der Klägerin mitgeteilt, dass die E-Mail vom 6. Oktober 2016 nicht als einigungsfähiges Angebot gemeint gewesen sei, sondern lediglich eine Reaktion auf das Angebot des Beklagten gewesen sei, um auf das Erfordernis einer Berücksichtigung der Finanzierung der Leasingkosten i.H.v. 0,40 € aufmerksam zu machen und weil ein Wert in das PSG [Pflegestärkungsgesetz] II-Überleitungstool habe eingetragen werden müssen. Insoweit handele es sich um eine missverständliche Formulierung, die nicht als Zugeständnis an den Beklagten anzusehen sei.
Mit Beschluss vom 9. Mai 2017 hat die Schiedsstelle die Vergütung für gesondert berechenbare Investitionskosten gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII i.V.m. § 82 Abs. 4 SGB XI auf einen Tagesbetrag von 16,94 € für die Laufzeit vom 1. Dezember 2016 bis zum 30. November 2017 festgesetzt. Die Kosten des Verfahrens hat sie auf 3.000 € festgesetzt, diese seien von der Klägerin zu tragen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie sehe im Schreiben der Klägerin vom 6. Oktober 2016 den Antrag auf Abschluss einer Vereinbarung über einen Investitionskostenansatz von kalendertäglich 16,94 € (§ 145 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -). Mit Annahme des Antrags am 14. Oktober 2016 durch den Beklagten hätten sich die Parteien über diesen Betrag geeint.
Gegen den am 13. Juni 2017 bei dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingegangenen Beschluss hat diese am 3. Juli 2017 Klage bei dem LSG Berlin-Brandenburg erhoben. Sie hat zunächst den Antrag gestellt, den Schiedsspruch aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin einen Anspruch auf Festsetzung des Investitionsbetrages für den Zeitraum vom 1. Dezember 2016 bis zum 30. November 2017 i.H.v. 19,06 € hat. Den Feststellungsantrag hat sie mit Schriftsatz vom 25. Februar 2022 zurückgenommen. Zur Begründung ihrer Klage hat sie vorgetragen, eine wirksame Einigung zwischen den Beteiligten sei nicht zustandegekommen. Eine solche setze voraus, dass sich die Beteiligten in der vom Gesetzgeber zwingend vorgeschriebenen Form über einen bestimmten Betrag je Berechnungstag geeinigt hätten. Wäre überhaupt eine Einigung zustande gekommen, was nicht der Fall sei, so wäre sie unwirksam, weil sie nicht dem Schriftformerfordernis des § 56 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) genüge. Bei einer Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII handele es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, auf den die Vorschriften der §§ 53 ff. SGB X Anwendung fänden. Dementsprechend müsse ein solcher Vertrag auch die Schriftform wahren. Was unter Schriftform zu verstehen sei, sage das SGB X selbst nicht. § 56 SGB X verweise über § 61 Satz 2 SGB X auf § 126 BGB. Gemäß § 126 Abs. 2 BGB sei ein Vertrag auf derselben Vertragsurkunde (Urkundenidentität) von allen Parteien eigenhändig oder durch beglaubigtes Handzeichen gemäß § 126 Abs. 1 BGB zu unterzeichnen. Unter Beachtung der erheblichen wirtschaftlichen Konsequenzen für den Betreiber einer Einrichtung müsse der Vertreter oder das Organ eines Trägers die Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII mit der Hand unterzeichnen und an die Behörde zurücksenden. Eben dies sei der Grund dafür, dass der Beklagte Vereinbarungen an die Betreiber sende und auf deren schriftliche Unterzeichnung warte. Ohne eine solche komme eben ein Vertrag nicht zustande. Dabei komme es auch nicht auf die höchst streitige Frage an, ob beide Parteien eventuell nicht auf derselben Seite unterzeichnen müssten. Im vorliegenden Fall liege gar keine schriftliche Erklärung der Klägerin vor. Eine E-Mail genüge diesen Formerfordernissen in keinem Fall. Wäre überhaupt eine Einigung zustande gekommen, wäre sie nichtig, der Vertrag unwirksam und die Schiedsstelle hätte in der Sache entscheiden müssen.
