I. Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig nach § 1a Abs. 7 AsylbLG gekürzte Leistungen der Regelbedarfsstufe 1 vom 3. September 2021 bis 28. Februar 2022 zu gewähren, längstens jedoch bis zu einer bindenden Entscheidung in der Hauptsache. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Der Antragsgegner trägt ein Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
G r ü n d e :
I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen einen Bescheid, mit dem die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) nur gekürzt bewilligt worden waren.
Der 2003 geborene Antragsteller afghanischer Herkunft reiste im März 2021 nach Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Diesen lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit Bescheid vom 7. Juni 2021 als unzulässig ab. Der Antragsteller habe bereits in Rumänien einen Asylantrag gestellt. Im Rahmen der Anhörung hatte der Antragsteller ausgeführt, dass seine Schwester von einem Dorfbewohner im Heimatland vergewaltigt worden sei und es seitdem mit der anderen Familie eine Feindschaft gebe. Sein Onkel sei dabei getötet worden. Sein Vater hätte deshalb entschieden, dass der Antragsteller in die Türkei zu Verwandten reisen solle. Die Verwandten dort hätten die Weiterreise nach Deutschland organisiert, weil sie ihn nicht länger hätten versorgen und verstecken können.
Die Abschiebung nach Rumänien wurde angeordnet. Am 28. Juni 2021 teilte das BAMF mit, dass ein Antrag des Antragstellers auf vorläufigen Rechtschutz vom Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 22. Juni 2021 unanfechtbar abgelehnt worden sei. Die Abschiebungsanordnung sei seit diesem Tag vollziehbar.
Der Antragsgegner gewährte dem Antragsteller ab 30. April 2021 Leistungen nach dem AsylbLG in Höhe von monatlich 96,24 Euro. Am 1. Juli 2021 hörte der Antragsgegner den Antragsteller zu einer beabsichtigten Leistungskürzung an, da Rumänien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei.
Mit Bescheid vom 21. Juli 2021 schränkte der Antragsgegner die Leistungen nach dem AsylbLG ab 1. August 2021 ein und gewährte in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 für die Dauer von sechs Monaten nur noch unabweisbare Leistungen für Ernährung, Körper- und Gesundheitspflege, Unterkunft und Heizung als Sachleistungen.
Hiergegen legte der Antragsteller am 23. August 2021 Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden worden ist.
Am 3. September 2021 hat der Antragsteller durch seinen Prozessbevollmächtigten einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht München beantragt. Die Vorschrift des § 1a AsylbLG sei verfassungswidrig, weil sie das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verletze. Möglich sei zwar, die Inanspruchnahme von Sozialleistungen an Mitwirkungspflichten zu binden, welche geeignet sind, die Bedürftigkeit zu vermeiden oder zu überwinden. Migrationspolitische Erwägungen könnten aber die Absenkung der Leistungen unterhalb des Existenzminimums nicht rechtfertigen. Die Regelung müsse in Anlehnung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Sanktionen im Bereich des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) teleologisch dahingehend reduziert werden, dass eine Kürzung nur dann zulässig ist, wenn dem Betroffenen ein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen sei. Nur dann habe es der Leistungsempfänger selbst in der Hand, die Sanktionierung durch pflichtgemäßes Verhalten zu beenden. Daran fehle es hier. Eine Pflichtverletzung durch den Antragsteller liege nicht vor, insbesondere nicht durch die Einreise nach Deutschland. Im Bereich des § 1a Abs. 7 AsylbLG habe der Betroffene keinerlei Reaktionsmöglichkeit, die Vorschrift sei bereits deshalb nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Im Übrigen sei auch die starre Sanktionsdauer von sechs Monaten unverhältnismäßig.
Zudem sei auch die Regelung des § 3a Abs. 1 Nr. 2b, Abs. 2 Nr. 2b AsylbLG verfassungswidrig. Hier müsse als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal hinzukommen, dass ein tatsächliches "Füreinandereinstehen" vorliege und damit mehr als das bloße gemeinsame Wohnung in einer Aufnahmeeinrichtung. Ein alleinstehender Berechtigter nach dem AsylbLG in einer Sammelunterkunft habe in etwa den gleichen Bedarf wie ein alleinstehender Erwachsener in einer eigenen Wohnung. Einspareffekte wie bei Paarhaushalten würden in einer Gemeinschaftsunterkunft gerade nicht existieren. Zwar würden auch hier mehrere Personen Küche, Bad und Aufenthaltsräume teilen. Es würde aber an einem gemeinsamen Wirtschaften und damit an Synergieeffekten fehlen. Die Einschätzung des Gesetzgebers, dass eine Solidarisierung in der Gemeinschaftsunterbringung stattfinde, sei nicht haltbar.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 21. Juli 2021 anzuordnen sowie den Antragsgegner zu verpflichten, vorläufig ungekürzte Leistungen nach dem AsylbLG in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts wegen der Einzelheiten auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.
