Bei der Berechnung des Elterngeldes sind bei freiwillig gesetzlich Versicherten keine Abzüge für die Kranken- und Pflegeversicherung vom Einkommen vorzunehmen. Bei der Berechnung des Elterngeldes sind die Abzugsmerkmale für den Bemessungszeitraum und den Bezugszeitraum einheitlich zu bestimmen.
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 30. März 2021 insoweit aufgehoben, als der Klägerin Gerichtskosten nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG in Höhe von 150 Euro auferlegt worden sind.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die 1983 geborene Klägerin begehrt höheres Elterngeld, insbesondere unter Berücksichtigung von Abzügen für die Krankenversicherung beim Einkommen nach der Geburt.
Sie ist Mutter des am 2019 geborenen J H (im Folgenden: Kind). Sie lebte mit ihm und dem Vater des Kindes, T H, in einem Haushalt in B. Sie arbeitete bei der B AG B. Sie war nicht Pflichtmitglied der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern dort freiwillig versichert. Zu ihrem Einkommen von August 2018 bis Juli 2019 wird auf Bl. 16 der Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Sie beantragte am 11. November 2019 Elterngeld: Basiselterngeld vom 1. bis 8. Lebensmonat des Kindes mit Ausnahme des 4. Lebensmonats, den Partnerschaftsbonus vom 9. bis 12. Lebensmonat und Elterngeld plus vom 13. bis 22. Lebensmonat. Sie arbeitete die ersten acht Lebensmonate gar nicht und ab dem 9. Lebensmonat 30 Stunden wöchentlich.
Der Beklagte gewährte mit Bescheid vom 13. November 2019 vom 1. bis 8. Lebensmonat monatlich 1.800,00 Euro Basiselterngeld unter Anrechnung des Mutterschaftsgeldes und ohne Leistungen für den 4. Lebensmonat. Mit Bescheid vom 14. Februar 2020 gewährte er zusätzlich vom 9. bis 22. Lebensmonat monatlich vorläufig 150,00 Euro Elterngeld, davon vier Monate (7. Juni 2020 bis 6. Oktober 2020) als Partnerschaftsbonus und 10 Monate (7. Oktober 2020 bis 7. Juli 2021) als Elterngeld plus.
Die Klägerin widersprach. Die ab dem 9. Lebensmonat berücksichtigten Einkünfte seien zu hoch. Es sei dafür § 2 Abs. 3 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG) anzuwenden und nicht § 2f BEEG. Deswegen seien in der Bezugszeit die Krankenversicherungsbeiträge abzuziehen und das Nettoeinkommen entsprechend geringer. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2020 zurück. Maßgeblich für die Abzugsmerkmale für Steuern und Sozialabgaben seien nach § 2c Abs. 3 BEEG die Angaben in der Lohn- und Gehaltsbescheinigung, die für den letzten Monat im Bemessungszeitraum (der Zeitraum vor der Geburt) erstellt worden sei. Dies gelte auch für die Bezugszeit (den Zeitraum nach der Geburt, in dem Elterngeld gezahlt wird). Darauf, dass die Klägerin in der Bezugszeit tatsächlich pflichtversichert war, komme es nicht an.
