L 5 KA 1932/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KA 6136/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 1932/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Aus der sich aus dem Wortlaut ergebenden engen Verknüpfung von präanästhesiologischen Untersuchungen mit ambulanten Operationen des Kapitels 31.2 EBM oder belegärztlichen Untersuchungen des Abschnitts 36.3 EBM ergibt sich, dass der Anästhesist die GOP 05310 EBM nur abrechnen kann, wenn auch der Operateur die GOP der Kapitel 31 oder 36 EBM abrechnet. Der Operateur muss die Operation, an der der Anästhesist mitwirkt, tatsächlich auf der Grundlage seiner vertragsärztlichen Zulassung und damit als vertragsärztliche Leistung erbracht und abgerechnet haben. Es genügt nicht, dass der Operateur (auch) über eine Zulassung als Vertragsarzt verfügt.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30.04.2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu
tragen.


Der Streitwert wird endgültig auf 980,20 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung von präanästhesiologischen Untersuchungen bei einer ambulanten oder belegärztlichen Operation der Abschnitte 31.2 bzw. 36.2 (Gebührenordnungsposition <GOP> 05310 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen <EBM>) im Quartal 1/2017.

Die Klägerin ist als Fachärztin für Anästhesiologie zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung zugelassen. Sie erbringt u.a. Narkosen im Zusammenhang mit zahnärztlichen sowie mund-kiefer-chirurgischen Eingriffen.

Mit Honorarbescheid vom 17.07.2017 setzte die Beklagte das Honorar der Klägerin für das Quartal 1/2017 auf insgesamt 22.169,26 € fest. Als Anlage 6 war ein Richtigstellungsbescheid u.a. im Hinblick auf die GOP 05310 EBM in 52 Fällen (Gesamtsumme: 980,20 €) beigefügt. Die GOP 05310 EBM sei ausschließlich bei Operationen der Abschnitte 31.2 oder 36.2 EBM abrechnungsfähig.

Hiergegen legte die Klägerin am 31.07.2017 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, die GOP 05310 EBM sei zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Die Operation definiere sich nicht primär über ihre abgerechnete GOP, sondern über den Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS), der gemäß Anhang 2 EBM die operativen Prozeduren erst sekundär den Leistungen der Kapitel 31 und 36 EBM zuordne. Im speziellen Fall der kieferchirurgischen Anästhesie dürften Anästhesien zu Operationen gemäß Anhang 2 EBM aber nicht nach den Abschnitten 31.2 und 36.2 EBM abgerechnet werden, wenn der Operateur zahnärztlich abrechne, sondern nur nach Abschnitt 05 EBM. Die zahnärztliche Abrechnung der Operation aus Abschnitt 31.2 und 36.2 EBM ändere aber nichts an der Operation an sich, die durch ihren OPS-Schlüssel gemäß Anhang 2 EBM definiert sei. Daher seien Narkosen in der Kieferchirurgie, die zu einem OPS aus Anhang 2 EBM durchgeführt würden und entsprechend gekennzeichnet seien, gleich zu behandeln, d.h. unabhängig davon, ob sie nach Kapitel 31 und 36 EBM oder nach Kapitel 05 EBM (wegen der zahnärztlichen Abrechnung des Operateurs) abgerechnet würden. Damit sei auch bei allen Narkosen, die durch einen OPS aus Anhang 2 EBM gekennzeichnet seien, die GOP 05310 EBM abrechnungsfähig. Die Kennzeichnung mit einem OPS aus Anhang 2 EBM sei im Übrigen auch das Grundkriterium für die vertragsärztliche Abrechnungsfähigkeit von kieferchirurgischen Narkosen gem. Kapitel 51 (Präambel) Abs. 8 EBM. Hier würden diese Eingriffe ausdrücklich denen gleichgestellt, die nach Kapitel 31.2.8 EBM abgerechnet werden könnten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.10.2017 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, präanästhesiologische Untersuchungen nach der GOP 05310 EBM seien nach dem Wortlaut der Leistungslegende ausschließlich bei ambulanten oder belegärztlich durchgeführten Operationen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nach den Abschnitten 31.2 bzw. 36.2 EBM möglich. Dies ergebe sich auch aus den Allgemeinen Bestimmungen zur GOP 05310 EBM. Ausschlaggebend sei, dass der Operateur seine operativen Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung über die Kassenärztliche Vereinigung abrechne. Daraus folge, dass bei ausschließlich zahnärztlich durchgeführten Eingriffen der Sachverhalt der Leistungslegende nicht erfüllt sei. In den streitigen 52 Behandlungsfällen seien keine Anästhesien nach Kapitel 31.5 bzw. 36.5 EBM abgerechnet worden, sondern vielmehr die GOP 05330 EBM in Ansatz gebracht worden, die auch vergütet worden sei. Dies sei auch korrekt, da es sich um zahnärztliche Operationen gehandelt habe. Diese stellten keine vertragsärztlichen Operationen im Sinne von Abschnitt 31.2 bzw. 36.2 EBM dar. Die Zuordnung der operativen Prozeduren zu den Leistungen der Kapitel 31 und 36 EBM richte sich primär nach den Leistungen der Kapitel 31 und 36 des EBM. Eine Analogie für außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung erbrachte Operationen sei im EBM nicht vorgesehen. Die GOP 05310 EBM sei nicht berechnungsfähig, wenn eine Narkose bei einem zahnärztlichen Eingriff erforderlich sei oder im Zusammenhang mit anderen diagnostischen und therapeutischen Eingriffen außerhalb des Abschnitts 31.2 bzw. 36.2 EBM stehe.

