L 3 U 175/20 WA

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 2 U 135/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 175/20 WA
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

 

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit L 3 U 106/16 durch die teilweise Rücknahme der Berufung und durch den Beschluss vom 03. Dezember 2020 beendet ist.

 

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Der Streitwert wird für das Feststellungsverfahren auf 359,35 Euro festgesetzt.

 

 

 

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob das vom Kläger unter dem Aktenzeichen  L 3 U 106/16 geführte Berufungsverfahren beendet ist.

 

Der Kläger betreibt ein landwirtschaftliches Unternehmen als bäuerlicher Einzelbetrieb und eine Imkerei mit einer wechselnden Anzahl von Bienenvölkern. Er wird als Mitgliedsunternehmen der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin, der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Mittel- und Ostdeutschland (LBG), seit dem 01. April 1994 zur Beitragsleistung herangezogen.

 

Die LBG setzte nach einer Änderung der maßgeblichen Beitragssatzung mit Bescheid vom 19. Mai 2011 für das Unternehmen des Klägers einen Beitrag für das Jahr 2010 in Höhe von 687,73 Euro fest. Unter Berücksichtigung des Anspruchs auf beitragsreduzierende Bundesmittel ergab sich ein Zahlbetrag von 488,06 Euro zuzüglich offener Mahngebühren. Hiergegen erhob der Kläger am 26. Mai 2011 Widerspruch mit der Begründung, dass die Einschätzung des Unfallrisikos anhand der angegebenen Ackerkultur im Rahmen der Agrarförderung nicht richtig sei, denn es handle sich um einen ökologisch und nicht konventionell arbeitenden Betrieb. Die Einordnung des Anbaus der Ackerkultur in Spezialkulturen sei falsch, da es sich um eine Bienenweide handle und diese nahezu ohne Unfallrisiko sei. Jedenfalls seien der tatsächliche Arbeitsaufwand für die Kulturpflege der Bienenweide und die Ernte und so auch das Unfallrisiko falsch bewertet worden. Nach Erlass des Berichtigungsbescheides vom 20. Juli 2011, mit dem die Mahngebühren aufgehoben wurden, wies die LBG mit Widerspruchsbescheid vom 09. August 2011, dem Kläger zugestellt am 16. August 2011, den Widerspruch zurück. Der Beitragsbescheid sei hinsichtlich des Unternehmensteils landwirtschaftliche Bodenbewirtschaftung rechtmäßig, da die Beitragsberechnung auf § 182 Abs. 2 und 6 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) i. V. m. ihrer rechtsgültigen Satzung beruhe. Im Hinblick auf den Unternehmensteil Imkerei sei der Beitragsbescheid rechtswidrig begünstigend.

 

Am 10. September 2011 hat der Kläger über das elektronische Gerichtspostfach ohne die erforderliche Signatur Klage vor dem Sozialgericht (SG) Potsdam erhoben. Er hat sich auf sein Widerspruchsvorbringen bezogen und die grobe Fehlzuordnung zur Solidargemeinschaft beklagt. Mit Bescheid vom 02. März 2012 hat die LBG unter erneuter Zugrundelegung der Produktionsverfahren aus dem Vorjahresbescheid sowie von 13 Bienenvölkern im Jahresdurchschnitt den Beitrag für das Umlagejahr 2011 mit 605,27 Euro festgesetzt, wobei sich wegen der Berücksichtigung des Anspruchs auf beitragsreduzierende Bundesmittel ein Zahlbetrag in Höhe von 416,06 Euro ergab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies die LBG mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2012 zurück, worauf der Kläger mit Schreiben vom 19. Juli 2012, eingegangen bei Gericht am 03. August 2012, seine Klage auf diesen Beitragsbescheid erweitert hat. Aufgrund richterlichen Hinweises hat die Beklagte mit Bescheid vom 30. April 2013 die Beitragsfestsetzungen für 2010 auf 202,67 Euro und für 2011 auf 156,68 Euro reduziert.

 

Das SG Potsdam hat sodann die Klage mit Urteil vom 29. Mai 2015 abgewiesen und unter Zugrundlegung  von § 197 a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgesprochen, dass der Kläger die Kosten des Verfahrens trägt. Die LBG habe in Anwendung der Bemessungsfaktoren ihrer Satzung rechtmäßig die Beiträge des Klägers  für die Jahre 2010 und 2011 festgesetzt. In der Begründung der Kostenentscheidung hat das Gericht ein Versehen der Kammer eingeräumt, da die Beklagte dem Klagebegehren durch den Berichtigungsbescheid vom 30. April 2013 i.H.v. 60 Prozent entsprochen habe und daher auch 60 Prozent der Kosten des Verfahrens hätte tragen müssen. Weiter hat es ausgeführt, dass die Berufung gegen das Urteil nicht gegeben sei, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 Euro nicht übersteige und keine wiederkehrenden Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen seien.