Es fehle aber auch bereits an einer Einigung. Hierfür gälten gemäß § 61 SGB X die Vorgaben des BGB, insbesondere die §§ 145 ff. BGB. In der E-Mail vom 6. Oktober 2016 sei nicht mit Rechtsbindungswillen eine Erklärung abgegeben worden. Dieser fehle bereits deshalb, weil der Klägerin bewusst gewesen sei, dass nur eine schriftliche Erklärung verbindlich sein würde. Die Tatsache, dass angegeben worden sei, den Betrag von 16,94 € in das PSG-II-Überleitungstool einzustellen, habe allein der Tatsache gedient, dass nach der Umstellung von Pflegestufen auf Pflegegrade die neuen Pflegesätze und einrichtungseinheitlichen Eigentumsanteile zu ermitteln seien. Deshalb sei lediglich nachrichtlich eine Mitteilung zu machen gewesen. Da die Klägerin zu dem Zeitpunkt, in dem sie das Überleitungstool habe ausfüllen müssen, noch keine Vereinbarung abgeschlossen gehabt habe, allerdings nachrichtlich einen Wert habe angeben müssen, habe sie zunächst den nach ihrem Verständnis mindestens konsensfähigen Betrag eingesetzt. Ein Rechtsbindungswille könne bei lebensnaher Auslegung dieser Angabe daher nicht entnommen werden. Auch dem Wortlaut der E-Mail vom 6. Oktober 2016 lasse sich ein Rechtsbindungswille nicht entnehmen. Selbst wenn es sich um ein Angebot gehandelt hätte, habe die Klägerin dieses vor Annahme durch den Beklagten widerrufen. Bezüglich der Frage der Höhe der Investitionskosten entspricht die Begründung im Wesentlichen derjenigen im Schiedsstellenverfahren.
Die Klägerin beantragt,
den Schiedsspruch der Hessischen Schiedsstelle gemäß § 80 SGB XII vom 9. Mai 2017 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie vorgetragen, eine Einigung sei erzielt worden. Nach den gegebenen Umständen sei die Klägerin verpflichtet, aufgrund der tatsächlichen Einigung zwischen den Beteiligten der Formvorgabe durch Unterzeichnung der beiden Ausfertigungen der Vergütungsvereinbarung durch ihre Geschäftsführung zu genügen (Hinweis auf § 75 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII [gemeint ist wohl § 75 Abs. 5 Satz 3] i.V.m. § 82 Abs. 4 Satz 1 SGB XI). Auf den Schriftformmangel könne sich die Klägerin aufgrund des Grundsatzes von Treu und Glauben aus § 242 BGB nicht berufen. Diese Einschränkung des Formmangels sei von Amts wegen zu beachten und hier einschlägig, weil in materiell-rechtlich verbindlicher Weise eine diesbezügliche Einigung über die Investitionskostenvergütung zustandegekommen sei. Unabhängig davon folge aus § 77 Abs. 1 Satz 3 SGB XII, dass die Hessische Schiedsstelle bei ihrem Beschluss nicht an die Formvorgabe des § 56 SGB X gebunden gewesen sei. Dadurch sei insbesondere eine nachträgliche Unterzeichnung der Vergütungsvereinbarung durch die Klägerin obsolet geworden. Unschädlich sei, dass nach § 4 Abs. 1 der Vergütungsvereinbarung eine Laufzeit vom 14. Oktober 2016 bis zum 31. Oktober 2017 vorgesehen gewesen sei, während nach Ziffer 2 des Schiedsspruches die Vergütungsvereinbarung eine verbindliche Laufzeit vom 1. Dezember 2016 bis zum 30. November 2017 habe.