Die Klägerin hat am 06.11.2017 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die präanästhesiologische Untersuchung nach der GOP 05310 EBM setze nur voraus, dass eine Operation nach Kapitel 31 EBM durchgeführt worden sei. Kapitel 31.5.3 EBM regle, dass Narkosen nur dann nach Kapitel 31 abgerechnet werden dürften, wenn der Operateur eine Leistung nach Kapitel 31 erbringe und berechne. Kapitel 5.1.8 EBM regle, dass Narkosen bei Zahnbehandlungen oder MKG-Chirurgie nach Kapitel 05 EBM abgerechnet werden dürften, wenn eine Operation entsprechend Kapitel 31 EBM erbracht werde. Die Tatsache, dass im Gegensatz zu Kapitel 31.5.3 EBM in Kapitel 5.1.8 EBM das Kriterium der Abrechnung der Operation nach Kapitel 31 EBM fehle, stelle klar, dass sich die Definition eines Eingriffs entsprechend Kapitel 31 EBM ausschließlich aus der Kodierung gemäß Anhang zu EBM der OPS ergebe. Kapitel 5.3 EBM regle, dass die GOP 05310 EBM in Zusammenhang mit einer Operation nach Kapitel 31 EBM abgerechnet werden könne. Im Text des Kapitel 5.3 EBM fehle analog zum Text des Kapitel 5.1.8 EBM der in Kapitel 31.5.3 EBM enthaltene Zusatz „und Berechnung der Operation nach Kapitel 31 EBM". In der Liste der Berechnungsausschlüsse zu GOP 05310 EBM fehle die Nummer 05330 EBM. Somit sei klargestellt, dass im Zusammenhang mit Narkosen bei Zahnbehandlungen oder MKG-Chirurgie sowohl für die Abrechnung der Narkose nach der GOP 05330 EBM und 05331 EBM als auch für die präanästhesiologische Untersuchung nach der GOP 05310 EBM ausschließlich das Kriterium der Operation nach Kapitel 31 EBM zähle, belegt durch eine OPS-Kodierung gemäß Anhang zu Kapitel 31 EBM, nicht jedoch die Abrechnung der Operation nach Kapitel 31 EBM. Die Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass es sich hier um einen Sonderfall handle, nämlich, dass ein Operateur (Kieferchirurg mit doppelter Approbation, vertragsärztlicher und vertragszahnärztlicher Zulassung) Operationen nach Kapitel 31 EBM erbringe. Die Operation werde durch die dazugehörige OPS-Kodierung definiert. Sei der OPS-Kode im Anhang zu Kapitel 31 EBM enthalten, handle es sich um eine Operation nach Kapitel 31 EBM. Hieraus ergebe sich die Richtigkeit der Abrechnung der GOP 05310 EBM durch den Anästhesisten. Dies gelte auch für geplante Operationen, die wegen festgestellter Kontraindikationen nach der präanästhesiologischen Untersuchung nicht stattfänden. Lediglich für die Abrechnung der Narkose ergebe sich aus der Präambel zu Kapitel 05 EBM, dass bei zahnärztlicher Abrechnung einer Operation die zugehörige Narkose nach Kapitel 05 EBM abzurechnen sei. Ergänzend hat die Klägerin eine E-Mail der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) vom 06.02.2019 sowie das Schreiben der KBV vom 07.09.2009 vorgelegt, wonach die GOP 05310 EBM für präanästhesiologische Untersuchungen dann abrechnungsfähig sei, wenn die Operation aus medizinischen Gründen nicht stattfinden könne oder der Patient zum geplanten Operationstermin nicht erscheine. Dies bedeute, dass für die Abrechnung nicht die Abrechnung einer Operation nach Kapitel 31 EBM, sondern allein die Zuordnung einer Operation zu den Prozeduren des Kapitel 31 EBM entscheidend sei.