Die Klägerin hat am 12. Juni 2020 zu dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Sie habe ab 7. Oktober 2019 Elterngeld bezogen, ab 7. Juni 2020 (dem 9. Lebensmonat) für 14 Monate 150,00 Euro als Partnerschaftsmonate bzw. als Elterngeld plus. Das Elterngeld sei ab 7. Juni 2020 falsch berechnet. Die Regelungen des § 2c BEEG, auf die der Beklagte abhebe, seien nur für das Einkommen vor Geburt anzuwenden. Der Beklagte wende sie aber fälschlicherweise auch auf das Einkommen nach der Geburt an. Sie sei nach der Geburt ihres Kindes sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen und habe aus dem Einkommen nach der Geburt diese Sozialabgaben geleistet. Dies sei bei der Berechnung des Elterngeldes auch zu berücksichtigen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30. März 2021 abgewiesen und der Klägerin 150,00 Euro Verschuldenskosten auferlegt. Die Ermittlung des Elterngeldanspruches ergebe sich aus § 2 Abs. 3 BEEG, soweit Einkommen erzielt wird. Nach § 2c Abs. 3 BEEG sei die Lohn- und Gehaltsbescheinigung für den letzten Monat im Bezugszeitraum (ersichtlich gemeint: Bemessungszeitraum) Grundlage für die Ermittlung der Abzugsmerkmale. Dies gelte sowohl für den Bemessungszeitraum als auch für die Bezugszeit. Die Abzugsmerkmale seien für beide Zeiträume einheitlich zu bestimmen. Aus § 2f BEEG ergebe sich, dass lediglich Beträge Pflichtversicherter zur gesetzlichen Krankenversicherung abzugsfähig seien. Aus der Norm ergebe sich auch, dass allein der Bemessungszeitraum maßgeblich sei. Es gelte das Prinzip der Deckungsgleichheit. Dies sei vom Gesetzgeber so gewollt.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 26. April 2021 Berufung eingelegt. Es gehe allein um eine ungeklärte Rechtsfrage. Die Klägerin sei im Bemessungszeitraum freiwillig krankenversichert und in der Bezugszeit pflichtkrankenversichert gewesen. Das Sozialgericht sei der Auffassung, dass die Pflichtversicherungsbeiträge nicht vom Einkommen in der Bezugszeit abzuziehen seien. Das Gesetz sei hier nicht eindeutig.
Die Klägerin hat vom 9. bis 22. Lebensmonat (7. Juni 2020 bis 6. August 2021) insgesamt 56.887,66 Euro Arbeitseinkommen erhalten. In dieser Zeit ist sie Pflichtmitglied der gesetzlichen Krankenversicherung gewesen. Der Beklagte hat das Elterngeld der Klägerin vom 9. bis 22. Lebensmonat ihres Kindes mit Bescheid vom 6. Oktober 2021 endgültig auf monatlich 150,00 Euro festgesetzt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 30. März 2021 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 6. Oktober 2021 zu verurteilen, der Klägerin vom 7. Juni 2020 bis 6. August 2021 monatlich weitere 166,71 Euro Elterngeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Entscheidung des Sozialgerichts sei rechtmäßig, die Rechtslage eindeutig. Es gelte das Prinzip der Deckungsgleichheit. Die Berechnung der Abzugsmerkmale habe in der Bezugszeit genauso wie im Bemessungszeitraum zu erfolgen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Beratung.
Entscheidungsgründe
1. Die Berufung der Klägerin ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt, auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Statthaft ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Streitgegenstand ist der Bescheid vom 6. Oktober 2021. Dieser endgültige Bescheid ist gemäß § 96 SGG Gegenstand des Rechtsstreits geworden, weil er den Bescheid vom 14. Februar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2020 über die vorläufige Bewilligung von Elterngeld ersetzt (Hessisches Landessozialgericht [LSG], Urteil vom 28. Februar 2020 – L 5 EG 19/16 –, Rn. 38 in juris). Diese beiden Bescheide sind nicht mehr Gegenstand des Rechtsstreits. Sie haben sich mit Erlass des Bescheides vom 6. Oktober 2021 nach § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) auf andere Weise erledigt, ohne dass es einer gesonderten Aufhebung bedarf (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 13. Dezember 2018 – B 10 EG 9/17 R –, Rn. 14 in juris mwN). Begehrt ist höheres Elterngeld vom 9. bis 22. Lebensmonat (7. Juni 2020 bis 6. August 2021). Die Festsetzung für die ersten acht Lebensmonate (7. Oktober 2019 bis 6. Juni 2020) ist nicht angegriffen und in Bestandskraft erwachsen.
2. Die Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höheres Elterngeld ab dem 7. Juni 2020. Der Bescheid vom 6. Oktober 2021 ist rechtmäßig.
a) Der endgültige Bescheid ist formell rechtmäßig, insbesondere bedurfte es keiner Anhörung (vgl. BSG, Urteil vom 26. März 2014 – B 10 EG 4/13 R –, Rn. 15 in juris).
b) Der Beklagte hat ab dem 9. Lebensmonat zu Recht 150,00 Euro Elterngeld pro Lebensmonat gewährt.