Der Senat hat die Akten L 23 SO 157/18 KL des LSG Berlin-Brandenburg beigezogen, in dem sich die Klägerin bezüglich des Zeitraums 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2018 gegen den Schiedsspruch der Hessischen Schiedsstelle vom 5. Juni 2018 wendet, in dem ein Tagesbetrag von 18,26 € festgesetzt wurde statt der von der Klägerin begehrten 20,87 € und der von dem Beklagten angebotenen 16,94 €. Die Grundlagen AG Invest hat die Schiedsstelle nicht berücksichtigt. Sie hat ausgeführt, es handele sich dabei um Empfehlungen eines Expertenkreises, die in der Vergangenheit wiederkehrend angewandt und von den Betroffenen akzeptiert worden seien. Empfehlungen müssten in regelmäßigen Abständen überprüft werden, um relevante faktische Änderungen zu berücksichtigen und die Aktualität der Empfehlungen sicherzustellen. Weil die Empfehlungen von einem Teil der Experten nicht mehr als wirklichkeits- und maßstabsgerecht angesehen würden, seien sie mit Wirkung zum 1. Januar 2018 gekündigt worden. Damit fehle es für die Zukunft zunächst an einer für die Anwendung erforderlichen Akzeptanz. Verhandlungen zu neuen Empfehlungen stünden noch aus.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
Die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Akten der Hessischen Schiedsstelle gemäß § 80 SGB XII sowie die Akten L 23 SO 157/18 KL des LSG Berlin-Brandenburg haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Bei dem Beschluss der Schiedsstelle handelt es sich wegen seiner Funktion als Interessenausgleich um einen vertragsgestaltenden Verwaltungsakt, den die Schiedsstelle als Behörde im Sinne des § 31 SGB X erlassen hat. Hat die Anfechtungsklage Erfolg, ist nach Aufhebung des Schiedsspruchs das Schiedsverfahren wiedereröffnet, so dass es einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Schiedsstelle im Rahmen einer Verpflichtungsbescheidungsklage auch in der Sache nicht bedarf. Eine Bindung der Schiedsstelle an die Begründung des Anfechtungsausspruchs des Gerichts wird mittelbar dadurch bewirkt, dass die Schiedsstelle ihre Rechte nur von den Beteiligten des gerichtlichen Verfahrens ableitet, die wiederum an den Urteilsausspruch gebunden sind (vgl. Urteil des BSG vom 23. Juli 2014, Az. B 8 SO 2/13 R, juris Rn. 11 und 12 mit zahlreichen weiteren Nachweisen = SozR 4-3500 § 77 Nr. 1, und zuletzt Urteil vom 28. Januar 2021, Az. B 8 SO 6/19 R, juris Rn. 11 = NZS 2021, 883).
Die Zulässigkeit der Klage ergibt sich aus § 77 Abs. 1 Satz 4 SGB XII in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006, gültig vom 7. Dezember 2006 bis zum 31. Dezember 2019 - a.F. - (jetzt § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB XII). Nach dieser Vorschrift ist gegen die Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII (seit Januar 2020 Schiedsstelle nach § 81 SGB XII) der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben, und zwar gemäß § 29 Abs. 2 Nr. 1 SGG erstinstanzlich zum Landessozialgericht.
Örtlich zuständig ist gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG das LSG Berlin-Brandenburg, da die Klägerin ihren Sitz in Berlin hat.
Eines Vorverfahrens bedurfte es gemäß § 77 Abs. 1 Satz 6 SGB XII a.F. (jetzt § 77 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz SGB XII) nicht.
Die sachliche Zuständigkeit des Beklagten ergibt sich hier aus § 97 Abs. 1 bis 3 SGB XII in der Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003, BGBl. I Seite 3022, gültig in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2019, in Verbindung mit § 2 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (HAG/SGB XII) vom 20. Dezember 2004, geändert durch Gesetz vom 10. Dezember 2013 (GVBl. Seite 675), wonach eine Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe für Vereinbarungen nach § 75 SGB XII a.F. nicht bestimmt worden ist. Zuständig sind daher die örtlichen Träger der Sozialhilfe. Das sind gemäß § 1 Satz 1 HAG/SGB XII in der oben genannten Fassung die kreisfreien Städte und die Landkreise, hier also der beklagte Landkreis.
Der Beklagte war bzw. ist auch für den Abschluss von Vergütungsvereinbarungen örtlich zuständig. Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 2 SGB XII ist Vertragspartei der Vereinbarungen der Träger der Einrichtungen und der für den Sitz der Einrichtung zuständige Träger der Sozialhilfe. Es wird also darauf abgestellt, wo die Einrichtung selbst gelegen ist (vgl. Urteil des BSG vom 7. Oktober 2015, Az. B 8 SO 1/14 R, juris Rn. 13 = SozR 4-3500 § 77 Nr. 2). Da die Einrichtung in M gelegen ist, einem Ort im Kreisgebiet des Beklagten, ist der Beklagte die richtige Vertragspartei und der richtige Beklagte.