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat an ihrer Auffassung festgehalten und teilweise ergänzend ausgeführt, die GOP 05310 EBM sei für eine präanästhesiologische Untersuchung bei einer ambulanten oder belegärztlichen Operation der Abschnitte 31.2 bzw. 36.2 EBM berechnungsfähig. Der Wortlaut sei eindeutig. Nur wenn eine entsprechende Operation der Abschnitte 31.2 EBM bzw. 36.2 EBM erbracht werde, könne die GOP 05310 EBM abgerechnet werden. Operationen nach den Abschnitten 31.2 EBM bzw. 36.2 EBM umfassten jedoch lediglich solche Operationen, die im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erbracht und abgerechnet würden. Dies ergebe sich zudem auch aus der Präambel 31.2.1 EBM. Erbringe z.B. ein Mund-Kiefer-Gesichtschirurg mit Zulassung zur vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung eine Operation und rechne diese über die kassenzahnärztliche Vereinigung ab, sei er gerade nicht im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung tätig geworden. Dieser habe dann keine Leistung nach dem Abschnitt 31.2 EBM bzw. 36.2 EBM erbracht, da der EBM im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung keine Gültigkeit besitze. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus der Präambel 5.1.8 EBM. Danach sei die Erbringung von Narkosen gemäß Abschnitt 5.3 EBM im Zusammenhang mit zahnärztlichen und/oder mund-, kiefer-, gesichtschirurgischen Eingriffen nur berechnungsfähig in speziellen Fällen (bei Kindern bis zum vollendeten 12. Lebensjahr, sofern wegen mangelnder Kooperationsfähigkeit und/oder durch den Eingriff bedingt eine andere Art der Schmerzausschaltung nicht möglich ist, die ICD-Kodierung ist mit Begründung anzugeben; bei Patienten mit mangelnder Kooperationsfähigkeit bei geistiger Behinderung und/oder schwerer Dyskinesie, die ICD-Kodierung ist mit Begründung anzugeben; bei Eingriffen entsprechend dem Abschnitt 31.2.8 des EBM, sofern eine Behandlung in Lokalanästhesie nicht möglich ist). Die Ausführungen der Klägerin, wonach Narkosen bei Zahnbehandlungen oder MKG-Chirurgie immer dann nach Kapitel 5 EBM abgerechnet werden dürften, wenn eine Operation entsprechend Kapitel 31 EBM erbracht werde, ließen sich aus der Präambel so nicht entnehmen. Vielmehr schränke bereits die Präambel die Abrechnung dieser Narkosen stark ein bzw. knüpfe diese an die angeführten Voraussetzungen. Aus der Präambel 5.1.10 EBM ergebe sich weiter, dass außer den in Nr. 8 und 9 genannten Indikationen Narkosen gemäß Abschnitt 5.3 EBM u.a.  im Zusammenhang mit zahnärztlichen und/oder mund-, kiefer-, gesichtschirurgischen Eingriffen nur bei Vorliegen von Kontraindikationen gegen die Durchführung des Eingriffs in Lokalanästhesie oder Analogsedierung berechnungsfähig seien, wobei die ICD-Kodierung mit Begründung anzugeben sei. Wie sich aus den in der Verwaltungsakte befindlichen Einzelfallausdrucken entnehmen lasse, enthielten die ICD-Kodierungen keine Begründungen. Damit seien bereits die Voraussetzungen der Präambel 5.1.10 EBM nicht erfüllt. Anderes lasse sich auch nicht dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben der KBV vom 07.09.2009 entnehmen. Dieses enthalte lediglich Ausführungen zur Abrechnungsfähigkeit der GOP 05310 EBM bei nicht durchgeführten Operationen aus medizinischen Gründen oder bei Nichterscheinen des Patienten zur geplanten Operation, was hier jeweils nicht vorliege. Darüber hinaus werde jedoch ausgeführt, dass die GOP 05310 EBM grundsätzlich lediglich im Zusammenhang mit einer ambulanten oder belegärztlichen Operation gemäß der Abschnitte 31.2 bzw. 36.2 EBM berechnungsfähig sei.