(1) Die Klägerin hat nach § 1 BEEG in der Fassung vom 27. Januar 2015 dem Grunde nach Anspruch auf Elterngeld. Danach hat Anspruch, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (3) sowie keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (4). Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin während der gesamten Bezugszeit. Sie hat ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, lebt mit ihrem Kind in einem Haushalt, betreut und erzieht es selbst und übt während der Bezugszeit keine volle Erwerbstätigkeit aus. Art und Dauer des Elterngeldbezugs (§ 4 BEEG) begegnen keinen durchgreifenden Bedenken.
(2) Der Höhe nach beträgt der Elterngeldanspruch gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 BEEG in der hier anzuwendenden Fassung vom 27. Januar 2015 (a. F.) ab dem 7. Juni 2020 150,00 Euro pro Lebensmonat des Kindes.
Das Elterngeld beträgt nach den §§ 2 ff BEEG a. F. grundsätzlich 67 Prozent (mindestens – wie hier – 65 Prozent, bei Geringverdienern maximal 100 Prozent) der Differenz zwischen dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt und dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit während des Elterngeldbezugs. Das Elterngeld beträgt höchstens 1.800,00 Euro und mindestens 300,00 Euro. Für Geschwister kann es Zuschläge geben (§ 2a BEEG).
Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f BEEG aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die im Inland zu versteuern sind und die die berechtigte Person durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum nach § 2b BEEG oder in Monaten der Bezugszeit nach § 2 Abs. 3 BEEG hat. Es gibt das Einkommen im Bemessungszeitraum und zum anderen das Einkommen der Bezugszeit. Beide sind Durchschnittseinkommen. Im Bemessungszeitraum wird der Durchschnitt für einen Kalendermonat errechnet, in der Bezugszeit der für einen Lebensmonat des Kindes. Beide Einkommen sind einheitlich, das heißt, sie umfassen die Einkommen aus nichtselbstständiger und aus selbstständiger Arbeit.
Der Bemessungszeitraum ist gemäß § 2b BEEG in der Fassung vom 23. Mai 2017 zu ermitteln. Es sind hier die zwölf Monate vor der Geburt des Kindes, weil die Klägerin nur Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit bezogen hat.
Das maßgebliche Einkommen im Bemessungszeitraum beträgt gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 BEEG a. F. monatlich 2.770,00 Euro, weil das tatsächliche Erwerbseinkommen der Klägerin diesen gesetzlich festgelegten Höchstbetrag überschreitet. Anders als die Klägerin nunmehr meint, sind bei diesem Einkommen keine Abzüge für die Kranken- und Pflegeversicherung zu berücksichtigen. Gemäß § 2f Abs. 1 Satz 1 BEEG in der Fassung vom 27. Januar 2015 sind als Abzüge für Sozialabgaben Beträge für die gesetzliche Sozialversicherung oder für eine vergleichbare Einrichtung sowie für die Arbeitsförderung zu berücksichtigen. Dies umfasst nicht die Beiträge aufgrund einer freiwilligen Versicherung nach § 9 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V). Diese werden gerade nicht aufgrund einer kraft Gesetzes bestehenden Pflichtversicherung gezahlt, sondern aufgrund einer freiwilligen Mitgliedschaft (siehe § 2 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – SGB IV). Daran ändert sich nichts dadurch, dass jeder verpflichtet ist, die Risiken Krankheit und Pflegebedürftigkeit abzusichern. Nach dem Willen des historischen Gesetzgebers sind diese Beiträge bei der Elterngeldberechnung nicht zu berücksichtigen: „Anders als beim Arbeitslosengeld I sind drei Pauschalen für Kranken- und Pflegeversicherung, Renten- und Arbeitslosenversicherung erforderlich, da der Abzug der jeweiligen Pauschale nur dann gerechtfertigt ist, wenn die berechtigte Person gesetzliches Mitglied im betreffenden Zweig der Sozialversicherung ist“ (BT Drs. 17/9841, S. 26). Unter systematischen Gesichtspunkten ergibt sich nichts Anderes: Auch die anderen beiden Pauschalen setzen