Zur abhängigen Beschäftigung einer Reinigungskraft
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Februar 2019 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, für welche diese jeweils aufzukommen haben.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht ein Prüfbescheid für den Zeitraum 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2013 und indirekt der sozialversicherungsrechtliche Status der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) (nachfolgend nur noch: „die Beigeladene“) als Reinigungskraft für die Klägerin.
Die Klägerin betreibt eine Physiotherapiepraxis. Die Beigeladene ist für sie seit Februar 2009 als Reinigungskraft tätig. Sie hat ein Gewerbe der Gebäudereinigung angemeldet. Ihre Vorgängerin war Rentnerin und bei der Klägerin auf Minijob-Basis tätig gewesen.
Die Klägerin und die Beigeladene einigten sich vor Beginn der Tätigkeit mündlich darüber, dass die Beigeladene die Reinigung außerhalb der Praxisöffnungszeitenzeiten durchführen und im Rahmen ihres Gewerbebetriebes monatlich Rechnungen stellen solle. Die erforderlichen Reinigungsmittel wurden entweder von der Klägerin oder von der Beigeladenen gegen Kostenerstattung gekauft. Vereinbart wurde als Vergütung ein Pauschalpreis. Dieser betrug im streitigen Zeitraum zwischen 350,00 € und 450,00 € monatlich. Die Bezahlung erfolgte oft ohne persönlichen Kontakt der Beteiligten, indem die Klägerin die Geldsumme in einem Kuvert in eine Schublade in der Praxis legte.
Die Beklagte führte im März 2014 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2013 durch. Im Anhörungsverfahren gab die Beigeladene auf dem entsprechenden Fragebogen an, einen Schlüssel für die Praxis zu haben. Sie könne nach Praxisschluss kommen und gehen, wann sie wolle. Auf die Frage, inwieweit ihre Arbeit kontrolliert werde, antwortete sie, da sie als Auftragnehmer ihre Arbeit gut durchführe, habe der Auftraggeber nichts zu beanstanden. Sie könne allerdings nur nach Feierabend reinigen. Sie wasche auch die Wäsche des Auftraggebers. Eine Waschmaschine befinde sich in der Praxis.
Die Beklagte forderte von der Klägerin mit Bescheid vom 10. März 2015 die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und Umlagebeträgen für die Beigeladene für diesen Zeitraum in Höhe von insgesamt 6.556,53 €. Zusätzlich setzte sie Säumniszuschläge in Höhe von 68,50 € fest, welche sich nicht auf die Beigeladene bezogen.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Zu dessen Begründung führte sie unter anderem aus, der Umstand, dass der Arbeitsort feststehe und die Arbeit nur nach Feierabend der Praxis erfolge, könne nicht als Indiz für eine abhängige Beschäftigung angesehen werden. Diese Vorgaben ergäben sich aus der Natur der Sache. Dass die Reinigungsmittel von der Klägerin getragen würden, sei unerheblich, weil andernfalls die Vergütung hätte entsprechend erhöht werden müssen. Es stehe der Beigeladenen frei, durch raschere Arbeit Zeit zu sparen und durch anderweitigen Einsatz ihrer Arbeitskraft ihren Gewinn zu erhöhen. Irrelevant sei auch, dass die Beigeladene die Praxiswäsche in der praxiseigenen Waschmaschine wasche. Zu wenig beachtet worden sei hingegen, dass die Beigeladene keinen Weisungen unterliege. Niemand sei während der Reinigungseinsätze in der Praxis anwesend.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2015 zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, die Beigeladene sei in den Praxisablauf integriert gewesen, weil sie sich an die Öffnungszeiten der Praxis habe halten müssen. Die vereinbarte Vergütung sei bis auf zwei Ausnahmen in gleichbleibender Höhe erfolgt und habe deshalb Entgeltcharakter. Ein unternehmerisches Risiko sei nicht erkennbar. Die Beigeladene habe ausschließlich ihre eigene Arbeitskraft eingesetzt.
Hiergegen hat die Klägerin am 20. Oktober 2015 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben, welche sie hinsichtlich der nicht die Beigeladenen betreffenden Säumniszuschläge später zurückgenommen hat. Zur Klagebegründung hat sie ergänzend ausgeführt, die Beigeladene trage durchaus ein unternehmerisches Risiko. Da ein Pauschalfestpreis vereinbart worden sei, sei es ausschließlich das Risiko der Beigeladenen, ob dieser Preis für ihre Dienstleistung auskömmlich sei. Die Beigeladene habe sich auch selbst versichert. Sie habe ferner nachgewiesen, dass sie noch für eine Vielzahl anderer Auftraggeber tätig sei.
Ihr - der Klägerin - sei es wichtig, dass die Praxis sauber sei, da unter der Woche ein großer Durchlauf an Patienten sei. Die Beigeladene habe im Urlaubsfall für Ersatz gesorgt.
