L 3 AS 1/20

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 24 AS 1385/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 AS 1/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

 

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom 27. November 2019 wird zurückgewiesen.

 

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

Tatbestand

 

 

Der Kläger begehrt von der Beteiligten im Wege der Untätigkeitsklage eine Entscheidung über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01. Februar 2016 bis zum 31. Juli 2016 als Zuschuss statt als Darlehen.

 

Der 1959 geborene Kläger bewohnt ein ihm seit dem Jahr 2002 gehörendes Hausgrundstück mit einer Fläche von 1.198 m2 in der Kstraße  in  M, Ortsteil Z und betreibt seit April 2015 einen Handel mit Fahrrädern und Zubehör nebst Service in W.

 

Auf seinen Weiterbewilligungsantrag vom 10. Dezember 2015 bewilligte ihm der Beklagte mit Darlehensbescheid vom 03. März 2016 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01. Februar 2016 bis zum 31. Juli 2016 im Wege eines Darlehens in Höhe von 166,10 € (Februar), 158,54 € (März, April, Juni, Juli) bzw. 166,07 € (Mai) pro Monat, da der Kläger über die Freibeträge überschreitendes Vermögen (Grundstück) verfüge, welches zu verwerten sei. Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 21. März 2016 Widerspruch  mit der Begründung ein, die darlehensweise Gewährung sei rechtswidrig. Seinem Mandanten seien Leistungen nicht als Darlehen, sondern als Zuschuss zu gewähren. Das Grundstück, welches er zu Wohnzwecken bewohne, sei angemessen.

 

Mit Bescheid über die Änderung von darlehensweise bewilligten Leistungen nach dem SGB II vom 05. April 2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger unter Berücksichtigung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung im Wege eines Darlehens für die Monate Februar 2016 bis Juli 2016 415,94 € (Februar), 408,38 €  (März, April, Juni, Juli) bzw. 415,91 € (Mai) monatlich. Mit Bescheiden vom 31. Mai 2016 widerrief der Beklagte die darlehensweise bewilligten Leistungen für den Zeitraum vom 01. Februar 2016 bis zum 31. Juli 2016 und forderte von dem Kläger 1.648,61 € zurück. Am 15. Juni 2016 und 16. Juni 2016 legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers auch gegen diese Bescheide Widerspruch ein.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 09. Mai 2017 wies der Beklagte den Widerspruch vom 21. März 2016 gegen den Darlehensbescheid vom 03. März 2016 in der Fassung des Bescheides vom 05. April 2016 in der Gestalt der Bescheide vom 31. Mai 2016 als unbegründet zurück. Die Bescheide verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Aufgrund seines Vermögens hätten die Leistungen nur als Darlehen erbracht werden können. Da er der zulässigen Auflage, Verwertungsbemühungen nachzuweisen, nicht nachgekommen sei, sei auch der Widerruf des Darlehensbescheides nicht zu beanstanden. Hiergegen erhob der Kläger am 12. Juni 2017 Klage zum Sozialgericht (SG) Neuruppin (Aktenzeichen S 24 AS 1118/17), mit der er die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung höherer Leistungen für die Zeit vom 01. Februar 2016 bis zum 31. Juli 2016 sowie als Zuschuss begehrte. Gegen das die Klage abweisende Urteil des SG vom 04. Dezember 2019 richtet sich die beim Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg zum Aktenzeichen L 8 AS 167/20 anhängige Berufung des Klägers.

 

Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 09. Mai 2017 wies der Beklagte den Widerspruch vom 15. Juni 2016 als unstatthaft und daher unzulässig zurück. Dagegen erhob der Kläger am 12. Juni 2017 ebenfalls Klage zum SG Neuruppin (Aktenzeichen S 24 AS 1117/17), die er nach Hinweis auf deren Unzulässigkeit wegen doppelter Rechtshängigkeit (Gegenstand des Verfahrens S 24 AS 1118/17) im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 04. Dezember 2019 zurücknahm. Den Widerspruch vom 16. Juni 2016 wies der Beklagte ebenfalls mit einem Widerspruchsbescheid vom 09. Mai 2017 zurück. Auch dagegen erhob der Kläger am 12. Juni 2017 Klage zum SG Neuruppin (Aktenzeichen S 24 AS 1121/17), mit der er die Aufhebung des Erstattungsbescheides vom 31. Mai 2016 begehrte. Gegen das die Klage abweisende Urteil des SG vom 04. Dezember 2019 richtet sich die beim LSG Berlin-Brandenburg zum Aktenzeichen L 8 AS 165/20 anhängige Berufung des Klägers.

