Bei der Gewährung einer Jahresendprämie ging es grundsätzlich nicht um eine allgemeine Ausschüttung finanzieller Mittel an alle Beschäftigten nach festen Sätzen. Weil die Prämie Instrument im „Kampf um die Planerfüllung“ sein sollte, sollte es in der Regel auf die Erfüllung der konkreten Planvorgaben ankommen. Die Bestimmung der von Juli 1968 bis Dezember 1982 gezahlten Jahresendprämie der Höhe nach auf ein Drittel eines durchschnittlichen Monatsverdienstes ist eine unzulässige Schätzung. Dass die Jahresendprämie mehr als ein Drittel betragen hat, ist mindestens genauso wahrscheinlich wie eine Jahresendprämie in dieser Mindesthöhe.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 4. April 2019 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat auch für das Berufungsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
Der Kläger strebt die Feststellung höherer Arbeitsentgelte für die Zeit von Oktober 1969 bis 1989 unter Berücksichtigung der jährlichen Jahresendprämien im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens an.
Der Kläger ist am . April geboren. Er schloss Ende Oktober 1958 sein Studium an der B S erfolgreich ab und ist – unstreitig – berechtigt, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen. Nach Abschluss des Studium arbeitete er als Ingenieur und Abteilungsleiter beim VEB . Seit April 1988 war er Mitglied der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR). Eine Versorgungszusage über die Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem erhielt er nicht.
Mit Feststellungsbescheid vom 11. Oktober 2001 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 31. Oktober 2012 – letzterer Bescheid war aufgrund eines Überprüfungsverfahrens ergangen – stellte die Beklagte die Zeit vom 1. Oktober 1958 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz fest und setzte entsprechende Arbeitsentgelte fest. Von 1961 bis 1964 sowie erneut von 1966 bis 1990 berücksichtigte die Beklagte zudem die sog. Bergmannsprämie; die Auszahlungsbeträge waren nach einer Auskunft des Unternehmens , der Verwalterin des Archivs des VEB des Klägers (nachfolgend: Archivgutverwalterin), ermittelt worden.
Am 20. Dezember 2013 beantragte der Kläger die Jahresendprämien für die bisher nicht nachweisbaren Jahre als glaubhaft gemachtes Entgelt nach § 6 Abs. 6 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) festzusetzen.
Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 10. Februar 2014 ab, ebenso mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2014 den vom Kläger eingelegten Widerspruch. Die begehrten zusätzlichen Arbeitsverdienste, das heißt die Jahresendprämien, seien nicht glaubhaft gemacht worden. Die Jahresendprämie sowie ihre Höhe sei von einer Vielzahl von Faktoren abhängig gewesen, die heute ohne entsprechende Unterlagen nicht nachvollzogen werden könnten. Eine pauschale Berücksichtigung erfolge nicht.
Der Kläger hat am 7. November 2014 vor dem Sozialgericht Cottbus Klage erhoben. Die vom Landessozialgericht in Chemnitz angewandte Schätzmethode zur Ermittlung und Berücksichtigung der Jahresendprämien müsse auch für ihn gelten. Auf der Basis des Bruttogehaltes des Vorjahres könne die Höhe seiner Jahresendprämie geschätzt werden.
Mit Urteil vom 4. April 2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Höhe der Jahresendprämie sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden.
Viel spreche schon dafür, dass es sich bei der Jahresendprämie gar nicht um ein Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 6, 8 AAÜG handele. Bereits der Gesetzgeber der DDR habe eine steuerrechtliche und eine versorgungsrechtliche Berücksichtigung dieser Prämien ausgeschlossen. Die Prämien seien seinerzeit nicht lohnsteuerpflichtig gewesen. Zudem seien sie damals aufgrund der Rechtslage bei der Sozialversicherung und auch bei der Zusatzversorgung unberücksichtigt geblieben. Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 23. August 2007 – B 4 RS 4/06 R – dem Grunde nach die Jahresendprämie als Bestandteil des nach § 6 Abs. 1 AAÜG festzustellenden Entgeltes anerkenne, folge das Gericht dieser Auffassung nicht. Zusätzliche Zahlungen des Arbeitgebers seien vielmehr nach den Bestimmungen des AAÜG nur dann festzustellen, wenn hierdurch bereits in der DDR ein Anspruch auf Altersvorsorge erworben oder eine entsprechende Anwartschaft begründet worden sei, unstreitig sei dies hier jedoch nicht der Fall gewesen. Dass die Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigen besser als seinerzeit in der DDR stehen sollten, sei nicht Sinn und Zweck des AAÜG. Vielmehr solle nur erreicht werden, dass die damaligen Ansprüche und Anwartschaften ungeschmälert unter den gesetzlichen Rahmenbedingungen der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt würden. Arbeitsentgelte, die seinerzeit von Gesetzes wegen zu keinerlei höheren Altersversorgungsansprüchen geführt hätten, könnten auch im Nachhinein nicht zum Genuss zusätzlicher Rentenansprüche führen.
