S 25 KR 27/10

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 25 KR 27/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 154/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RE 23/14 R
Datum
Kategorie
Urteil

1.    Der Bescheid der Beklagten vom 3. Juni 2008, geändert durch den Bescheid vom 28. Juli 2009, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2009 sowie die Bescheide vom 26. Februar 2010 und 3. August 2012, sämtliche in der Fassung des Teilanerkenntnisses der Beklagten vom 30. April 2013, werden abgeändert. Es wird festgestellt, dass die selbständige Tätigkeit des Klägers im Bereich der Einzelberatung von Patienten und der Betreuung von Messeständen in dem Zeitraum vom 1. November 2004 bis 31. März 2008 nicht der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI unterliegt. 
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 

2.    Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu einem Viertel zu tragen. 


Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers als selbständiger Ernährungsberater in der gesetzlichen Rentenversicherung in der Zeit vom 1. November 2004 bis 31. März 2008. 

Der 1961 geborene Kläger hatte eine Berufsausbildung zum staatlich geprüften Diätassistenten (Gesetz über den Beruf des Diätassistenten – DiätAssG - vom 17. Juli 1973 – Bundesgesetzblatt >BGBl< I 1973 Seite 853) absolviert. Aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 22. September 1999 war der Kläger seit 1. Oktober 1999 als Diätassistent mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden bei der C-Klinik GmbH (vormals C-Klinik Dienstleistungs-GmbH) versicherungspflichtig beschäftigt. Mit Nachtrag vom 17. November 2004 zum Arbeitsvertrag vom 22. September 1999 wurde ab 1. November 2004 die wöchentliche Arbeitszeit auf 10 Stunden reduziert. Der Kläger war neben diesem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis vom 1. November 2004 bis 31. März 2008 noch als freier Mitarbeiter für die C-Klinik GmbH tätig. In einem am 18. November 2004 geschlossenen Vertrag über freie Mitarbeit heißt es, der Kläger werde ab 1. November 2004 die Aufgaben eines Ernährungsberaters mit den Tätigkeiten Schulungen, Konzeptentwicklungen und Vortragstätigkeiten (§ 1) in einem zeitlichen Umfang von ca. 28,5 Stunden pro Woche (§ 3) übernehmen. Die Vertragsparteien beendeten mit Vereinbarung vom 4. April 2008 den Vertrag über freie Mitarbeit im gegenseitigen Einvernehmen zum 31. März 2008. Neben seiner Tätigkeit für die C-Klinik GmbH arbeitete der Kläger unter der Firmierung „Institut D.“ (A. Diätassistent, Lufttherapeut, Ernährungsberater) als selbständiger Ernährungsberater. Der Kläger erzielte ausweislich der Einkommenssteuerbescheide des Finanzamtes Hanau Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Jahr 2004 in Höhe von 4.677,00 €, im Jahr 2005 in Höhe von 20.707,00 € und im Jahr 2006 in Höhe von 18.130,00 €. 

Die Deutsche Rentenversicherung Hessen stellte aufgrund einer Betriebsprüfung nach § 28 p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) bei der C-Klinik Betriebs-GmbH über den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2006 mit Bescheid vom 3. Januar 2008 fest, dass der Kläger ab 1. November 2004 nicht mehr der Kranken- und Pflegeversicherungspflicht unterliege, da er aus einer selbständigen Tätigkeit deutlich höhere Einnahmen als aus der zur Sozialversicherung angemeldeten Beschäftigung erziele. 

Die Beklagte leitete daraufhin ein Verfahren zur Prüfung der Versicherungspflicht als selbständig Tätiger in der gesetzlichen Rentenversicherung ein. Der Kläger gab dazu in einem Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht kraft Gesetzes als selbständig Tätiger vom 31. Januar 2008 an, er übe seit 1. November 2004 eine selbständige Tätigkeit als Ernährungsberater aus, die er wie folgt beschrieb: Ernährungsberatung bei Übergewicht, Diabetes mellitus und anderen ernährungsabhängigen Erkrankungen. Als Auftraggeber für seine Tätigkeit nannte er die C-Klinik, Privatpersonen und Krankenkassen. Ergänzend teilte er mit Schreiben vom 19. Februar 2008 mit, im Vordergrund seiner selbständigen Tätigkeit stehe ganz eindeutig die therapeutische Beratung der Patienten und nicht eine informative Wissensvermittlung. 