 

Auf das ihm am 15. Juli 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12. August 2015 gegen die Nichtzulassung der Berufung Beschwerde eingelegt. Das SG verkenne die Berechnungsgrundlage für die Beitragsberechnung. Zudem habe es unzutreffend eine Kostenentscheidung nach § 197a SGG getroffen, denn er gehöre im Rahmen dieses Streitverfahrens nach dem Willen des Gesetzgebers zum privilegierten Personenkreis nach § 183 SGG.

 

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) hat mit Beschluss vom 14. Juni 2016 (Az. L 3 U 114/15 NZB) die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig zurückgewiesen, da die Berufung gegen das Urteil des SG Potsdam vom 29. Mai 2015 bereits kraft Gesetzes statthaft sei, weil der Rechtsstreit wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr betreffe. Einer gesonderten Zulassung durch das Beschwerdegericht bedürfe es nicht. Es hat darauf hingewiesen, dass aufgrund der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung im erstinstanzlichen Urteil innerhalb eines Jahres seit der Zustellung Berufung eingelegt werden könne. Zur Kostengrundentscheidung hat es erklärt, dass nicht § 183 SGG Anwendung finde, sondern § 197a SGG, da sich der Kläger in der Eigenschaft als Unternehmer gegen die Erhebung von Beiträgen wende, nicht jedoch Rechte als Versicherter oder Leistungsempfänger geltend mache. 

 

Der Kläger hat mit E-Mailschreiben vom 15. Juli 2016 beim LSG Berlin-Brandenburg und schriftlich bei dem Sozialgericht Berlin gegen das Urteil des SG Potsdam vom 29. Mai 2015 Berufung eingelegt und im Berufungsverfahren sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt.

 

Am 17. März 2020 hat das LSG Berlin-Brandenburg durch die Berichterstatterin des Senats einen Termin zur Erörterung des Sach- und Streitverhältnisses durchgeführt. Darin hat der Kläger erklärt: „Meine Berufung beschränkt sich auf die Kostenentscheidung im Urteil des SG Potsdam vom 29. Mai 2015. Ich führe die Berufung nicht gegen die Beitragsbescheide für die Umlagejahre 2010 und 2011. Die Beitragsveranlagung erkenne ich an“. Der Kläger meinte, es bestehe eine Rechtslücke bei der Kostenregelung des § 197a SGG insoweit, als er als kostenpflichtiger Unternehmer betrachtet werde, obwohl er in Personalunion gleichzeitig Versicherter bei der Beklagten sei.

 

Die Beteiligten sind mit Schreiben des Gerichts vom 05. November 2020 zu einer Entscheidung des Senats nach § 158 Abs. 1 SGG angehört worden. In seiner hierzu übersandten Stellungnahme vom 09. November 2020 hat der Kläger ausgeführt, dass es in dem erörterten Verfahren im Wesentlichen um die Verfahrenskosten gehe und er als Versicherter im Sinne des § 183 SGG zu betrachten sei. Nachdem der Kläger darauf hingewiesen worden ist, dass mit der Berufung die Kostenentscheidung in einem Urteil nicht isoliert angefochten werden könne und daher unstatthaft sei, hat der Senat mit Beschluss vom 03. Dezember 2020 die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Berufung sich nach entsprechender Beschränkung im Erörterungstermin nur noch gegen die Kostenentscheidung in dem Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 29. Mai 2015 richte und daher gemäß § 144 Abs. 4 SGG nicht statthaft sei. Der Beschluss ist dem Kläger am 07. Dezember 2020 zugestellt worden.