Gleiches gelte für die (hier nicht streitgegenständliche) von der Beklagten berücksichtigte sog. Bergmannsprämie. Bereits der Gesetzgeber der DDR habe ihre versorgungsrechtliche Wirkung ausgeschlossen. Daran habe der Gesetzgeber nichts ändern wollen.
Letztlich könne dies alles jedoch offen bleiben. Denn dem Kläger sei mit den Ermittlungen der Beklagten und des Gerichtes nicht der Nachweis oder auch nur die Glaubhaftmachung des Zuflusses einer jährlichen Jahresendprämie gelungen. Die Prämie sei von normativen Voraussetzungen abhängig gewesen; in der Lebenswirklichkeit der DDR seien diese normativen Umständen auch zur Geltung gekommen. Erforderlich sei, dass im Einzelnen nachgewiesen werde, dass die gesetzlichen Voraussetzungen in jedem Jahr vorgelegen haben und dem Betroffenen die Prämie dann auch tatsächlich zugeflossen ist. Der Kläger habe den tatsächlichen Zufluss der Prämien nicht glaubhaft machen können. Unterlagen zu den Zahlungen von Jahresendprämien und deren Höhe für die Jahre 1968 bis 1989 habe er nicht vorlegen können. Es sei schon bezeichnend, dass der Kläger offenbar selbst nicht wisse, wie hoch die tatsächlichen Zahlungen denn nun gewesen sein sollen. Vielmehr habe er sich nur auf allgemeine Erklärungen ehemaliger Vorgesetzter über die Zahlungsweise berufen, in denen freilich über konkrete Zahlungen gar nichts ausgesagt worden sei. Die Darstellung eines allgemeinen Ablaufs und die Schilderung einer allgemeinen Verfahrensweise genüge nicht, um den konkreten Zufluss eines bestimmten, genau zu beziffernden Geldbetrages für einen bestimmten Zeitraum nachzuweisen; das Vorhandensein einer schlichten Möglichkeit reiche nicht aus. Eine Schätzung der Höhe komme ebenfalls nicht in Betracht. Dies habe das Bundessozialgericht bereits mehrfach entschieden.
Das Urteil ist dem Kläger am 23. April 2019 zugestellt worden.
Am 21. Mai 2019 hat der Kläger Berufung eingelegt. Der Zufluss und die Höhe der Jahresendprämie seien aufgrund der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Zeugenerklärungen der ehemaligen Kombinatsleitung des VEB („Patzig-Erklärung“) und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im sozialgerichtlichen Verfahren glaubhaft gemacht.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 4. April 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, einmalig gezahltes Arbeitsentgelt (Jahresendprämie) für die Jahre 1969 bis 1989 zusätzlich zu den bisher festgestellten Entgelten festzustellen, sowie den Bescheid vom 11. Oktober 2001 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 31. Oktober 2012 entsprechend abzuändern.
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, einmalig gezahltes Arbeitsentgelt (Jahresendprämie) für die Jahre 1969 bis 1983 (Zeitpunkt des Zuflusses) in Höhe von einem Drittel eines Zwölftel des bisher festgestellten Entgeltes des vorgegangenen Kalenderjahres im Rahmen der Glaubhaftmachung nach § 6 Abs. 6 AAÜG zusätzlich zu den bisher festgestellten Entgelten anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger mache keine substantiell neuen Tatsachen geltend. Die „Berechnungen“ nach der sog. Patzig-Erklärung seien in Wirklichkeit keine Berechnungen, sondern Schätzungen. Es sei nicht überwiegend wahrscheinlich, dass jeder Beschäftigte im Betrieb des Klägers eine Jahresendprämie nach dem gleichen Prozentsatz vom Bruttogehalt erhalten habe. Vielmehr seien seinerzeit Differenzierungen nicht nur üblich, sondern gefordert gewesen. Zudem sei spätestens ab 1983 der Durchschnittsbruttolohn gar nicht mehr Ausgangspunkt der Berechnung der Jahresendprämie gewesen.