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 3. Juni 2008 die Versicherungspflicht des Klägers ab 1. November 2004 nach „§ 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3“ Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) fest und forderte nach dem nachgewiesenen Arbeitseinkommen bemessene Pflichtbeiträge. 

Hiergegen legte der Kläger am 23. Juni 2008 Widerspruch ein und teilte mit Schreiben vom 30. Dezember 2008 und 4. März 2009 mit, er sei seit 1. April 2008 bei der C-Klinik wieder fest angestellt. Seit 1. April 2008 übe er die freiberufliche Tätigkeit nur noch geringfügig und sehr unregelmäßig aus. Der Kläger begründete seinen Widerspruch für den Zeitraum bis 31. März 2008 damit, dass weder die Voraussetzungen einer Versicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB VI noch im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 9 b) SGB VI gegeben seien. Eine Lehrtätigkeit habe der Kläger nicht ausgeübt. Er habe über Jahre hinweg ein unternehmerisches Konzept entwickelt, das getragen werde von Vortrags- und Seminartätigkeit, aber auch von freier Beratungstätigkeit auf der Basis privatrechtlicher Individualverträge und der Durchführung von Aufträgen im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit von Krankenkassen. Die in Räumlichkeiten seines Privathauses betriebene Einzelpraxis habe im Wesentlichen aus der Ernährungsberatung für Einzelpersonen bestanden, denen keine ärztliche Anordnung oder Überweisung zugrunde gelegen habe. Ein weiteres wesentliches Standbein sei die Durchführung von Vorträgen und Seminaren über gesunde Ernährung, zur Vermeidung von Fettleibigkeit, über die Kulturgeschichte des Essens und Trinkens, über Diäten etc. gewesen. Ebenfalls habe er im Auftrag der Volkshochschule Seminare zum Beispiel über gesundes Kochen durchgeführt. Des Weiteren habe er Lehrkonzepte für Planung und Durchführung von „Fortbildungsmodulen“ zur gesunden Ernährung entwickelt, ohne diese Fortbildung selbst durchzuführen. Dabei handele es sich um Seminare, die sich in Form von Bausteinen einander ergänzen. Seine Tätigkeit habe sich dabei in erster Linie auf die Erstellung des pädagogischen Konzepts konzentriert. Diese organisatorische Beratungstätigkeit für Fortbildung und Unterricht betreibende Institutionen stehe dem Berufsbild des Unternehmensberaters näher als demjenigen eines Unterricht erteilenden Lehrers. Im Rahmen seiner freien Mitarbeitertätigkeit für die C-Klinik GmbH habe er im Bereich der Küche Diätpläne für spezielle Erkrankungen entwickelt, Tagespläne einschließlich der einzelnen Speisemengen und –verabreichungen ausgearbeitet und umgesetzt sowie Seminare und Schulungen der Mitarbeiter durchgeführt. Der Kläger legte eine Aufstellung seiner unternehmerischen Tätigkeit in den Jahren 2005 bis 2007, wegen deren Inhalt auf Blatt 113 bis 116 der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen wird, sowie seiner Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit von April 2008 bis Dezember 2008 in Höhe von 4.755,59 € (Blatt 124 der Verwaltungsakte der Beklagten) vor. 

Die Beklagte setzte mit Änderungsbescheid vom 28. Juli 2009 die Pflichtbeiträge ab 1. Januar 2008 neu fest. Der Beitragsbemessung legte sie nunmehr ab 1. Januar 2008 ein monatliches Arbeitseinkommen in Höhe von 1.541,05 €, ab 1. April 2008 ein monatliches Arbeitseinkommen in Höhe von 400,00 € und ab 1. Januar 2009 ein monatliches Arbeitseinkommen in Höhe von 406,76 € zugrunde. 

Den Widerspruch des Klägers im Übrigen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2009 mit der Begründung zurück, dass Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI bestehe. Aus den Unterlagen gehe eindeutig hervor, dass der Kläger überwiegend Seminare und Vorträge durchführe und somit eindeutig eine lehrende Tätigkeit ausübe. 