jeweils eine gesetzliche Mitgliedschaft voraus. Grundlage der Ermittlung dieser Abzugsmerkmale sind hier gemäß § 2c Abs. 3 Satz 1 BEEG die Angaben in der Lohn- und Gehaltsbescheinigung, die für den letzten Kalendermonat im Bemessungszeitraum mit Einnahmen nach Absatz 1 erstellt wurde. Die Beiträge einer freiwillig (oder auch privat) versicherten Person können, müssen aber nicht aus der Lohn- und Gehaltsbescheinigung hervorgehen. Sie sind nicht Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags nach § 28d SGB IV. Sinn und Zweck der Regelung bestätigen das Ergebnis, dass die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung nicht bei der Elterngeldberechnung zu berücksichtigen sind. Bei der Elterngeldberechnung ist auf das Einkommen abzustellen, dass dem Berechtigten vor der Geburt des Kindes für den allgemeinen Lebensunterhalt tatsächlich zur Verfügung stand und während der Bezugszeit fehlt. So werden von den Einnahmen aus Erwerbstätigkeit die unmittelbar mit dieser Tätigkeit verbundenen Ausgaben abgesetzt, wenn sie bei Erfüllen der Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 BEEG zusammen mit der Erwerbstätigkeit entfallen (BSG, Urteil vom 5. April 2012 - B 10 EG 6/11 R -, Rn 26 f in juris). Der Berechtigte wird nicht automatisch von der Zahlung der Beiträge frei, wenn er Elterngeld in Anspruch nimmt (vgl. für Beiträge zu berufsständischen Versorgungswerken: BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 10 EG 15/11 R –, Rn. 35 in juris). Zudem gibt es keinen Grund für eine Differenzierung zwischen der privaten und der freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung.
Die Klägerin hatte in der Bezugszeit monatlich 2.673,00 Euro Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Das Einkommen der Bezugszeit ist anhand der während dieser Lebensmonate des Kindes tatsächlich erzielten Einkünfte zu ermitteln. Diese Berechnung folgt den gleichen Regeln, wie die Berechnung des Einkommens im Bemessungszeitraum.
Die Klägerin hat vom 9. bis 22. Lebensmonaten ihres Kindes insgesamt 56.887,66 Euro, monatlich 4.063,40 Euro Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Diese monatlich 4.063,40 Euro sind gemäß § 2c Abs. 1 BEEG um ein Zwölftel des Arbeitnehmerpauschbetrags und die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach den §§ 2e und 2f BEEG zu vermindern. Das Zwölftel des Arbeitnehmerpauschbetrags beträgt 83,33 Euro. Die vom Beklagten berücksichtigen 819,47 Euro Abzüge für Steuern sowie für die 406,34 Euro für Renten- und 81,27 Euro für die Arbeitslosenversicherung begegnen keinen durchgreifenden Bedenken. Diese Abzüge sind auch zwischen den Beteiligten nicht streitig.
Es sind auch in der Bezugszeit keine Abzüge für die Krankenversicherung vorzunehmen, weil die Klägerin im Bemessungszeitraum insoweit nicht versicherungspflichtig gewesen ist. Als Abzüge für Sozialabgaben sind gemäß § 2f Abs. 1 BEEG in der Fassung vom 27. Januar 2015 Beträge für die gesetzliche Sozialversicherung oder für eine vergleichbare Einrichtung sowie für die Arbeitsförderung zu berücksichtigen, wenn der Berechtigte in der jeweiligen Sozialversicherung versicherungspflichtig gewesen ist. § 2f BEEG regelt nicht, wann, das heißt, in welchem Zeitraum, der Berechtigte versicherungspflichtig gewesen sein muss.
Dies bestimmt § 2c Abs. 3 Satz 1 BEEG, hier in der Fassung vom 27. Januar 2015. Danach sind für die Abzugsmerkmale (zu denen auch die Abzugsmerkmale für die Krankenversicherung gehören) die Angaben in der Lohn- und Gehaltsbescheinigung, die für den letzten Monat im Bemessungszeitraum mit Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit erstellt wurde, entscheidend. Nach dieser Gehaltsbescheinigung war die Klägerin nicht krankenversichert. In den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen der Klägerin für den Bemessungszeitraum hat sich zudem auch keine Angabe zu einem Abzugsmerkmal geändert (vgl. § 2c Abs. 3 Satz 2 BEEG).