Soweit das Sozialgericht in dem ersten Teil der Begründung nicht entscheidungstragend in Divergenz zu der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geraten sei, werde dies jedoch von der Beklagten nicht mitgetragen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge. Diese haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Berufung des Klägers ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Dass es dem Kläger im Ergebnis lediglich, wenn überhaupt, um minimalste monatliche Beträge geht, lässt das Rechtsschutzinteresse nicht entfallen.
Die Berufung ist aber unbegründet. Das Sozialgericht Cottbus hat mit Urteil vom 4. April 2019 die Klage zu Recht abgewiesen. Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist unbegründet. Der Bescheid vom 10. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2014 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger deshalb nicht in einem subjektiv-öffentlichen Recht (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der in Rede stehenden Jahresendprämien als erzieltes und zu berücksichtigendes Arbeitsentgelt.
Anspruchsgrundlage für das Änderungsbegehren ist § 44 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X -. Danach hat die Beklagte einen Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen, wenn bei seinem Erlass u. a. das Recht unrichtig angewandt worden ist. Die von der Beklagten mit Bescheid vom 11. Oktober 2001 (zuletzt geändert am 31. Oktober 2012) in der Fassung des Bescheides vom 10. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2014 getroffenen Feststellungen über die Höhe der vom Kläger erzielten Arbeitsentgelte sind rechtmäßig.
Zusätzliche Arbeitsentgelte werden nach § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG festgestellt. Danach hat der Versorgungsträger dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung nach Absatz 2 durch Bescheid bekanntzugeben. Versorgungsträger ist gemäß § 8 Abs. 4 Nr. 1 AAÜG die Beklagte. Inhalt der Mitteilung gemäß § 8 Abs. 2 AAÜG ist für den Kläger das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen. Dabei ist nicht jedes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen mitzuteilen, sondern gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG nur für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen für die Pflichtbeitragszeiten. Als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung gelten gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist. Der Begriff des Arbeitsentgelts bestimmt sich nach § 14 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – SGB IV – (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 30. Oktober 2014 – B 5 RS 1/13 R –, Rn. 15 in juris m. w. N.).
1. Unabhängig vom Vorliegen der weiteren Anspruchsvoraussetzungen, deren Vorliegen das Sozialgericht mit bedenkenswerten Erwägungen abgelehnt hatte, steht hier jedenfalls die Zuerkennung und die Höhe der (möglicherweise) gezahlten Jahresendprämien nicht mit hinreichender Sicherheit fest, auch glaubhaft gemacht worden ist dies nicht. Dies geht zu Lasten des Klägers. Denn er trägt hierfür die Feststellungs- bzw. objektive Beweislast, also das Risiko bzw. den Nachteil, dass sich diese Tatsache nicht beweisen und feststellen lässt (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 – B 5 RS 4/16 R –, Rn. 14 in juris).
a. Es steht nicht zur vollen Überzeugung des Senats fest, ob und in welcher Höhe Jahresendprämien an den Kläger gezahlt wurden.
Grundsätzlich ist der Tatbestand öffentlich-rechtlicher Normen gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nur dann erfüllt, wenn er im Vollbeweis, das heißt zur vollen Überzeugung im Sinne einer subjektiven Gewissheit feststeht. Dabei sind grundsätzlich alle Erkenntnisgrundlagen bis zur Grenze der Zumutbarkeit auszuschöpfen (zum Umfang der Amtsermittlungspflicht aus § 103 SGG: BSG, Beschluss vom 2. März 2010 – B 5 R 208/09 B –; BVerwG, Urteil vom 26. August 1983 – 8 C 76.80 –, jeweils juris).
Dass die genaue Höhe der dem Kläger gezahlten Jahresendprämien nicht bewiesen ist, liegt auf der Hand und ist zwischen den Beteiligten wohl auch nicht strittig. Denn die vom Arbeitgeber geführten Listen, auf denen die Jahresendprämie vermerkt worden war und auf der der Kläger mit seiner Unterschrift den Empfang der bar ausgezahlten Prämie quittiert haben mag, sofern er sie denn erhalten hat, wurden nicht aufbewahrt. Der Kläger verfügt über keinerlei andere Unterlagen, mit denen er die Gewährung von Jahresendprämien belegen könnte. Nachweise, etwa in Form von Begleitschreiben, Gewährungsunterlagen, Beurteilungsbögen, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an den Kläger gezahlte Jahresendprämien kann er nicht vorlegen. Auch die Beklagte und das Gericht haben insoweit nichts ermitteln können.
b. Glaubhaft gemacht ist die Höhe der an den Kläger gezahlten Jahresendprämien ebenfalls nicht.