Mit Urteil vom 30.04.2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 17.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.10.2017 sei formell und materiell rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die sachlich-rechnerische Richtigstellung der GOP 05310 EBM im Quartal 1/2017 sei nicht zu beanstanden. Ausgehend vom Wortlaut könne die Klägerin die Leistung der GOP 05310 EBM im hier streitigen Quartal nicht abrechnen, da die tatbestandlichen Voraussetzungen der Leistungslegende nicht erfüllt seien. Die Ausführungen der Klägerin zur Abrechnung von Anästhesien im Zusammenhang mit der Erbringung von Leistungen des Abschnittes 31.2 (Abrechnung nach Kapitel 31.5.3 EBM) gingen insofern ins Leere, als vorliegend nicht die Abrechnung von Anästhesien streitig sei, sondern vielmehr die Abrechenbarkeit präanästhesiologischer Untersuchungen der Klägerin. Die Abrechenbarkeit von präanästhesiologischen Untersuchungen richte sich aber allein nach der GOP 05310 EBM. Der Wortlaut sei insofern eindeutig. Die GOP 05310 EBM sei danach ausschließlich vor Anästhesien zur Durchführung von Operationen der Abschnitte 31.2 und 36.2 EBM berechenbar. Für alle Leistungen außerhalb des Abschnitts 31.2 EBM könne aber die Leistung nach GOP 05310 EBM nicht abgerechnet werden (unter Verweis auf SG Marburg, Urteil vom 23.03.2011 - S 12 KA 622/10 -, in juris). Die Beklagte weise zu Recht darauf hin, dass für die Abrechenbarkeit der GOP 05310 EBM notwendig sei, dass der Operateur seine operativen Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung über die Kassenärztliche Vereinigung abrechne. Anderenfalls liege keine Operation nach dem (hier allein in Betracht kommenden) Abschnitt 31.2 EBM vor. Im vorliegenden Fall sei zwischen den Beteiligten jedoch unstreitig, dass eine entsprechende operative Erbringung nach Abschnitt 31.2 EBM in dem hier streitigen Quartal nicht vorliege. Dies habe aber zur Folge, dass die Klägerin die GOP 05310 EBM nicht habe abrechnen können. Etwas Anderes folge auch nicht aus der Präambel 5.1.8 EBM und 5.1.10 EBM. Denn den in der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte befindlichen Einzelfallausdrucken lasse sich entnehmen, dass die Klägerin bei der Abrechnung der GOP 05310 EBM keine ICD-Kodierungen mit gesonderter Begründung angegeben habe. Die Notwendigkeit der Narkose sei aber mit der ICD-Kodierung „und" einer Begründung nachzuweisen, dass der Eingriff nicht in Lokalanästhesie durchführbar sei. Damit seien bereits die Voraussetzungen der Präambel 5.1.8 und 5.1.10 EBM nicht erfüllt. Etwas Anderes folge auch nicht aus dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben der KBV vom 07.09.2009. Dieses enthalte lediglich Ausführungen zur Abrechnungsfähigkeit der GOP 05310 EBM bei nicht durchgeführten Operationen aus medizinischen Gründen oder bei Nichterscheinen des Patienten zur geplanten Operation. Hierbei werde jedoch auch ausgeführt, dass die GOP 05310 EBM grundsätzlich lediglich im Zusammenhang mit einer ambulanten oder belegärztlichen Operation gemäß der Abschnitte 31.2 EBM bzw. 36.2 EBM berechnungsfähig sei. Auch die von der Klägerin vorgelegte E-Mail der KBV vom 06.02.2019 stütze ihre Auffassung nicht. Das Gegenteil sei vielmehr der Fall. Laut den Ausführungen der KBV sei die GOP 05310 EBM beschränkt auf die Erbringung von Leistungen des Abschnitts 31.2 EBM bzw. 36.2 EBM. Die KBV habe in dieser E-Mail nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die GOP 05310 EBM nicht berechnungsfähig sei, wenn eine Narkose bei einem zahnärztlichen Eingriff erforderlich sei oder im Zusammenhang mit anderen diagnostischen und therapeutischen Eingriffen außerhalb des Abschnitts 31.2 EBM bzw. 36.2 EBM stehe.