Statthaft sind sowohl ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bzw. teilweise Aufhebung der Vollziehung sowie ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung:
Gemäß § 11 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG entfalten Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, mit dem eine Einschränkung des Leistungsanspruchs nach § 1a AsylbLG festgestellt wird, keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Fällen, in denen der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon - so wie hier teilweise für August bis Oktober 2021 - vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht nach Abs. 2 Satz 1 die Aufhebung der Vollziehung anordnen.
Dabei entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Hauptsache sowie einer allgemeinen Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung. Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes und das private Interesse des Betroffenen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen, wobei zu beachten ist, dass der Gesetzgeber mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in § 39 SGB II dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung gegenüber dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub grundsätzlich Vorrang einräumt (vgl. Keller in Meyer-Ladewig SGG, § 86b Rn. 12c ff.).
Sind Widerspruch oder Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ohne weitere Interessenabwägung grundsätzlich abzulehnen, weil der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes kein schützenswertes Interesse des Bescheidadressaten entgegenstehen kann. Sind dagegen Widerspruch oder Klage in der Hauptsache offensichtlich zulässig und begründet, ist dem Antrag regelmäßig stattzugeben, weil dann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Interesse bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache Vorrang einzuräumen ist.
Hier war eine Leistungseinschränkung mit Bescheid vom 21. Juli 2021 nach § 1a Abs. 7 AsylbLG ab August 2021 verfügt worden. Im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz war deshalb der Bescheid bereits teilweise vollzogen, so dass es sich um einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sowie für den vergangenen Zeitraum auf Aufhebung der Vollziehung handelt.
Zudem begehrt der Antragsteller die Erweiterung seiner Rechtsposition, so dass zusätzlich ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG statthaft ist, da ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 21. Juli 2021 nicht vollständig zum Erfolg führen würde:
Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung kann nur dann zur Gewährung höherer Leistungen führen, wenn diese zuvor durch die Behörde für den streitgegenständlichen Zeitraum (hier: ab August 2021) bewilligt worden waren (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 17. August 2018, Az. L 8 AY 13/18 B ER). Dies war nicht der Fall, da der Antragsgegner auch in der Zeit vor August 2021 die Leistungen ebenfalls nur gekürzt bewilligt hatte, ohne dass zuvor eine ungekürzte Bewilligung ergangen worden war.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG wird eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (sog. Regelungsanordnung) erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Erforderlich hierfür ist die Glaubhaftmachung besonderer Eilbedürftigkeit, des sog. Anordnungsgrundes (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG i. V. m. § 920 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO) sowie des zu sichernden Rechtes, des sog. Anordnungsanspruchs, § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO. Es ist hierbei eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache bzw. eine Folgenabwägung durchzuführen. Dabei hat das Gericht die jeweils in Frage stehenden Grundrechte gegeneinander abzuwägen, damit eine Grundrechtsverletzung abgewendet wird. Soweit in der Kürze der Zeit im Eilverfahren die Sach- und Rechtslage nicht vollständig aufklärbar ist, so kann das Gericht auf der Grundlage einer Folgenabwägung über die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes entscheiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. August 2014, 1 BvR 1453/12, und Beschluss vom 6. Februar 2013, 1 BvR 2366/12). Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen. Ist eine der drohenden Grundrechtsverletzung entsprechende Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, etwa weil es dafür weiterer, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu verwirklichender tatsächlicher Aufklärungsmaßnahmen bedürfte, ist es von Verfassung wegen nicht zu beanstanden, wenn die Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auf der Grundlage einer Folgenabwägung erfolgt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Februar 2013, 1 BvR 2366/12). Übernimmt das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allerdings vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens und droht eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung der Beteiligten, sind die Anforderungen an die Glaubhaftmachung am Rechtsschutzziel zu orientieren, das mit dem jeweiligen Rechtsschutzbegehren verfolgt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. August 2014, 1 BvR 1453/12).