 

Ebenfalls am 12. Juni 2017 begehrte der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei dem Beklagten unter Bezugnahme auf den Darlehensbescheid vom 03. März 2016 die Verbescheidung des Antrags auf zuschussweise Leistungen für den Leistungszeitraum Februar 2016 bis Juli 2016.

 

Am 12. Juli 2017 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers Untätigkeitsklage bei dem SG Neuruppin erhoben. Zwischenzeitlich sei mehr als ein Jahr seit der Stellung des Antrages vergangen. Ein weiteres Zuwarten sei dem Kläger nicht mehr zuzumuten.

 

Der Kläger hat beantragt,

 

den Beklagten zu verpflichten, seinen Antrag hinsichtlich der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss für den Zeitraum vom 01. Februar 2016 bis zum 31. Juli 2016 zu verbescheiden.

 

Der Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Ein anerkennenswertes Rechtsschutzinteresse bestehe nicht. In der darlehensweisen Bewilligung vom 03. März 2016 sei schon denklogisch zugleich auch die Ablehnung eines Zuschusses enthalten. In dem folgenden Widerspruchsverfahren wie auch dem anschließenden Gerichtsverfahren zum Aktenzeichen S 24 AS 1118/17 begehre der Kläger bereits die zuschussweise Gewährung der Leistungen. Eines gesonderten Ablehnungsbescheides habe es daher nicht bedurft.

 

Nach entsprechender Anhörung der Beteiligten mit Schreiben vom 04. Juli 2019 hat das SG gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid vom 27. November 2020 die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage lägen nicht vor, da die Beklagte nicht untätig im Sinne von § 88 Abs.1 SGG gewesen sei. Nach § 88 Abs. 1 SGG sei die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig, wenn ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden sei. Liege ein zureichender Grund dafür vor, dass der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setze das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden könne. Werde innerhalb dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so sei die Hauptsache für erledigt zu erklären. Gemäß § 88 Abs. 2 SGG gelte das Gleiche, wenn über einen Widerspruch nicht entschieden worden sei, mit der Maßgabe, dass als angemessene Frist eine solche von drei Monaten gelte.

Der Beklagte aber habe den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 10. Dezember 2015 sachlich beschieden, indem er ihm mit Darlehensbescheid vom 03. März 2016 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 05. April 2016 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01. Februar 2016 bis zum 31. Juli 2016 im Wege eines Darlehens bewilligt habe. Damit habe er zugleich die begehrte zuschussweise Leistungsbewilligung abgelehnt. Aus diesem Grund stelle ein nach einem Ablehnungsbescheid erlassener Darlehensbescheid auch eine Änderung im Sinne von § 96 SGG dar (vgl. Bundessozialgericht <BSG>, Urteile vom 12.Oktober 2016 - B 4 AS 4/16 R, Rn. 19, und vom 03. Dezember 2015 - B 4 AS 49/14 R, Rn. 14; jeweils zitiert nach juris). Dies habe auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers ursprünglich so gesehen, denn er habe am 21. März 2016 Widerspruch gegen den Darlehensbescheid vom 03. März 2016 u. a. mit der Begründung eingelegt, dass seinem Mandanten Leistungen nicht als Darlehen, sondern als Zuschuss zu gewähren seien.

Schließlich sei deshalb auch ein Rechtsschutzinteresse des Klägers für dieses Klageverfahren nicht ersichtlich, da er sein Ziel - Gewährung zuschussweiser Leistungen für den Zeitraum vom 01. Februar 2016 bis zum 31. Juli 2016 - bereits mit dem Klageverfahren zum Aktenzeichen S 24 AS 1118/17 verfolge.