Gegen das ihr am 13.05.2019 zugestellte (und durch Beschluss vom 25.06.2019 berichtigte) Urteil hat die Klägerin am 13.06.2019 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Sie verweist auf ihren bisherigen Vortrag und führt zusammenfassend aus, die vom SG vorgenommene Wortlautauslegung gehe fehl, da bei der Auslegung der GOPen und den diesen vorangestellten Allgemeinen Bestimmungen auch der systematische Kontext zu berücksichtigen sei. Das SG habe nicht berücksichtigt, dass es sich hier um einen Sonderfall handele, nämlich, dass ein Operateur (Kieferchirurg mit doppelter Approbation, vertragsärztlicher und vertragszahnärztlicher Zulassung) Operationen nach Kapitel 31 EBM erbringe. Die jeweilige Operation werde durch die dazugehörige OPS-Kodierung definiert. Sei der OPS-Kode im Anhang zu Kapitel 31 EBM enthalten, handele es sich um eine Operation nach Kapitel 31 EBM. Hieraus ergebe sich die Richtigkeit der Abrechnung der GOP 05310 EBM durch den Anästhesisten.

 

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30.04.2019 und den Richtigstellungsbescheid der Beklagten vom 17.07.2017 (Quartal 1/2017) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.10.2017 im Hinblick auf die Richtigstellung der GOP 05310 EBM aufzuheben.