Beide Anträge nach § 86b SGG sind zulässig und teilweise begründet. Sowohl im Rahmen des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bzw. Aufhebung der Vollziehung als auch beim Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung war hier eine Folgenabwägung vorzunehmen. Denn aufgrund ungeklärter und schwieriger verfassungsrechtlicher Fragen, die im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes nicht geklärt werden können und müssen, ist eine abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache derzeit nicht möglich (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 14. Februar 2017, Az. 1 BvR 2507/16). Die Kammer hält es aber für überwiegend wahrscheinlich, dass die Leistungskürzung bzw. die Bewilligung der Regelbedarfsstufe 2 rechtlich nicht haltbar sind:
Leistungen nach dem AsylbLG erhalten gemäß § 1 insbesondere Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die
1. eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylgesetz besitzen,
1a.ein Asylgesuch geäußert haben und nicht die in den Nrn. 1, 2 bis 5 und 7 genannten Voraussetzungen erfüllen,
2.über einen Flughafen einreisen wollen und denen die Einreise nicht oder noch nicht gestattet ist,
3.eine Aufenthaltserlaubnis besitzen
a) wegen des Krieges in ihrem Heimatland nach § 23 Abs. 1 oder § 24 des Aufenthaltsgesetzes,
b) nach § 25 Abs. 4 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder
c) nach § 25 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes, sofern die Entscheidung über die Aussetzung ihrer Abschiebung noch nicht 18 Monate zurückliegt,
4.eine Duldung nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes besitzen,
5.vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist,
6.Ehegatten, Lebenspartner oder minderjährige Kinder der in den Nrn 1 bis 5 genannten Personen sind, ohne dass sie selbst die dort genannten Voraussetzungen erfüllen, oder
7.einen Folgeantrag nach § 71 des Asylgesetzes oder einen Zweitantrag nach § 71a des Asylgesetzes stellen.
O. g. Leistungsberechtigte haben nach § 1a Abs. 1 AsylbLG ab dem auf den Ausreisetermin folgenden Tag keinen Anspruch auf Leistungen nach den §§ 2, 3 und 6 AsylbLG, es sei denn, die Ausreise konnte aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, nicht durchgeführt werden. Ihnen werden bis zu ihrer Ausreise oder der Durchführung ihrer Abschiebung nur noch Leistungen zur Deckung ihres Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege gewährt. Nur soweit im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, können ihnen auch andere Leistungen im Sinne von § 3 Abs. 1 S. 1 AsylbLG gewährt werden. Die Leistungen sollen als Sachleistungen erbracht werden.
Wurde bei diesen Leistungsberechtigten ein Asylantrag durch eine Entscheidung des BAMF als unzulässig abgelehnt und eine Abschiebung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 zweite Alternative Asylgesetz angeordnet, erhalten sie nur Leistungen entsprechend Absatz 1, auch wenn die Entscheidung noch nicht unanfechtbar ist. Dies gilt nicht, sofern ein Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung angeordnet hat.
Die Anspruchseinschränkung ist gemäß § 14 Abs. 1, Abs. 2 AsylbLG auf sechs Monate zu befristen. Im Anschluss ist die Anspruchseinschränkung bei fortbestehender Pflichtverletzung fortzusetzen, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen der Anspruchseinschränkung weiterhin erfüllt werden.
Der Antragsgegner hatte hier ab August 2021 die Leistungen entsprechend gekürzt, da der Asylantrag des Antragstellers durch das BAMF als unzulässig abgelehnt worden war. Ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hiergegen war vom Verwaltungsgericht unanfechtbar abgelehnt worden.
Zweck der zum 21. August 2019 durch das Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht (BGBl I 2019, 1294) eingefügten Vorschrift des § 1a Abs. 7 AsylbLG ist nach der Gesetzesbegründung, die Ausreisepflicht besser durchzusetzen und unerwünschte Sekundärmigration zu verhindern (vgl. BT-Drucks. 19/10047). Eine Leistungskürzung erfolgt dann auch, wenn die Entscheidung über den Asylantrag wie vorliegend noch nicht unanfechtbar ist.
