Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. August 2018 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Auf den im März 2014 gestellten Antrag der Klägerin zu 1) bewilligte der Beklagte mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 26. März 2014 den miteinander verheirateten Klägern zu 1) und 2), deren 2010 und 2012 geborenen Kindern – den Klägern zu 4) und 5) – sowie der am 10. Februar 1998 geborenen Klägerin zu 3) – einer Tochter der Klägerin zu 1) – vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 1. April 2014 bis 30. Juni 2014 in Höhe von (iHv) monatlich 596,64 € und für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis 30. September 2014 iHv monatlich 716,64 €. Dieser Bewilligung lagen folgende Maßgaben zugrunde:
- Regelbedarfsleistungen und ungekürzte Mietkosten abzüglich geschätztes Einkommen der Klägerin zu 1) (Elterngeld mit monatlich 150,- € bis Juni 2014)
- geschätztes Einkommen des Klägers zu 2) aus Erwerbseinkommen mit monatlich 1.085,21 € netto
- Kindergeld von 184,- € für die Klägerin zu 3) mit einem Minijobeinkommen unter 100,- €
- für die Kläger zu 4) und 5) wurde Kindergeld in Höhe von 184,- € und 190,- € auf deren Hilfebedarf angerechnet.
Nachdem die Klägerin zu 3) im August 2014 eine schulische Ausbildung mit BAföG-Anspruch iHv monatlich 216,- € (vgl. Bescheid des Bezirksamtes vom 6. August 2014) begonnen hatte, rechnete der Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 26. März 2014 mit vorläufigem Änderungsbescheid vom 8. September 2014 ab September 2014 monatlich 123,- € auf den Bedarf der Klägerin zu 3) an und bewilligte den Klägern für diesen Monat Leistungen iHv 593,64 €.
Mit endgültigem Bescheid vom 21. März 2017 bewilligte der Beklagte den Klägern für die Zeit vom 1. April 2014 bis 30. Juni 2014 Leistungen iHv 525,84 € monatlich, für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis 31. August 2014 iHv 402,84 € monatlich und für September 2014 iHv 404,84 €. Diesen Festsetzungen lag der Bezug von Elterngeld der Klägerin zu 1) bis September 2014, eines höheren Erwerbseinkommens des Klägers zu 2) als ursprünglich veranschlagt, eines höheren Minijobeinkommens der Klägerin zu 3) sowie der Umstand zugrunde, dass die Klägerin zu 3) bereits im Juli 2014 Ausbildungsförderung erhalten hatte. Mit an die Klägerin zu 1) gerichtetem Erstattungsbescheid vom 22. März 2017 forderte der Beklagte für den Zeitraum vom 1. April 2014 bis 30. September 2014 überzahlte Beträge iHv 293,95 € (Klägerin zu 1), 101,22 € (Kläger zu 4) und 97,54 € (Klägerin zu 5) zurück. Mit zwei weiteren Erstattungsbescheiden vom selben Tag machte der Beklagte Rückforderungen für den angeführten Zeitraum gegenüber dem Kläger zu 2) iHv von 294,01 € und gegenüber der Klägerin zu 3) iHv 244,08 € geltend.
Mit ihren Widersprüchen gegen die Bescheide vom 21./22. März 2017 rügten die Kläger die Anrechnung der Ausbildungsförderungsleistung vor August 2014 und außerdem eine Überschreitung der Jahresfrist für den Erlass der Erstattungsbescheide.