Diese Festlegung gilt nicht nur für den Bemessungszeitraum, sondern auch für die Bezugszeit. Der Wortlaut des § 2c Abs. 3 Satz 2 BEEG lässt eine einheitliche Geltung für beide Zeiträume ohne Weiteres zu. Es ist die einzige Regelung zu dieser Frage. Die Erstreckung auf beide Zeiträume liegt nahe, weil es sonst keine Festlegung für die Bezugszeit gäbe. Es bedürfte eines Anhaltspunktes dafür, dass diese Regelung nur auf den Bemessungszeitraum anzuwenden sein sollte, für die Bezugszeit hingegen vom Gesetzgeber eine Nichtregelung beabsichtigt gewesen sein sollte. Dafür müsste auf die allgemeine Grundregel zur Einkommensanrechnung in § 2 Abs. 1 Satz 3 BEEG zurückgegriffen werden, wie es auch die Klägerin vorschlägt. Dies ist aber ersichtlich nicht gewollt. Denn nach § 2 Abs. 1 Satz 3 BEEG ist das Einkommen ausdrücklich nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f BEEG zu berechnen und nicht allein anhand des § 2 Abs. 1 Satz 3 BEEG.
Eine einheitliche Regelung für beide Zeiträume entspricht dem Willen des Gesetzgebers. Diesen Willen hat er immer wieder dokumentiert: Sie (die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben) gelten einheitlich für die Ermittlung des Bemessungseinkommens ebenso wie für die Ermittlung des Einkommens während der Bezugszeit (BT-Drs. 17/9841, S. 18, 23 f und 26 f).
Eine einheitliche Festlegung für beide Zeiträume entspricht schließlich auch Sinn und Zweck der Regelung. Sie dient der mit der Gesetzesnovelle vom 10. September 2012 beabsichtigten Verwaltungsvereinfachung. Nicht der Verwaltungsvereinfachung würde es hingegen dienen, wenn der Beklagte die Abzugsmerkmale für Lebensmonate des Kindes bestimmen müsste, statt diese aus einer Lohn- oder Gehaltsbescheinigung für einen Kalendermonat zu entnehmen. Eine einheitliche Festlegung dient aber auch dem Ziel des BEEG, das wegfallende Einkommen des Elterngeldberechtigten im Bemessungszeitraum im Rahmen der angestrebten Verwaltungsvereinfachung möglichst verlässlich und realitätsgetreu abzubilden; weshalb seiner Berechnung die Einkünfte zugrunde zu legen sind, die während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor der Geburt den Lebensstandard des Elterngeldberechtigten geprägt haben (BSG, Urteil vom 28. März 2019 – B 10 EG 8/17 R –, Rn. 22 in juris).
Eine einheitliche Festlegung für beide Zeiträume verstößt nicht gegen das Gleichheitsgebot. Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Er hat gerade im Sozialrecht, wozu die Bestimmungen über das Elterngeld im Ersten Abschnitt des BEEG gehören (§ 6, § 25 Abs. 2 S 2, § 68 Nr. 15a Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - SGB I), einen weiten Gestaltungsspielraum. Der allgemeine Gleichheitssatz ist grundsätzlich erst dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten.
