Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 22. September 2021 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, welche ihre Kosten selbst trägt.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 147.475,58 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 22. September 2021, in dem die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 15. Dezember 2020 gegen den Nachtragsbeitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 24. November 2020 und den diesem beigefügten Änderungsbescheiden vom 23. November 2020 betreffend die Beiträge zur Berufsgenossenschaft und zum arbeits- und sicherheitstechnischen Dienst (ASD) jeweils für die Jahre 2015, 2016 und 2017 in der Fassung der das Beitragsjahr 2016 betreffenden Änderungsbescheide vom 18. August 2021 sowie des Widerspruchs vom 26. April 2021 gegen den Bescheid vom 21. April 2021 betreffend die Festsetzung von Säumniszuschlägen für den Monat Dezember 2020 in Höhe von 5.650,- € abgelehnt worden ist, ist gemäß §§ 172 Abs. 1,173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber unbegründet.
Nach § 86b Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Vorliegend kommt dem Widerspruch der Antragstellerin vom 15. Dezember 2020 gegen den Nachtragsbeitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 24. November 2020 und den diesem beigefügten Änderungsbescheiden vom 23. November 2020 betreffend die Beiträge zur Berufsgenossenschaft und zum ASD jeweils für die Jahre 2015, 2016 und 2017 in der Fassung der das Beitragsjahr 2016 betreffenden Änderungsbescheide vom 18. August 2021, in denen Beiträge in Höhe von insgesamt 584.252,35 € nachträglich erhoben worden sind, sowie dem Widerspruch der Antragstellerin vom 26. April 2021 gegen den Bescheid vom 21. April 2021, soweit darin Säumniszuschläge für den Monat Dezember 2020 in Höhe von 5.650,- € festgesetzt worden sind, entgegen § 86a Absatz 1 Satz 1 SGG kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zu, weil nach § 86a Absatz 2 Nr. 1 SGG die aufschiebende Wirkung bei der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten entfällt.
Voraussetzung für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht nach § 86b Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ist in den Fällen des § 86a Absatz 2 Nr. 1 SGG, dass das Interesse des durch den Verwaltungsakt Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage das kraft Gesetzes als vorrangig angesehene öffentliche Interesse am Vollzug des Bescheides überwiegt (vgl. zum Ganzen: Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 86b Rn.12b und c, m.w.N.). Grundsätzlich besteht bei der Prüfung von § 86b Abs. 1 SGG ein Regel-Ausnahme-Verhältnis im Sinne eines Suspensiveffektes mit der Folge, dass im Zweifel das Vollziehungsinteresse den Vorrang hat. Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn ein überwiegendes Interesse des durch einen Verwaltungsakt Belasteten feststellbar ist. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss daher eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (vgl. Keller, a.a.O., § 86b Rn. 12a, 12c und 12e m.w.N.). In den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG sind zudem die Kriterien des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu beachten (vgl. Landessozialgericht <LSG> Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. Mai 2012 - L 8 R 164/12 B ER -, juris; Keller, a.a.O., § 86b Rn. 12f; jeweils m.w.N.). Somit ist zu prüfen, ob ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit in diesem Sinne liegen vor, wenn nach der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung ein Erfolg des Widerspruchs bzw. des Klageverfahrens wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Diesbezüglich nimmt der Senat vollumfänglich Bezug auf die Ausführungen in der angefochtenen sozialgerichtlichen Entscheidung und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Das Sozialgericht führt darin zutreffend aus, dass die (auch vom Senat nachvollzogenen) Ermittlungen des Hauptzollamts nach dem Gesamtbild erdrückende Anhaltspunkte dafür geben, dass die Antragstellerin unter Einsatz von als Subunternehmen bezeichneten Schein- bzw. Servicefirmen (zum Begriff vgl. ausführlich auch Finanzgericht <FG> Düsseldorf, Beschluss vom 03. März 1999 - 5 V 7436/98 A (U) -, juris, insbesondere Rn. 22 ff) und von diesen erstellter „Abdeckrechnungen“ (solche, bei der ein tatsächlich entstandener Aufwand - hier für Schwarzlohnzahlungen - als Betriebsausgabe zum Ansatz gebracht wird und die tatsächlich entstandenen Ausgaben in der Buchführung unter Zuhilfenahme dieser Rechnung „abgedeckt“ werden) die (Mehr-) Beschäftigung von Arbeitnehmern verschleiert hat, so dass die Antragsgegnerin zur Beseitigung der Beitragserstfestsetzung und - ohne, dass ihr hierbei Ermessen zustand (vgl. Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 22. September 2009 - B 2 U 2/08 R -, juris) - Neufestsetzung der Beiträge zur Unfallversicherung und zum ASD für die Jahre 2015, 2016 und 2017 berechtigt war. Ebenso wenig begegnet die aufgrund der Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamtes und der DRV Bund vorgenommene Schätzung der Arbeitsentgelte (§§ 153 Abs. 1,165 Abs. 1 und 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch <SGB VII>) aus den bereits vom Sozialgericht dargelegten Gründen rechtlichen und tatsächlichen Bedenken.