 

Mit seinem Schreiben vom 02. Dezember 2020, bei Gericht eingegangen am 04. Dezember 2020, macht der Kläger nunmehr geltend, dass der Sachverhalt im Erörterungstermin von der Berichterstatterin anders beziehungsweise missverständlich erläutert worden sei. Ihm sei gesagt worden, dass die jetzige Beitragsklasse schon die günstigste sei und ob er denn in eine andere Beitragsklasse eingestuft werden wolle. Dies sei suggestiv gewesen. Es sei ihm nicht darum gegangen, in eine teurere Klasse eingestuft zu werden, sondern darum, dass eine angemessene Klasse für seine Bewirtschaftungsweise gefunden werden müsse. Diese Suggestion zur Teuerung, die von der Berichterstatterin geschickt zur Erledigungserklärung genutzt worden sei, habe er in ihrer Tragweite nicht wirklich erfasst. Er macht weiter geltend, dass die Kosten des Verfahrens eigenständig in allen Instanzen angefochten worden und insofern Gegenstand der Hauptverhandlung seien. Er hebe daher seine Erledigungserklärung auf. Er macht weiter geltend, das Anliegen der Klage sei eine Normenkontrolle in Bezug auf die bestehende Satzung der Beklagten hinsichtlich der Bemessung für risikoarme, extensive Bodenbewirtschaftung und dass er die Einordnung in eine Klasse mit deutlich geringerem Risiko und damit auch geringeren Beiträgen begehre. Er beruft sich weiterhin darauf, dass er als Versicherter nach § 183 SGG  von der Gebührenpflicht im sozialgerichtlichen Verfahren befreit sei.

 

Das Gericht hat daraufhin ein sogenanntes Wiederaufnahmeverfahren angelegt und dem Kläger mitgeteilt, dass darin zunächst über die Frage zu entscheiden sei, ob das Verfahren L 3 U 106/16 durch eine wirksame Rücknahme der Berufung in der Hauptsache (betreffend die Beitragsbescheide für die Umlagejahre 2010 und 2011) abgeschlossen worden oder wieder aufzunehmen sei.

 

Der Kläger meint, die Sache sei nicht erledigt. Er habe sich in dem Erörterungstermin übertölpeln lassen. Das Gericht hätte seinen wahren Willen erforschen müssen. Der Umstand, dass die Beklagtenvertreterin von der Rücknahmeerklärung überrascht gewesen sei, zeige, dass eine Rücknahme nicht wirklich gewollt gewesen sein könne. In der Handhabung des Gerichts, das Verfahren um jeden Preis zu erledigen, liege kein sinnvolles Handeln und sie sei auch nicht mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung vereinbar. Die Frage der Einstufung in eine sachgerechte Beitragsklasse sei Gegenstand mehrerer ruhend gestellter Verwaltungsverfahren, die – bei Abweisung der Wiederaufnahme – dann rechtshängig gemacht werden würden.

 

Der Kläger beantragt,

 

  1. festzustellen, dass das Verfahren L 3 U 106/16 nicht durch Rücknahme der Berufung erledigt ist und das Verfahren fortzusetzen.

 

  1. das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 29. Mai 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 19. Mai 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 20. Juli 2011, des Widerspruchsbescheides vom 09. August 2011 und des Änderungsbescheides vom 30. April 2013 sowie des Bescheides vom 02.  März 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2012 und des Änderungsbescheides vom 30. April 2013 zu verurteilen, für die Umlagejahre 2010 und 2011 niedrigere und angemessenere Beiträge festzusetzen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens abzulehnen,

und hilfsweise, die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie vertritt die Auffassung, dass der Kläger seine Berufung in dem Erörterungstermin am 17. März 2020 wirksam beschränkt habe und das Verfahren beendet sei. Der Kläger habe die Erklärung so wie sie protokolliert worden sei tatsächlich abgegeben. Die Vertreterin, die an dem Termin teilgenommen habe, könne sich daran noch gut erinnern, auch wenn sie sich darüber gewundert habe.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen, wird auf die unter den Aktenzeichen L 3 U 114/15 NZB, L 3 U 106/16 und L 3 U 175/20 WA geführten Gerichtsakten und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Der auf Fortsetzung des Berufungsverfahrens gerichtete Antrag hat keinen Erfolg.

 

I. Die unter dem Aktenzeichen L 3 U 106/16 geführte Berufung ist teilweise durch Berufungsrücknahme und im Übrigen durch den Beschluss des Senats vom 03. Dezember 2020 erledigt.

 

1. Das mit der Berufung in der Hauptsache verfolgte Begehren auf Abänderung der Beitragsbescheide der Beklagten für die Veranlagungsjahre 2010 und 2011 unter Prüfung der Bildung der Beitragsklassen in der Satzung der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin hat der Kläger im Erörterungstermin vom 17. März 2020 zurückgenommen. Seitdem war das Berufungsbegehren auf die Prüfung der durch das SG in seinem Urteil getroffenen Kostenentscheidung beschränkt.