 

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist vollumfänglich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen sowie auf die Ausführungen im Urteil des SG. Die GOP 05310 EBM sei für eine präanästhesiologische Untersuchung bei einer ambulanten oder belegärztlichen Operation der Abschnitte 31.2 EBM bzw. 36.2 EBM berechnungsfähig. Dabei umfassten Operationen nach den Abschnitten 31.2 EBM bzw. 36.2 EBM lediglich solche Operationen, die im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erbracht und abgerechnet würden. Dies ergebe sich insbesondere auch aus der von der Klägerin selbst angeführten Präambel 31.2.1 EBM. Dort werde unter den Ziffern 2 und 7 ausdrücklich auf den Vertragsarzt und die Zulassung abgestellt. Bei ihrer Argumentation, es sei nicht die Art der Abrechnung entscheidend, übersehe die Klägerin, dass sie nicht nur keine Leistung nach dem Abschnitt 31.2 EBM bzw. 36.2 EBM über die Beklagte abgerechnet habe, sondern auch keine derartige Leistung erbracht habe. Rechne die Klägerin die entsprechende Operation über die Kassenzahnärztliche Vereinigung ab, müsse sie diese auch im Rahmen der kassenzahnärztlichen Versorgung erbracht haben. Ansonsten wäre eine Abrechnung über die Kassenzahnärztliche Vereinigung nicht möglich. Würde man der Argumentation der Klägerin folgen, dürfte die GOP 05310 EBM auch abgerechnet werden, wenn diese eine Operation nach Abschnitt 31.2 EBM bzw. 36.2 EBM im Rahmen der privatärztlichen Versorgung erbracht hätte. Dass dies nicht zutreffen könne, liege auf der Hand. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus dem von der Klägerin angeführten systematischen Vergleich mit Kapitel 31.5.3 EBM. Einerseits gehe es vorliegend nicht um die Erbringung und Abrechnung von Narkosen. Andererseits sei für einen systematischen Vergleich kein Raum. Der Wortlaut der Leistungslegende zur GOP 05310 EBM sei eindeutig.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

1. Der Senat konnte über die Berufung in der mündlichen Verhandlung vom 30.03.2022, zu der der Klägerbevollmächtigte ordnungsgemäß geladen worden ist, trotz Abwesenheit des Klägerbevollmächtigen und der Klägerin entscheiden, da auf diese Möglichkeit in der Ladung hingewiesen worden ist (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

2. Der Senat entscheidet in der Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Psychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 <SGG>).

3. Die gemäß § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung gemäß § 144 Abs. 1 SGG, weil der Beschwerdewert von 750,00 € überschritten ist.

4. Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht in vollem Umfang abgewiesen.

Gegenstand der Klage ist der Bescheid der Beklagten vom 17.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.10.2017 soweit die Beklagte für das Quartal 1/2017 die Richtigstellung der GOP 05310 EBM vorgenommen hat, denn die Klägerin hat ihr Begehren insoweit beschränkt.

Die als isolierte Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 17.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.10.2017 ist - soweit er hier zur Überprüfung steht - rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat zu Recht die GOP 05310 EBM im hier streitigen Quartal 1/2017 sachlich-rechnerisch in den Fällen richtiggestellt, die in der Anlage zum Richtigstellungsbescheid näher bezeichnet sind. In all diesen Fällen waren die Voraussetzungen der Leistungslegende der GOP 05310 EBM nicht erfüllt.

Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellung für das Quartal 1/2017 ist § 106d Abs. 2 S. 1 HS 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V; in der ab 01.01.2017 geltenden Fassung des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes vom 16.07.2015, BGBl. I S.1211). Gem. § 106d Abs. 1 SGB V stellt die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts – mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots –, erbracht und abgerechnet worden sind (BSG, Urteil vom 15.07.2020 - B 6 KA 13/19 R - und Urteil vom 16.05.2018 - B 6 KA 16/17 R -, beide in juris). Eine sachlich-rechnerische Richtigstellung ist insbesondere dann angezeigt, wenn die abgerechneten Leistungen nicht die Vorgaben des EBM erfüllen (BSG, Urteil vom 16.05.2018 - B 6 KA 16/17 R -, in juris).