Mit einem Bescheid vom 31. Juli 2017 über die „Bewilligung von Leistungen zu Sicherung des Lebensunterhalts“ bewilligte der Beklagte den Klägern („auf Ihren Antrag vom 21. März 2014“) für die Zeit vom 1. April 2014 bis 30. Juni 2014 Leistungen iHv monatlich 559,79 €, für Juli 2014 iHv 459,79 €, für August 2014 iHv 393,80 € und für September 2014 iHv 436,79 €. Bei der Berechnung dieser Leistungen wurden im Rahmen der Einkommensanrechnung neben einer geänderten Ansetzung von BAföG-Freibeträgen erstmals Beträge für die Kfz-Haftpflichtversicherung einkommensmindernd berücksichtigt. Mit drei Erstattungsbescheiden vom 31. August 2017 forderte der Beklagte von der Klägerin zu 1) 257,68 € sowie für den Kläger zu 4) 89,10 € und für den Kläger zu 5) 85,85 €. Vom Kläger zu 2) wurden 258,76 € und von der Klägerin zu 3) 103,22 € zurückgefordert. Die Erstattungsbescheide vom 31. Juli 2017 waren – ebenso wie der Bescheid über die Bewilligung vom selben Tag – mit einem Hinweis auf § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) versehen. Die Widersprüche der Kläger wurden „nach Erlass der Änderungsbescheide“ mit drei Widerspruchsbescheiden vom 31. Juli 2017 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde auf den „Änderungsbescheid“ vom 31. Juli 2017 mit der Maßgabe verwiesen, dass der für August 2014 am 21. März 2017 festgestellte Leistungsanspruch iHv 402,84 € erhalten bleibe. Zwar wäre eine BAföG-Nachzahlung iHv 43,- € zusätzlich anzurechnen gewesen. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens scheide eine Verböserung jedoch aus. Entgegen dem Widerspruchsvorbringen sei der bereits im Juli 2014 zugeflossene BAföG-Betrag iHv 173,- € nach Abzug des Freibetrages iHv 93,- € mit 80,- € anzurechnen gewesen. Die am 1. August 2016 beginnende Jahresfrist des § 80 Abs. 2 SGB II sei durch den Erlass der Bescheide vom 21. März 2017 gewahrt worden.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat mit Urteil vom 10. August 2018 die Bescheide vom 31. Juli 2017 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 31. Juli 2017 aufgehoben. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei sachgerecht danach auszulegen, dass auch die Kläger zu 4) und 5), welche in der Klageschrift nicht erwähnt würden, die Klage erhöben. Dies ergebe sich aus dem erkennbaren Willen der nicht anwaltlich vertretenen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (BG). Die zulässige Klage sei auch begründet. Für Bewilligungszeiträume, die - wie hier - vor dem 1. August 2016 abgeschlossen seien, gelte § 80 Abs. 2 Nr. 1 SGB II, wonach die Frist zum Erlass eines endgültigen Bewilligungsbescheides am 31. Juli 2017 ende. Die Voraussetzungen der Ausnahmeregelungen für eine Fristverlängerung (§ 41a Abs. 5 Satz 2 SGB II) lägen nicht vor. Streitentscheidend sei daher die Frage, ob die Frist mit Bekanntgabe der Bescheide vom 21. März 2017 noch gewahrt worden sei oder mit den am 31. Juli 2017 erlassenen Bescheiden, die erst nach dem 31. Juli 2017 (§ 37 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – [SGB X]) bekannt gegeben worden seien, versäumt worden seien. Im letztgenannten Fall bleibe es für die Kläger bei der vorläufigen Bewilligung. Diese Frage sei nicht anders zu entscheiden als im Fall der Jahresfrist nach §§ 45, 48 SGB X. Danach könne ein von der Behörde gesetzter Bescheid nur noch innerhalb der Jahresfrist geändert werden, wenn dazu die nötigen Voraussetzungen vorliegen. D. h. der zunächst gesetzte Bescheid habe keine Unterbrechung oder Hemmung des Fristablaufs zur Folge. Für die Ersetzung eines Widerspruchsbescheides im Widerspruchsverfahren nach § 86 SGG würden keine anderen Maßstäbe gelten. Ermächtigungsgrundlagen für einen im Widerspruchsverfahren erlassenen Bescheid seien ebenfalls die §§ 45, 48 SGB X. Die „SGG-§§“ zum Widerspruchsverfahren regelten nur, dass ein in diesem Verfahren angefochtener Bescheid im Fall der Ersetzung nach §§ 45, 48 SGB X nicht gesondert angefochten werden müsse. Die Frist in § 41a Abs. 5 Satz 1 SGB II sei ebenso streng zu werten wie die Handlungsfrist im SGB X. Andernfalls liefe die mit der Regelung bezweckte Rechtschutzfunktion, nicht Jahre später noch Altforderungen ausgesetzt zu werden, häufig ins Leere. Die Betroffenen sollten nach Ablauf der Frist auf den Bestand des vorläufigen Verwaltungsaktes vertrauen können. Dass das Vertrauen mit einem fehlerhaften, fristgemäßen Bescheid erschüttert worden sei, spiele keine Rolle. Im vorliegenden Fall habe der Bescheid vom 31. Juli 2017 den Bescheid vom 21. März 2017 vollständig ersetzt. Auch wenn dies im Bescheid vom 31. Juli 2017 nicht ausdrücklich genannt worden sei, sei klar, dass mit diesem Bescheid eine neue Regelung ergangen sei und die unveränderten Punkte nicht bloß wiederholt verfügt worden seien. Denn infolge der Bereinigung des Einkommens der Klägerin zu 1) um den Kfz-Haftpflichtbeitrag hätten die Leistungen für alle BG-Mitglieder über alle Monate des Bewilligungsabschnitts hinweg neu berechnet werden müssen. Damit seien auch die zum Bescheid vom 31. Juli 2017 ergangenen Erstattungsbescheide keine die Bescheide vom 21. März 2017 bloß korrigierenden Verfügungen, sondern gänzlich neue, erst nach dem 31. Juli 2017 wirksam gewordene Regelungen. Da danach feststehe, dass der Beklagte die Jahresfrist aus § 41 Abs. 5 SGB II iVm § 80 Abs. 2 SGB II verpasst habe, hätten die Bescheide vom 31. Juli 2017 vollständig aufgehoben werden müssen.