Die Beigeladene hat angegeben, keine Angestellten zu haben.
Das SG hat mit Urteil vom 21. Februar 2019 den Bescheid vom 10. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2015 insoweit aufgehoben, als darin Beiträge zur Sozialversicherung sowie Umlagebeiträge für die Beigeladene zu 1) nachgefordert werden. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, es überwögen vorliegend die Umstände, welche für eine selbständige Tätigkeit sprächen. So sei die Beigeladene bei der Gestaltung der Arbeitszeit weitgehend frei gewesen. In inhaltlicher Hinsicht sei sie weitgehend weisungsfrei tätig geworden. Sie habe die eigene Arbeitskraft mit dem Risiko des Verlustes eingesetzt, denn eine langsamere und weniger effektive Leistungserbringung hätte eine geringere Vergütung nach sich gezogen bezogen auf die eingesetzte Arbeitszeit.
Gegen diese am 20. März 2019 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten vom 16. April 2019. Zu deren Begründung führt sie unter anderem aus, flexible Arbeitszeiten seien auch im Rahmen von Arbeitsverhältnissen nicht ungewöhnlich seien und würden oft praktiziert, wenn es nur auf die tatsächliche Erledigung bestimmter Arbeiten in einem vorgegebenen Zeitrahmen ankomme, nicht aber auf die Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb zu einer bestimmten Zeit. Dass die Klägerin der Beigeladenen keine inhaltlichen Einzelanweisungen erteilt habe, sei nicht von Bedeutung, weil es solcher wie auch der Beaufsichtigung und Kontrolle der Tätigkeit nicht bedurft habe. Es gälten die allgemeinen Standards für Hygiene und Sauberkeit in Praxisräumen. Dass die Beigeladene ausweislich des Fragebogens die Möglichkeit gehabt habe, eigene Arbeitnehmer einzusetzen, sei zwar ein Indiz für eine selbständige Tätigkeit, jedoch sei die Tätigkeit hiervon nicht geprägt gewesen. Die Beigeladene habe tatsächlich keine eigenen Arbeitnehmer gehabt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Februar 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung und führt ergänzend aus, auch bei Reinigungsarbeiten könne der Auftraggeber eine Vielzahl von Einzelanweisungen erteilen und zum Beispiel die Art der Reinigung oder den Einsatz von Reinigungsmitteln vorgeben sowie Anordnungen im Hinblick auf besonders zu schützende Bereiche, beispielsweise Rechner, die Häufigkeit des Putzens der Fenster, zur Behandlung der Böden etc. treffen. Solche Einzelanweisungen habe die Klägerin nicht erteilt. Dass der finanzielle Erfolg der Beigeladenen durchaus von ihrer beruflichen Tüchtigkeit abhänge, weil sie nicht nach Stunden vergütet werde, sondern nach dem Erfolg, müsse berücksichtigt werden. Der Hebel, über schnelle Reinigungstätigkeiten mehr Aufträge annehmen zu können und deshalb die Einnahmen zu steigern, könne nicht mit Stücklohn-, Akkord- oder Heimarbeit gleichgesetzt werden. Dergestalt beschäftigte Arbeitnehmer erzielten die Erhöhung ihres Arbeitsentgeltes dadurch, dass sie die Steigerung ihrer Produktivität demselben Arbeitgeber zukommen ließen. Hingegen könne die Beigeladene mehrere Auftraggeber akquirieren.
Im Erörterungstermin vor dem Senat am 8. Oktober 2021 hat die Klägerin ergänzend erklärt, die Reinigungstätigkeiten der Vorgängerin hätten sich nicht von der der Beigeladenen unterschieden. Auch diese habe nicht in der Praxiszeit geputzt. Sie – die Klägerin – kümmere sich nicht um die Ersatzkräfte der Beigeladenen.
Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen. Der Verwaltungsvorgang der Beklagten lag bei der Beratung vor.
Entscheidungsgründe
Es konnte im schriftlichen Verfahren entschieden werden. Alle Beteiligte haben sich mit einer solchen Vorgehensweise einverstanden erklärt, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung hat Erfolg. Das Urteil des SG ist aufzuheben, da der Bescheid vom 10. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2015 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 28p Abs. 1 S. 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen ihrer Prüftätigkeit (§ 28p Abs. 1 S. 1 SGB IV) Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Diese Vorschrift findet nach § 10 Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) und § 359 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) auch auf die Erhebung von Umlagen nach dem AAG und die Insolvenzgeldumlage Anwendung.
Mit Recht ist die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid von einer Versicherungs- und Umlagepflicht für die Beigeladene ausgegangen. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), § 20 Abs. 1 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) sowie § 25 Abs. 1 S. 1 Drittes Buch SGB III unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Für beschäftigte Arbeitnehmer sind auch Umlagebeträge nach § 7 AAG und § 358 Abs. 2 SGB III zu zahlen.
