L 15 AY 13/20

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Asylbewerberleistungsgesetz
Abteilung
15
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 7 AY 9/18
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 AY 13/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

 

Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 26. März 2020 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 22. Dezember 2020 wird abgewiesen.

 

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger für das Verfahren vor dem Sozialgericht zu 80 %. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

Tatbestand

 

Die Kläger beanspruchen vom Beklagten die Auszahlung laufender Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) im Wege der Banküberweisung anstatt durch die persönliche Aushändigung von Barschecks.

 

Der am  1969 geborene Kläger zu 1, seine Ehefrau, die am 1976 geborene Klägerin zu 2 sowie die gemeinsamen Kinder, die in den Jahren 2009, 2011, 2013, 2016 und 2018 geborenen Kläger zu 3 bis 7, sind russische Staatsangehörige tschetschenischer Volkszugehörigkeit und leben (mit Ausnahme der in den Jahren 2016 und 2018 geborenen Klägerinnen zu 6 und 7) seit dem 30. April 2015 als Asylsuchende im Bundesgebiet. Ab Juni 2015 waren sie dem Landkreis M- zugewiesen und verpflichtet, in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber A  3 in  B zu wohnen. Ihre Asylanträge wurden abgelehnt (Bescheid vom 21. August 2017). Hiergegen haben sich die Kläger gerichtlich zur Wehr gesetzt (Klageerhebung beim Verwaltungsgericht (VG) Frankfurt (Oder) am 7. September 2017, Az. ). Eine rechtskräftige Entscheidung des VG Frankfurt (Oder) liegt noch nicht vor.

 

Die Kläger sind Inhaber von Aufenthaltsgestattungen und beziehen seit August 2015 Leistungen nach dem AsylbLG vom Beklagten. Der Kläger zu 1 war von August 2019 bis 15. Januar 2020 in geringfügigem Umfang erwerbstätig und erzielte Einkommen. Die Klägerin zu 2 verfügt über ein Konto bei der S .

 

Mit Bescheid vom 27. Juni 2016 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen nach § 3 AsylbLG für den Monat Juni 2016 in Höhe von 1423,50 Euro und erklärte, dass für den Fall, dass keine Änderung eintrete, die Weiterzahlung der Leistung in der im Bescheid angegebenen Höhe aufgrund stillschweigender monatlicher Neubewilligung erfolge. Leistungen in Geld oder Geldeswert würden den Klägern in aller Regel am 1. Mittwoch im Monat in der Gemeinschaftsunterkunft ausgehändigt. In der Folgezeit erbrachte der Beklagte die Leistungen durch persönliche Aushändigung der Schecks an die Kläger, u.a. für den Monat Januar 2017 in Höhe von 834,04 Euro, für Februar 2017 in Höhe von 682,38 Euro und für März 2017 in Höhe von 631,58 Euro. Jedenfalls seit April 2017 händigt der Beklagte den Klägern die Barschecks jeweils monatlich an seinem Dienstort in  V, Ortsteil D, aus.

 

Im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens wurden den Klägern für die Zeit vom 30. Januar 2017 bis 30. April 2017 zusätzlich zur Übernahme der Kosten ihrer Unterkunft Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 2 AsylbLG in Höhe von monatlich 1433,60 Euro (im Januar anteilig) unter Anrechnung bereits erfolgter Zahlungen zugesprochen (Beschluss des Landessozialgerichts <LSG> Berlin-Brandenburg vom 24. April 2017, L 23 AY 6/17 B ER).

 

Am 5. April 2017 fuhren die Kläger mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Entgegennahme des Leistungsschecks für den Monat April 2017 zum Dienstort des Beklagten in D und wandten hierfür 19,80 Euro auf. Die Kläger erhielten dort Leistungen nach § 1a AsylbLG per Barscheck für den Monat April 2017 in Höhe von 656,98 Euro.

 

Am 10. April 2017 verlängerten die Kläger zu 2 bis 6 am Dienstort des Beklagten ihre Aufenthaltsgestattungen mit Gültigkeit bis zum 27. September 2017 und sprachen erneut beim Sozialamt des Beklagten vor. Dort wurden ihnen per Scheck weitere Leistungen für April 2017 in Höhe von 776,52 Euro ausgehändigt.

 

Am 19. April 2017 beantragten die Kläger beim Beklagten, die laufenden Leistungen ab Mai 2017 auf das Konto der Klägerin zu 2 bei der S zu überweisen, sowie die Erstattung der für die Vorsprache am 5. April 2017 entstandenen Fahrtkosten von 19,80 Euro.

 

Am 5. Mai 2017 übergab ein Mitarbeiter des Beklagten den Klägern in deren Wohnheim einen Scheck über den Betrag von 1711,61 Euro. In der von den Klägern unterschriebenen Empfangsbestätigung erklärte der Beklagte, dass sich eine Nachzahlung in dieser Höhe aus den Beschlüssen im einstweiligen Anordnungsverfahren ergeben habe.

 

Die Kläger erhoben hinsichtlich der Höhe der gewährten Leistungen Widerspruch gegen die (bescheidlosen) Leistungsbewilligungen seit dem 30. September 2016. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2017 erkannte der Beklagte an, dass die Kläger ab dem 30. September 2016 leistungsberechtigt gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG seien und sich hieraus für die Zeit von September 2016 bis Mai 2017 ein Nachzahlungsanspruch  von 2172,93 Euro ergebe.

 

Mit Bescheid vom 8. August 2017 bewilligte der Beklagte den Klägern für August 2017 Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG in Höhe von insgesamt 1831,12 Euro und legte in der Begründung u.a. dar, dass die Leistungen nach dem AsylbLG dem Leistungsberechtigten oder einem volljährigen berechtigten Mitglied des Haushalts persönlich ausgehändigt werden sollen. Die Auszahlung der Leistung erfolge nur unter Vorlage gültiger Aufenthaltsdokumente. Diesen Zusatz enthielten alle nachfolgenden Bewilligungsbescheide der Kläger (Bescheide vom 14. Dezember 2017, 16. Mai 2018, 1. August 2018, 16. Oktober 2018, 18. Dezember 2018, 5. Februar 2019, 4. Juli 2019, 30. September 2019, 16. Dezember 2019, 20. Januar 2020, 23. Juli 2020, 17. August 2020, 2. November 2020, 21. Dezember 2021).