Mit der Berufung wendet sich der Beklagte gegen das angegriffene Urteil und trägt vor: Die endgültige Festsetzung der Leistungsansprüche sei durch Erlass der Bescheide vom 21. März 2017 innerhalb der Frist des § 41a Abs. 5 Satz 1 iVm § 80 Abs. 1 und 2 Nr. 1 SGB II erfolgt. Daran ändere auch der Erlass der Leistungsbescheide vom 31. Juli 2018 (gemeint 2017) nichts. Bei diesen Bescheiden handele es sich inhaltlich um Änderungsbescheide, auch wenn sie versehentlich mit „Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes“ überschrieben worden seien.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. August 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angegriffene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten (Bl. 510 – 1195), welche Gegenstand der Beratung waren, verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer schriftlichen Entscheidung des Senats nach § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind neben dem angegriffenen Urteil die gemäß § 86 SGG bereits zum alleinigen Gegenstand des Widerspruchsverfahrens und damit des erstinstanzlichen Verfahrens gewordenen Bescheide des Beklagten vom 31. Juli 2017. Diese Bescheide haben die Bescheide vom 31. März 2017, welche zuvor an die Stelle des vorläufigen Bewilligungsbescheides vom 26. März 2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 8. September 2014 getreten waren, in vollem Umfang ersetzt. Mit dem ausdrücklich als Bescheid über die Bewilligung gekennzeichneten Bescheid vom 31. Juli 2017 sowie den korrespondierenden Erstattungsbescheiden vom selben Tag hat der Beklagte neue eigenständige Regelungen für den gesamten Bewilligungszeitraum getroffen. Da für das Verständnis von Verwaltungsakten der Empfängerhorizont (vgl. nur BSG, Urteil vom 28. November 2018 – B 14 AS 34/17 R = SozR 4-4200 § 38 Nr. 5) maßgeblich ist, kommt es auch nicht darauf an, ob – für den Empfänger nicht erkennbare – „programmtechnische Gründe“ für die konkrete Gestaltung des Bewilligungsbescheides von Bedeutung waren. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem in den Bescheiden enthaltenen Hinweis des Beklagten auf § 86 SGG, denn diese Vorschrift erfasst auch den Fall des „Ersetzens“ (vgl. B. Schmidt, in Meyer-Ladewig, SGG, 12. Aufl., § 86 Rn. 3 mwN).
Mit der Klage gegen die Bescheide vom 31. Juli 2017 und dem Vorbringen, ihnen stünden endgültige Leistungen im Umfang der vorläufig festgesetzten zu, beanspruchen die Kläger eine Korrektur der Entscheidung des Beklagten über die abschließend festzustellenden und die zu erstattenden vorläufigen Leistungen. Demgemäß richtet sich das Klageziel neben der Änderung der Bescheide darauf, den Beklagten zu verpflichten auszusprechen, dass ihnen abschließend Leistungen in Höhe der vorläufig bewilligten zustehen. Für eine isolierte Anfechtung des abschließenden Leistungsbescheides mit dem Ziel, die vorläufig bewilligten Leistungen weiter behalten zu dürfen, fehlt dagegen das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Beklagte die eingeleitete endgültige Feststellung des Leistungsanspruchs für den streitbefangenen Zeitraum durch Verwaltungsakt abzuschließen hat (arg § 41 Abs. 5 Satz 1 SGB II, vgl. BSG, Urteil vom 12. September 2018 – B 4 AS 39/17 R = BSGE 126, 294 Rn. 10) und daher die Aufhebung der abschließenden Entscheidung allein den Rechtsstreit nicht dauerhaft beenden könnte.