Gegenstand des Verfahrens vor der Schiedsstelle war der Abschluss einer Vergütungsvereinbarung nach § 76 Abs. 2 Satz 1 SGB XII in der bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung, in Verbindung mit § 75 Abs. 5 Satz 3 SGB XII in der bis zum 25. April 2019 geltenden Fassung, also bzgl. der gesondert berechneten Investitionskosten. Die alten Fassungen des SGB XII sind hier noch anzuwenden, da der Senat nur eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses der Schiedsstelle durchführen darf, d.h., ob die Schiedsstelle nach den damals geltenden Bestimmungen eine zutreffende Entscheidung getroffen hat.
Zumindest die Klägerin ist davon ausgegangen, dass innerhalb von sechs Wochen nach Eingang des Antrags auf Abschluss einer Vergütungsvereinbarung eine solche nicht zustande gekommen war, so dass gemäß § 77 Abs. 1 Satz 3 SGB XII in der bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung (seit Januar 2020 § 77 Abs. 2 Satz 1 SGB XII mit einer dreimonatigen Frist) auf Antrag der Klägerin die Schiedsstelle zu entscheiden hatte. § 77 Abs. 1 Satz 3 SGB XII in der genannten Fassung lautete:
Kommt eine Vereinbarung nach § 76 Abs. 2 innerhalb von sechs Wochen nicht zustande, nachdem eine Partei schriftlich zu Verhandlungen aufgefordert hat, entscheidet die Schiedsstelle nach § 80 auf Antrag einer Partei unverzüglich über die Gegenstände, über die keine Einigung erreicht werden konnte.
Da die Schiedsstelle davon ausgegangen ist, dass eine Einigung/Vereinbarung zustande gekommen war, hätte sie konsequenterweise den Antrag als unzulässig verwerfen müssen.
Eine rechtswirksame Einigung ist zwischen den Beteiligten nicht zustande gekommen. Dabei kann dahinstehen, ob eine Einigung überhaupt erfolgt ist. Man könnte nach dem Wortlaut der E-Mail der Klägerin vom 6. Oktober 2016 von einem Angebot zum Abschluss einer Vereinbarung i.H.v. 16,94 € täglich ausgehen. Ob es sich dabei tatsächlich um ein uneingeschränktes Angebot in Höhe dieses Betrages handeln sollte und ob die Klägerin dieses gegebenenfalls widerrufen hat, muss hier nicht entschieden werden, da jedenfalls die Formvorschrift des § 56 SGB X nicht eingehalten ist. Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII a.F. sind öffentlich-rechtlicher Natur, erforderlich ist daher wegen § 56 SGB X die Schriftform (vgl. Münder in LPK-SGB XII, 10. Aufl. 2015, § 75 Rn. 30; Grube in Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 75 Rn. 30). § 56 SGB X lautet:
Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist schriftlich zu schließen, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist.
Schriftform i.S.d. § 56 SGB X heißt im Grundsatz, dass über den Vertragsinhalt eine Urkunde zu erstellen und von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens zu unterzeichnen ist (vgl. § 126 Abs. 1 BGB i.V.m. § 61 Satz 2 SGB X), wobei dahingestellt bleiben kann, ob die Unterschriften auf derselben Vertragsurkunde erfolgen müssen, was strittig ist (verneinend BSG, Urteil vom 13. Dezember 2011, Az. B 1 KR 9/11 R, juris Rn. 14 bis 15 = SozR 4-2500 § 133 Nr. 6, vgl. zum Streitstand Nielsson in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., Stand: 1. Dezember 2017, § 56 SGB X, Rn. 62). Eigenhändig bedeutet „mit der eigenen Hand“. Nur die Unterschrift muss eigenhändig sein, nicht aber der übrige Urkundeninhalt (Nielsson, a.a.O., § 56 SGB X, Rn. 31 und 32). Ausreichend ist ein Telefax der mit Originalunterschriften versehenen Vertragsurkunde, zumal dies auch in Gerichtsverfahren für fristwahrende Schriftsätze als ausreichend angesehen wird. Die Übermittlung mit Telegramm oder Fernschreiben genügt hingegen nicht, wohl aber die Übersendung einer eingescannten Datei im PDF-Format als Anhang eines elektronischen Dokuments mit qualifizierter elektronischer Signatur (Prof. Dr. Peter Becker in: Hauck/Noftz SGB X, § 56 Schriftform, Rn. 20; so auch Nielsson, a.a.O., § 56 Rn. 35). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, da, selbst wenn es sich bei der E-Mail vom 6. Oktober 2016 um ein Vertragsangebot der Klägerin gehandelt haben sollte, dieses nicht formgerecht gewesen ist. Die Klägerin hat zu keinem Zeitpunkt eine unterschriebene Erklärung bezüglich eines Angebotes oder einer Annahme einer Vereinbarung von 16,94 € kalendertäglich abgegeben. Ein Angebot in einem elektronischen Dokument ohne Unterschrift und ohne qualifizierte elektronische Signatur, wie es hier in Form einer einfachen E-Mail vorliegen würde, entspricht den Formvorschriften nicht.