 

Mit Bescheid vom 9. Januar 2018 lehnte der Beklagte den Antrag der Kläger vom 19. April 2017 auf Überweisung ihrer Leistungen auf ihr Konto sowie die Erstattung von Fahrtkosten in Höhe von 19,80 Euro ab. Nach dem AsylbLG stelle die bare Zahlungsweise im Rahmen der Leistungsgewährung die Regel dar. Die kostenfreie Überweisung auf ein Konto des Leistungsberechtigten sei nur im Ausnahmefall möglich. Eine Ausnahme vom gesetzlich normierten Regelfall der Barauszahlung sei nur dann anzunehmen, wenn die persönliche Aushändigung der Leistungen aufgrund großer Entfernung der Behörde von der Unterkunft des Leistungsberechtigten mit außergewöhnlichen verwaltungsorganisatorischen Schwierigkeiten verbunden sei. Bei der Distanz zwischen dem Wohnort der Kläger in B und dem Dienstort des Beklagten in  V, Ortsteil D (rund 32 km) handle es sich nicht um eine so große Entfernung, die die Annahme rechtfertigen würde, dass der Dienstort zu dem monatlichen Auszahlungstermin nur mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten erreicht werden könne. Es verkehre ein Bus. Die Fahrzeit von rund eineinhalb Stunden rechtfertige nicht die Annahme einer außergewöhnlichen Schwierigkeit. Da die Voraussetzungen für die Annahme einer Ausnahme nicht vorlägen, verbleibe es bei dem Regelfall der persönlichen Barauszahlung am Dienstort des Bereichs Asyl. Ferner seien auch keine Fahrtkosten zu erstatten. Die Kläger seien zur persönlichen Aushändigung der Leistungen am 5. April 2017 im Sozialamt erschienen. An diesem Tag seien die kompletten Leistungen für April 2017 per Scheck ausgezahlt worden. Sowohl die Fahrtkosten zur Auszahlung der Leistungen in Höhe von 19,80 Euro vom 5. April 2017 als auch zur Verlängerung der Aufenthaltsdokumente seien im Rahmen der Regelleistungen zu tragen.

 

Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Kläger, in dem sie auf die Distanz zwischen Wohnheim und Dienstort sowie auf die hohe Sicherheit des Überweisungsvorganges hinwiesen, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 5. März 2018). Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die Kläger Leistungen nach § 2 AsylbLG als Geldleistung in Form von monatlichen Schecks erhielten. Nach § 10 Abs. 1 SGB XII würden die Leistungen in Form von Dienstleistungen, Geldleistungen oder Sachleistungen erbracht. Regelungen, wie die Übereignung der Geldleistung zu erfolgen habe, seien dem SGB XII nicht zu entnehmen. Eine Anwendung des § 47 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) scheide aus, da dieser weder inhaltsgleich in das AsylbLG aufgenommen noch darin für entsprechend anwendbar erklärt worden sei (§ 9 AsylbLG). Infolgedessen seien zur Bestimmung des Auszahlungsmodus die Regelungen des § 3 Abs. 6 AsylbLG analog anzuwenden. Grundsätzlich gehe die Systematik des AsylbLG davon aus, dass Leistungen in Geld oder Geldeswert dem Leistungsberechtigten oder dem volljährigen berechtigten Mitglied des Haushalts persönlich ausgehändigt werden sollten (§ 3 Abs. 6 Satz 1 AsylbLG). Dabei stelle das Tatbestandsmerkmal „sollen“ klar, dass der Behörde bezüglich des Auszahlungsmodus ein gebundenes Ermessen eingeräumt sei, sodass die persönliche Aushändigung den Regelfall und die bargeldlose Überweisung der Leistungen auf ein Konto empfangsberechtigter Personen die Ausnahme bilde. Ein begründeter Ausnahmefall liege hier nicht vor. Insbesondere rechtfertige die Entfernung von rund 32 km (einfache Strecke) zwischen dem Wohnort der Kläger und dem Auszahlort nicht die Annahme eines Ausnahmefalles.

 

Mit der am 6. April 2018 beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) eingegangenen Klage haben die Kläger die Erstattung der Fahrtkosten für die Vorsprache beim Beklagten am 5. April 2017 in Höhe von 19,80 Euro sowie die Auszahlung der laufenden Leistungen per Überweisung auf ihr Konto, hilfsweise die erneute Entscheidung des Beklagten über den Antrag der Kläger vom 19. April 2017 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts beantragt. Zur Begründung führen die Kläger aus, dass es schon zweifelhaft sei, ob vorliegend § 3 Abs. 5 AsylbLG zur Anwendung komme. Es sei davon auszugehen, dass Berechtigte nach § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht unter diese Regelung fielen, da diese nur für Bezieher von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG beschränkt auf den Zeitraum des Bezugs dieser Leistungen Geltung beanspruchen könne. Unabhängig hiervon verkenne der Beklagte, dass ihm grundsätzlich von der Sollvorschrift des § 3 Abs. 5 AsylbLG abweichende Regelungen möglich seien. Eine derartige abweichende Regelung sei hier aufgrund der Entfernung des Dienstortes des Beklagten zu ihrem Wohnort angezeigt. Es sei für ihre Familie mit mehreren minderjährigen und noch sehr kleinen Kindern, die bereits seit mehr als zweieinhalb Jahren monatlich von B nach V zum Sozialamt fahren müsse, bisweilen außerordentlich aufwendig, die monatlichen Leistungen per Scheck an einem festgelegten Tag jeweils persönlich entgegenzunehmen.

 

Mit Schriftsatz vom 8. August 2018 teilte der Beklagte mit, dass er die geltend gemachten Fahrtkosten in Höhe von 19,80 Euro gemeinsam mit den Leistungen für den Monat September 2018 auszahlen werde. Daraufhin erklärten die Kläger die Klage insoweit für erledigt.

 

Mit Gerichtsbescheid vom 26. März 2020 hat das Sozialgericht den Bescheid des Beklagten vom 9. Januar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2018 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, den Antrag der Kläger auf Überweisung der Leistungen nach dem AsylbLG durch Kontoüberweisung vom 19. April 2017 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden (dortige Ziffer 1). Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (dortige Ziffer 2). Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass der Ablehnungsbescheid vom 9. Januar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2018 rechtswidrig sei und die Kläger in ihren Rechten verletze. Die Leistungsberechtigung der Kläger nach dem AsylbLG liege ohne Weiteres vor. Sie erhielten Leistungen nach § 2 AsylbLG. Nach dieser Vorschrift seien abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) und Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhielten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst hätten. Ausgehend hiervon spreche bereits einiges dafür, dass § 3 Abs. 5 AsylbLG entgegen der Auffassung des Beklagten bezüglich der Kläger bereits im Kern keine Anwendung mehr finden könne. Andererseits sei die Argumentation des Beklagten, dass § 47 Abs. 1 SGB I, der eine kostenfreie Überweisung von Geldleistungen auf ein Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut vorsehe, soweit die besonderen Teile dieses Gesetzbuches keine anderweitige Regelung enthielten, im Hinblick auf § 9 AsylbLG keine Anwendung finden könne, ebenfalls richtig. Denn nach dieser Vorschrift sei ausdrücklich geregelt, welche anderen Vorschriften der Sozialgesetzbücher Anwendung finden könnten. Bezüglich des SGB I sei in § 9 Abs. 3 AsylbLG nur die entsprechende Anwendung der §§ 60 bis 67 SGB I angeordnet. Im Übrigen sei in § 9 Abs. 4 AsylbLG nur die Anwendung bestimmter Vorschriften des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) geregelt und in § 9 Abs. 1 AsylbLG klargestellt, dass Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG keine Leistungen nach dem SGB XII oder vergleichbaren Landesgesetzen erhielten. Hiermit werde klargestellt, dass das AsylbLG eine abschließende und eigenständige Regelung darstelle und nicht Gegenstand der Sozialgesetzbücher sei. Deswegen komme weder eine unmittelbare noch eine analoge Anwendung des § 47 Abs. 1 SGB I in Betracht. Hieraus folge auch, dass die Kläger keinen direkten Rechtsanspruch auf die Auszahlung der ihnen zustehenden Leistungen nach dem AsylbLG durch kostenfreie Überweisung auf das Konto der Klägerin zu 2 hätten.