Die so verstandene Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und 2, § 56 SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Zutreffend hat das SG die Klage bei verständiger Würdigung (vgl. § 123 SGG) dahingehend ausgelegt, dass die anwaltlich nicht vertretenen Kläger zu 1) und 2) mit ihrem fristgerechten Rechtschutzbegehren sich auch insoweit gegen die angegriffenen Bescheide gewendet haben, als diese die von ihnen gesetzlich vertretenen minderjährigen Kläger zu 4) und 5) betreffen.
Die Klage ist indes unbegründet.
Rechtsgrundlage des Bescheides vom 31. Juli 2017 über die endgültige Bewilligung ist § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in der bis 31. Juli 2016 geltenden Fassung – aF - iVm § 328 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III). Eine vorläufige Entscheidung ist danach nur auf Antrag der berechtigten Person für endgültig zu erklären, wenn sie nicht aufzuheben oder zu ändern ist. Soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird, sind auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten. Die am 1. August 2016 in Kraft getretene Regelung des § 41a SGB II findet auf abschließende Entscheidungen, die – wie hier– für einen zu diesem Zeitpunkt bereits beendeten Bewilligungszeitraum getroffen werden, keine Anwendung (vgl. BSG, Urteil vom 12. September 2018 – B 4 AS 39/17 R = BSGE 126, 29).
Nach Wegfall der Voraussetzungen für die zunächst nur vorläufige Bewilligung der Leistungen nach dem SGB II hat der Leistungsträger eine endgültige Bewilligungsentscheidung zu treffen. Dies folgt daraus, dass die vorläufige Entscheidung ausschließlich auf eine Zwischenlösung zielt und demgemäß auf die Ersetzung durch eine endgültige Entscheidung nach Wegfall der Vorläufigkeitsvoraussetzungen angelegt ist. Jedenfalls bei Änderungen gegenüber den ursprünglich zugrunde gelegten Annahmen ist zur Beseitigung der Unklarheit über die Höhe der endgültig zustehenden Leistungen von Amts wegen notwendig eine das Verwaltungsverfahren auf den ursprünglichen Leistungsantrag abschließende Entscheidung zu treffen (BSG, Urteil vom 29. April 2015 - B 14 AS 31/14 R = SozR 4-4200 § 40 Nr. 9 Rn. 11, 18, 22, 24).
Die Voraussetzungen dieser Vorschriften liegen vor, denn mit Bescheid vom 26. März 2014 idF des Änderungsbescheides vom 8. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2017 wurde eine vorläufige Entscheidung über die Erbringung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. April 2014 bis 30. September 2014 getroffen. Diese Leistungsbewilligung war zu ändern, weil sich u.a. wegen eines höheren Erwerbseinkommens der Kläger zu 1) und 3) Leistungsansprüche in geringerer Höhe ergeben haben. Auf der Grundlage des § 19 iVm §§ 7 ff. und §§ 20 ff SGB II idF, die das SGB II insoweit vor dem streitbefangenen Zeitraum zuletzt durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453) erhalten hatte, hat der Beklagte mit dem Bewilligungsbescheid vom 31. Juli 2017 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom selben Tag die Leistungsansprüche der Kläger rechtmäßig festgesetzt. Zur näheren Begründung verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 1 iVm § 136 Abs. 3 SGG auf den Bewilligungsbescheid vom 31. Juli 2017 nebst Berechnungsbogen sowie die Widerspruchsbescheide vom selben Tag, deren Begründung er folgt. Berechnungsfehler sind im Klageverfahren nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich.