Dagegen hat der Kläger am 6. Januar 2010 beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben, mit der er sich gegen die Feststellung der Versicherungspflicht wendet. Er ist unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens im Vorverfahren der Ansicht, keine lehrende oder erziehende Tätigkeit auszuüben. Ergänzend trägt der Kläger vor, die Ausarbeitung von Diätplänen und Tagesplänen für die Ernährung für eine auf die Behandlung von Adipositas-Patienten spezialisierte Klinik unter Berücksichtigung medizinischer Vorgaben der Ärzte habe keinen Unterrichtscharakter, sondern entspreche einem Werkvertrag. Im Vordergrund stehe dabei die persönliche und eigenverantwortliche therapeutische Betreuung der Patienten, für die er nach den ärztlichen Behandlungskonzepten hierauf gegründete Ernährungskonzepte selbständig erarbeite. Die Ausarbeitung solcher Pläne würde den wesentlichen Teil seiner Tätigkeit für die Klinik darstellen und deutlich mehr als 2/3 der für diesen Auftraggeber aufgewendeten Zeit in Anspruch nehmen. Die Betreuung von Messeständen im Auftrag von Krankenkassen könne ebenfalls nicht unter die Begriffe von „Erziehung und Unterricht“ subsumiert werden. Sie diene vielmehr der Präsentation und Darstellung der betreffenden Unternehmen nach außen. Die Vortragstätigkeit des Klägers sei nicht vergleichbar mit einer auf Wissensvermittlung im Rahmen eines Unterrichtes ausgerichteten institutionalisierten Tätigkeit als Dozent an einer Fortbildungseinrichtung. Der Kläger habe Seminare selbst entwickelt, die Thematik selbst gesetzt, diese Seminare angeboten und je nach Auftragslage für einzelne Auftragsgeber dann erbracht. Der Kläger legte Aufstellungen über seine Einnahmen in den Jahren 2005 bis 2008 vor, wegen deren Inhalt auf Blatt 71 bis 74 der Gerichtsakte Bezug genommen wird. 

Die Beklagte setzte mit Änderungsbescheid vom 26. Februar 2010 die Pflichtbeiträge ab 1. Dezember 2009 fest. Der Beitragsbemessung legte sie ab 1. Dezember 2009 ein monatliches Arbeitseinkommen in Höhe von 872,35 € und ab 1. Januar 2010 ein monatliches Arbeitseinkommen in Höhe von 888,16 € zugrunde. Mit Bescheid vom 3. August 2012 stellte die Beklagte die Versicherungsfreiheit des Klägers nach § 5 Abs. 2 SGB VI in der gesetzlichen Rentenversicherung ab 1. Januar 2009 fest, weil er seine selbständige Tätigkeit in geringfügigem Umfang ausübe. Den Beitragsrückstand bezifferte die Beklagte auf 12.996,21 €. Der Beitragsbemessung für den Zeitraum vom 1. November 2004 bis 31. Dezember 2008 legte sie das dynamisierte Arbeitseinkommen des Klägers aus seinen sämtlichen Tätigkeitsbereichen zugrunde. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 30. April 2013 erkannte die Beklagte die Versicherungsfreiheit des Klägers nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI bereits ab 1. April 2008 an. 

Der Kläger beantragt, 

den Bescheid vom 3. Juni 2008, geändert durch den Bescheid vom 28. Juli 2009, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2009 sowie die Bescheide vom 26. Februar 2010 und 3. August 2012, sämtliche in der Fassung des Teilanerkenntnisses der Beklagten vom 30. April 2013, aufzuheben, soweit seine Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI für die Zeit vom 1. November 2004 bis 31. März 2008 festgestellt wird. 

Die Beklagte beantragt, 

die Klage abzuweisen. 