Vereinbarungen, die dem Erfordernis der Schriftform nicht genügen, sind nichtig (Dr. Karina Krohn in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand 2. Ergänzungslieferung 2022, § 75 Allgemeine Grundsätze, Rn. 20; Nielsson, a.a.O., § 56 Rn. 72). Unter Umständen kann eine Berufung auf die Nichtigkeit einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen (Hamburgisches Oberverwaltungsgericht - OVG - , Urteil vom 19. März 2008, Az. 2 Bf 192/05, juris Rn. 47; Nielsson, a.a.O., § 56 SGB X Rn. 82). Ein Leistungserfüllungsanspruch aus einer nichtigen Vereinbarung lässt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben allerdings nur herleiten, wenn das Ergebnis nach der Rechtsordnung andernfalls schlechthin unerträglich wäre. Die Anwendung des Grundsatzes darf nicht dazu führen, dass die bestehenden gesetzlichen Formvorschriften des bürgerlichen Rechts wie des öffentlichen Rechts auf diese Weise umgangen werden. Ein Erfüllungsbedürfnis ist durch Treu und Glauben nur gerechtfertigt, wenn eine Rückabwicklung der bereits erbrachten Leistung des Gläubigers nicht möglich ist und Kenntnis der Formnichtigkeit oder Arglist seitens des noch Leistungspflichtigen bestand oder diesem ein anderer, besonders schwerer Treueverstoß anzulasten ist (Hamburgisches OVG, Urteil vom 19. März 2008, a.a.O., juris Rn. 48). Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall ersichtlich nicht vor. Es ist auch wenig wahrscheinlich, dass die strengen Voraussetzungen dieser Ausnahme bei Vereinbarungen einmal gegeben sein könnten. Denn Behörden müssen mit den für ihr Handeln maßgeblichen Formvorschriften vertraut sein, so dass diese Vorschriften allenfalls in extremen Ausnahmefällen einmal zurücktreten können (Dr. Karina Krohn, a.a.O., § 75 SGB XII Rn. 20).
Nach alldem ist eine wirksame Vergütungsvereinbarung mit einem geeinten Betrag von 16,94 € kalendertäglich nicht zustande gekommen. Da der Beschluss der Schiedsstelle vom 9. Mai 2017 damit rechtswidrig ist, da diese von einer Einigung ausgegangen ist, ist der Beschluss auf die Anfechtungsklage hin aufzuheben. Es liegt hier kein dem vom BSG mit Urteil vom 28. Januar 2021, Az. B 8 SO 6/19 R, dokumentiert in juris vergleichbarer Fall vor, wonach ein zur Aufhebung einer Schiedsstellenentscheidung führender Formfehler in Gestalt eines Begründungsmangels nicht schon dann vorliegt, wenn die Begründung der Schiedsstelle einer materiellen Überprüfung nicht standhält (dort Rn. 15). Die Schiedsstelle hätte im vorliegenden Fall, wie oben bereits angesprochen, keine Vergütung festsetzen dürfen, da nach ihrer Auffassung der von ihr festgesetzte Tagesbetrag bereits geeint worden war. Die Anrufung der Schiedsstelle wäre, träfe dies zu, nicht zulässig gewesen. Dies bedeutet, dass sich die Schiedsstelle inhaltlich mit der Frage, welcher Tagessatz hier angemessen wäre, nicht befasst hat. Das bedeutet gleichzeitig, dass der Senat den von der Schiedsstelle festgesetzten Betrag von 16,94 € nicht überprüfen kann, da sich die Schiedsstelle selbst inhaltlich nicht dazu geäußert hat, ob dieser Betrag zutreffend