 

Die Klage sei aber im Sinne des Hilfsantrages begründet, denn der Beklagte habe in dem streitigen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides das ihm zustehende Ermessen verkürzt und damit fehlerhaft angewendet. Es handle sich um einen Fall einer evidenten Ermessensunterschreitung. Denn der Beklagte sei erkennbar davon ausgegangen, dass ihm ein Ermessen nur im Rahmen des § 3 Abs. 5 AsylbLG zustehe. Danach handle es sich indes bei dieser Vorschrift um eine Sollvorschrift, die lediglich in Ausnahmefällen ein Abweichen der Leistungserbringung ermögliche. Diese Vorschrift sei nach Auffassung des Gerichts bei Leistungsberechtigten nach § 2 AsylbLG nicht mehr anwendbar. Vielmehr ergebe sich aus § 2 AsylbLG, dass anstelle des § 3 Abs. 5 AsylbLG die Regelungen des SGB XII gelten sollten. In § 17 Abs. 2 Satz 1 SGB XII finde sich eine Regelung, die die Art der Leistungserbringung in das pflichtgemäße Ermessen der Behörde stelle. Hieraus schließe das Gericht, dass der Beklagte nach dieser Vorschrift das Ermessen nicht in dem verkürzten Rahmen des   § 3 Abs. 5 AsylbLG ausüben dürfe, sondern insgesamt nach einem pflichtgemäßen Ermessen, bei dem alle für den Einzelfall relevanten Umstände zu berücksichtigen seien. Hieraus ergebe sich dann auch, dass ein Vorrang der bisherigen Praxis der persönlichen Aushändigung der Geldleistungen durch Scheckzahlung oder durch bares Geld gerade nicht bestehe, sondern über den Antrag der Kläger unter Würdigung aller Umstände zu entscheiden sei. Ein derartiges Ermessen habe der Beklagte bei seiner Entscheidung indes überhaupt nicht ausgeübt, sondern nur in dem Verhältnis einer Regel zur Ausnahme. Damit habe der Beklagte den Ermessensspielraum bereits im Kern nicht hinreichend bestimmt. Der Beklagte werde daher über den Antrag der Kläger unter Berücksichtigung aller für den Einzelfall maßgebenden Umstände neu zu entscheiden haben. Eine Orientierung nach Maßgabe des § 3 Abs. 5 AsylbLG dürfe dabei nicht erfolgen. Da ein unmittelbarer Anspruch der Kläger auf Überweisung der Leistungen nach dem AsylbLG auf das Konto der Klägerin zu 2 nicht bestehe, sondern es sich um eine Ermessensentscheidung handle und eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegend auch nicht ersichtlich sei, könne und dürfe das Gericht nicht eigenes Ermessen anstelle des Beklagten zur Anwendung bringen.

 

Die Kläger haben gegen den am 30. März 2020 zugestellten Gerichtsbescheid am 22. April 2020 Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, ihnen stehe ein Anspruch auf Auszahlung der Leistungen nach § 2 AsylbLG im Wege der Überweisung auf ihr Konto zu. Selbst wenn ihnen ein gesetzlicher Anspruch auf Auszahlung der Leistung im Wege der Überweisung nicht zustehe, wäre ein dem Beklagten insoweit gegebenes Ermessen aus den bereits dargelegten Gründen jedenfalls auf Null reduziert. Der Gerichtsbescheid entbehre jeglicher Auseinandersetzung mit den von ihnen vorgetragenen tatsächlichen und rechtlichen Argumenten.

 

Mit Bescheid vom 22. Dezember 2020 hat der Beklagte auf Grundlage des § 2 AsylbLG i.V.m. § 17 Abs. 2 SGB XII analog entschieden, dass die Kläger unter Berücksichtigung aller für den Einzelfall maßgebenden Umstände weiterhin ihre monatlichen Leistungen nach dem AsylbLG per Scheck vom Sozialamt ausgehändigt bekommen. Der Beklagte habe das durch § 17 Abs. 2 SGB XII eröffnete Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung innerhalb der gesetzlichen Grenzen des Ermessens auszuüben. Bei der Distanz zwischen dem Wohnort der Kläger und dem Dienstort des Beklagten handle es sich nicht um eine Entfernung, die im Rahmen des monatlichen Auszahlungstermins als unverhältnismäßig anzusehen oder mit unverhältnismäßigen Mühen zu bewältigen sei. Die Fahrzeit im öffentlichen Busverkehr belaufe sich auf ca. 1 Stunde und 2 Minuten und stelle damit keinen unverhältnismäßigen Aufwand dar. Da die Kläger weder einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachgingen noch an einem Sprachkurs o.ä. teilnähmen und ihre fünf Kinder täglich in der Schule und Kita betreut würden, sei es den Klägern zumutbar,  einmal im Monat am Auszahlungstag zwischen 8:00 Uhr und 12:00 Uhr oder 13:00 Uhr und 15:00 Uhr am Dienstort zur Auszahlung zu erscheinen. Es bestehe auch die Möglichkeit, im Fall der Unabkömmlichkeit einen anderen Tag zu vereinbaren. Nach Abwägung aller vorgenannten Punkte sei der Beklagte zu dem Schluss gekommen, dass es bei der persönlichen Auszahlung am Dienstort bleibe. Es bestehe für die Kläger zudem die Möglichkeit, ein vergünstigtes Monatsticket zu erwerben.

 

Gegen den Bescheid vom 22. Dezember 2020 haben die Kläger Widerspruch erhoben, der im beiderseitigen Einvernehmen in Hinblick auf das hiesige Verfahren ruhend gestellt wurde.

 

Mit Schriftsatz vom 3. März 2022 hat die Prozessbevollmächtigte mitgeteilt, dass sich die Klage auch gegen den Bescheid vom 22. Dezember 2020 richte.

 

Die Kläger beantragen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 26. März 2020 hinsichtlich des Tenors zu 2) und den Bescheid des Beklagten vom 22. Dezember 2020 aufzuheben und festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, künftig die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz monatlich per Banküberweisung auf das Konto der Klägerin zu 2) bei der Sparkasse Märkisch-Oderland zu erbringen,

 

hilfsweise,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 26. März 2020 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 22. Dezember 2020 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag der Kläger vom 19. April 2017 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.