Fraglich ist hier, ob die Regelungen des § 1a AsylbLG mit dem geltenden Verfassungsrecht in Einklang zu bringen und an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu Sanktionen im Bereich der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu messen sind. In der Entscheidung vom 5. November 2019, Az. 1 BvL 7/16, war das Gericht zum Ergebnis gekommen, dass verschiedene solcher Sanktionen verfassungswidrig seien, jedenfalls soweit sie eine Kürzung um mehr als 30% des Regelbedarfs betrafen. Danach sei eine Kürzung der Leistungen unterhalb des Existenzminimums nur dann verhältnismäßig, wenn es dem Betroffenen tatsächlich möglich ist, die Minderung durch eigenes zumutbares Verhalten abzuwenden und die existenzsichernden Leistungen wiederzuerlangen.
Das Bayerische Landessozialgericht vertritt die Auffassung, dass Sanktionen im SGB II nicht mit der Leistungskürzung nach § 1a AsylbLG vergleichbar sind. Denn die Regelung des § 1a AsylbLG erfülle den Zweck, Rechtsmissbrauch zu vermeiden. Das Bundesverfassungsgericht habe sich allein mit Mitwirkungspflichten befasst, die in engem Zusammenhang mit dem Nachrang- und Bedarfsdeckungsgrundsatz des SGB II stehen.
Im Bereich des Aufenthaltsrechts dürften die Leistungen nach dem AsylbLG nicht allein deshalb gekürzt oder verweigert werden, weil der Aufenthalt rechtswidrig ist oder mit dem Ziel, Migration einzuschränken. Vielmehr dürften fehlende Mitwirkungshandlungen nur dann sanktioniert werden, wenn der Aufenthalt allein aus Gründen der Verweigerung einer zumutbaren Mitwirkung durch die betreffende Person nicht beendet werden könne (vgl. Bay. LSG, Urteil vom 5. August 2020, Az. L 8 AY 28/19).
Die Kammer geht hier von einer notwendigen teleologischen Reduktion des § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG in verfassungskonformer Auslegung dahingehend aus, dass als weiteres ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein pflichtwidriges Verhalten des Betroffenen vorliegen muss (vgl. auch Sozialgericht München, Beschluss vom 10. Februar 2020, Az. S 42 AY 82/18 ER, Sozialgericht Landshut, Beschluss vom 28. Januar 2020, Az. S 11 AY 3/20 ER, Beschluss vom 23. Januar 2020, Az. S 11 AY 79/19 ER). Voraussetzung für die Leistungskürzung mit ein konkretes, selbst zu vertretendes ausländerrechtliches Fehlverhalten sein, das noch andauert.
Eine Pflichtverletzung ist nur dann vorwerfbar, wenn zuvor eine konkrete Anhörung erfolgt ist. Es muss dem Betroffenen eine angemessene Frist zur Beendigung des leistungsmissbräuchlichen Verhaltens werden, damit er die beabsichtigte Einschränkung der Leistungen durch eigenes Zutun noch abwenden kann. Hierbei muss er konkret erfahren, welches Verhalten von ihm verlangt wird (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 21. Dezember 2016, Az. L 8 AY 31/16 B ER). Dies ist hier am 1. Juli 2021 erfolgt. Dem Antragsteller ist mitgeteilt worden, dass er nach Rumänien zurückkehren muss.
Da die Voraussetzungen des § 1a Abs. 7 AsylbLG vorliegen, waren die Leistungen der Antragstellerin entsprechend zu kürzen. Es handelt sich hierbei um eine gebundene Entscheidung, der Behörde steht keinerlei Ermessen zu (vgl. auch Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. März 2020, Az. L 20 AY 48/19).