ermittelt wurde. Die Entscheidung der Schiedsstelle, die eine Schlichtungsmaßnahme eines sachnahen, weisungsfreien, mit Interessenvertretern paritätisch zusammengesetzten Gremiums ist und deren Entscheidungsspielraum sich am Vereinbarungsspielraum der Vertragsparteien misst, ist gerichtlich im Rahmen der normativen Vorgaben der §§ 75 ff SGB XII regelmäßig nur eingeschränkt dahin überprüfbar, ob die verfahrensrechtlichen Regelungen eingehalten sind, der Sachverhalt ermittelt ist und die Schiedsstelle bei der Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange ihren Gestaltungsspielraum nicht verkannt hat (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. hier BSG, Urteil vom 5. Juli 2018, Az. B 8 SO 28/16 R, juris Rn. 12 = SozR 4-3250 § 41 Nr. 2). All dies ist dem erkennenden Senat vorliegend nicht möglich, weil die Schiedsstelle diesen Vorgaben wegen ihrer Auffassung, es liege eine Einigung bereits vor, gar nicht nachgekommen ist. In dem vom BSG entschiedenen Fall B 8 SO 6/19 R hatte die Schiedsstelle auch inhaltlich eine Begründung gegeben, die das BSG jedoch nicht für zutreffend angesehen hat. Es war deshalb davon ausgegangen, dass ein Begründungsmangel gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X dort nicht gegeben war. Vorliegend liegt jedoch eine Darlegung, aus welchen Gründen ein Betrag von 16,94 € zutreffend sein sollte, in keiner Form vor, so dass der Senat auch eine entsprechende Überprüfung nicht vornehmen kann. Ein Schiedsstellenspruch muss nach der Rechtsprechung des BSG auf Nachvollziehbarkeit unter Beachtung der allgemeinen Beweisgrundsätze einschließlich der Denkgesetze überprüft werden können (vgl. Urteil des BSG vom 14. Dezember 2000, Az. B 3 P 19/00 R, juris Rn. 34 = SozR 3-3300 § 85 Nr. 1; ähnlich Dr. Karina Krohn in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB XII, Stand 2. Ergänzungslieferung 2022, § 77 Rn. 18). Die Gründe für das Entscheidungsergebnis müssen wenigstens andeutungsweise erkennbar sein. Dies setzt voraus, dass tragfähige Tatsachenfeststellungen getroffen werden, auf deren Grundlage die Abwägung vorgenommen wurde. Anderenfalls wäre eine Art. 19 GG entsprechende gerichtliche Überprüfung, ob das Schiedsamt seinen Beurteilungsspielraum eingehalten hat, nicht möglich (vgl. Urteil des BSG vom 13. August 2014, Az. B 6 KA 6/14 R, juris Rn. 60). In Anlehnung an § 35 SGB X müssen die für den Schiedsspruch wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe, die notwendig sind, um die von der Schiedsstelle vorgenommene Wertung in Bezug auf die festgesetzte Vergütung bzw. Leistung nachvollziehen zu können, mitgeteilt werden. Dies erfordert im Regelfall auch Ausführungen zu der von der Schiedsstelle gewählten Methode für die Ermittlung einer den Grundsätzen des § 75 Abs. 3 Satz 2 SGB XII a.F. entsprechenden Vergütung. Eine knappe Begründung ist ausreichend, wenn sie die gefundene Kompromisslösung für die Vertragsparteien und das Gericht nachvollziehbar belegt (vgl. das Urteil des erkennenden Senats vom 30. September 2015, Az. L 15 SO 308/14 KL, juris Rn. 51).