 

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

 

Mit Bescheid vom 22. Januar 2021 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen für den Monat Februar 2021 in Höhe von 2313,94 Euro und erklärte, dass ohne Änderungen der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse auf Grund stillschweigender monatlicher Neubewilligung die Weiterzahlung der Leistung in der diesem Bescheid angegebenen Höhe erfolge. Mit Bescheid vom 17. Dezember 2021 erfolgte für den Monat Januar 2022 eine Abänderung der Leistungshöhe auf 2181,47 Euro.

 

Der Beklagte hat im Rahmen des Berufungsverfahrens darauf hingewiesen, dass nach dem neugestalteten § 11 Abs. 2 AsylbLG die Leistungspflicht der örtlich zuständigen Ausländerbehörde ausgeschlossen bzw. eingeschränkt werde, wenn der Leistungsberechtigte entgegen seiner Wohnsitzauflage andernorts Aufenthalt nehme. Dies berücksichtigt, wäre auch die einfachste Form der Kontrolle der Einhaltung der Wohnsitzauflage – nämlich im Rahmen der Leistungsauszahlung – legitim und also taugliches Kriterium, das im Rahmen einer Ermessensentscheidung zugunsten der Auszahlungsform persönliches Abholen von Geldleistungen spreche.

 

Die Kläger haben seit dem 1. Februar 2022 ihren Wohnsitz im Wohnverbund W, B,  W. Die Aushändigung der Leistungsschecks erfolgt weiterhin am Dienstort des Beklagten in D.

 

Die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakten des Beklagten und die Ausländerakten des Klägers zu 1 und der Klägerin zu 2 waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf deren Inhalt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Sozialgerichtsgesetz <SGG>)  ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

 

Gegenstand des Verfahrens ist allein noch der Bescheid vom 22. Dezember 2020, mit dem der Beklagte den Antrag der Kläger auf Leistungserbringung durch Kontoüberweisung für die Zeit nach dessen Bekanntgabe abgelehnt hat. Die auf den Zeitraum nach Bekanntgabe des Bescheides vom 22. Dezember 2020 begrenzte Regelungswirkung ergibt sich aus dessen Verfügungssatz, nach dem die Kläger „weiterhin Ihre monatliche Leistung nach dem AsylbLG per Scheck vom Sozialamt ausgehändigt bekommen“.

 

Der Bescheid vom 22. Dezember 2020 ist nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des  Verfahrens geworden. Nach dieser Vorschrift wird ein neuer Verwaltungsakt, der nach Klageerhebung erlassen wird, dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Geändert oder ersetzt wird ein Bescheid immer dann, wenn der neue Bescheid denselben Streitgegenstand wie der Ursprungsbescheid betrifft und in dessen Regelung so eingreift, dass die Beschwer des Betroffenen vermehrt oder vermindert wird (m.w.N. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 96 Rn.4 b). Dem steht es gleich, wenn die Verwaltung die von ihr vorgenommene Regelung zum Streitgegenstand überprüft, daraufhin neu entscheidet, in der Sache aber an ihrer Regelung festhält. Formal ist in einem solchem Fall zwar keine Änderung der Beschwer eingetreten. Doch rechtfertigt es die vorgenommene neue Sachprüfung, auch eine solche Entscheidung wie eine Änderung oder Ersetzung im Sinn des § 96 Abs. 1 SGG zu behandeln, mit der Folge der unmittelbaren Anwendung dieser Vorschrift (vgl. Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 16. Juni 2015, B 4 AS 37/14 R, Rn.13 juris, unter Hinweis auf BSG (GS), Beschluss vom 6. Oktober 1994, GS 1/91, juris).

 

So liegt der Fall auch hier. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 9. Januar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2018 die Leistungserbringung durch Überweisung auf das Konto der Klägerin zu 2 abgelehnt. Mit Bescheid vom 22. Dezember 2020 hat der Beklagte diese Entscheidung einer erneuten Sachprüfung unterzogen. Die verfügte Ablehnung nach dieser Sachprüfung ersetzt ab dem Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe den ursprünglichen Ablehnungsbescheid vom 9. Januar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2018 und erledigt diesen „auf andere Weise“ (§ 39 Abs. 2 SGB X; vgl. BSG, Urteil vom 25. April 2018, B 8 SO 24/16 R, Rn. 11 juris). Hinsichtlich des Zeitraums vor Bekanntgabe des Bescheids vom 22. Dezember 2020 hat sich die ursprüngliche Ablehnungsentscheidung durch Zeitablauf im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB X erledigt. Der somit gemäß § 96 Abs. 1 SGG einbezogene Bescheid vom 22. Dezember 2020 gilt als beim Landessozialgericht mit der Klage angefochten (vgl. Haupt in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 96 SGG, Rn. 6).

 

Die so verstandene Klage ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 22. Dezember 2020 ist rechtmäßig. Den Klägern steht kein Anspruch auf Erbringung der Leistungen gemäß § 2 AsylbLG per Banküberweisung zu.

 

Zutreffende Klageart ist die Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 SGG). Der Beklagte hat den Klägern einen Bescheid dahingehend erteilt, dass er die Auszahlung der Leistungen per Banküberweisung ablehnt und die Leistungen weiterhin persönlich aushändigen wird. Bei der begehrten Überweisung bzw. Übermittlung der Geldleistung handelt es sich um Realhandlungen, nicht um Verwaltungsakte (vgl. Pflüger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl., Stand: 13. August 2021, § 47 SGB I, Rn.48). In der Ablehnung eines Realaktes liegt aber dann eine Regelung und damit ein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X, wenn die Ablehnung auf der Grundlage einer Sachentscheidung erfolgt. Dies ist hier der Fall, da der Beklagte es abgelehnt hat, die Leistungen durch Banküberweisung zu erbringen. Damit hat er eine eigene Regelung getroffen. Das Begehren der Kläger musste daher richtigerweise dahin gehen, den entgegenstehenden Verwaltungsakt aufzuheben (vgl. LSG  Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. Februar 2020, L 15 SO 245/16, Rn.28 - 34 juris).

 

Im Übrigen ist die Feststellungsklage gemäß § 55 SGG hier die richtige Klageart. § 55 Abs. 1 SGG lautet:

 

Mit der Klage kann begehrt werden

1. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses,

2. (…),

wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

 

Mit der Leistungsklage, die üblicherweise zur Durchsetzung von Realakten dient und gegenüber der die Feststellungsklage grundsätzlich subsidiär ist (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 55 Rn.19), können die Kläger hier ihr Rechtsschutzziel nicht erreichen, da die Leistungsklage sich jeweils nur auf einen fälligen Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG beziehen kann, die Kläger also gegebenenfalls monatlich erneut einen Rechtsstreit führen müssten. Die Feststellungsklage stellt sich hier folglich als geeignetere Klageart dar, so dass der Grundsatz der Subsidiarität eine Ausnahme erfährt (vgl. Keller, a.a.O., § 55 Rn.19b). In dieser Konstellation kann das nach § 55 Abs. 1 SGG erforderliche berechtigte Interesse bei einer Wiederholungsgefahr vorliegen. Da die Kläger die Auszahlung per Banküberweisung monatlich begehren, ist diese hier gegeben (vgl. für einen ähnlich gelagerten Fall LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. Februar 2020, L 15 SO 245/16, Rn.28 - 34 juris).