 

Die streitige GOP 05310 EBM hat folgenden Wortlaut:

„Präanästhesiologische Untersuchung bei einer ambulanten oder belegärztlichen Operation der Abschnitte 31.2 bzw. 36.2

 

Obligater Leistungsinhalt

— Überprüfung der Narkosefähigkeit des Patienten,

— Aufklärungsgespräch mit Dokumentation,

 

Fakultativer Leistungsinhalt

— Auswertung ggf. vorhandener Befunde,

— In mehreren Sitzungen, einmal im Behandlungsfall.

Für die Berechnung der Gebührenordnungsposition 05310 sind die Bestimmungen der Abschnitte 31.2 bzw. 36.2 zu beachten.

Die Gebührenordnungsposition 05310 ist nicht neben den Gebührenordnungspositionen 01220 bis 01222, 01440, 01510 bis 01512, 01520, 01521, 01530, 01531, 01852, 01856, 01903, 01913, 02100, 02101, 02342, 05360, 05361, 05371, 30710, 30712, 30720 bis 30724, 30730, 30731, 30740, 30751 und 30760 berechnungsfähig.

Die Gebührenordnungsposition 05310 ist im Behandlungsfall nicht neben den Gebührenordnungspositionen 31840, 3841, 36840 und 36841 berechnungsfähig."

Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungs- und Abrechnungsbestimmungen ist in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 25.11.2020 - B 6 KA 14/19 R – und Urteil vom 16.5.2018 - B 6 KA 16/17 R -, beide in juris). Dies beruht zum einen darauf, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Normgebers des EBM, des Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs. 1 SGB V, ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des EBM als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse bzw. Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Leistungstatbestände ist dann, wenn der Wortlaut eines Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es einer Klarstellung bedarf (BSG, Urteil vom 25.11.2020 - B 6 KA 28/19 R -, in juris, Rn. 20 m.w.N.). Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in Betracht, kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben (vgl. zu alledem BSG, Urteil vom 16.05.2018 - B 6 KA 16/17 R -, in juris, Rn. 19 m.w.N.). Soweit der Wortlaut einer Leistungslegende des EBM für die ärztlichen Leistungen nicht eindeutig ist, können auch die der Leistung zugeordneten Kalkulations- und Prüfzeiten zur Auslegung herangezogen werden (BSG, Urteil vom 15.07.2020 - B 6 KA 15/19 R -, in juris). Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewendet werden (vgl. BSG, Urteil vom 13.02.2019 - B 6 KA 56/17 R -, in juris, Rn. 27). Diese Grundsätze gelten auch für Kostenerstattungstatbestände (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 18.08.2010 - B 6 KA 23/09 R -, in juris Rn. 11) und die den Vergütungsbestimmungen vorangestellten Allgemeinen Bestimmungen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11.09.2019 - B 6 KA 22/18 R -, in juris).

In Anwendung dieser Kriterien hat die Beklagte die streitige sachlich-rechnerische Berichtigung zu Recht vorgenommen, soweit die Klägerin im hier streitigen Quartal die GOP 05310 EBM abgerechnet hat.

Der Wortlaut der GOP ist eindeutig. Der Senat schließt sich den zutreffenden Ausführungen des SG im Urteil vom 30.04.2019 vollumfänglich an und sieht deshalb von einer weiteren eingehenden Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Aus der Berufungsbegründung ergeben sich keine neuen Gesichtspunkte. Lediglich ergänzend ist Folgendes auszuführen:

Aus der sich aus dem Wortlaut ergebenden engen Verknüpfung von präanästhesiologischen Untersuchungen mit ambulanten Operationen des Abschnitts 31.2 EBM oder belegärztlichen Operationen des Abschnitts 36.2 EBM ergibt sich, dass der Anästhesist die GOP 05310 EBM nur abrechnen kann, wenn auch der Operateur die GOP der Kapitel 31 und 36 EBM abrechnet. Bei den Operationen des MKG-Chirurgen, an denen der Anästhesist mitwirkt, muss es sich um ambulante Operationen im Sinne des Abschnitts 31.2 EBM - und damit im Sinne des § 115b SGB V - oder um belegärztliche Leistungen des Abschnitts 36.2 EBM - und damit im Sinne des § 121 SGB V - handeln. Dafür genügt es nicht, dass der MKG-Chirurg (auch) über eine Zulassung als Vertragsarzt verfügt. Vielmehr muss er die Operation, an der der Anästhesist mitwirkt, tatsächlich auf der Grundlage seiner vertragsärztlichen Zulassung und damit als vertragsärztliche Leistung erbringen und abrechnen. Wenn er dagegen als Vertragszahnarzt tätig wird und abrechnet, führt er keine ambulante Operation im Sinne des § 115b SGB V durch. Denn Vertragszahnärzte können keine ambulanten Operationen im Sinne von § 115b SGB V erbringen (jedenfalls solange für diese ein Vertrag nach § 115b SGB V nicht existiert, vgl. BSG, Urteil vom 25.11.2020 - B 6 KA 28/19 R -, in juris, Rn. 36). Damit wirkt auch der daran beteiligte Anästhesist nicht an einer ambulanten Operation im Sinne dieser Regelung mit und er kann deshalb seine Leistungen - auch nicht die vorbereitenden - nicht nach den GOP des Kapitels 31 EBM abrechnen (BSG, Urteil vom 25.11.2020 - B 6 KA 28/19 R -, in juris). Ein MKG-Chirurg kann ein und denselben Leistungsfall entweder allein vertragsärztlich gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung oder allein vertragszahnärztlich gegenüber der Kassenzahnärztlichen Vereinigung abrechnen. Er darf einen einheitlichen Behandlungsfall nicht in vertragsärztliche und vertragszahnärztliche Leistungen und damit in zwei Abrechnungsfälle aufteilen (vgl. Nr. 6.3 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM in der ab dem 01.04.2005 gültigen Fassung sowie Nr. 4 der Allgemeinen Bestimmungen des BEMA-Z). Dieses sog. Splittingverbot ist rechtmäßig (BSG, Urteil vom 04.05.2016 - B 6 KA 16/15 R -, in juris). Nichts Anderes gilt für belegärztliche Leistungen, die ebenfalls von Zahnärzten nicht erbracht und abgerechnet werden können (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2012 - B 6 KA 15/12 R -, in juris).

Aus diesem Grund kann auch der Anästhesist seine Leistungen nicht nach den für ambulante Operationen oder belegärztliche Leistungen geltenden besonderen Vergütungsbestimmungen im 31. oder 36. Kapitel EBM abrechnen, sondern wird auf die im 5. Kapitel EBM enthaltenen GOP verwiesen. Für die Abrechnung nach dem 5. Kapitel EBM bedarf es keiner Zuordnung zu einem bestimmten OPS-Kode. Eine solche Zuordnung wäre für die Kassenärztliche Vereinigung, gegenüber der der Anästhesist seine Leistungen abrechnet, im Übrigen auch kaum überprüfbar, wenn der Operateur seine Leistungen nach ganz anderen Grundsätzen gegenüber der Kassenzahnärztlichen Vereinigung abrechnet: Für die Abrechnung des Operateurs gegenüber der Kassenzahnärztlichen Vereinigung hat der Prozedurenkode des OPS-Schlüsselsystems keine Relevanz und gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung rechnet ein Operateur, der zahnärztliche Leistungen erbringt, nicht ab. Auch dieser Aspekt spricht dafür, die Klägerin auf die Abrechnung ihrer Leistungen nach Kapitel 5 EBM - hier GOP 05330 EBM - zu beschränken (vgl. BSG, Urteil vom 25.11.2020 - B 6 KA 28/19 R -, in juris).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

6. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

7. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 3, 47 Gerichtskostengesetz (GKG).

 

Rechtskraft
Aus
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