Entgegen der Auffassung des SG war der Beklagte auch nicht durch die seit 1. August 2016 geltenden Regelungen der §§ 41a Abs. 5 Satz 1, 80 Abs. 2 Nr. 1 SGB II an der abschließenden Festsetzung der Leistungsansprüche der Kläger durch den Bewilligungsbescheid vom 31. Juli 2017 gehindert. Nach der bis 31. Juli 2016 geltenden Rechtslage konnten vorläufige Entscheidungen ohne zeitliche Grenze geändert werden. Nach § 41a Abs. 5 Satz 1 SGB II gelten – vorbehaltlich der hier nicht einschlägigen Ausnahmeregelungen des Satzes 2 – nunmehr die vorläufig bewilligten Leistungen als abschließend festgesetzt, wenn nicht innerhalb eines Jahres nach Ende des Bewilligungszeitraums eine abschließende Entscheidung ergangen ist. Für vor dem 1. August 2016 bereits beendete Bewilligungszeiträume gilt § 41a Abs. 5 Satz 1 SGB II mit der Maßgabe, dass die Jahresfrist mit dem 1. August 2016 beginnt. Da vorliegend der streitbefangene Bewilligungszeitraum vor dem 1. August 2016 abgelaufen war, endete die Jahresfrist mit Ablauf des 31. Juli 2017. Eine abschließende Entscheidung wird wirksam und ist damit „ergangen“ (vgl. Klerks, LPK-SGB II, 7. Aufl. 2021, § 41a Rn. 74), wenn sie der leistungsberechtigten Person bekanntgegeben worden ist. Dementsprechend wäre der Beklagte des Rechts, eine neue Entscheidung zu treffen (vgl. Klerks, aaO, Rn. 72), verlustig gegangen, wenn er – wie vom SG angenommen – erst mit dem Bewilligungsbescheid vom 31. Juli 2017 eine abschließende Entscheidung getroffen hätte. Denn dieser durch die Post übermittelte schriftliche Verwaltungsakt konnte frühestens am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post (vgl. § 37 Abs. 2 SGB X) gegenüber den Klägern wirksam werden.
Der Beklagte hat indes bereits mit dem Bewilligungsbescheid vom 21. März 2017 eine abschließende Entscheidung getroffen und damit die Frist des § 80 Abs. 2 Nr. 1 SGB II gewahrt. Eine die Fiktionswirkung des § 41a Abs. 5 Satz 1 SGB II vernichtende abschließende Entscheidung ist nach Wortlaut, Systematik und Regelungszweck mit der Bekanntgabe eines (ersten) endgültigen Bewilligungsbescheides ergangen, ohne dass es darauf ankommt, ob dieser Bescheid unverändert in Bestandskraft erwachsen, im gerichtlichen Verfahren geändert oder – im Sonderfall der Zurückverweisung an die Verwaltung nach § 131 Abs. 5 SGG –- das Jobcenter einen neuen Leistungsbescheid zu erlassen hat (vgl. BSG, Urteil vom 12. September 2018 – B 4 AS 39/17 R = BSGE 126, 294 Rn. 33f.). Entsprechendes muss gelten, wenn der Leistungsträger – wie hier – bereits im Widerspruchsverfahren den Ausgangsbescheid ändert oder in Gänze aufhebt. Die Fiktionswirkung des § 41a Abs. 5 Satz 1 SGB II tritt schon dem Wortlaut nach ("ergeht") nur ein, wenn der Grundsicherungsträger bis zu dem jeweils maßgebenden Zeitpunkt einen abschließenden Leistungsbescheid tatsächlich nicht erlassen, also jede Regelung zur endgültigen Leistungsbestimmung unterlassen hat (zutreffend O. Loose in Hohm, GK-SGB II, VI-§ 41a Rn. 114, Stand November 2017). Nur daran kann systematisch auch die – durch § 41a Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 SGB II allerdings eingeschränkte – Vertrauensschutzwirkung der Regelung anknüpfen. Anderes wäre schließlich auch nicht von dem Zweck der Norm gedeckt, die Verwaltung in Fällen aus ihrer Sicht fehlenden Korrekturbedarfs zu entlasten. Dem widerspräche ersichtlich die Erstreckung der Fiktionswirkung auf Fälle, in denen sie – wie hier – Anlass für eine Änderung gegenüber der vorläufigen Bewilligung sieht, diese aber nicht fehlerfrei umsetzt.
Ermächtigungsgrundlage für die Erstattungsbescheide vom 31. August 2017 ist § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II aF iVm § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III. Die am 1. August 2016 in Kraft getretene Regelung des § 41a SGB II findet auf abschließende Entscheidungen, die – wie hier – für einen zu diesem Zeitpunkt bereits beendeten Bewilligungszeitraum getroffen werden, keine Anwendung (vgl. BSG, Urteil vom 12. September 2018 – B 4 AS 39/17 R = BSGE 126, 29).
Nach § 328 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 SGB III sind aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird. Die Voraussetzungen der Erstattungsansprüche gegen die Kläger liegen in der vom Beklagten ausgewiesenen Höhe vor. Einwände haben die Kläger hinsichtlich der Berechnung insofern nicht erhoben. Der Senat nimmt im Übrigen auf die Erstattungsbescheide vom 31. Juli 2017 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom selben Tag Bezug, denen er folgt (vgl. § 153 Abs. 1, 136 Abs. 3 SGG).