Die danach für den Eintritt von Versicherungspflicht in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung, nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie für die Umlagepflicht erforderliche Beschäftigung wird in § 7 Abs. 1 SGB IV definiert. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Abzugrenzen ist die eine Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt Beschäftigung vor, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung erfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit insbesondere bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Dagegen ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob eine abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung des Gesamtbildes der Verhältnisse überwiegen (Urteile des BSG vom 25. April 2012 - B 12 KR 24/10 R - und Urteil vom 12. November 2015 - B 12 KR 10/14 R – jeweils juris).
Die Weisungsgebundenheit und Eingliederung in den Betrieb im vorgenannt skizzierten Umfang stehen dabei weder in einem Rangverhältnis zueinander noch müssen sie stets kumulativ vorliegen. Eine Eingliederung geht nicht zwingend mit einem umfassenden Weisungsrecht einher. Die in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV genannten Merkmale sind schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nur "Anhaltspunkte" für eine persönliche Abhängigkeit, also im Regelfall typische Merkmale einer Beschäftigung und keine abschließenden Bewertungskriterien. Eine persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten gegenüber einem Arbeitgeber kann daher auch allein durch die funktionsgerecht dienende Eingliederung in einen Betrieb gekennzeichnet sein (BSG, Urteil vom 23. Februar 2021 – B 12 R 15/19 R - juris Rdnr. 21).
Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, das heißt den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 14. März 2018 - B 12 KR 3/17 R – juris Rdnr. 12 mit weit. Nachweisen).
Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der unter Umständen als Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, gegebenenfalls den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG, a. a. O. Rdnr. 13 mit weiteren Nachweisen).
Ausgangspunkt der Prüfung sind demnach die für die Tätigkeit maßgeblichen vertraglichen Vereinbarungen.
Hier haben die Klägerin und die Beigeladene ihre Tätigkeit nicht durch einen schriftlichen Vertrag geregelt. Beide waren sich jedoch einig, dass die Beigeladene auf selbständiger Basis arbeiten sollte.
Allerdings ergibt sich das Entstehen von Versicherungspflicht aus dem Gesetz und kann deswegen nicht Gegenstand einer einzelvertraglichen Abrede sein. Weil die Träger der Sozialversicherung Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind und das Rechtsinstitut der Pflichtversicherung auch der Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungssysteme dient, kommt einer privatautonomen Gestaltung im Sozialversicherungsrecht nicht die gleiche Bedeutung zu wie etwa im Arbeitsrecht. Insbesondere kann eine sozialversicherungsrechtlich erhebliche Beschäftigung auch dann vorliegen, wenn kein Arbeitsvertrag im arbeitsrechtlichen Sinne geschlossen worden ist (BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 - B 12 R 11/18 R – juris Rdnr. 19). Die Sozialversicherung dient neben der sozialen Absicherung des Einzelnen auch dem Schutz der Mitglieder der Pflichtversicherungssysteme, die in einer Solidargemeinschaft zusammengeschlossen sind. Die Träger der Sozialversicherung sind Einrichtungen des öffentlichen Rechts. Dies schließt es aus, dass über die rechtliche Einordnung einer Tätigkeit allein die von den Vertragschließenden getroffenen Vereinbarungen entscheiden (BSG, a.a.O.). Der tatsächlichen Ausgestaltung der Verhältnisse kann danach gegebenenfalls sogar stärkeres Gewicht als abweichenden vertraglichen Regelungen zukommen (Urteil des BSG vom 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R – juris Rdnr. 17 und Urteil vom. 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R – juris Rdnr. 17).
Es ist in der Rechtsprechung auch bereits geklärt, dass aus dem Vorhandensein mehrerer Auftraggeber nicht zwangsläufig auf eine selbständige Tätigkeit geschlossen werden kann. Vielmehr sind die einzelnen Beschäftigungsverhältnisse jeweils getrennt von einander zu beurteilen (BSG, Urteil vom 4. November 2009 – B 12 R 7/08 R - juris).
Der Senat geht hier nach Würdigung aller Umstände davon aus, dass die Tätigkeit im Kernbereich nicht selbstbestimmt ausgeübt wurde. Sie hat sich vielmehr als in die betriebliche Organisation der Physiotherapiepraxis der Klägerin integriert gezeigt.