Wollte man das eben Gesagte anders sehen und die von der Schiedsstelle - fälschlicherweise - gegebene Begründung ausreichend sein lassen, dürfte der Beschluss der Schiedsstelle aus anderen Gründen ebenfalls aufzuheben sein. Hintergrund der Regelung, dass Vereinbarungen über Investitionskosten im Falle des § 82 Abs. 4 SGB XI, also bei nicht nach Landesrecht geförderten Pflegeeinrichtungen, gesondert mit dem Sozialhilfeträger zu vereinbaren sind, ist, dass sich die Vergütung der Pflegeleistungen grundsätzlich nach den Vorschriften des SGB XI richtet, dort aber die Investitionskosten nicht Bestandteil der Pflegevergütung sind. Dies beruht auf dem Finanzierungsmodell betriebsnotwendiger Investitionskosten im Bereich der sozialen Pflegeversicherung (§ 9 SGB XI, sogenanntes duales Modell). Abhängig von der landesrechtlichen Ausgestaltung der Förderung werden derartige Kosten deshalb entweder - bei vollständiger Förderung der Einrichtung - im Rahmen dieser Förderung getragen, oder können - bei teilweiser öffentlicher Förderung -, soweit ungedeckt, den Pflegebedürftigen mit Zustimmung der Landesbehörde selbst in Rechnung gestellt (§ 82 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB XI) oder bei fehlender Förderung ohne deren Zustimmung gesondert berechnet werden (§ 82 Abs. 4 SGB XI). Im zuletzt genannten Fall soll mit § 75 Abs. 5 Satz 3 SGB XII a.F. der Sozialhilfeträger, der Kosten für den Heimbewohner zu übernehmen hat, durch das Recht zu eigenen Verhandlungen davor geschützt werden, ungerechtfertigt überhöhte Investitionskosten übernehmen zu müssen. Der Abschluss einer Investitionskostenvereinbarung nach § 75 Abs. 5 Satz 3 SGB XII a.F. dient aber zugleich der Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Einrichtung; denn die - im SGB XI vorgesehene - Umlage der Investitionskosten auf den Heimbewohner bezweckt einen Ausgleich dafür, dass der von einer Einrichtung aufgebrachte Investitionsaufwand entgegen der Finanzierungsstruktur des § 9 SGB XI nicht mit öffentlichen Mitteln gefördert worden ist, diese Kosten aber nicht endgültig bei der Einrichtung verbleiben sollen (vgl. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2015, Az. B 8 SO 19/14 R, juris Rn. 16 = SozR 4-3500 § 75 Nr. 8).
Unschädlich bezüglich der Rechtmäßigkeit des Schiedsstellenspruches wäre, dass es vorliegend an einer Prüfungs- und Leistungsvereinbarung für die gesondert berechenbaren Investitionskosten fehlt. Das BSG hat in seinem Urteil vom 7. Oktober 2015, Az. B 8 SO 1/14 R, juris Rn. 16 = SozR 4-3500 § 77 Nr. 2, ausgeführt, dass die Formulierung in § 75 Abs. 5 Satz 3 SGB XII a.F. - „entsprechende Vereinbarungen nach dem Zehnten Kapitel" - nicht eindeutig erkennen lasse, welche der möglichen Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII überhaupt in Bezug genommen werden sollen. In der Sache sei die Notwendigkeit derartiger Vereinbarungen, bezogen auf die isolierte Investitionskostenvergütung, schon deshalb zweifelhaft, weil für sie angesichts des Inhalts der Vereinbarungen im Pflegesatzverfahren nach dem SGB XI wohl kaum Regelungsbedarf verbleiben würde. Jedenfalls dann, wenn die Beteiligten übereinstimmend der Ansicht seien, dass es derartiger Vereinbarungen nicht mehr bedürfe und der Abschluss deshalb von keiner Seite gefordert werde, seien derartige Vereinbarungen verzichtbar. Vorliegend waren offensichtlich beide Verhandlungspartner nicht der Auffassung, dass es einer Leistungsvereinbarung bedürfe.
Die Rechtmäßigkeit des Schiedsspruchs würde jedoch daran scheitern, dass der Beklagte hier die Grundlagen der AG Invest für seine Entscheidung herangezogen hat. Es handelt sich bei den von der AG Invest angegebenen Werten um fiktive Werte. Nach dem Urteil des Hessischen LSG vom 19. Dezember 2012, Az. L 4 SO 157/11 KL, dokumentiert in juris, dort Rn. 44, auf das sich der Beklagte bezüglich der Zulässigkeit der Heranziehung der Grundlagen der AG Invest bezogen hat, ergibt sich, dass es sich um fiktive Herstellungskosten handelt. In dem genannten Urteil heißt es:
„Hinsichtlich des von der Schiedsstelle gewählten Anpassungsfaktors bei den berücksichtigungsfähigen Pachtaufwendungen hat sich diese für einen Mittelweg zwischen den Positionen der Klägerin und des Beklagten entschieden, indem sie zur Berechnung der angemessenen qm-Pacht auf die Entwicklung der (fiktiven) Herstellungskosten für stationäre Einrichtungen von 2001 bis 2011 abgestellt und die hier festzustellende Kostenentwicklung (8,22 %) als Anpassungsfaktor genommen hat; ausgehend von dem im Jahr 2002 zugrunde gelegten Wert von 17,00 DM/8,70 Euro hat sie hieraus den neuen Wert von 9,422 Euro pro qm errechnet, woraus sich insgesamt pflegetägliche Investitionskosten von 18,21 Euro ergaben. Hinsichtlich dieses Betrags hat die Schiedsstelle zusätzlich auf den im Jahr 2002 von der Schiedsstelle festgestellten Mittelwert von 18,10 Euro abgestellt, der damals für vergleichbare Einrichtungen ermittelt worden war; hieraus hat sie die Angemessenheit des neuen Investitionskostenbetrags von 18,21 Euro abgeleitet“.