 

Die Klage ist unbegründet, da die Kläger die künftige Leistungserbringung durch Banküberweisung nicht beanspruchen können, ein derartiges Rechtsverhältnis mithin nicht gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG festgestellt werden kann. Der Bescheid vom 22. Dezember 2020 stellt sich als rechtmäßig dar und unterliegt folglich nicht der Aufhebung.

 

Der Beklagte ist der für die Leistungserbringung an die die Kläger sachlich und örtlich zuständige Leistungsträger. Die sachliche Zuständigkeit des beklagten Landkreises für die Erbringung der Leistungen ergibt sich aus § 10 Abs. 1 AsylbLG in der seither unverändert geltenden Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG  (1. AsylbLGÄndG) vom 5. August 1997, BGBl. I  Seite 2022, i.V.m. §§ 1, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Aufnahme von Flüchtlingen, spätausgesiedelten und weiteren aus dem Ausland zugewanderten Personen im Land Brandenburg sowie zur Durchführung des AsylbLG in der Fassung des Gesetzes vom 15. März 2016, GVBl.I/16,  [Nr. 11], zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 17. Dezember 2021 (GVBl.I/21, [Nr. 40]). Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 10a Abs. 1 Satz 1 und 3 AsylbLG in der Fassung des 1. AsylbLGÄndG. Die Kläger sind dem beklagten Landkreis mit Bescheiden der Zentralen Ausländerbehörde des Landes Brandenburg vom 3. Juni 2015 zugewiesen worden und wohnen auch aktuell noch im Kreisgebiet des Beklagten.

 

Als Rechtsgrundlage für den von den Klägern geltend gemachten Anspruch auf Überweisung der Leistungen kommt allein § 17 Abs. 2 Satz 1 SGB XII in Betracht.  Hiernach ist über Art und Maß der Leistungserbringung nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden, soweit das Ermessen nicht ausgeschlossen wird. Weder ist – wie von den Klägern vorgetragen – § 47 Abs. 1 SGB I noch – wie vom Beklagten ursprünglich befürwortet – § 3 Abs. 5 SGB AsylbLG (in der ab dem 1. September 2019 gültigen Fassung, die dem vorherigen Abs. 6 Satz 1 entspricht) auf den hiesigen Sachverhalt anzuwenden. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

 

Die Kläger sind leistungsberechtigt nach § 2 Abs. 1  und 3 AsylbLG (in der seit dem 1. Januar 2020 gültigen Fassung). Danach gilt:

 

(1) Abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 sind das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch und Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. (…)

(3) Minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft leben, erhalten Leistungen nach Absatz 1 auch dann, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach Absatz 1 erhält.

 

Die Kläger erfüllen die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 und 3 AsylbLG. Sie halten sich seit dem 30. April 2015 (bzw. im Fall der Klägerinnen zu 6 und 7 ab Geburt) und damit mehr als 18 Monate im Bundesgebiet auf und haben die Dauer ihres Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst (vgl. hierzu die Ausführungen des LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. April 2017, L 23 AY 6/17 B ER, Seite 4 EA). Demgemäß stützt auch der Beklagte seine laufenden Leistungsbewilligungen auf § 2 AsylbLG (vgl. zuletzt Bescheide vom 22. Januar 2021 und 17. Dezember 2021). § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG ordnet die Anwendung des SGB XII und des Teils 2 des SGB IX an, und zwar abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 AsylbLG. Diese Verweisung enthält allerdings keine Gleichstellung von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG und dem SGB XII bzw. des Teils 2 des SGB IX. Die Vorschriften sind – insbesondere unter Berücksichtigung der in § 2 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 AsylbLG enthaltenen abweichenden Regelungen – nur entsprechend und nicht direkt oder unmittelbar auf diesen Personenkreis anzuwenden. Dies wird auch durch § 9 Abs. 1 AsylbLG und § 23 Abs. 2 SGB XII deutlich, die regeln, dass Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG keine Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII erhalten (vgl. Oppermann/Filges in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 2 AsylbLG (Stand: 26.11.2021), Rn.146).

 

Ausgehend hiervon richten sich die Modalitäten der Leistungserbringung an die Kläger nicht nach § 3 Abs. 5 Satz 1 AsylbLG. Danach sollen Leistungen in Geld oder Geldeswert der oder dem Leistungsberechtigten oder einem volljährigen berechtigten Mitglied des Haushalts persönlich ausgehändigt werden. Wie sich ohne Weiteres aus § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG („Abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 …“) ergibt, findet § 3 AsylbLG auf die Gewährung von Analogleistungen keine Anwendung. Folglich ist auch § 3 Abs. 5 AsylbLG bezüglich der Modalitäten der Leistungsgewährung nicht heranzuziehen (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 30. Januar 2019, L 9 AY 3/19 B ER, Rn.13, juris).

 

Ein Anspruch der Kläger auf Überweisung der Leistungen ergibt sich ferner nicht aus § 47 Abs. 1 SGB I. Hiernach gilt:

 

Soweit die besonderen Teile dieses Gesetzbuchs keine Regelung enthalten, werden Geldleistungen kostenfrei auf das angegebene Konto bei einem Geldinstitut, für das die Verordnung (EU) Nr. 260/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 (ABl. L 94 vom 30.3.2012, S. 22) gilt, überwiesen oder, wenn der Empfänger es verlangt, an seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt innerhalb des Geltungsbereiches dieser Verordnung übermittelt.