Grundlegenden Bedenken begegnet aber die Höhe der im Bescheid vom 21. Juli 2021 festgesetzten Leistungen: Nach Einschätzung der Kammer sind dem Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig (allerdings gekürzte, s. o.) Leistungen der Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren:
Der Antragsgegner hat die Berechnung des Bedarfs des Antragstellers nach der Regebedarfsstufe 2 gemäß § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG vorgenommen. Dies ist rechtswidrig:
Danach ist bei der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft im Sinne von § 53 Abs. 1 AsylG oder in einer Aufnahmeeinrichtung nach § 44 Abs. 1 AsylG für jede erwachsene Person ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen. Entgegen dem Wortlaut dieser Vorschrift kommt es dabei aber nicht ausschließlich darauf an, dass der Betroffene in einer Gemeinschaftsunterkunft oder Aufnahmeeinrichtung wohnt. Die Vorschrift ist dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass zusätzlich als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein tatsächliches "Füreinandereinstehen" der Bewohner gegeben sein muss. Der Gesetzgeber ging hier davon aus, dass sich beim Zusammenwohnen von alleinstehenden Erwachsenen Einspareffekte aus dem gemeinsamen Wirtschaften in Bezug auf Haushaltsausgaben ergeben. Wie auch bei Paarhaushalten könne angenommen werden, dass Wohnraum gemeinsam genutzt, im Haushalt vorhandene Gebrauchsgüter gemeinsam angeschafft und Einkäufe von Verbrauchsgütern zusammen getätigt werden. In Anlehnung an die Bedarfsstufe 2 im Bereich der Grundsicherung würde es sich auch hier um ein gemeinsames Wirtschaften "aus einem Topf" handeln. Zudem würde eine sog. "Schicksalsgemeinschaft" zwischen den Bewohnern bestehen, die es erlaube bzw. gebiete, Synergie- und Einspareffekte zu erzielen.
Maßgeblich ist hier zu beachten, dass ein alleinstehender Berechtigter nach dem AsylbLG es nicht selbst in der Hand hat, eine (Paar-) Beziehung zu anderen Bewohnern einzugehen mit der Konsequenz, für die anderen auch finanziell einstehen zu wollen. Hierfür ist zusätzlich die Bereitschaft auch der anderen Bewohner notwendig. Zudem kann eben gerade nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass die nur zufällig und ungewollt in der Sammelunterkunft zusammenlebenden Personen automatisch gemeinsam einkaufen und wirtschaften. Hierfür ist nicht zuletzt entscheidend, dass Sprachbarrieren, kulturelle Differenzen, Mentalitätsunterschiede, gegenseitige Fremdheit und unterschiedliche familiäre Situationen es besonders schwierig machen, mit der "Schicksalsgemeinschaft" sofort gemeinsam einen Haushalt zu organisieren. Nur im Einzelfall ist es möglich, dass zwischen Bewohnern auch ein "Füreinandereinstehen" gegeben ist und hierfür ausreichende Anhaltspunkte vorliegen (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 18. Mai 2021, Az. L 8 AY 122/20).
Die Kammer ist hier der Auffassung, dass in der Person des Antragstellers kein Wirtschaften aus einem Topf mit anderen Bewohnern anzunehmen ist. Das Zusammenleben dort gleicht nicht einmal dem einer Wohngemeinschaft, bei der üblicherweise auch die Frage des "Füreinandereinstehens" verneint wird. Nachweise für entsprechende Annahmen fehlen.
Im Ergebnis ist deshalb die Leistungskürzung an sich nicht zu beanstanden, wohl aber die Festsetzung der Regelbedarfsstufe 2. In der Konsequenz ergeht die verfassungsrechtlich gebotene Folgenabwägung zugunsten des Antragstellers. Daher ist die aufschiebende Wirkung gegen den Kürzungsbescheid vom 21. Juli 2021 anzuordnen bzw. die bereits teilweise erfolge Vollziehung aufzuheben. Denn es stehen existenzsichernde Leistungen im Streit, so dass dem Antragsteller andernfalls die Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung des Existenzminimums droht (Art. 1 Abs. 1 GG i. V .m. Art. 20 Abs. 1 GG).
Dem Antragsteller sind ab Antragstellung bei Gericht am 3. September 2021 bis 28. Februar 2022 nach § 1a Abs. 7 2 AsylbLG gekürzte Grundleistungen der Regelbedarfsstufe 1 nach §§ 3, 3a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 AsylbLG vorläufig zu gewähren, längstens jedoch bis zu einer bindenden Entscheidung in der Hauptsache.
Der Antragsteller wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die im einstweiligen Rechtsschutz erlangten Leistungen nur vorläufig zugesprochen sind. Wenn im nachfolgenden Hauptsacheverfahren festgestellt wird, dass der Leistungsanspruch doch nicht besteht, dann sind die im einstweiligen Rechtsschutz erlangten Leistungen zu erstatten.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache selbst.