Sie hält die angefochtene Entscheidung aus den Gründen des Widerspruchsbescheides für zutreffend. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die von dem Kläger ausgeübte Schulungs- und Vortragstätigkeit sowohl für die C-Klinik als auch für weitere Auftraggeber der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI unterliege. Sie trägt vor, auch wenn es sich dabei um eine berufsspezifische Tätigkeit eines Ernährungsberaters handele, handele es sich dennoch um eine klassische Lehrtätigkeit, die auf bloße Wissensvermittlung ausgerichtet sei. Der Lehrerbegriff sei nicht an die Frage gekoppelt, ob die Wissensvermittlung an Laien, lediglich allgemein Interessierte oder an einen fachlich zu schulenden Personenkreis gerichtet sei. Es müsse sich also nicht um eine Unterrichtserteilung nach dem Verständnis des klassischen „Lehrer-Schüler-Verhältnisses“ handeln. Diese Lehrtätigkeit lasse sich von den weiteren Tätigkeitsfeldern als Ernährungsberater eindeutig abgrenzen (Verweis auf Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 25. November 2010 – L 5 R 2/09). Das Klagevorbringen und die Aufstellung der Einnahmen würden eindeutig eine Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI belegen. Bei der Berufsgruppe der Ernährungsberater würden die Bereiche Beratung und Trainer-/Lehrtätigkeit eine organisatorische Einheit bilden und seien daher versicherungsrechtlich einer Gesamtbetrachtung zu unterziehen. Der an die Deutsche Rentenversicherung Hessen gerichteten Stellungnahme des Geschäftsführers der C-Klinik vom 22. Oktober 2007 zur freiberuflichen Tätigkeit des Klägers in der C-Klinik (Blatt 41 bis 43 der Verwaltungsakte der Beklagten) sowie dem Vertrag über freie Mitarbeit vom 18. November 2004 sei zu entnehmen, dass der Kläger ab 1. November 2004 überwiegend (28,5 Stunden in der Woche) Schulungen, Ausbildungen von Klinikpersonal, Vortragstätigkeit und Veranstaltungen übernehmen sollte. Demgegenüber begründe die Betreuung von Messeständen im Auftrag von Krankenkassen keine Versicherungspflicht nach § 2 SGB VI. Schließlich ist die Beklagte der Ansicht, dass der Kläger im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit als Ernährungsberater für die C-Klinik die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI erfülle. 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitsstandes sowie des Beteiligtenvorbringens wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen. 


Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Sie ist auch sachlich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. 

Streitgegenstand des Rechtsstreits ist einzig und allein die von der Beklagten mit Bescheid vom 3. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2009 getroffene Feststellung, dass der Kläger der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI unterliegt. Das Gericht hatte daher nicht darüber zu entscheiden, ob eine Versicherungspflicht des Klägers im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit als Ernährungsberater auch nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI besteht, wie die Beklagte im Verlauf des Klageverfahrens meinte. Insoweit mangelt es an einem feststellenden Bescheid der Beklagten, der Gegenstand des Klageverfahrens geworden wäre. Die im Ausgangsbescheid vom 3. Juni 2008 verfügte Feststellung der Versicherungspflicht nach „§ 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB VI“ wurde im Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2009 konkretisiert und auf das Bestehen von Versicherungspflicht nach „§ 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI“ beschränkt. 

Der angefochtene Bescheid vom 3. Juni 2008, geändert durch den Bescheid vom 28. Juli 2009, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2009 sowie die Bescheide vom 26. Februar 2010 und 3. August 2012, sämtliche in der Fassung des Teilanerkenntnisses der Beklagten vom 30. April 2013, sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, soweit die Beklagte festgestellt hat, dass auch die selbständige Tätigkeit des Klägers im Bereich der Einzelberatung von Patienten (hierzu unter 2.) und der Betreuung von Messeständen (hierzu unter 3.) in dem Zeitraum vom 1. November 2004 bis 31. März 2008 der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI unterliegt und dementsprechend auch das daraus erzielte Arbeitseinkommen der Beitragsbemessung zugrunde gelegt hat. Im Übrigen erweisen sich die angefochtenen Bescheide als rechtmäßig. Insoweit hat die Beklagte zutreffend die Versicherungspflicht des Klägers nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI festgestellt (hierzu unter 1.). 

1. Nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sind versicherungspflichtig Lehrer und Erzieher, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen. Diese Regelung ist verfassungsgemäß (Bundessozialgericht >BSG<, Urteil vom 27. September 2007 – B 12 KR 12/06 - juris; BSG, Urteil vom 23. November 2005 - B 12 RA 9/04 R - USK 2005-47, juris RdNr. 11; BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 – B 12 RA 6/04 RSozR 4-2600 § 2 Nr. 1; die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil wurde nicht zur Entscheidung angenommen, Bundesverfassungsgericht <BVerfG> 1. Senat 3. Kammer, Nichtannahmebeschluss vom 25. Juli 2007 - 1 BvR 2134/05; BSG, Urteil vom 12. Oktober 2000 - B 12 RA 2/99 R - SozR 3-2600 § 2 Nr. 5 - juris RdNr. 17 ff; BSG Urteil vom 12. Oktober 2000 - B 12 RA 4/00 R - Die Beiträge Beilage 2001, 234, RdNr. 23 ff; die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil wurde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG 1. Senat 3. Kammer, Nichtannahmebeschluss vom 26. Juni 2007 - 1 BvR 2204/00SozR 4-2600 § 2 Nr. 10). 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist eine weite Auslegung des Begriffes „Lehrer“ geboten, um die typisierte Schutzbedürftigkeit dieses Personenkreises zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 - B 12 RA 6/04 R - SozR 4-2600 § 2 Nr. 1 RdNr. 26 m.w.N.). Unter den Begriff der selbständig tätigen Lehrer fallen alle Personen, die im Rahmen einer Aus- oder Fortbildung durch theoretischen oder praktischen Unterricht Kenntnisse, Fähigkeiten oder Erfahrungen vermitteln, wobei die Lehrtätigkeit nicht auf das Unterrichten an Schulen, Universitäten oder sonstigen Bildungseinrichtungen beschränkt ist. Der „in langer Tradition entwickelte sozialversicherungsrechtliche Begriff des Lehrers“ (BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 - B 12 RA 6/04 R - SozR 4-2600 § 2 Nr. 1 RdNr. 22) ist ein weiterer, als der im allgemeinen Sprachgebrauch verwendete. Als Lehrtätigkeit ist das – auch flüchtige - Übermitteln von Wissen und die Unterweisung von praktischen Tätigkeiten zu verstehen. Der Begriff der Lehrtätigkeit umfasst sowohl die Vermittlung von theoretischen Kenntnissen als auch die Unterweisung von körperlichen Tätigkeiten. Unerheblich ist, auf welchen Gebieten die Wissensvermittlung erfolgt und auf welche Weise die zur Vermittlung erforderlichen fachlichen oder pädagogischen Kenntnisse erworben wurde. Eine besondere pädagogische Ausbildung ist nicht erforderlich. Unerheblich ist, ob es ein etwa durch Ausbildungsordnungen geregeltes Berufsbild des (selbstständigen) Lehrers gibt (BSG, Urteil vom 12. Oktober 2000 – B 12 RA 2/99 R - SozR 3-2600 § 2 Nr. 5). Eine verpflichtende Teilnahme am Unterricht, die Abnahme von Prüfungen oder das Ausstellen von Zeugnissen ist nicht erforderlich. § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI enthält keine Vorgaben zu den Lehrinhalten, der Form des Unterrichts (z.B. Ort, Zeit und Anzahl der Teilnehmer), der Qualifikation des Lehrers und einer Leistungskontrolle der Teilnehmer. Für die Begründung der Versicherungspflicht ist auch nicht erheblich, welche berufliche Eigenbezeichnung vom Versicherten angegeben wurde. Es spielt keine Rolle, welches Niveau die ausgeübte Tätigkeit hat und ob sich der Unterricht nur an Laien wendet (BSG, Urteil vom 14. Dezember 1994 - 3/12 RK 80/92 - SozR 3-5425 § 1 Nr. 4 m.w.N.). Die der Tätigkeit zugrundeliegende Methode der Wissensvermittlung (z.B. Training, Coaching, Moderation, Supervision) ist für die Beurteilung nicht entscheidend, es kommt auf das Gesamtbild der ausgeübten Tätigkeit an. 

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die Vortrags-, Seminar- und Schulungstätigkeit des Klägers dem Bereich der versicherungspflichtigen Lehrpersonen im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI zuzuordnen. Es ist eindeutig und unterliegt keinem vernünftigen Zweifel, dass der Kläger sein Knowhow an Dritte in Form von Wissensvermittlung/Unterricht weitergibt. Er erteilt nämlich theoretischen und/oder praktischen Unterricht, indem spezielle Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten im weitesten Sinne auf dem Gebiet der Ernährung vermittelt werden. Dies ergibt sich aus der Stellungnahme des Geschäftsführers der C-Klinik vom 22. Oktober 2007 zur freiberuflichen Tätigkeit des Klägers in der C-Klinik, dem Vertrag über freie Mitarbeit vom 18. November 2004 sowie den vorgelegten Aufstellungen der Tätigkeiten und Einnahmen des Klägers. Darin sind nachfolgende, immer wiederkehrende Begriffe enthalten: Seminar, Vortrag, und Mitarbeiterschulung. 