 

a. Der Kläger hat die teilweise Rücknahme der Berufung im Termin am 17. März 2020 wirksam erklärt. Gemäß § 156 Abs. 1 Satz 1 SGG kann die Berufung bis zur Rechtskraft des Urteils oder des nach § 153 Abs. 4 oder § 158 Satz 2 SGG ergangenen Beschlusses zurückgenommen werden. Die Zurücknahme bewirkt gemäß § 156 Abs. 3 Satz 1 SGG den Verlust des Rechtsmittels, wodurch der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Die Berufungsrücknahme ist eine einseitige Prozesshandlung und gegenüber dem Gericht abzugeben, bei welchem die Sache anhängig ist.

 

Der Kläger hat im Erörterungstermin vom 17. März 2020 ausdrücklich erklärt, dass er die Berufung auf die Kostenentscheidung in dem Urteil des SG vom 29. Mai 2015 beschränke, die Berufung nicht gegen die Beitragsbescheide für die Umlagejahre 2010 und 2011 geführt werde und er die Beitragsveranlagung anerkenne. Diese Prozesserklärung ist zwar nicht ausdrücklich als Rücknahme bezeichnet, sie ist aber auch Sicht des objektiven Empfängerhorizontes als Rücknahme auszulegen, denn aus ihr geht klar und unmissverständlich hervor, dass das Urteil nur noch hinsichtlich der Kostenentscheidung angegriffen werden soll. Der Kläger hat damit zum Ausdruck gebracht, dass er eine Entscheidung des Gerichts zur Rechtmäßigkeit der Beitragsveranlagung nicht mehr wünscht. Zweifel an dem Inhalt und der Abgabe der Erklärung bestehen nicht und werden von dem Kläger auch nicht geltend gemacht. Vielmehr zeigt das dem Erörterungstermin nachfolgende Schreiben des Klägers vom 09. November 2020, dass er selbst von der Beschränkung des Verfahrensgegenstandes auf die Kostenentscheidung ausging.

 

b. Die Zurücknahme der Berufung ist auch nicht durch Anfechtung oder Widerruf wirkungslos geworden. Die erklärte Berufungsrücknahme bindet das Gericht und die Beteiligten. Die Berufungsrücknahme ist wie auch die Klagerücknahme als Prozesshandlung grundsätzlich unwiderruflich und nicht wegen Irrtums anfechtbar (st. Rspr. Bundessozialgericht (BSG), vgl. zuletzt Beschluss vom 09. April 2021 – B 13 R 276/20 B –, Rn. 7, m. w. N. juris; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 156 Rdnr. 2a; Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. (Stand: 09. Juni 2021) § 156 Rdnr. 37 ff.). Die Rücknahmeerklärung kann nur ausnahmsweise widerrufen werden, wenn die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 179 Abs. 1 SGG iVm § 578 ff. ZPO bzw. § 179 Abs. 2 SGG) erfüllt sind und die Notfrist von einem Monat (§ 586 ZPO) eingehalten wird (BSG, Urteil vom 14. Juni 1978 - 9/10 RV 31/77 - und Beschluss vom 09. April 2021 – B 13 R 276/20 B –, Rn. 7, juris).

 

aa. Dass eine Anfechtung nicht möglich ist, gilt demnach gerade für den vorliegen Fall, in dem sich der Kläger bei der Abgabe der Erklärung über das Motiv und auch die Rechtsfolge – Unzulässigkeit der allein gegen die Kostenentscheidung gerichteten Berufung, keine Klärung der Einordnung in die Beitragsklassen - geirrt haben will. Indem der Kläger ausführt, die Suggestion zur Teuerung in ihrer Tragweite nicht wirklich erfasst zu haben, macht er einen solchen (unbeachtlichen) Motivirrtum geltend. Auf die (materiell-rechtlichen) Gründe, die den Kläger zur Abgabe der Berufungsrücknahmeerklärung bewogen haben, kommt es für deren Wirksamkeit jedoch nicht an. Es war daher vom Gericht auch nicht etwa zu hinterfragen, ob die Rücknahme nach dem bisherigen prozessualen Verhalten des Klägers verwunderlich war. Ob ausnahmsweise etwas anderes dann gelten kann, wenn der Kläger durch arglistige Täuschung oder falsche Informationen zur Klagerücknahme bewegt worden ist (so wohl LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Juni 2009 – L 12 SO 1/08 –, Rn. 21, juris), kann offen bleiben, denn eine Täuschung oder Drohung trägt der Kläger weder vor und noch ist hierfür etwas ersichtlich. Allein der Umstand, dass der Kläger im Erörterungstermin nicht mit einer Beendigung des Verfahrens gerechnet haben will und sich „übertölpelt“ gefühlt habe, genügt hierfür nicht. 