Es ist bereits nicht davon auszugehen, dass die Beigeladene im rechtlichen Sinne weisungsfrei gearbeitet hat. Da sich ihre Tätigkeit der Beigeladenen auf die üblichen einfachen Reinigungsarbeiten beschränkte, bedurfte es schlicht keiner umfangreichen Einzelanweisungen. Bei Reinigungsarbeiten handelt es sich um einfache Arbeiten, für die umfangreiche praktische Weisungen nicht erforderlich sind (so bereits Urteil des Senats vom 30. Oktober 2009 - L 1 KR 315/08 – juris Rdnr. 50). Die Beigeladene hat im Verwaltungsverfahren deshalb treffend ausgeführt, da sie ihre Arbeit gut erledige, habe die Klägerin nichts zu beanstanden. Diese hat angegeben, es käme ihr nur darauf an, dass die Praxis sauber sei. Wenn es Streit über die Qualität der Leistungen gegeben hätte, hätte die Klägerin eingreifen können.
Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit" lediglich in harmonischen Zeiten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht zu vereinbaren (ständige Rechtsprechung des BSG; vgl. für die Tätigkeit eines Buchführungshelfers BSG, Urteil vom 27. April 2021 – B 12 KR 27/19 R – juris Rdnr. 15 mit weiteren Nachweisen).
Die Reinigungsarbeiten zeigen sich auch als in die Betriebsorganisation integriert. Für eine Eingliederung spricht neben den Vorgaben über die Arbeitszeit auch der Umstand, dass zu den Tätigkeiten neben der Reinigung auch die Versorgung der in der Physiotherapiepraxis anfallenden Wäsche gehört. Auch die Organisation der Bezahlung, weithin Barbezahlung durch ein Kuvert, das in eine Schublade in der Praxis gelegt wird, entspricht nicht unternehmerischem Gebaren, sondern ist eher in Arbeitsverhältnissen üblich. Ihre Vorgängerin übte zudem genau dieselben Reinigungsarbeiten als Arbeitnehmerin durch.
Ein relevantes Unternehmerrisiko, welches auf Selbständigkeit hindeuten könnte, kann nicht festgestellt werden. Insbesondere verfügte die Beigeladene – im Gegensatz zu anderen Einzelunternehmern des Gewerbes „Reinigung nach Hausfrauenart“- nicht über relevante Betriebsmittel, insbesondere nicht über nennenswerte Reinigungsmaschinen, Reinigungsgeräte oder über ein Firmenfahrzeug. Sie übte die Arbeit vielmehr mit den Betriebsmitteln der Klägerin an deren Betriebssitz aus.
Ein unternehmerisches Risiko in dem Sinne, dass die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, bestand nicht. Der Beigeladenen war die ausgehandelte Vergütung jeweils sicher. Die Freiheit, durch eine entsprechende Arbeitsgeschwindigkeit Zeit einzusparen, welche für andere Tätigkeiten zur Verfügung steht, kann auch eine Arbeitnehmerin für sich in Anspruch nehmen, soweit die Bezahlung sich nach dem Ergebnis der Arbeitsleistungen richtet, letztlich wie etwa beim Akkord- oder Stücklohn. Auch solche Arbeitnehmer können in der eingesparten Zeit weitere Tätigkeiten aufnehmen.
Auch der hier unterstellte Umstand, dass sich die Beigeladene bei ihren Reinigungstätigkeiten einem Schadenersatzrisiko ausgesetzt gesehen haben soll, führt nicht zu einem relevanten Unternehmerrisiko. Grundsätzlich haftet auch ein Arbeitnehmer bei schuldhafter Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht, das Eigentum des Arbeitgebers nicht zu verletzen (§ 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -, §§ 280 Abs. 1, 619a BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag, so bereits Urteil des Senats vom 30. Oktober 2009 - L 1 KR 315/08 – juris Rdnr. 45). Auch der Umstand, dass die Beigeladene im Falle ihrer Verhinderung Vertretungen aus dem Kreis ihrer Freundinnen organisierte, ist kein entscheidend relevantes Indiz für Selbständigkeit. Auch bei abhängig Beschäftigten besteht die Möglichkeit, dass der verhinderte Arbeitnehmer – als Geschäftsbesorgung seinem Arbeitgeber gegenüber – dafür sorgt, dass diesem eine Ersatzkraft zur Verfügung steht. Ganz allgemein steht die Befugnis, Arbeiten an andere delegieren zu können, nicht zwingend der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses entgegen (BSG, Urteil vom 19. August 2003 – B 2 U 38/02 R – juris Rdnr. 33).
Es fehlt schließlich auch an einem Indiz für Selbständigkeit, welches aus der Höhe der Vergütung folgen kann, wenn diese deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten Beschäftigten liegt. Für solches ist hier nämlich nichts vorgetragen oder ersichtlich. Zudem kann die Honorarhöhe nur eines von vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien sein (vgl. Urteil des Senats vom 27. Mai 2020 – L 1 BA 107/18 – unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 7. Juni 2019 – B 12 R 6/18 - juris).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG liegen nicht vor.