Nach dem am 18. November 2004 geschlossenen Vertrag über freie Mitarbeit war der Kläger ab 1. November 2004 als Ernährungsberater mit den Tätigkeiten Schulungen, Konzeptentwicklungen und Vortragstätigkeiten (§ 1) in einem zeitlichen Umfang von ca. 28,5 Stunden pro Woche (§ 3) für die C-Klinik tätig. Der Geschäftsführer der C-Klinik GmbH führte hierzu in seiner an die Deutsche Rentenversicherung Hessen gerichteten Stellungnahme vom 22. Oktober 2007 zur freiberuflichen Tätigkeit des Klägers in der C-Klinik aus, nachdem die Tätigkeit des Klägers speziell im Bereich der Küche (Ausarbeitung und Berechnung von Tagesplänen für spezielle Erkrankungen, Besprechung der Umsetzung der Diätpläne etc.) nur noch eine Teilzeittätigkeit erfordert hätte und eine Schulungs- und Lehrtätigkeit in den Mittelpunkt seiner Aufgaben gerückt gewesen wäre, habe der Kläger seit November 2004 als freier Mitarbeiter im Bereich von Schulung und Lehre speziell auch zur Ausbildung von qualifiziertem Personal der Klinik Vorträge und Veranstaltungen abgehalten. Der Kläger habe die von ihm entwickelten Ernährungskonzepte und insbesondere auch die Schulungskonzepte für in diesem Bereich tätige Personen in der Klinik im Rahmen von Vorträgen, Schulungen, Seminare etc. auf freiberuflicher Basis durchgeführt. 

Soweit der Kläger klagebegründend vorträgt, die Ausarbeitung von Diätplänen und Tagesplänen für die Ernährung für eine auf die Behandlung von Adipositas-Patienten spezialisierte Klinik unter Berücksichtigung medizinischer Vorgaben der Ärzte habe keinen Unterrichtscharakter, im Vordergrund stehe dabei die persönliche und eigenverantwortliche therapeutische Betreuung der Patienten, für die er nach den ärztlichen Behandlungskonzepten hierauf gegründete Ernährungskonzepte selbständig erarbeite, steht dies einer Zuordnung des Klägers zum Kreis der nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI rentenversicherungspflichtigen Personen nicht entgegen. Denn der Kläger lässt undifferenziert außer Acht, dass dieser Tätigkeitsbereich ab November 2004 nicht Gegenstand seiner freiberuflichen Tätigkeit für die C-Klinik, sondern weiterhin - in zeitlich reduziertem Umfang – Gegenstand seines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses war. Dass die Ausarbeitung solcher Tages- und Diätpläne den wesentlichen Teil der Tätigkeit des Klägers für die Klinik dargestellt und deutlich mehr als 2/3 der für diesen Auftraggeber aufgewendeten Zeit in Anspruch genommen habe, trifft für den hier streitigen Zeitraum von November 2004 bis März 2008 nicht zu. Mit Nachtrag vom 17. November 2004 zum Arbeitsvertrag vom 22. September 1999 wurde nämlich ab 1. November 2004 die wöchentliche Arbeitszeit auf 10 Stunden reduziert und der Kläger übernahm daneben gemäß dem Vertrag über freie Mitarbeit vom 18. November 2004 ab 1. November 2004 die Aufgaben eines Ernährungsberaters mit den Tätigkeiten Schulungen, Konzeptentwicklungen und Vortragstätigkeiten (§ 1) in einem zeitlichen Umfang von ca. 28,5 Stunden pro Woche (§ 3). Der Geschäftsführer der C-Klinik bestätigte in seiner Stellungnahme vom 22. Oktober 2007, dass diese vertraglichen Regelungen auch tatsächlich praktiziert wurden. Danach erbrachte der Kläger Vorträge, Schulungen, Seminare, Veranstaltungen und die Fortbildung für Lehrkräfte ausschließlich im Rahmen seiner freiberuflichen Mitarbeitertätigkeit. 