 

Die Vorschrift ist auf den hiesigen Sachverhalt nicht anzuwenden, da auf Leistungen nach dem AsylbLG gemäß § 9 Abs. 3 AsylbLG nur die Regelungen des SGB I zum Mitwirkungsregime nach §§ 60 bis 66 SGB I anwendbar sind, das AsylbLG jedoch im Übrigen und nach Maßgabe des § 9 AsylbLG ein in sich abgeschlossenes Leistungssystem bildet (vgl. Groth in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 9 AsylbLG (Stand: 30.03.2020), Rn.20; Scheider in: Hohm, Gemeinschaftskommentar zum AsylbLG, Stand Januar 2022, § 9 Rn. 64). Zwar weist das Asylbewerberleistungsrecht eine materielle Nähe zum Sozial(hilfe-)recht auf, es ist aber trotz zahlreicher Änderungsgesetze nicht im Katalog der besonderen Teile des Sozialgesetzbuchs in § 68 SGB I aufgenommen worden und die zu gewährenden Leistungen nicht in den einweisenden Normen des SGB I aufgeführt. Außerhalb der nach § 9 AsylbLG anwendbaren Regelungen richtet sich das Verwaltungsverfahren nach den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder (vgl. BSG, Urteil vom 25. Oktober 2018, B 7 AY 2/18 R, juris; Leopold in Grube/Wahrendorf/Flint, 7. Aufl. 2020, AsylbLG, § 9 Rn.11). Soweit damit das Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Brandenburg (VwVfGBbg) bzw. nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 VwVfGBbg das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) anzuwenden ist, folgt hieraus nichts für den geltend gemachten Anspruch. Weder das VwVfGBbg noch das VwVfG enthalten Regelungen zu den Modalitäten der Leistungserbringung.

Eine analoge Anwendung des § 47 SGB I scheidet aus. Eine Analogie, also die Übertragung einer gesetzlichen Regelung auf einen Sachverhalt, der von der betreffenden Vorschrift nicht erfasst wird, ist u.a. nur dann geboten, wenn eine planwidrige Regelungslücke besteht (vgl. BSG, Beschluss vom 29. April 2021, B 13 R 105/20 B, Rn.8 juris). Dies ist hier nicht der Fall, da die Modalitäten der Erbringung von Analogleistungen von der Regelung des § 17 Abs. 2 Satz 1 SGB XII umfasst sind. Diese lautet:

 

Über Art und Maß der Leistungserbringung ist nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden, soweit das Ermessen nicht ausgeschlossen wird.

 

Die Regelung stellt für den Bereich des SGB XII die gegenüber § 47 Abs. 1 SGB I speziellere Vorschrift dar (vgl. Dauber in: Mergler/Zink, SGB XII, 52. Lfg., Stand Juli 2021, § 17 SGB XII Rn.13) und ist entsprechend auf Analogleistungen nach § 2 AsylbLG anzuwenden (vgl. Herbst in: Mergler/Zink, SGB XII, 47. Lfg, Stand Februar 2020, § 2 AsylbLG Rn.16). Die vom Leistungsträger danach zu treffende Ermessensentscheidung umfasst auch die Frage der Zahlungsmodalitäten, d.h. ob Leistungen in bar ausgezahlt oder auf ein Konto überwiesen werden (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 30. Januar 2019, L 9 AY 3/19 B ER, Rn.13 juris; Deckers in Grube/Wahrendorf/Flint, a.a.O., § 17 Rn. 27; Dauber in: Mergler/Zink, SGB XII, 52, Lfg., Stand Juli 2021, § 17 Rn.13). Unabhängig davon, ob die Modalitäten der Auszahlung unter das „Maß der Leistungserbringung“ im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zu subsumieren sind (so Dauber in: Mergler/Zink, SGB XII, 52. Lfg., Stand Juli 2021, § 17 Rn.13) oder die Regelung entsprechende Anwendung finden soll (so wohl Grube/Wahrendorf/Flint, 7. Aufl. 2020, SGB XII, § 17 Rn.27), regelt die Norm somit die Erbringung von Analogleistungen nach § 2 AsylbLG.

 

§ 17 Abs. 2 Satz 1 SGB XII eröffnet dem Beklagten hinsichtlich der Leistungserbringung Ermessen. Sind Leistungsträger ermächtigt, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, haben sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 1 Abs. 1 VwVfGBbg i.V.m. § 40 VwVfG). Der Leistungsberechtigte hat Anspruch auf eine pflichtgemäße Ausübung des Ermessens, nicht hingegen einen Rechtsanspruch auf ein bestimmtes Verwaltungshandeln, sofern nicht eine Ermessensreduzierung auf Null eingetreten ist. Abgesehen von einer solchen Ermessensreduzierung auf Null hat der Gesetzgeber dem Leistungsträger mit der Einräumung von Ermessen eine Auswahlbefugnis hinsichtlich mehrerer gleichermaßen rechtmäßiger Entscheidungsmöglichkeiten auf der Rechtsfolgenseite eröffnet. Zur Sicherung der Funktionentrennung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz <GG>) und der Entscheidungsfreiheit des Leistungsträgers über die Zweckmäßigkeit seines Handelns ist die Überprüfung seiner Ermessensentscheidung durch die Gerichte auf die Rechtmäßigkeitsprüfung begrenzt ("Rechtmäßigkeits-, aber keine Zweckmäßigkeitskontrolle"). Das Gericht hat nur zu prüfen, ob der Träger sein Ermessen überhaupt ausgeübt, er die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder er von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG; vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2015, B 14 AS 19/14 R, Rn.35 juris).

 

Ausgehend hiervon käme den Klägern nur dann ein Anspruch auf Überweisung der Leistungen auf ihr Konto zu, wenn das dem Beklagten eröffnete Ermessen dahingehend auf Null reduziert wäre, dass sich allein diese Entscheidung als rechtmäßig darstellen würde. So liegt der Fall hier jedoch nicht.

 

Wann eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt, lässt sich nicht abstrakt festlegen, da sie ihrer Natur nach einzelfallbezogen ist. Entscheidend ist, ob nach Lage der Dinge allein eine Rechtsfolge den Ermessensrahmen nicht überschreiten oder keinen Ermessensfehlgebrauch begründen würde. Dies kommt insbesondere bei Eingriffen in Grundrechte, bei erheblichen Gefahren für sonstige bedeutsame Rechtsgüter, aber auch aufgrund einer Selbstbindung der Verwaltung in Betracht. Da die Annahme der Ermessensreduzierung auf Null dem Grundgedanken des Ermessens (Einräumung einer Auswahlbefugnis der Behörde) gerade widerspricht, müssen an deren Feststellung strenge Anforderungen gestellt werden. Ist die Alternativlosigkeit der behördlichen Entscheidung nicht offensichtlich, darf das Gericht keine umfassenden tatsächlichen Ermittlungen anstellen, um – unter Verkennung der Gewaltenteilung – alle denkbaren behördlichen Entscheidungsmöglichkeiten auszuloten (vgl. SchochKoVwGO/Riese, 41. EL Juli 2021, VwGO § 114 Rn.40; NK-VwGO/Heinrich Amadeus Wolff, 5. Aufl. 2018, VwGO, § 114 Rn.129).

 

Eine Reduzierung des Ermessens dahingehend, dass sich die Leistungsübermittlung an die Kläger durch Banküberweisung als einzig rechtmäßige Handlungsoption darstellen würde, vermag das Gericht nicht festzustellen.