 

bb. Die Voraussetzungen für den nur im Ausnahmefall möglichen Widerruf der Berufungsrücknahme liegen ebenfalls nicht vor. Das Berufungsurteil könnte nicht mit einer Restitutionsklage angefochten werden, Wiederaufnahmegründe gemäß §§ 179, 180 SGG oder § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 578 ff. ZPO werden vom Kläger nicht geltend gemacht und liegen auch nicht vor.

 

2. Soweit der Kläger auf Grund seiner Erklärung in dem Erörterungstermin vom 17. März 2020 mit der Berufung ausschließlich sein Begehren zur Prüfung der in dem Urteil des SG getroffenen Kostenentscheidung weiterverfolgt hat, ist das Verfahren ebenfalls beendet. Über dieses Begehren hat der Senat mit mittlerweile rechtskräftigem Beschluss vom 03. Dezember 2020 entschieden, indem es die verbliebene Berufung als unstatthaft verworfen hat.

 

3. Das Verfahren L 3 U 106/16 ist daher nicht fortzusetzen und das Begehren des Klägers auf nochmalige Prüfung der Bescheide und der Beitragseinstufung konnte keinen Erfolg haben.

 

II. Die Kostentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 i. V. m § 154 Abs. 1 VwGO. Wie der Senat bereits in seinen Entscheidungen vom 03. Dezember 2020 und 14. Juni 2016 (L 3 U 114/15 NZB) ausgeführt hat, führt der Kläger den Rechtsstreit nicht als kostenrechtlich privilegierter Versicherter im Sinne des § 183 SGG. Er hat mit seiner zunächst erhobenen Berufung in dem zur Wiederaufnahme begehrten Verfahren L 3 U 106/16 gegenüber der Beklagten keine Rechte als Versicherter der gesetzlichen Unfallversicherung oder Einwendungen gegen seine Pflichtversicherung geltend gemacht, sondern sich gegen die Erhebung von Beiträgen durch die Beklagte von ihm als Unternehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 5a, § 123 Abs. 1 Nr. 1 und § 150 Abs. 1 Satz 2 SGB VII gewandt. Auch wenn er selbst als Unternehmer versichert ist, führt er damit diesen Rechtsstreit nicht in seiner Eigenschaft als Versicherter (st. Rspr. BSG vgl. Beschlüsse vom 05. März 2008 - B 2 U 353/07 B - und vom 25. Juni 2021 – B 5 SF 10/21 S –, Rn. 8, juris). Wenden sich gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5a SGB VII versicherte landwirtschaftliche Unternehmer gegen die Erhebung oder die Höhe der Beiträge, führen sie dieses Verfahren zwar auch als Versicherte, die Beiträge selbst zu entrichten haben, aber auch zugleich als beitragspflichtiger Unternehmer eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes. Dies gilt auch dann, wenn keine Arbeitnehmer beschäftigt werden. Gegen eine Abgrenzung danach, ob auch Beschäftigte vorhanden sind, zu deren Versicherung der versicherte Unternehmer durch seine Beiträge beiträgt, spricht, dass die Unternehmereigenschaft nicht davon abhängt, ob und wie viele Beschäftigte in einem landwirtschaftlichen Unternehmen tätig sind (BSG, Urteil vom 26. November 2019 – B 2 U 29/17 R –, Rn. 32 juris).

 

III. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

 

IV. Die Festsetzung des Streitwertes beruht, da die Beteiligten nicht gemäß § 183 SGG kostenmäßig privilegiert sind, auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Höhe des Streitwertes bemisst sich nach der Höhe der mit den vom Kläger angegriffenen Beitragsbescheiden der Beklagten für die Jahre 2010 und 2011 festgesetzten Beiträge (§ 52 Abs.1, 3 und § 43 Abs. 1 GKG), denn der Kläger hat keinerlei Angaben dazu gemacht, in welcher Höhe er die Beitragserhebung für nicht gerechtfertigt erachtet.

Rechtskraft
Aus
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