Nach der Rechtsprechung des BSG in dem Urteil vom 28. Januar 2021, Az. B 8 SO 6/19 R, müssen Ausgangspunkt eines Vergleichs die Kosten von auf gleicher wirtschaftlicher Basis tätigen Einrichtungen sein. Unzulässig ist demgegenüber, den Vergleich lediglich anhand fiktiver Kosten vorzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 28. Januar 2021, juris Rn. 19 mit weiteren Nachweisen; von einer Unzulässigkeit eines externen Vergleichs anhand fiktiver Kosten geht auch Lange in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., Stand: 1. September 2021, § 75 SGB XII Rn. 87_1, aus). Zur Begründung hat das BSG ausgeführt, dass ein mit fiktiven Größen arbeitendes Berechnungsmodell bereits in Widerspruch zu den Grundannahmen und der auf der vorgegebenen Pflegefinanzierungsstruktur aufbauenden Systematik des § 82 SGB XI steht, die von der Umlagefähigkeit nur tatsächlich aufgewandter Kosten ausgeht. Eine Schiedsstelle darf deshalb im Rahmen der Plausibilitätskontrolle diese Kosten nicht unberücksichtigt lassen und stattdessen fiktive Anschaffungs- und Herstellungskosten nach einem von ihr seit Jahren verwendeten Berechnungsverfahren zugrunde legen.
Sofern, wie der Beklagte vorgetragen hat, vergleichbare Einrichtungen im Kreisgebiet des Beklagten nicht vorhanden sind, müsste er den Vergleichsraum erweitern. Als räumlichen Bereich, den der externe Vergleich abzudecken hat, legt § 75 Abs. 2 Satz 12 SGB XII den Einzugsbereich des Leistungserbringers fest. Dieser deckt sich schon begrifflich nicht notwendig mit dem Zuständigkeitsbereich des Sozialhilfeträgers. Vielmehr können die Leistungsberechtigten, wie § 75 Abs. 1 Satz 3 SGB XII belegt, auch auf Leistungserbringer zurückgreifen, mit denen ein anderer Sozialhilfeträger Vereinbarungen abgeschlossen hat. Ebenso wenig kann der Einzugsbereich des Leistungserbringers schematisch mit einem bestimmten Bezirks-, Kreis- oder Stadtgebiet gleichgesetzt werden. Wegen der Vielfalt von Leistungserbringern und Hilfeformen im Bereich der sozialhilferechtlichen Leistungserbringung kann für die Festlegung des räumlichen Vergleichsgebietes letztlich kein starrer unveränderbarer Maßstab gelten. Ist in dem Kreis, in dem der den Vertragsschluss begehrende Leistungserbringer seinen Sitz hat, keine bzw. keine ausreichende Zahl von Leistungserbringern mit vergleichbarem Angebot vorhanden, kann die Ausweitung auf den Nachbarkreis oder – bei speziellem Angebot der Einrichtung – sogar auf das Nachbarbundesland geboten sein (Lange a.a.O,. § 75 SGB XII Rn. 90).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) analog. Sie berücksichtigt, dass die Klägerin ihren Feststellungsantrag zurückgenommen hat. Erfolgt, wie hier, eine einheitliche Kostenentscheidung, sind, soweit eine Teilrücknahme erfolgt ist, die Kosten in entsprechender Anwendung von § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuteilen (Bader in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, Verwaltungsgerichtsordnung, 8. Aufl. 2021, § 155 VwGO, Rn. 5).
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.