 

Der Senat verkennt dabei nicht, dass das Erfordernis der persönlichen Abholung der Leistungsschecks am Dienstort des Beklagten für die Kläger eine sowohl zeitliche als auch finanzielle Belastung darstellt. Zudem dürften die Erwägungen, die den Gesetzgeber im Rahmen des § 3 Abs. 5 AsylbLG zur Festlegung der persönlichen Aushändigung der Leistungen als Regelfall veranlasst haben (insbesondere die Sicherstellung der Leistungserbringung an den richtigen Adressaten, vgl. BT-Drucksache 12/4451, S.9), zwischenzeitlich entfallen sein. Der Senat hat keine Zweifel daran, dass bei einer Leistungsübermittlung per Banküberweisung in gleicher Weise wie bei der persönlichen Aushändigung sichergestellt ist, dass Leistungen nicht in „falsche Hände“ gelangen. 

 

Zugleich ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Beklagte nach seinem Vortrag im hiesigen Verfahren den monatlichen Aushändigungstermin zur Kontrolle der Anwesenheit der Kläger im zugewiesenen Landkreis und der Einhaltung der Wohnsitzauflage nutzt. Hiergegen ist rechtlich nichts einzuwenden, da es sich dabei um nach dem AsylbLG leistungsrelevante Umstände handelt, die der Prüfungskompetenz des Beklagten als zuständigem Leistungsträger unterliegen. So haben die Kläger keinen Leistungsanspruch gegen den Beklagten, wenn und solange sie sich nicht an ihrem Zuweisungs- oder Verteilungsort befinden (vgl. § 11 Abs. 2 AsylbLG; Groth in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 11 AsylbLG (Stand: 15.04.2021), Rn.56). Ausgehend hiervon kann es dem Beklagten nicht verwehrt sein, mithilfe des Erfordernisses der persönlichen Übergabe der Barschecks die Einhaltung der Wohnsitzauflage und damit letztlich die Leistungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 AsylbLG laufend zu überwachen. Eine sachfremde Erwägung im Sinne eines Ermessensfehlgebrauchs stellt dies jedenfalls nicht dar (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 30. Januar 2019, L 9 AY 3/19 B ER, Rn.13 juris).

 

Grenzen findet dieses Vorgehen freilich dann, wenn die persönliche Leistungserbringung nicht dem legitimen Prüfinteresse des Beklagten dient, sondern  allein als rechtsmissbräuchliche Schikanemaßnahme ausgestaltet ist (z.B. im Fall der persönlichen Aushändigung der Leistungen in Teilbeträgen zweimal wöchentlich, vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 20. Januar 2003, 6 A 672/02 MD, juris). So liegt der Fall hier jedoch nicht. Der monatlich anfallende Zeitaufwand der Kläger bewegt sich insgesamt im zumutbaren Rahmen. Die Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln vom Wohnort der Kläger bis zum Dienstort des Beklagten in V, Ortsteil D, dauert rund eine Stunde und ist mit einmaligem Umsteigen zu bewältigen (Auskunft unter www.). Es müssen nicht alle Leistungsberechtigten beim Beklagten persönlich vorsprechen, ausreichend ist vielmehr das Erscheinen eines volljährigen Mitglieds des Haushalts der Kläger. Weder der Kläger zu 1 noch die Klägerin zu 2 sind erwerbstätig. Angesichts der Betreuung der Kläger zu 3 bis 7 im Kindergarten und in der Schule erscheint die organisatorische Umsetzung der einmal pro Monat anfallenden Fahrt auch unter Berücksichtigung des Kinderbetreuungsbedarfs nicht übermäßig belastend, zumal gelegentlich der persönlichen Vorsprache weitere behördliche Angelegenheiten geklärt bzw. erledigt werden können (wie z.B. die Verlängerung der Aufenthaltsgestattung). Auch der finanzielle Aufwand bewegt sich angesichts des einmaligen monatlichen Anfalls im zumutbaren Rahmen und ist durch die im Regelbedarf berücksichtigten Mobilitätskosten abgedeckt. Sollten die Übergabetermine (z.B. wegen der Erkrankung eines Kindes) nicht wahrgenommen werden können, so hat der Beklagte die Möglichkeit einer kurzfristigen Verschiebung des Übergabetermins zugesagt (vgl. die Ausführungen im Bescheid vom 22. Dezember 2020).

 

Zu keinem anderen Ergebnis führt die zum Teil vertretene Auffassung, es sei unzulässig bzw. ermessensfehlerhaft, die Art und Weise der Leistungserbringung zur Durchsetzung ausländerrechtlicher Pflichten (z.B. Anwesenheits- oder Meldepflichten) zu instrumentalisieren (vgl. Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Auflage, § 3 AsylbLG (Stand: 05.07.2021), Rn.198). Vorliegend prüft der Beklagte die Einhaltung der Wohnsitzauflage nicht um ihrer selbst Willen, sondern zu leistungsspezifischen Zwecken im Rahmen des AsylbLG. Eine Instrumentalisierung im Sinne einer sachwidrigen Verknüpfung leistungsrechtlicher Belange mit ausländer- und asylrechtlichen Pflichten liegt daher nicht vor.

 

Soweit die Kläger darauf hingewiesen haben, dass die Überweisung der Leistungen sowohl für den Beklagten als auch für sie kostengünstiger als die persönliche Aushändigung der Leistungsschecks wäre, so spricht angesichts des vom Beklagten zur Leistungsübermittlung betriebenen Personal- und Ressourcenaufwandes Überwiegendes dafür, dass diese Annahme zutrifft. Allerdings bewirkt allein eine ggfls. zu erwartende Kostenersparnis keine Ermessensreduktion auf Null. Vielmehr stellt die Kosten-Nutzen-Bewertung von Verwaltungshandeln einen typischen Bestandteil der behördlichen Zweckmäßigkeitsprüfung dar, die der gerichtlichen Kontrolle entzogen ist (vgl. Schönenbroicher in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Auflage 2019, § 40 Rn.188/189).

 

Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass im Fall der Kläger grundrechtliche Belange zu einer relevanten Ermessensreduzierung führen. Zwar mag das Erfordernis der monatlichen Fahrt zur persönlichen Aushändigung der Leistungsschecks den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit der Kläger nach Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) betreffen. Die Beeinträchtigung stellt sich jedoch angesichts des monatlichen Zeitaufwandes von rund zwei Stunden für Hin- und Rückweg nicht als besonders tiefgreifend dar, zumal weitere (erwerbswirtschaftliche) Verpflichtungen der Kläger nicht bestehen. Gefahren für sonstige gewichtige Rechtsgüter sind von den Klägern nicht vorgetragen und ergeben sich nicht aus den Akten. Auch führen die von den Klägern vorgebrachten Sicherheitsaspekte nicht zu einer relevanten Ermessensreduktion. Der Vertreter des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass es seiner Erinnerung nach nur einmal Probleme mit dem Verlust eines Barschecks mit Leistungen nach dem AsylbLG gegeben habe, im Übrigen die Leistungserbringung durch Barschecks ihren Zweck sicher erfülle. Die Kammer hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Ausführungen zu zweifeln.