Diese Ausführungen sind lediglich im Hinblick darauf, dass die Klägerin zu 3) am 10. Februar 2016 volljährig geworden ist, wie folgt zu ergänzen: Der die Klägerin zu 3) betreffende Erstattungsbescheid vom 31. Juli 2017 ist nicht wegen des Überschreitens der in entsprechender Anwendung des § 1629a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu beachtenden Beschränkung der Minderjährigenhaftung rechtswidrig. Nach dieser Vorschrift beschränkt sich die Haftung für Verbindlichkeiten, die die Eltern im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht oder sonstige vertretungsberechtigte Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht durch Rechtsgeschäft oder eine sonstige Handlung mit Wirkung für das Kind begründet haben, auf den Bestand des bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens des Kindes. Der Rechtsgrundsatz des § 1629a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BGB gilt gleichermaßen für die auf § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X beruhenden Ansprüche auf Erstattung der an einen Minderjährigen erbrachten SGB II-Leistungen gemäß den §§ 20 bis 22 SGB II und ist von Amts wegen zu beachten (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 4 AS 12/14 R = SozR 4-1300 § 50 Nr. 5). Die Regelung über die Beschränkung der Minderjährigenhaftung findet auch nicht erst im Verwaltungsvollstreckungsverfahren Anwendung, sondern betrifft bereits den Erstattungsbescheid (BSG, Urteil vom 7. Juli 2011 - B 14 AS 153/10 R = BSGE 108, 289).
Die Voraussetzungen für diese Haftungsbeschränkung sind hinsichtlich der Klägerin zu 3) erfüllt. Die vorliegende Verbindlichkeit in Form des Erstattungsverlangens über 103,22 € ist durch eine Handlung der vertretungsberechtigten Mutter (Klägerin zu 1)) mit Wirkung für die Klägerin zu 3) begründet worden. Denn die zur Erstattung führende Überzahlung resultiert aus der Beantragung und der Entgegennahme der Leistungen nach dem SGB II (vgl. § 38 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Die Pflichtwidrigkeit des Vertreterhandelns ist im Rahmen des § 1629a BGB nicht Tatbestandsvoraussetzung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 28. November 2018 - B 14 AS 34/17 R = SozR 4-4200 § 38 Nr. 5 Rn. 20). Die Vorschrift knüpft allein an das Vorhandensein fremdverantworteter Verbindlichkeiten an (vgl. hierzu nur Coester in Staudinger, BGB, 2015, § 1629a Rn. 21 ff, 44). In diesem Sinne bestimmt § 1629a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Var. 2 BGB, dass selbst die familiengerichtliche Genehmigung eines Rechtsgeschäfts an der beschränkten Haftung des Minderjährigen nichts ändert. Da es auf die Rechtsgrundlage für das Erstattungsverlangen nicht ankommt, ist die Beschränkung der Minderjährigenhaftung nicht nur auf Fälle anwendbar, in denen der Erstattungsanspruch auf § 50 SGB X beruht, sondern ist auch auf § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III anzuwenden. Aus alledem folgt, dass eine Haftung der Klägerin zu 3) für den ihr gegenüber geltend gemachten Erstattungsanspruch iHv 103,22 € nur insoweit bestehen kann, als bei dieser am 10. Februar 2016 ein Vermögen in Höhe des Erstattungsanspruchs vorhanden war. Die Klägerin zu 3) verfügte am 10. Februar 2016 allerdings über ein den Erstattungsbetrag weit übersteigendes Vermögen. Dies ergibt sich aus dem von ihr eingereichten Kontoauszug Nr. 2 der N Bank vom 29. Februar 2016 zu ihrem „Top Zinskonto“ mit der Kontonummer X, welcher zu diesem Zeitpunkt ein Guthaben von 2.700,- € ausgewiesen hatte. Dieses Guthaben war bereits am 10. Februar 2016 vorhanden, denn der Kontoauszug weist bei einem alten Saldo von „+ 2.681,95 €“ eine Gutbuchung vom 2. Februar 2016 iHv 18,05 € aus. Da der Kontoauszug für den Monat Februar 2016 keine weitere Buchung aufweist, steht fest, dass auch noch am 10. Februar 2016 ein am 2. Februar 2016 erreichtes Vermögen iHv 2.700,- € vorhanden war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.