Gesetzliche Grundlage für die Abweichung vom Vollbeweis (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 – B 5 RS 4/16 R –, Rn. 14 in juris m. w. N.) ist § 6 Abs. 6 AAÜG. Danach wird der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird. Die Formulierungen „der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes“ ist prinzipiell weit und ermöglicht es, die Glaubhaftmachung dieses Verdienstteils sowohl auf dessen Höhe als auch auf dessen Zufluss oder auf beides zu beziehen (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 – B 5 RS 4/16 R –, Rn. 15 in juris). Gemäß § 202 SGG i. V. m. § 294 Zivilprozessordnung (ZPO) kann sich, wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden. Nach § 23 Abs. 1 SGB X ist eine Tatsache als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Es kann auch die Versicherung an Eides statt zugelassen werden.
Überwiegende Wahrscheinlichkeit heißt, dass die gute Möglichkeit besteht, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen (BSG, Beschluss vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 B –, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4). Überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordert mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Es reicht die „gute Möglichkeit“ aus, das heißt, es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber aber einer das Übergewicht zukommen (Sächsisches Landessozialgericht [LSG], Urteil vom 18. Dezember 2018 – L 5 RS 720/17 –, Rn. 35 in juris).
aa. Gemessen an diesem Maßstab vermag der Senat nichts zur Höhe einer an den Kläger gezahlten Jahresendprämie zu sagen. Die Höhe ist vielmehr ungewiss. Vom ehemaligen Arbeitgeber ist nichts mehr für eine Glaubhaftmachung zu erlangen, wie die Archivgutverwalterin überzeugend erklärt hat. Eine Versicherung an Eides statt liegt nicht vor, der Kläger hat auch keine so detaillierte Erinnerung, um eine solche Versicherung abgeben zu können. Der Einlassung des Klägers lässt sich zur konkreten Höhe der an ihn gezahlten Jahresendprämie ebenfalls nichts entnehmen. Nach seiner Einlassung ist noch nicht einmal sicher, wann die Jahresendprämie an ihn ausgezahlt wurde. Zu der Höhe der Prämie weiß er gar nichts vorzutragen und meint, ein „Schätzwert“ in Höhe von 70 Prozent des monatlichen Bruttogehalts sei ein „faires Angebot“. Es liegt jedoch auf der Hand, dass dies für eine Beitragsbemessung nicht genügt; diese ist nicht auszuhandeln.
bb Die vom Kläger ins Feld geführte Zeugenerklärung der Kombinatsleitung des VEB reicht ebenfalls nicht zur Glaubhaftmachung aus. Denn sie steht im Widerspruch zu den insoweit einschlägigen Regelungen in § 118 Abs. 2 Arbeitsgesetzbuch der DDR (AGB-DDR) (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. Januar 2019 – L 33 R 24/17 –, Rn. 35 in juris). In ihrer Pauschalität belegt sie die konkret dem Kläger gezahlten Jahresendprämien nicht, weil sie die Minderungsmöglichkeiten nach § 117 AGB-DDR außer acht lässt (LSG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 15. Dezember 2021 – L 3 R 231/18 WA –, Rn. 60; vom 24. Januar 2019 – L 33 R 24/17 – und vom 25. Mai 2016 – L 16 R 238/14 –, Rn. 18 in juris). Es ist nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass dies in dem hier vorliegenden konkreten Einzelfall aufgrund besonderer Umstände anders zu beurteilen ist.
Darüber hinaus fehlt es im Ergebnis an geeigneten Kriterien, an denen die konkrete Höhe einer dem Grunde nach tatsächlich bezogenen Jahresendprämie beurteilt werden kann. Der vom Kläger zuletzt behauptete Maßstab, nämlich der durchschnittliche Bruttomonatslohn, war nach DDR-Recht gerade nicht Basis zur Berechnung einer Jahresendprämie. Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass nach damaligem Verständnis das „Erfordernis des sozialistischen Leistungsprinzips“ zu einer Differenzierung der Jahresendprämie führte. Der Senat ist davon überzeugt, dass es bei der finanziellen Würdigung der Jahresendprämie grundsätzlich nicht um eine allgemeine Ausschüttung finanzieller Mittel an alle Beschäftigten nach festen Sätzen, sondern um die Erfüllung der konkreten Planvorgaben ging, die Prämie sollte ein, wie es seinerzeit hieß, Instrument im „Kampf um die Planerfüllung“ sein (vgl. ausführlich Sächsisches LSG, Urteil vom 18. Dezember 2018 – L 5 RS 720/17 –, Rn. 59 ff in juris), mit anderen Worten: steuernde Wirkung entfalten. Nachzuweisen oder auch nur glaubhaft zu machen, dass derartige Vorstellungen vor Ort in seinem Betrieb überhaupt keine Rolle spielten und gewissermaßen nur auf dem Papier standen, ist dem Kläger nicht gelungen.