Auch die weitere, außerhalb der C-Klinik für andere Auftraggeber ausgeübte selbständige Tätigkeit des Klägers ist mit Ausnahme der Einzelberatung von Patienten und der Betreuung von Messeständen von Krankenkassen als lehrende Tätigkeit im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI zu qualifizieren. Ausweislich der klägerischen Aufstellungen seiner unternehmerischen Tätigkeiten in den Jahren 2005 bis 2007 hielt der Kläger im Wesentlichen Seminare und Vorträge zu Themen auf den Gebieten Ernährung und Gesundheit für den Berufsverband der Kinderärzte, Krankenkassen und Bildungseinrichtungen. Vortrags- und Schulungstätigkeiten bilden auch den Schwerpunkt der Einnahmen des Klägers aus seiner selbständigen Tätigkeit entsprechend den vorgelegten Aufstellungen für die Jahre 2005 bis 2008. Hierbei handelt es sich um eine klassische Lehrtätigkeit, die auf bloße Wissensvermittlung ausgelegt ist. Dass der Kläger in diesem Sinne eine selbständige Lehrtätigkeit ausgeübt hat, steht für die Kammer außer Frage. 

2. Demgegenüber ist die individuelle Ernährungsberatung von Patienten nicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtig. Die individuelle Patientenberatung in Ernährungsfragen stellt keine Lehrtätigkeit im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI dar. Sie ersetzt in Teilbereichen die einem Arzt als Heilkundigen obliegende umfassende Aufklärungs- und Beratungsfunktion, um eine optimale Begleitung der Patienten und die Überwachung therapeutischer Maßnahmen zu gewährleisten. Die Ernährungsberatung der Patienten umfasst neben der allgemeinen Aufklärung über ernährungsbedingte Erkrankungen die individuelle Beratung über Ernährungsfragen, eine auf den jeweiligen Einzelfall bezogene Ernährungsplanung und die Überwachung deren Einhaltung. Dabei ist eine Anamneseerhebung sowie insbesondere die Motivation der Patienten zur Änderung ihrer Ernährungsgewohnheiten und zur kontinuierlichen Umsetzung der individuell erstellten Ernährungspläne ein essentieller Bestandteil der klägerischen Tätigkeit. Die Berufsausübung des Klägers im Rahmen der individuellen Patientenberatung ist daher nicht vorrangig durch die Vermittlung von Wissen geprägt und stellt sich deshalb nicht als Lehrtätigkeit dar. 

3. Schließlich ist die Betreuung von Messeständen von Krankenkassen durch den Kläger keine Lehrtätigkeit im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Dies hat die Beklagte im Schriftsatz vom 18. Oktober 2011 zutreffend anerkannt. Dementsprechend hat die Beklagte das von dem Kläger aus der Betreuung von Messeständen erzielte Arbeitseinkommen ebenso wie das Arbeitseinkommen aus der individuellen Patientenberatung zu Unrecht der Bemessung der Pflichtbeiträge gemäß den Beitragsbescheiden vom 28. Juli 2009, 26. Februar 2010 und 3. August 2012 zugrunde gelegt. Das Einkommen aus einer nicht versicherungspflichtigen Tätigkeit unterliegt auch nicht der Beitragspflicht. Die von ihrem zeitlichen Umfang und Einkommen eindeutig abgrenzbaren Teilbereiche der selbständigen Berufsausübung des Klägers sind auch beitragsrechtlich eigenständig zu bewerten. Eine einheitliche Bewertung nach dem Schwerpunkt der ausgeübten Tätigkeit findet im Rahmen des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI keine Anwendung. Eine Abgrenzung der einzelnen Tätigkeitsbereiche ist auch deshalb erforderlich, weil das Berufsbild des Diätassistenten/Ernährungsberaters nicht eine reine Lehrtätigkeit beinhaltet. Die Tätigkeit eines Diätassistenten zeichnet sich vielmehr aus durch die eigenverantwortliche Durchführung diättherapeutischer und ernährungsmedizinischer Maßnahmen auf ärztliche Anordnung oder im Rahmen ärztlicher Verordnung wie dem Erstellen von Diätplänen, dem Planen, Berechnen und Herstellen wissenschaftlich anerkannter Diätformen sowie der Mitwirkung bei der Prävention und Therapie von Krankheiten und der Durchführung ernährungstherapeutischer Beratungen und Schulungen (vgl. § 3 Gesetz über den Beruf der Diätassistentin und des Diätassistenten - Diätassistentengesetz - DiätAssG - in der Fassung vom 8. März 1994 – BGBl I 1994, 446). 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG

Rechtskraft
Aus
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