Vorliegend bestehen nach wie vor keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die sofortige Vollziehung der Beitragsbescheide für die Antragstellerin eine unbillige Härte bedeuten würde. Soweit die Antragstellerin wiederholt geltend gemacht hat, durch die Beitragsnachforderung drohe ihr die völlige Zahlungsunfähigkeit mit Insolvenz, und nun im Beschwerdeverfahren den Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 28. Dezember 2021 (15 IN 231/21) über die Verweisung des von ihr beantragten Insolvenzeröffnungsverfahrens an das zuständige Amtsgericht Potsdam in Kopie zur Akte gereicht hat, vermag dies im konkreten Fall noch keine unbillige Härte zu begründen. Zum einen ist der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 14. Januar 2022 (6.50 IN 4/22) zurückgewiesen worden. Zum anderen hat bereits das Sozialgericht zutreffend dargelegt, dass allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsnachforderung für die Antragstellerin verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen nicht zu einer solchen Härte führen, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung der gesetzlich auferlegten Pflichten sind. Vielmehr wird das Interesse des Unfallversicherungsträgers an einer zeitnahen Durchsetzbarkeit der Beitragsforderung gerade dann hoch sein, wenn von Seiten des Unternehmens behauptet wird, dass Zahlungsunfähigkeit drohe. Gerade in einer solchen Situation ist der Unfallversicherungsträger gehalten, die Beiträge rasch einzutreiben, um die Funktionsfähigkeit der Unfallversicherung sicherzustellen (vgl. der vom Antragsgegner zur Akte gereichte Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 15. Februar 2021 - L 21 U 140/20 B ER -; Beschluss des Senats vom 18. Dezember 2013 – L 3 U 112/13 B ER-, juris Rn. 51; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Februar 2012 – L 8 R 1047/11 B ER -, juris Rn. 37).
Eine beachtliche Härte in diesem Sinne kann regelmäßig nur dann angenommen werden, wenn es dem Beitragsschuldner gelingt darzustellen und glaubhaft zu machen, dass die Beitreibung der Forderung aktuell die Insolvenz und/oder die Zerschlagung seines Geschäftsbetriebes zur Folge hätte, die Durchsetzbarkeit der Forderung bei einem Abwarten der Hauptsache aber zumindest nicht weiter gefährdet wäre als zurzeit. Hierbei müsste der Beitragsschuldner auch darlegen und glaubhaft machen, ob er bei Fortsetzung seines Geschäftsbetriebes unter Einhaltung aller rechtlichen Bestimmungen in der Lage ist, derart rentabel zu wirtschaften, dass die noch offene Beitragsforderung in überschaubarer Zeit beglichen werden kann (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Mai 2020 – L 8 BA 241/19 B ER-, juris Rn. 22; siehe auch: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20. Dezember 2018 - L 12 BA 23/18 B ER -, juris Rn. 40). Davon kann hier gerade nicht ausgegangen werden. So hat die Antragstellerin nicht dargelegt, dass sie bei fortgesetztem - gesetzestreuem - Geschäftsbetrieb (ohne Schwarzarbeit) in der Lage ist, die Beitragsnachforderungen in überschaubarer Zeit zu begleichen. Soweit sie meint, die Antragsgegnerin verhindere die erfolgreiche Fortsetzung der Geschäftstätigkeit, weil sie ihr die dafür benötigten Unbedenklichkeitsbescheinigungen verweigere, geht dies fehl. Ein Anspruch auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung besteht aus Art. 3 Grundgesetz (GG) nur, wenn alle hierfür von der Antragsgegnerin aufgestellten Kriterien, insbesondere das Vorliegen eines ausgeglichenen Beitragskontos, erfüllt sind (siehe hierzu ausführlich: LSG Thüringen, Beschluss vom 01. Juli 2009 – L 1 U 85/09 ER -, juris Rn. 32). Daran fehlt es hier aufgrund der noch offenen Beitragsforderungen. Die Antragstellerin hatte aber die Möglichkeit, durch eine Stundungsvereinbarung mit Ratenzahlung bzw. Bankbürgschaft nach § 76 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bei der Antragsgegnerin die Voraussetzungen für die Erteilung von Unbedenklichkeitsbescheinigungen zu schaffen, nicht genutzt. Daher kann sie sich auch nicht auf den Beschluss des Bayerischen LSG vom 11. März 2019 (L 16 BA 174/18 B ER, juris) berufen, welches im dortigen Fall wegen drohender Insolvenz und Gefährdung langjährig existierender (insgesamt 28) Vollarbeitsplätze eine unbillige Härte angenommen hatte. Denn in diesem Verfahren hatte die dortige Antragstellerin durch Stundungsvereinbarungen und regelmäßige Ratenzahlungen hierauf ihre Bereitschaft und Fähigkeit zur Begleichung der nachgeforderten Sozialversicherungsbeiträge unter Beweis gestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154Abs.2 und 3, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 63 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Höhe des festzusetzenden Streitwerts ergibt sich gemäß § 52 Abs. 1 und Abs. 3 GKG aus der Höhe der geltend gemachten bezifferten Beitragsleistung. In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes war der Streitwert auf ein Viertel der Beitragsnachforderungen inclusive Säumniskosten für die Jahre 2015 bis 2017 (584.252,35 € Euro zuzüglich 5.650,- € Säumniskosten = 589.902,35 €), hier mithin auf 147.475,58 € festzusetzen. Die Bemessung auf ein Viertel des Regressbetrags entspricht der sonstigen gerichtlichen Handhabung bei Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (vgl. Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit, 5. Aufl. 2017 [Stand März 2017] unter Nr. 10.2 zu Verfahren gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 und § 86b Abs. 2 SGG; BSG, Beschluss vom 29. August 2011 - B 6 KA 18/11 R -, SozR 4-1500 § 86a Nr. 2, Rn. 21).
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.