c. Dass der Kläger in der Zeit von 1969 bis 1983 ausnahmslos Jahresendprämien in Höhe von einem Drittel seines durchschnittlichen Monatsverdienstes erhalten hat, ist ebenfalls nicht glaubhaft gemacht.
Nach einer vereinzelt vertretenen Ansicht kommt für die Zeiträume von Juli 1968 bis Dezember 1982 eine Glaubhaftmachung der Höhe nach von dem Grunde nach glaubhaft gemachten Jahresendprämien in Betracht, und zwar in einer Mindesthöhe von einem Drittel des durchschnittlichen Monatsverdienstes. Dies folge aus den in dieser Zeit geltenden Verordnungen (unter anderem) zur Verwendung des Prämienfonds (etwa Sächsisches LSG, Urteile vom 27. Januar 2022 – L 7 R 507/21 ZV und vom 6. November 2018 – L 5 RS 870/17 –, Rn. 61 ff in juris).
aa. Die Annahme einer allgemeinen Mindesthöhe genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine Glaubhaftmachung im Einzelfall. Es handelt sich in Wirklichkeit um eine (konservative) Schätzung der Höhe der Jahresendprämie. Dass der Kläger eine höhere Jahresendprämie erhalten hat, erscheint mindestens genauso wahrscheinlich wie eine finanzielle Anerkennung lediglich in der Mindesthöhe. Der Kläger selbst stellt ja bezeichnenderweise die Berücksichtigung eines deutlich höheren Betrages als „faires Angebot“ in den Raum. Die Höhe der Jahresendprämie zu schätzen, ist aber unzulässig (s. Urteil vom 10. März 2022 - L 17 R 471/19 -; vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 – B 5 RS 4/16 R –, Rn. 16 ff; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. Dezember 2021 – L 3 R 231/18 WA –, Rn. 62; jeweils juris). Nicht ein Mindestbetrag ist glaubhaft zu machen, sondern die konkrete Höhe des Verdienstes und damit der Jahresendprämie: Nur dieser ist maßgeblich für die Rentenberechnung.
Der Rückgriff auf einen Mindestbetrag erhöht lediglich den in § 6 Abs. 6 AAÜG normierten Abschlag von fünf Sechsteln auf einen unbekannten Betrag, gerade weil keine Glaubhaftmachung der konkreten Summe möglich ist. Das Bundessozialgericht führt zum (insoweit gleichgelagerten) Ausschluss der Schätzbefugnis gemäß § 287 ZPO aus: § 6 Abs. 6 AAÜG regelt als vorrangige und bereichsspezifische spezielle Vorschrift die vorliegende Fallkonstellation (ein Verdienstteil ist nachgewiesen, ein anderer glaubhaft gemacht) abschließend und lässt für die allgemeine Schätzungsbefugnis nach § 287 ZPO keinen Raum. Indem § 6 Abs. 6 AAÜG die Höhe des glaubhaft gemachten Verdienstteils selbst pauschal auf fünf Sechstel festlegt, bestimmt er gleichzeitig die mögliche Abweichung gegenüber dem Vollbeweis wie die Rechtsfolge der Glaubhaftmachung selbst und abschließend (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 – B 5 RS 4/16 R –, Rn. 19 in juris).
bb. Selbst wenn man aber dieser vereinzelten Ansicht folgte, hätte die Berufung gleichwohl keinen (teilweisen) Erfolg. Denn im Fall des Klägers fehlt es bereits an der Glaubhaftmachung dem Grunde nach, dass ihm in dem genannten Zeitraum ausnahmslos Jahresendprämien zugeflossen sind. Ohne dass glaubhaft gemacht ist, dass der Kläger Jahr für Jahr überhaupt eine Jahresendprämie erhalten hat, mangelt es schon an dem Ausgangspunkt der Mindesthöhenschätzung, die damit nicht möglich ist.