 

Gegen den ihm am 03. Dezember 2019 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich der Kläger mit seiner am 02. Januar 2020 beim LSG eingelegten Berufung, mit der er seine Untätigkeitsklage weiterverfolgt.

 

Der Kläger beantragt sinngemäß,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom 27. November 2019 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, seinen Antrag hinsichtlich der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss für den Zeitraum vom 01. Februar 2016 bis zum 31. Juli 2016 zu verbescheiden.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

 

Durch Beschluss des Senats vom 18. Februar 2021 ist die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 SGG der Vorsitzenden und Berichterstatterin zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen worden.

 

Der Senat hat Einsicht in die Verfahrensakte S 8 AS 167/20 (vormals: S 10 AS 167/20) genommen und hieraus Kopien zur Akte (Beiheft) gefertigt.

 

Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 03. Januar 2022 (Kläger) und vom 06. Januar 2022 (Beklagter) mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten, die bei der Entscheidung vorgelegen haben.

 

Entscheidungsgründe

 

Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs.1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung über die Berufung entscheiden, da die Beteiligten hierzu schriftlich ihr Einverständnis erklärt hatten.

 

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet.

 

Wie das SG Neuruppin im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 27. November 2019 zutreffend entschieden hat, fehlt es an der Zulässigkeit und Begründetheit der vom Kläger erhobenen Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 1 SGG.

Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes zulässig (§ 88 Abs. 1 S. 1 SGG). Liegt ein zureichender Grund dafür vor, dass der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann (§ 88 Abs. 1 S. 2 SGG). Vorliegend fehlt es bereits an der für eine Untätigkeitsklage erforderlichen Untätigkeit des Beklagten, denn dieser hat den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 10. Dezember 2015 vollumfänglich beschieden, jedoch nicht mit dem vom Kläger gewünschten Ergebnis der Gewährung von (höheren) Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende als „verlorenen Zuschuss“. Dies wird auch durch den vom Kläger am 21. März 2016 eingelegten Widerspruch gegen den Darlehensbescheid - in der Fassung des Änderungsbescheides vom 05. April 2016 sowie des Widerrufsbescheides vom 31. Mai 2016 – und nach dessen Erfolglosigkeit (Widerspruchsbescheid vom 09. Mai 2017) mit der zum Aktenzeichen S 24 AS 1118/17 beim SG Neuruppin geführten Klage wie auch der hierzu beim LSG anhängigen Berufung zum Aktenzeichen L 8 AS 167/20 deutlich, mit dem der Kläger jeweils die Gewährung der Grundsicherungsleistungen als Zuschuss anstelle des Darlehens begehrte bzw. begehrt. Gegen Entscheidungen des Jobcenters im Zusammenhang mit der Bewilligung (oder Nichtbewilligung) eines Darlehens nach § 24 SGB II muss der Leistungsbegehrende mit dem Widerspruch gegen den Bescheid bzw. bei dessen Erfolglosigkeit mit der Klage vorgehen. Klageart bei Bewilligung eines nicht erwünschten Darlehens gemäß § 24 SGB II anstelle des begehrten sog. „verlorenen Zuschusses“ ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 S.1 2. Variante i.V.m. § 56 i.Vm. § 131 Abs. 2 S. 1 SGG – bei Geltendmachung höherer Leistungen ggfs. noch in Kombination mit  einer Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG -; vgl. BSG, Urteile vom 13. November 2008 – B 14 AS 36/07 R -, Rn. 13, und vom 18. Februar 2010 – B 4 AS 5/09 R- , Rn. 10, jeweils nach juris); die Überprüfung der vom Jobcenter angenommenen Verwertbarkeit des Vermögens nach § 24 Abs. 5 SGB II hat beim Darlehensbescheid zu erfolgen (vgl. Hengelhaupt in: Hauck/Noftz SGB II, Stand Juli 2019, § 24 Rn. 237, 254, 603, 605; Blüggel in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl. 2021, § 24 Rn. 65).

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

 

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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