 

Im Rahmen der Prüfung einer Ermessensreduktion war ferner zu berücksichtigen, dass sich dem Beklagten weitere Möglichkeiten der Leistungserbringung an die Kläger bieten, die sich zur Überzeugung des Senats nicht als ermessensfehlerhaft darstellen. So wäre insbesondere die Aushändigung des Leistungsschecks in der Gemeinschaftsunterkunft bzw. am aktuellen Wohnort der Kläger möglich und nicht mit Ermessensfehlern behaftet.

 

Abschließend sei – auch wenn es hierauf nicht entscheidend ankommt – darauf hingewiesen, dass die von den Beteiligten in Bezug genommenen Entscheidungen des VG Magdeburg, Urteil vom 20. Januar 2003, 6 A 672/02 MD, und Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 30. Januar 2019, L 9 AY 3/19 B ER, ebenfalls zu dem Ergebnis gelangten, dass hinsichtlich der Auszahlungsmodalitäten der Leistungen nach dem AsylbLG eine Ermessensreduzierung auf Null nicht anzunehmen sei (VG Magdeburg, Urteil vom 20. Januar 2003, 6 A 672/02 MD, Rn.27 juris; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 30. Januar 2019, L 9 AY 3/19 B ER, Rn.13 juris).

 

Die hilfsweise auf Aufhebung des Bescheids vom 22. Dezember 2020 sowie Neubescheidung des Antrags vom 19. April 2017 gerichtete Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGG) ist zulässig, in der Sache aber unbegründet. Die Kläger können nicht die erneute Bescheidung ihres Antrags vom 19. April 2017 beanspruchen.

 

Als Rechtsgrundlage für den Bescheid vom 22. Dezember 2020  kommt – wie bereits dargelegt – allein § 17 Abs. 2 Satz 1 SGB XII in Betracht. Die Ausübung des dem Beklagten darin eröffneten Ermessens stellt sich dann als rechtswidrig dar, wenn die gesetzlichen Grundlagen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck des Ermessens nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 1 Abs. 1 VwVfGBbg i.V.m. § 40 VwVfG, § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Die gerichtliche Kontrolle der Ermessensentscheidung beschränkt sich dabei auf die Frage, ob die Behörde ihr Ermessen nicht ausgeübt oder im Bescheid nicht zum Ausdruck gebracht hat (Ermessensnichtgebrauch), ihr Ermessen zu eng eingeschätzt hat (Ermessensunterschreitung), eine Rechtsfolge gesetzt wird, die in der gesetzlichen Regelung nicht vorgesehen ist (Ermessensüberschreitung) oder vom Zweck der Ermessensregelung her sachfremde, d.h. willkürliche Erwägungen angestellt hat (Ermessensfehlgebrauch; vgl. Emmenegger in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Auflage 2019, § 40 Rn.194 ff). Nach § 1 Abs. 1 VwVfGBbg i.V.m. § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG muss die Begründung von Ermessensentscheidungen die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.

 

Ein Ermessensnichtgebrauch, bei dem überhaupt keine Ermessenserwägungen angestellt werden und so gehandelt wird, als ob eine gebundene Entscheidung zu treffen ist, ist nicht festzustellen. Der Beklagte hat im Bescheid vom 22. Dezember 2020 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er im Rahmen der Entscheidung über die Auszahlungsmodalitäten Ermessen ausübe. Problematisch ist jedoch, dass der Beklagte die nach seinen Äußerungen im Klageverfahren offenbar entscheidende Ermessenserwägung im Bescheid nicht benannt hat, nämlich die mit der persönlichen Leistungsaushändigung verbundene Kontrolle der Anwesenheit der Kläger im zugewiesenen Bezirk und der Einhaltung der Wohnsitzauflage. Die Begründung der Ermessensentscheidung beschränkt sich im Wesentlichen darauf, dass der den Klägern mit der persönlichen Aushändigung verbundene zeitliche und finanzielle Aufwand zumutbar sei. Nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 VwVfGBbg i.V.m. § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG hat der Beklagte jedoch die tragenden Erwägungen den Klägern mitzuteilen. Sie müssen in die Lage versetzt werden, ihre Rechte sachgemäß wahrnehmen und verteidigen zu können. Diese Anforderung erfüllt der Bescheid vom 22. Dezember 2020 ersichtlich nicht. Die mangelhafte Begründung führt hier jedoch nicht zur Aufhebung des Bescheids, da der Begründungsmangel geheilt ist.

 

Nach § 1 Abs. 1 VwVfGBbg i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 VwVfG nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird. Hierzu zählt auch der Fall einer unzureichenden Begründung einer Ermessensentscheidung (vgl. Emmenegger in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Auflage 2019, § 45 Rn.91). Neue Gründe für eine Ermessensentscheidung dürfen nach dem allgemeinen Verwaltungsrecht jedoch nur nachgeschoben werden, wenn sie schon bei Erlass des Verwaltungsaktes vorlagen, dieser nicht in seinem Wesen verändert und der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird. Nach § 1 Abs. 1 VwVfGBbg i.V.m. § 45 Abs. 2 VwVfG können Handlungen nach § 45 Abs. 1 VwVfG, mithin auch die Nachholung einer ausreichenden Begründung einer Ermessensentscheidung, bis zur letzten Tatsacheninstanz eines (sozial- oder) verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden, d.h. auch während des Gerichtsverfahrens ist die schriftsätzliche Mitteilung neuer Ermessenserwägungen noch möglich (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 45 Rn.50 ff).

 

Ausgehend hiervon erweist sich der Bescheid vom 22. Dezember 2020, der nicht gemäß § 44 VwVfG nichtig ist, als im Ergebnis rechtmäßig. Angesichts der nunmehr vom Beklagten als ermessensrelevant erklärten Kontrollfunktion der persönlichen Aushändigung der Leistungen (u.a. Schriftsatz des Beklagten vom 14. April 2021), ist der Begründungsmangel als geheilt anzusehen. Eine Wesensänderung oder eine relevante Beeinträchtigung der Rechtsverteidigung der Kläger traten hierdurch nicht ein. So hatten die Kläger insbesondere hinreichende Möglichkeiten, ihre Auffassung zu den ergänzten Ermessenserwägungen des Beklagten vorzutragen und somit rechtliches Gehör zu finden.

 

Auch im Übrigen entspricht die Entscheidung des Beklagten vom 22. Dezember 2020 den rechtlichen Anforderungen an eine Ermessensentscheidung. Insbesondere stellt sich – wie bereits dargelegt – die Verknüpfung der Leistungserbringung mit der Kontrolle des Aufenthalts und der Einhaltung der Wohnsitzauflage der Kläger nicht als sachfremde oder willkürliche Erwägung im Sinne eines Ermessensfehlgebrauchs dar. Eine Ermessensunter- bzw. Ermessensüberschreitung vermag der Senat ebenfalls nicht zu erkennen.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG bestehen nicht.

Rechtskraft
Aus
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