Für den Senat steht nicht fest, dass der Kläger immer die Jahresendprämie erhalten hat. Die Aussagen des Klägers hierzu sind ohne Substanz. Nicht einmal er behauptet ausdrücklich, dass er tatsächlich in allen Jahren ausnahmslos eine Jahresendprämie erhalten hat. Ende Dezember 2013 beantragte er etwa „Neufeststellung“ wegen Berücksichtigung der zusätzlichen Belohnung (Jahresendprämie), ohne Näheres darzulegen. Auch mit der Klage- und der Berufungsbegründung erklärt er nicht ausdrücklich, dass er immer und ausnahmslos die finanzielle Zuwendung erhalten hat. Auch Einzelheiten, wann und wie die Prämien damals an ihn ausgereicht worden sein sollen, schildert er nicht; zur genauen Höhe verhält er sich ebenfalls nicht. Dass der Kläger das vermeintlich unlautere Verhalten der Beklagten wiederholt und in deutlichen Worten bewertet, ersetzt nicht eigenen schlüssigen Sachvortrag.
Der Kläger ist zudem unglaubwürdig. Selbst wenn man annimmt, er habe konkludent, also zwischen den Zeilen, angegeben, er habe tatsächlich zwischen 1969 und 1983 bzw. 1989 jährlich eine Jahresendprämie bezogen, änderte dies nicht an dem Ergebnis.
Die Zweifel des Senats an der Glaubwürdigkeit des Klägers ergeben sich aus der Tatsache, dass er in der mündlichen Verhandlung der Berufung das Protokoll einer Zeugenaussage vom 31. Januar 2017 vorgelegt hat, die wohl vor dem Sozialgericht Cottbus erfolgt ist, und zu dessen Inhalt er behauptet hat, dass seinerzeit die Auszahlung der Jahresendprämie in bestimmter Höhe an ihn, den Kläger, Beweisthema gewesen sei. Nach näherer Prüfung des Gerichts steht aber fest, dass die Zeugenaussage in Bezug auf eine dort lediglich als „Kläger“ bezeichnete Person sich in Wahrheit gar nicht auf ihn, den hiesigen Kläger, bezogen hat, sondern auf einen ganz anderen Kollegen, weil sich der in der Zeugenaussage am Rande erwähnte berufliche Werdegang dieses Kollegen deutlich von dem des Klägers unterscheidet und mit der Tätigkeit des Klägers in einem bestimmten Zeitraum unvereinbar ist.
Bringt der Kläger aber Vorgänge, die erst kurze Zeit zurückliegen, durcheinander, dann hat das Gericht erhebliche Zweifel, ob seine Erinnerung zu den teils über fünf Jahrzehnte zurückliegenden Prämienzahlungen wirklich trägt, zumal er, wie dargelegt, keinerlei Einzelheiten hierzu nennt. Dies gilt umso mehr, als eine Aussage vor Gericht ein seltenes, ungewöhnliches Ereignis ist, an das man sich nach der Lebenserfahrung üblicherweise gut erinnern kann. Die falschen Angaben, mögen sie auch auf Vorhalt des Gerichts korrigiert worden sein, rechtfertigen deshalb für den Senat den Schluss, dass das Aussageverhalten des Klägers unzuverlässig ist und der Wahrheitsgehalt seiner Behauptungen von seinen prozessual verfolgten Interessen nicht ganz unbeeinflusst sein könnte. Für eine Glaubhaftmachung genügt dies nicht.
Weitere Ermittlungsansätze sind nicht einmal ansatzweise ersichtlich. Insbesondere lässt sich aus der Tatsache, dass anderen Klägern nach den Umständen der jeweiligen Einzelfälle die Glaubhaftmachung der zugeflossenen Jahresendprämie gelungen ist, für den Kläger nichts ableiten.
b. Auch der Hilfsantrag hat keinen Erfolg.
Es handelt sich bei diesem Antrag um einen unechten Hilfsantrag, weil der Antrag ohnehin als Minus im Hauptantrag enthalten ist. Denn es obliegt dem Gericht schon nach dem Hauptantrag, die Glaubhaftmachung der Jahresendprämie in den genannten Jahren umfassend zu prüfen. Danach gilt für den Hilfsantrag in der Sache nichts anderes als für den Hauptantrag.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (vgl. § 160 Abs. 2 SGG).