Bei der Berücksichtigung der Abzugsmerkmale für die Sozialversicherungen sind vier Konstellationen denkbar, die zu vier abgrenzbaren Personengruppen führen. Ein Berechtigter ist in beiden Zeiträumen versicherungspflichtig (1) bzw. nicht versicherungspflichtig (2) oder er wechselt von einer versicherungspflichtigen zu einer nicht versicherungspflichtigen Beschäftigung (3) bzw. umgekehrt von einer nicht versicherungspflichtigen Beschäftigung zu einer versicherungspflichtigen (4). Die Klägerin gehört zur vierten Personengruppe. Bei einer einheitlichen Festlegung der Abzugsmerkmale ist das Elterngeld in den Konstellationen 1 und 3 sowie 2 und 4 jeweils gleich hoch, weil es nur auf die Abzugsmerkmale im Bemessungszeitraum ankommt. Die Klägerin, die unter die Konstellation 4 fällt, ist gegenüber Berechtigten in den anderen drei Konstellationen auch unter Berücksichtigung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit in der Bezugszeit nicht schlechter gestellt. Zwar hat der im Bemessungs- und in der Bezugszeit nicht versicherungspflichtig Beschäftigte (Konstellation 2) das gleiche Elterngeld und ein höheres verfügbares Einkommen im Bezugszeitraum als die Klägerin. Aber er muss sich davon noch sozial absichern, anders als die Klägerin. Würde man der Argumentation der Klägerin folgen, läge ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot näher. Denn dann erhöhte sich ihr Elterngeld, ohne das ein sachlicher Grund für diese Besserstellung gegenüber Berechtigten in den anderen drei Konstellationen ersichtlich ist.
Das Elterngeld beträgt monatlich 150,00 Euro. Die 65 Prozent des Unterschiedsbetrages (97,00 Euro) des Einkommens aus Erwerbstätigkeit im Bemessungszeitraum (2.770,00) und des Einkommens aus Erwerbstätigkeit in der Bezugszeit (2.673,00 Euro) sind geringer als dieser Mindestbetrag gemäß § 4b Abs. 1 in Verbindung mit § 4a Abs. 2 Nr. 1 BEEG, § 2 Abs. 4 Satz 1 BEEG.
Der maßgebliche Prozentsatz (65 Prozent) ergibt sich aus § 2 Abs. 2 Satz 2 BEEG. Danach beträgt er ab einem Einkommen aus Erwerbstätigkeit im Bemessungszeitraum von 1.240,00 Euro 65 Prozent. Der Prozentsatz sinkt von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die das den Betrag von 1.200,00 Euro überschreitet, auf bis zu 65 Prozent.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die aufgehobenen Verschuldenskosten waren im Verhältnis zu dem angestrebten höheren Elterngeldverhältnismäßig geringfügig und haben sich deshalb bei der Kostenentscheidung nicht ausgewirkt (vgl. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Entscheidung des Sozialgerichts Berlin über die Auferlegung von Missbrauchskosten nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ist aufzuheben. Die Voraussetzungen für die Auferlegung dieser Kosten sind nicht gegeben. Nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Die Entscheidung des Gerichts steht in dessen Ermessen. Dabei sind stets die Umstände des Einzelfalls maßgeblich, wobei das Gericht den Grad der Missbräuchlichkeit oder der Schwere des Verschuldens, die Höhe der entstandenen Kosten und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen berücksichtigen sollte (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. Februar 2021 – L 10 SB 75/19 –, Rn. 49 in juris).
Das Sozialgericht war der Auffassung, die Aufrechterhaltung der Klage seitens der Klägerin sei rechtsmissbräuchlich, weil die Fortführung offensichtlich aussichtslos sei. Es hat, gestützt auf diese Begründung, vor Erlass des Gerichtsbescheides auf die Missbräuchlichkeit hingewiesen. Von einer offensichtlichen Aussichtslosigkeit des fortgesetzten Begehrens kann jedoch nicht ausgegangen werden. Offensichtlich aussichtslos ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nur dann, wenn sich die maßgeblichen Rechtsfragen entweder unmittelbar aus dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften beantworten lassen oder durch höchstrichterliche Rechtsprechung bereits zweifelsfrei geklärt sind; selbst im letztgenannten Fall darf ein Beteiligter aber durch die Androhung und Auferlegung von Missbrauchskosten nicht daran gehindert werden, auf eine Änderung der von ihm für unzutreffend empfundenen höchstrichterlichen Rechtsprechung hinzuwirken (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. November 2020 – L 9 KR 374/19 –, Rn. 30, juris, mwN). Unter diesen Maßgaben ist die Rechtsverfolgung hier nicht rechtsmissbräuchlich. Es handelt sich vorliegend nicht um eine völlig substanzlose Klage. Diese war zwar unbegründet aber nicht offensichtlich unbegründet.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.